5. Hotel

»Ach komm schon, Dennis.«

»Ich wohne wirklich nicht weit weg. Das ist wirklich nicht nötig!«

»Aber es spricht doch auch nichts dagegen! Komm schon, wir haben uns ewig nicht mehr gesehen und ab morgen bin ich wieder in anderen Städten. Schlaf bei mir im Hotel. Du weißt, dass das keine Anmache ist.«

Ja, das wusste ich, und vielleicht lag genau da das Problem. Miks Anwesenheit elektrisierte mich förmlich und jede noch so kleine Berührung von ihm bereitete mir Gänsehaut. Ich genoss seine Anwesenheit genau so sehr wie früher und hatte Angst, dass genau das mir zum Verhängnis werden würde. Wie Mik selbst schon sagte, war er schließlich nur diese eine Nacht in der Stadt. Und trotzdem konnte ich Miks Hundeblick nicht widerstehen, hatte ich noch nie gekonnt. Ich seufzte.

»Na gut.«

Miks Lippen verformten sich zu einem Grinsen.

»Danke.«

*

Das Hotel lag tatsächlich nur wenige Straßen von der Bar entfernt, in der wir gewesen waren und als wir schließlich alle zusammen im Aufzug standen und nach und nach in jedem Stockwerk ein Teil des Teams ausstieg, schien sich niemand zu wundern, warum ich mit ins Hotel und nun auf Miks Zimmer gekommen war.

Als letztes verabschiedete sich Ali von uns, der zwei Türen vor Miks Zimmer stehen blieb und als Mik sein eigenes Zimmer mit seiner Schlüsselkarte öffnete und wir leise eintraten, strömte mir sofort eine Wand aus Mik-Duft entgegen. Ich grinste.

»Wie lange warst du vor dem Konzert denn bitte schon hier? Es riecht nach dir.«

»Echt? Sorry.« Mik wirkte verlegen.

»Brauchst dich nicht entschuldigen. Es riecht gut. Nach Parfum und Shampoo und ... benutzt du ein anderes Deo als früher?«

Mik lachte leise auf.

»Keine Ahnung?«

»Doch, tust du. Ich riech es doch.«

»Du bist verrückt.«

Ich lachte leise.

»Ich weiß.«

»Komm her.«

Mik klopfte neben sich auf das große Doppelbett, auf dem er sich eben hingelegt hatte, und ich ließ mich vorsichtig neben meinem besten Schulfreund nieder, legte meinen Kopf auf dessen Schulter ab und musste unwillkürlich grinsen, als Mik begann, mit den Spitzen meiner Haare zu spielen. Es fühlte sich genauso an wie früher.

»Ich hab dich vermisst, Babyboii.«

Ich lachte leise in mich hinein.

»Ich dich auch. Aber nenn mich nicht so!«

Mik lächelte.

»Doch, tue ich. Ich werde dich auch immer so nennen.«

Dieses eine Wort weckte so viele Erinnerungen in mir, dass ich es für einen Moment kaum begreifen konnte. Mik hatte mich schon früher so genannt, mich damit aufgezogen und geneckt und diese ironische Bezeichnung auch beibehalten, als wir zusammen waren. Und auch danach hatte er mich noch so genannt, noch genauso liebevoll wie stets zuvor und genauso provozierend ironisch. Und auch, wenn ich mich immer aufgeregt hatte, dass Mik mich nicht so nennen sollte, gefiel es mir eigentlich mehr, als ich zugeben wollte und auch Mik wusste, dass meine Proteste gegen diesen Kosenamen nie wirklich von ganzem Herzen gekommen waren, im Gegenteil.

»Hast du eigentlich ... Hattest du seit ... in den letzten Jahren nochmal so etwas?«

»Wie so etwas?«

Ich drehte meinen Kopf in Miks Richtung, betrachtete aufmerksam seine so vertrauten und doch leicht veränderten Gesichtszüge.

»So eine Freundschaft, wie wir sie hatten.«

»Nein.«

Ich begann, mit meinen Fingerspitzen die Falten von Miks T-Shirt nachzufahren.

»Ich hatte weder jemanden, mit dem ich so gut befreundet war wie wir früher, noch hatte ich seitdem eine Beziehung, wenn es das ist, was du wissen willst.«

Mik grinste leicht, begann, sanft an meinen Haarsträhnen zu zupfen.

»Beides. Ich wollte beides wissen.«

Einen kurzen Moment lang bleib es stumm.

»Und du?«

Mik schüttelte den Kopf.

»Nein und nein. Weder, noch. Ich habe wirklich coole Freunde gefunden, du hast sie je heute kennen gelernt«, ich nickte, »aber mit niemandem war es so wie mit dir.«

Ich lächelte.

»Würde ich auch gar nicht wollen. Unsere Freundschaft war nicht ersetzbar.«

»Stimmt.«

Eine ganze Weile lang lagen wir bloß schweigend da, hingen unseren Gedanken nach und genossen die Anwesenheit des jeweils Anderen, Mik spielte weiterhin mit meinen Haaren und ich hatte, ohne es zu bemerken, mich mit einer Hand an sein T-Shirt geklammert, bis Mik sich irgendwann leicht aufrichtete.

»Du kannst mich gleich wieder in Beschlag nehmen, aber lässt du mich kurz aufstehen?«

Verlegen richtete ich mich auf und auch Mik setzte sich hin, um sein Shirt und seine Hose abzustreifen und sich nur in Boxershorts wieder hinzulegen. Ich tat es ihm gleich und kroch zu meinem besten Freund unter die Decke, die er einladend für mich hochgehalten hatte.

Mik grinste, als ich mich wortlos wieder an ihn kuschelte, wie wir es früher immer getan hatten. Seine Haut war warm und irgendwie weich für die eines Mannes und als Mik wieder einen Arm um mich legte und mich so ein Stück näher an sich zog, fühlte ich mich so wohl und geborgen wie schon lange nicht mehr.

*

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich nicht mehr an Mik gekuschelt da, sondern etwa einen halben Meter neben ihm auf der Matratze. Ich musste lächeln, als ich sah, dass Miks Hand auf meinem Unterarm lag, als würde er mich festhalten wollen. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr und stellte erleichtert fest, dass es noch früh war. Eine Weile lang lag ich einfach nur da und betrachtete meinen früheren besten Freund, fasziniert von der Schönheit dieses schlafenden Jungen und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.

Ich mochte Mik, immer noch, und er mich auch, so viel war klar.

Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob dieses »mögen« sich, zumindest bei mir, auch auf mehr als eine einfache Freundschaft bezog, aber ich konnte es auf keinen Fall mehr ausschließen. Ja, ich war vielleicht, nicht immer noch, aber wieder, in meinen besten Schulfreund verknallt. Was Mik betraf wusste ich nicht, was er selbst fühlte, aber zumindest freundschaftlich schien er mich mindestens noch zu mögen. Und ich wollte Mik gerne wieder häufiger sehen, mit ihm in Kontakt bleiben, dessen war ich mir sicher. Aber ob und in wie fern das überhaupt möglich war, war mir bis jetzt unklar. Ja, viel mehr noch. Mik würde in wenigen Stunden erneut aufbrechen, heute Abend schon hatte er sein nächstes Konzert in der nächsten Stadt und er würde wahrscheinlich eine ganze Weile, mindestens bis Ende der Tour, keine Zeit mehr finden, um sich noch einmal mit mir zu treffen. Ich seufzte lautlos. Ich hatte meinen besten Freund wieder getroffen, um festzustellen, dass ich vielleicht immer noch oder wieder in ihn verliebt war, aber in dem Wissen, dass wir uns kaum so schnell wieder würden treffen können. Herzlichen Glückwunsch.

»Schau nicht so böse.«

Überrascht sah ich zu Mik, der die Augen geöffnet hatte und mich sanft lächelnd betrachtete. Seine Morgenstimme war noch kratzig und rau von der Nacht. Ich grinste.

»Ich schau nicht böse, tut mir leid.«

Trotz dem, dass Mik gerade erst aufgewacht zu sein schien, zog er mich nun mit einem Arm wieder näher zu sich, sodass ich erneut die Wärme spüren konnte, die von seinem Körper ausging. Sanft drückte Mik seine Lippen auf meine Stirn, sagte ansonsten aber kein Wort.

»Wann musst du los?«, unterbrach ich irgendwann die Stille.

»Um zehn. Wir haben noch zwei Stunden.«

Ich nickte.

»Ich werde die nächsten Tage ... ich mein' ...«

Mik atmete tief ein und aus.

»Ich fände es schade, wenn wir wieder den Kontakt verlieren würden. Willst du mich nach der Tour besuchen kommen irgendwann? Ich würde mich freuen.«

Ich seufzte. Ich wollte nichts lieber als das, und dennoch wäre es nicht fair, das Angebot anzunehmen und Mik dabei zu verschweigen, was ich vielleicht fühlte. Ich wollte ihn nicht anlügen.

»Mik, ich ... Kommt darauf an. Ich ... Mik, wenn wir uns wieder sehen ... ich würde vielleicht mehr als nur Freundschaft wollen. Wenn ... Wenn du das nicht willst, dann ist das vollkommen okay, wirklich. Aber wenn du trotzdem willst, dass ich komme, dann nichts lieber als das.«

Für einige Sekunden blieb Mik einfach stumm und betrachtete mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, bevor er wieder begann, mit seinen Fingern durch meine Haare zu fahren.

»Natürlich. Wie gesagt, ich würde mich freuen, wenn du mich nach der Tour besuchst. Vielleicht für ein paar Tage, wenn du frei bekommst. Es ist einfach ... wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Ich habe dich vermisst.«

Ich lächelte. Mik schien es nicht zu stören, dass ich vielleicht wieder etwas von ihm wollte, im Gegenteil. Er wollte trotzdem, dass ich ihn besuchte, er lag trotzdem hier und umarmte mich und kuschelte mit mir. Wortlos schmiegte ich mich ein Stück näher an den Dunkelhaarigen und vergrub mein Gesicht leise brummend in seiner Halsbeuge. Eine leichte Gänsehaut legte sich über meine Haut, als ich Miks weiches Lachen hörte, dicht gefolgt von seinen sanften Lippen in meinem Nacken.


* * * * *

»Du bist süß, wie du dich darüber aufregst.«

»Hallo?«, Dennis' Stimme klang empört, »Ich bin nicht süß!«

Mik grinste, lachte leise.

»Doch, du bist süß.«

»Nein. Und natürlich reg ich mich auf, wenn du mich so nennst.«

»Wenn ich dich wie nenne?«

Mik grinste frech, tat auf unwissend.

»Mik!«

»Babyboii?«

»Hör auf! Nenn mich nicht so!«

»Ich nenne dich, wie ich will!«

Inzwischen konnte der ältere ein Lachen nicht mehr unterdrücken und ehe Dennis sich versehen hatte, wurde er vom Gewicht seines besten Freundes auf die Matratze gedrückt und von Mik durchgekitzelt, bis er nur noch erschöpft nach Luft schnappen konnte.

»Ist gut! Ist gut. Ich kapituliere. Du hast gewonnen.«

Triumphierend grinste Mik und ließ den zappelnden Dennis endlich zur Ruhe kommen, behielt aber trotzdem seine Position auf seiner Hüfte sitzend bei.

»Wehe, du nennst mich so vor meinen Freunden. Die werden mich nie wieder ernst nehmen.«


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Hayho, Leute!

Wie versprochen heute noch ein zweites Kapitel als kleines Geburtstagsgeschenk.

Die Flashbacks sind übrigens in chronologischer Reihenfolge.

Ansonsten hoffe ich, es hat euch gefallen? Feedback würde mich wie immer wahnsinnig freuen :)

Liebe Grüße, minnicat3

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