Talks ~ Küsten-Tanne 🌲🍂
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~Talks - Das Küsten-Tannen-Date~
von LoonaFright
Küsten-Tanne - Abies grandis
~ Goldener Oktober, Waldkauz, Eichel (Frucht der Eiche), mitternachtsblau, knobeln~
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„Nimms mir nich übel, C, aber du musst auch mal raus. Hier drin wirst du dich nur in deinen Gedanken verlieren." Ezra klang so belehrend, was mich überraschte. Normalerweise hatte er die Begabung vieles ein wenig ins Lächerliche zu ziehen, um die Situation aufzuheitern. Oder er hatte selber etwas, was ihn belastete und überspielte es, das tat er häufig.
„Ich hab keinen Bock unter Menschen zu gehen, was wenn-"
„Was wenn,... Cole, wir saßen, zählt man beide Lockdowns zusammen, knapp ein Jahr in der Wohnung fest."
„Will trotzdem nicht."
„Mir egal", konterte er und verschwand in der Küche. Kurz schaute ich ihm nach. Nach wenigen Sekunden trat er mit einem Picknickkorb auf den Flur, vor mir blieb er stehen. „Ich hab bereits alles gepackt und wir werden nicht unter Menschen sein. Wir gehen in einen kleinen Wald hier in der Nähe. Da gibts ne schöne Lichtung und ein See."
„Ab-"
„Ich nehme keine Widersprüche von dir entgegen. Wir machen das jetzt."
Noch bevor ich antworten konnte, drückte er mir meine Winterjacke gegen die Brust und schaute mich fordernd an. Sein Blick war so intensiv, dass ich meine weiteren Widersprüche hinunterschluckte. Vielleicht war Ablenkung genau das Mittel, was ich benötigte, um wieder normal leben zu können. Wenn auch ohne Familie, aber ich hatte Ezra. Und auf eine schräge Art und Weise war er meine Familie. Ich wusste, dass ich immer auf ihn zählen konnte.
Einige Minuten später, gingen wir durch die Straßen. Die Blicke einiger Passanten brachten mich dazu, dass ich mich unwohl führte. Aber Ezra, der meine Hand nahm und sanft drückte, vertrieb dieses Gefühl. Nachdem wir durch die Stadt gegangen waren, durch den Südteil, eröffnete sich mir ein kleiner Wald mit in den Himmel ragenden Bäumen.
Ezra führte mich direkt hinein, als wäre es selbstverständlich. Zwischen den Bäumen schlängelte sich ein schmaler Pfad entlang, den wir passierten. Ich hatte keine Ahnung, durch wie viele Bäume wir uns drängelten, aber nachdem die Dämmerung langsam hereingebrochen war, blieb er stehen. Ich löste meine Hand von seiner und schob sie tief in meine Jackentasche.
Der Anblick war überwältigend. Der See hatte durch die Dämmerung einen mitternachtsblauen Farbton angenommen, lediglich der Vollmond spiegelte sich darin.
„Der Ort ist genial!"
„Oder?" Er stieß mich auffordernd in die Seite. Im nächsten Moment schlang er seinen Arm um mich und zog mich an sich. „Ich liebe diesen Ort, vor allem im goldenen Oktober."
„Goldener Oktober? Existiert, das Wort überhaupt?"
„Natürlich, habs vorhin extra noch gegoogelt. Im Übrigen sind es zwei Wörter. >Gold< und >Oktober<, da beide existieren, kann man sie in einen Zusammenhang packen. Ich kann auch bunter November, Disco Oktober oder Party Juli sagen."
„Ich hasse deine Klugscheißergene...", brummte ich, schmiegte meinen Kopf gegen seine Schulter und ließ mich von ihm Halten. Seit der Nachricht, dass der Einzige, der mir von meiner Familie noch wichtig war, verstorben war, war es, als würde ich ein neues Leben aufbauen müssen.
„Los, breite die Decke aus", hauchte er in mein Ohr und schob mich sanft von sich. „Kuscheln steht auch auf dem Plan, aber erst später."
„Wann?"
„Nachdem wir Eicheln für Eichhörnchen gesammelt haben, den Waldkauz da oben beim Füttern seines Babys beobachtet haben und ein wenig geknobelt haben. Gekuschelt wird dann unter der Küstentanne, auch genannt Abies grandis. Hier in Kanadischen Wäldern sehr verbreitet und das interessante ist ihre Pyramidenform."
„Wow, du hast ja alles geplant..."
„Klar. Unser erstes Date war im Lockdown aufm Balkon und das hier soll dich aufheitern. Ungeplant komm ich da nicht weit."
„So kompliziert bin ich gar nicht."
„Aber anspruchsvoll", konterte Ezra und grinste mich frech an. „Hey."
„Los jetzt, C." Widerwillig bückte ich mich, nahm die Decke aus dem Korb und breitete diese auf dem Boden aus. So wirkte das Ganze viel bequemer, obwohl absolut nicht die übliche Jahreszeit für ein solches Picknick war.
„Nicht hinsetzen! Wir sammeln jetzt Eicheln und legen sie vor den Baum, in dem das Eichhörnchen lebt."
„Warum?" Nie wäre ich auf solch eine schräge Idee gekommen, so etwas zu tun.
„Du sollst sehen, wie die sich freuen und es bringt dich auf andere Gedanken."
Ezras Einwurf überzeugte letztlich auch mich. Ganz egal wie oft ich mit Baloo draußen war und im Wald oder auf dem Feld, mit Waldtieren und Eichhörnchen hatte ich mich nie auseinandergesetzt. Diese jetzt aus der Nähe zu sehen, reizte mich. Zu beobachten, wie sie die Eicheln hin und her schleppen oder aufknacken.
„Meinetwegen."
Seine Mundwinkel hoben sich leicht an und er zog mich euphorisch an der Hand hinter sich her. Er wusste, dass meine Laune momentan sehr schwankend war, wahrscheinlich war er deshalb so vorsichtig. Einerseits bestimmend, aber auch irgendwie auf der Hut. Aber ich nahm es ihm nicht übel, ich wusste, dass ich sehr gewöhnungsbedürftig war und mich nur wenige aushielten.
Das Ezra noch da war, bedeutete mir eine Menge.
Er nahm mich bei der Hand und führte mich in das kleine Waldstück hinter ihm. Einige Eichen ragten in die Höhe und gemeinsam mit mir sammelten wir Eicheln und legten sie auf einen Haufen. Zwischendrin huschte sein Blick immer wieder den Baum empor. Irgendwo dort oben sei das Zuhause des Eichhörnchens hatte Ezra gesagt.
Während wir die Eicheln sammelten, blieb Ezra ernst. Er versuchte nicht krampfhaft die Situation aufzulockern oder wurde extrem albern.
Später lagen wir auf der Decke und starrten in den Himmel hinauf. Sein Körper war direkt an meinem und er griff nach meiner Hand, in welcher er unsere Finger miteinander verschränkte.
Der Himmel war in einem mitternachtsblau, lediglich die wenigen Sterne, die durch die Wolken schimmerten, erhellten den Himmel.
„Wollten wir nicht noch knobeln?", fragte ich in die Stille hinein.
„Ja, aber gerade will ich einfach die Ruhe genießen. Außerdem seh ich dir an, dass du Redebedarf hast..."
„Ich-"
„Nur wenn du willst, ich will nicht, dass du dich zu irgendetwas zwingst. Das hast du letztes Mal und weißt du wie es geendet ist?"
Ich schluckte, auch wenn es nur Wörter waren, holten sie unseren Beziehungsbruch wieder hoch- an dem hauptsächlich ich schuld war.
„Ich hab dir nie gesagt, wie Leid mir das tut oder?", fragte ich fast flüsternd.
„Nein, aber mir gezeigt und ich hab zeigen lieber als Worte. Wörter können gelogen sein, aber deine Handlungen sprechen die Wahrheit. Sonst würdest du nicht mit mir hier liegen."
Ich drehte meinen Kopf zu ihm, auch wenn ich nur seine Seite sah und seine blonden Haare, die durch die Dunkelheit dunkler wirkten, als sie waren. „Er hatte mir versprochen mir zu helfen ein eigenes Leben aufzubauen, wollte uns als Familie wieder zusammenbringen und noch so vieles mit mir machen und dann stirbt er einfach... und ich war nicht mal auf der Beerdigung!"
„Du hattest deine Gründe, die ich auch voll verstehen kann, ich wäre an deiner Stelle auch nicht zur Beerdigung gegangen. Mein Angebot steht noch immer: Ich gehe gerne mit dir auf den Friedhof und für alles andere bin ich auch da."
„Ich weiß..."
„Für alle- ich mein das ernst, Cole."
„Ich bin froh, dass wir wieder zusammengefunden haben."
Ich wollte das Gespräch nicht weiter vertiefen, lieber wollte ich auf andere Gedanken kommen. Ezra, der sanft meinen Handrücken streichelte, half mir dabei. „Gehen wir schwimmen?" Seine Bewegung stoppte und er wandte seinen Kopf direkt zu mir. „Nein und du auch nicht! Ich hab keine Lust, dass du krank wirst. Es gibt ganz viele Methoden, ohne krank zu werden. Film? Spiel?"
„Irgendwo hab ich ein Knobelspiel. Tabu oder so...", überlegte ich laut. Und entlockte Ezra ein Lächeln. „Siehst du, davon wird man nicht krank", erwiderte Ezra, löste seine Hand und zog mich schneller halb auf mich, als ich gucken konnte.
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