Ghost Tree ~ Ghost Tree 👻🌳🍂

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~ Ghost Tree ~

von HeyaMishSanu

Ghost Tree - Corymbia dallachiana

~ Kürbis, Purzelbaum, Gummistiefel, avocadogrün, spekulieren~

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Der Lärm von Fahrzeugen durchdringt die Stille im Outback, die sonst nur vom Rauschen des Windes gestört wird. Ich warte darauf, dass er vorbeizieht, wie er es immer tut. Dies ist kein Fleck zum Verweilen. Man fährt vorbei und bestaunt mich, hält vielleicht an um ein Foto von mir zu machen, und verschwindet wieder. Aber diesmal hält man direkt neben mir an, steigt aus, umrundet mich. Was hat man vor?

"Alles klar Leute, ihr könnt schon mal abladen und den Bagger startklar machen." Zwei Männer nähern sich dem mittelgroßen Baum, sehen sich den Stamm an und umrunden ihn mit piependen und surrenden Messgeräten. Andere messen einen gleichmäßigen Abstand zu dem Baum aus und stecken ihn ab. Schaufeln werden vorsichtig in die Erde gesteckt, um den kargen und trockenen Boden zu entfernen und die Wurzeln frei zu legen. Schnell kommen sie bei der harten Arbeit und in der Hitze hier draußen ins Schwitzen.

"Kann mir jemand sagen, wieso unser Auftraggeber ausgerechnet so einen krüppeligen Baum haben will? Krumm und schief gewachsen ist er eher ein Strauch als ein Baum. Zehn Kilometer weiter östlich gibt es einen schönen, gerade gewachsenen Baum der Gattung Corymbia Dallachiana." Der zweite Mann kichert. "Darüber kann ich nur spekulieren, aber da bei unserem Auftraggeber der Herbst und Halloween vor der Tür steht, ist er wohl nicht an einem schönen sondern eher an einem unheimlichen Geisterbaum interessiert. Er wird bestimmt der Mittelpunkt seiner Party."

Was machen die da? Sie graben mich aus? Haben sie keine Angst vor mir? Haben die hiesigen Aborigines sie nicht gewarnt? Sie haben sogar Zelte aufgestellt und einen Wohnwagen. Bleiben die über Nacht?

Es wird dunkel und die Männer legen Werkzeug und Messgeräte an die Seite und versammeln sich um ein Lagerfeuer. "Warum wollte uns keiner dieser Eingeborenen helfen? Ich dachte die verdienen sich gern was dazu in dem sie Touristen aller Art bei was auch immer zur Hand gehen." Die Frage wird von einem anderen Mann beantwortet der sichtlich genervt ist von dieser Situation. "Oh, sie helfen dir bei jeder Jagd, egal ob du Fotos oder Trophäen schießen willst. Aber sobald sie von unseren Plänen mit diesem Baum hörten, haben sie ihre Götter angerufen und sich zurückgezogen."

Ein Dritter meldet sich zu Wort und gibt seiner Stimme dabei einen gruseligen Klang. "Es heißt, einer ihrer Ahnen ist ins Outback gegangen um ein Abenteuer zu erleben und dort gestorben. Über seinen Knochen sei dieser Baum gewachsen. Man sagt, bei Gewitter kann man ihn im Blitzlicht an dem Baum stehen sehen." Verhaltenes Lachen und verstohlene Blicke machen die Runde aber ihr Anführer winkt nur ab. "Na dann ist es ja gut, dass für die nächsten Tage kein Gewitter vorausgesagt wurde."

In der Nacht, als alle schlafen, gehe ich zu ihnen, berühre sie an der Stirn und besuche sie in ihren Träumen. Sie haben vor mich vorsichtig zu behandeln und am Leben zu erhalten. Das ist gut. Sie wollen mich auf eine Reise schicken und verschiffen. Na das verspricht aufregend zu werden und ein Wort klingt in mir nach. Endlich.

"Uah, Boss, siehst du das?" Der Baum ist ausgegraben und mit ausreichend Wurzeln verpackt und aufgeladen. Die Anderen versammeln sich ebenfalls um das Loch, das nun offen daliegt. "Sieh mal einer an, Knochen. Jetzt bedauere ich fast, dass es nicht gewittert hat." Die Männer schaudern und nur die wenigsten teilen die Neugier ihres Bosses. "Nun, wir sollten es uns nicht mit den hiesigen Geistern und Einwohnern verscherzen. schaufelt genug Erde darüber, damit der Tote weiter in Ruhe ... naja eben ruhen kann. Und dann auf nach Brisbane."

Ich stehe neben den Männern und starre auf die Knochen. Ich erinnere mich plötzlich daran einst an sie gebunden gewesen sein, doch das ist Ewigkeiten her. Als sich der weiße Stamm gen Himmel reckte und begann, sich in alle Richtungen auszustrecken, ging ich mit ihm. Die ersten Blätter streckten sich an dünnen Ästen in alle Richtungen aus wie Finger und Hände an Armen. Kegelförmige Knospen bildeten sich doldenartig an ihnen und platzten wie Wattebäuschchen auf. Nach ihrer Bestäubung bildeten sich urnenartige Früchte aus die bald darauf verharzten und irgendwann abfielen. Der Kreislauf wiederholte sich jedes Jahr, der Baum wurde größer und stärker, doch ich ließ nicht zu, dass er sich gen Himmel streckte. Dank mir bog er sich und beugte sich statt gerade zu wachsen. Ich wollte nicht nach oben.

"Vorsichtig jetzt, der Baum ist ein Vermögen wert." Mit einem Kran wird der gut verpackte Baum auf ein Schiff verladen und vertäut. Geld wechselt die Hände, weitere Ware lagert schon lange im Bauch des Schiffes. Der Kapitän gibt das Signal, Leinen los, und das Schiff macht sich auf die Reise.

Der Boden schwankt und der Wind ist wilder und kälter. Im Bauch des Laderaums bekomme ich es nur wenig mit, aber ich ziehe neugierig los um das Deck zu erkunden. Die Besatzung ist unruhig und die abergläubischsten Vertreter unter ihnen beten jede Nacht für ihre Sicherheit. Sie sind leicht zu lesen und so suche ich sie in ihren Träumen heim, um mehr über das Schiff und seine Reise, unsere Reise zu erfahren.

"Ein Sturm zieht auf, prüft nochmal, ob die Ware fest verzurrt ist und sichert euch selbst an Deck." Die Männer erzittern, besonders die abergläubischen unter ihnen, die seit Tagen in ihren Träumen von einem Vertreter der Aborigines heimgesucht werden und die Geschichte des Baumes im Lagerraum kennen. Doch sie tun wie ihnen geheißen, es bleibt ihnen nichts anderes übrig.

Ich sehe die Matrosen übers Deck huschen, eingehüllt in avocadogrüne Regenjacken und Gummistiefel. Ich stehe am Bug und betrachte die raue See. Ich wollte immer mal das Land verlassen, habe von Abenteuern wie diesen geträumt. Ich bin so gespannt wohin mich diese Reise führt. Was ich über die Welt nicht weiß erzählen mir die Schlafenden in ihren Träumen.

"Hast du das gesehen?" Panik und Erstaunen ist in dem Schrei zu hören der übers Deck hallt. Ein Blitz schlug in einen Baum am Ufer ein und tauchte den Bug in ein schauriges Licht. In der Mischung aus Schatten und Licht erspähte der Matrose die Gestalt eines Aborigines, mit bloßen Füßen, nackter Haut und nur einem Lendenschurz bekleidet stand er da und starrte auf das Meer. Seine Kumpel lachen ihn aus doch er weiß, was er gesehen hat. Zum Glück ist der Zielhafen nah.

Oh, es ist kalt hier, aber auch aufregend und schön. Ich werde abgeladen und lande am Kai eines riesigen Hafens. So viele Menschen, so viele Schiffe, so viele Waren. Neugierig sehe ich mich um, wandere etwas in Richtung der Gebäude und der Zuschauer am Rand des Frachthafens. Dort gibt es auch Frauen und Kinder die neugierig und aus sicherer Entfernung das be- und entladen der Schiffe beobachten. Auf einem freien Platz schlägt ein Pantomime für seine interessierten Zuschauer einen Purzelbaum. Ich finde alle Informationen zu den neuen Erfahrungen in den offenen Geistern voller Phantasie der anwesenden Kinder, die mir auch ohne Schlaf den Zugriff darauf gewähren. Dann zieht es mich zurück zu meinen Wurzeln.

"Verdammt, seht zu dass ihr den Baum in den warmen LKW bekommt. Wenn der uns kaputt friert bevor er beim Kunden ankommt, bekommen wir keinen Penny." Neue Männer umringen den Baum, packen ihn warm ein und verladen ihn. Dann geht die Reise weiter. "Hast du gehört? Der Baum soll von einem Geist besessen sein." Der Fahrer lacht seinen Beifahrer aus. „Ja klar, ein halbnackter, australischer Eingeborener der die Träume der Menschen besucht und sich die unbekannte Welt erklären lässt. Hoffen wir mal, dass er sich in den kühlen Nächten von Los Angeles nichts abfriert.

Ich sitze zwischen den beiden und starre aus der Frontscheibe. Eine andere Welt, davon habe ich schon als kleiner Junge geträumt. Straßen, Häuser und jede Menge Gegend zieht an mir vorbei. Wir fahren auf einen Berg zu auf dem man riesige Buchstaben angebracht hat. Hier wohnen die Reichen und Schönen, die berühmten Stars und Sternchen, die Macher. Ich fühle mich glücklich und entspannt, zufrieden und bereit loszulassen. Aber noch steckt Leben in mir.

"Passt doch auf."

"Der Ballen ist zu groß. So passt er nicht in den Kasten!"

"Hey, wenn ihr die Wurzeln noch weiter kappt, dann stirbt euch der Baum noch weg."

"Was solls, solange er noch die Halloween Party heute Nacht überlebt ist mir das jetzt auch egal."

Ein riesiger Glaskasten mit einer kleinen, bepflanzbaren Mitte ist bereits für das Fest geschmückt. Der Baum ist das Highlight und was nicht passt wird halt jetzt passend gemacht. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich bin müde, aber auch neugierig. Neben mir steht ein ausgehöhlter Kürbis in den man eine Fratze geschnitten und eine Kerze gestellt hat. Ich setze mich, lehne mich an und spüre meine glatte weiße Borke an meinem Rücken. Das Leben entweicht mir und meine Augen fallen mir zu. In meinen Träumen sehe ich weiter die Menschen in Kostümen tanzen, lachen und trinken und ich stelle mir vor, dass ich mitten unter ihnen bin. Endlich hatte ich mein Abenteuer, meine Entdeckungsreise, mein großes Welterlebnis ohne das ich nicht gehen wollte. Jetzt ist es Zeit loszulassen.

"So ein besonderer Baum, gestorben für die sinnlose Prunksucht eines Filmmagnaten." Der Gärtner schaut bedauernd auf das tote Holz. Sein Kollege zuckt mit den Schultern. "So ist das nun mal. Immerhin war er der Renner. Hast du die Tweets gelesen? Das Netz ist voll von Berichten über ein Stammesmitglied der Aborigines dessen Geist um Mitternacht auf der Tanzfläche erschienen ist und später unter diesem Baum eingeschlafen sein soll."

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