Das Haus ~ Gemeines Pfaffenhütchen 🍁👒🍃

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~ Das Haus ~

von FanGirl_Love123

Gemeines Pfaffenhütchen - Euonymus europaeus

~ Bonbon, Blumenbeet, feixen, buttergelb, Himmel und Hölle (Hüpfspiel)~

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Nebel wabert über die dunklen Straßen, die nur einzeln von wenigen Laternen notdürftig beleuchtet werden. Mit meinen Fingern taste ich in meiner Jackentasche nach den in Papier verpackten Süßigkeiten. Mühsam wickle ich den Drops heraus und lasse das Papier nachlässig auf den Boden fallen. Ich schiebe mir den Bonbon in den Mund und genieße den leichten zitronigen Geschmack.

"Ich liebe kleine Kinder.", murmelt Elias mit vollen Mund neben mir, "Die Arbeitsverteilung ist wirklich super. Sie sammeln an Halloween die ganzen Süßigkeiten und wir nehmen sie ihnen dann freundlicherweise ab. Wollen ja nicht, dass die Scheißer zu dick werden. Und sie haben einfach viel zu große Angst vor uns, um aufzumucken. Das nenne ich mal perfekte Arbeitsteilung."

Zustimmend stupse ich ihn beim Laufen mit meiner Schulter an und werfe Markus über Elias Schulter hinweg ein Grinsen hinzu. Halloween war wirklich super für uns. Ich streiche mir eine blonde Strähne über die Schulter nach hinten und schiebe den Drops in meinem Mund auf die andere Seite. Ich halte nicht viel vom Verkleiden und davon so zu tun, als wäre man jemand anderes, doch wenn man Kindern Süßigkeiten klaut, ist genau das wirklich vorteilhaft.

Mein Blick wandert über die dunklen Straßen und bleibt an etwas vor uns hänge. "Oh. Guckt mal was da ist." Die beiden Jungs folgen meinem Blick und bleiben bei dem Kinderspiel hängen, welches mit Kreide auf den Boden gemalt wurde. "Himmel und Hölle.", murmelt Markus. Aufgeregt klatscht Elias in die Hände, "Wie wäre es, wir spielen und der Verlierer muss in das verlassene Haus gehen."

Ich hebe ablehnend eine Augenbraue, "Für solche Spiele sind wir doch wohl alle schon zu alt. Wir gehen einfach alle in dieses", ich betone das nächste Wort mit Gänsefüßchen, die ich in die Luft setze, "Horror-Haus. Warum auch immer du es so nennst. Schließlich ist niemand da drin je gestorben."

Zweifelnd gucken die beiden mich an. "Du willst, dass wir alle da hinein gehen?", gibt Elias mit einem Hicksen von sich. Unsere Blicke wandern über die dunklen Häuserfassaden und bleiben bei dem einzigen Haus hängen, welches aus unserer Position heraus fast vollständig von einem großen knorrigen Baum verdeckt wird. Die beiden zucken zusammen, als ich auf meinen Bonbon beiße und ein lautes Krachen ertönt. "Bist du irre, Helena?", jammert Elias und zerrt am Kragen seines Pullovers.

Feixend verschränke ich meine Arme vor der Brust, "Habt ihr etwa Angst?". Mein Blick wandert zu Markus, dessen Blick immer wieder von dem dunklen Haus zu mir wechselt. Seine Schultern drücken sich durch und er hebt sein Kinn. "Natürlich nicht. Das ist doch einfach nur ein Haus. Ich habe sogar gehört, wie Onkel Joe meiner Mutter von dem Pärchen erzählt hat, welches bald dort einziehen wird. Wie schlimm kann es da drin also bitte sein."

Zufrieden nicke ich und werfe Elias einen überheblichen Blick zu. Meine kalten Hände stecke ich in meine Jackentaschen, wo ich mit meinen Fingerspitzen nach einer weiteren Zuckerbombe taste. "Dann ist das abgemacht." Ich setze mich in Bewegung und werfe den Jungs über meine Schulter hinweg einen belustigten Blick zu, "Es sei denn ihr habt zu große Angst, dann könnt ihr natürlich auch einfach hier draußen auf mich warten." Brummend folgen sie mir.

Beschwingt davon die Macht über die beiden zu haben, laufe ich auf das große Zauntor zu, welches sich mit einem lauten Quietschen öffnet. "Du solltest dem alten Joe mal sagen, dass er das ganz dringend ölen sollte, bevor das Pärchen hier einzieht.", sage ich zu Markus, der zustimmend etwas vor sich hin murmelt.

"Wie sollen wir überhaupt hinein kommen?", zischt Elias, der immer wieder über die Schulter nach hinten guckt, "Dieser Baum ist verdammt gruselig. Riecht ihr das?". Wir halten inne und heben schnüffelnd unsere Nasen. Angeekelt verziehe ich das Gesicht, "Es riecht wie im Altersheim meiner Oma. Nach alten Leuten, die näher am Tod, als am Leben sind.".

"Im Haus wird es noch schlimmer riechen.", brummt Markus und schlägt den Kragen seiner Jacke nach oben, "Die vorherige Besitzerin war schon neunzig, bevor ihre Familie sie zu sich geholt hat. Onkel Joe musste anscheinend mehrere Tage die Fenster aufreißen und Dauerlüften, weil die Alte das nicht mehr hinbekommen hat."

Mein Blick wandert vom Haus zu dem großen grauen Baum, der im Sommer diese roten Früchte trägt. Es ist still, man hört in der Nacht nur uns drei etwas schwerfällig atmen. Alle anderen Geräusche sind verstummt. Kein Gehupe, kein Kinderlärm und noch nicht einmal Vögel, die sonst zu keiner Tageszeit ihren Schnabel halten könnten, geben einen Ton von sich. Auf meinen Armen breitet sich eine Gänsehaut aus. Ich gebe mir selbst einen Ruck und wende mich von diesem Ungestüm von Busch ab. "Wollen wir die ganze Nacht hier stehen, um diesen Baum und das Blumenbeet anzustarren oder wollen wir langsam mal ins Haus gehen?".

"Ich halte das für eine wirklich schlechte Idee.", gibt Elias leise von sich, während Markus sich auf die Suche nach dem Ersatzschlüssel macht. Augen rollend lehne ich mich an den Braunhaarigen, "Sei nicht so eine Memme. Wir wollen uns doch nur ein bisschen um gucken. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jemand die Bullen ruft."

Zögernd hebt er seine Schultern, "Ich kann es nicht genau beschreiben, aber ich habe das Gefühl, dass etwas schlimmes passieren wird. Wir haben alle genug Horrorfilme geguckt und sollten wissen, dass es nie eine gute Idee ist, mitten in der Nacht einfach in ein Haus einzusteigen."

Ich krame aus meiner Jackentasche einen weiteren Bonbon und drücke ihn Elias in die Hand. "Hier, iss! Dann hast du vielleicht mal etwas anderes zu tun, als dir Sorgen zu machen. Dir ist schon bewusst, wo wir leben oder? Das hier ist keine Kleinstadt mit nur hundert Einwohner. Auch wenn es ein Randbezirk mit vielen Familien ist, gehören wir zur Stadt. So einen Scheiß, wie in Horrorfilmen, passiert bei uns nicht."

"Es ist nur, wir machen genau das, wo wir laut protestierend vor dem Fernseher saßen und den Leuten zugerufen haben, dass sie Scheiße bauen. Du wirfst des Öfteren sogar mal mit Popcorn. Geht nicht in den Keller. Bleibt alle zusammen. Nein, du musst einem seltsamen Typen nicht etwas klauen, was ihm anscheinend sehr am Herzen liegt. Du willst nicht wirklich so eine Puppe haben und der Klassiker: Nein, ihr müsst nachts nicht in ein gruseliges Haus einsteigen.", brummend wickelt er das buttergelbe Papier vom Kaubonbon ab und lässt es fallen, "Seien wir ehrlich, ich sehe von uns allen am besten aus. Ich würde garantiert als Erstes draufgehen."

Mit einem lauten Triumphschrei unterbricht Markus unsere Unterhaltung. Siegessicher hält er einen Schlüssel hoch. "Der Gartenzwerg. War doch klar.", er lässt seine Augenbrauen wackeln, während er rückwärts auf die weiße Haustür zuläuft, "Dann lasst uns mal gucken, was sich dort drin befindet."

Jauchzend hake ich mich bei Elias runter und ziehe ihn mit mir hinterher. "Wann wollen die neuen Besitzer einziehen?", frage ich Markus, während ich staunend die neue Tür betrachte.

"Nächste Woche oder so. Der Typ ist anscheinend Wissenschaftler, sein ganzer Krempel wurde in den Keller getragen. Sollen wir Licht anmachen?".

Ich gebe ihm keine Antwort, sondern lege den Lichtschalter um. "Die Sicherung scheint draußen zu sein.", sagt Elias, als es dunkel bleibt, "Ist wahrscheinlich aber auch besser so. Wir wollen die Nachbarn ja nicht auf uns aufmerksam machen. Schließlich sollte das Haus leer stehen.".

"Was er wohl für ein Wissenschaftler ist?", murmel ich leise vor mich hin, während ich mich mit meiner Handy-Taschenlampe zu einer Kommode navigiere. Ich nehme einen Bilderrahmen in die Hand und betrachte das Pärchen darauf. "Sie sind hübsch."

Markus, der sich in der Zwischenzeit neben mich gestellt hat, berührt leicht mit seiner Schulter meine. "Weißt du, was noch hübsch ist? Du.". Seine Hand, in der er das Handy hält, legt er zu meiner auf die Kommode. Unsere kleinen Finger berühren sich zögerlich, bevor sie sich ineinander verhaken.

Bevor ich etwas darauf erwidern kann, ertönt ein Knarren. Wir halten inne und werfen uns einen panischen Blick zu. "Sag mir nicht, dass das Pärchen jetzt schon eingezogen ist.", zische ich Markus leise zu. Er zuckt mit seinen Schultern, "Onkel Joe hat irgendetwas von letzter Woche erzählt. Aber das ist ein altes Haus. Die geben nun einmal Geräusche von sich."

"Wir sollten gehen. Jetzt.", zischt Elias, der sich bereits Richtung Tür aufmacht. "Das war eine wirklich dumme Idee.", faucht er aufgebracht, als ein lautes Knarzen von der Treppe kommt und hastet schnell nach draußen, "Ich habe es von Anfang an gesagt."

Ich gebe zu, es war nicht eine meiner besten Ideen, doch so ein bisschen Adrenalin kann doch nicht schaden. Mit meinen Fingerspitzen angel ich mir einen neuen Bonbon, während ich in Gedanken nicht mehr an dieses seltsame Haus denke, sondern an den Moment zwischen Markus und mir. In letzter Zeit hat er immer wieder solche Sätze fallen gelassen und so langsam bekomme ich das Gefühl, dass er etwas von mir will. Gedanken verloren verlasse ich das Haus und wende meinen Kopf Richtung Himmel und gucke den Mond an, der sich hinter mehreren grauen Wolken versteckt, doch immer wieder hindurch schimmert.

"Scheiße." Wir drehen uns zu Markus um, der panisch seine Taschen abklopft und sich dann gegen die Stirn haut. "Ich habe mein Handy drin vergessen, ich muss noch einmal rein." Er wirft uns ein ironisches Lächeln zu, bevor er wieder ins Haus zurückgeht.

"Sollten wir hinterher?", frage ich laut und beiße mir auf die Unterlippe, "Ich meine, wie will er etwas ohne Handy sehen?". Schaudernd wickle ich mir die Jacke enger um.

"Wir haben uns getrennt.", murmelt Elias fassungslos und starrt die offene Tür an, "Wir haben eine der Horror-Film-Regeln gebrochen und uns getrennt. Wenn er jetzt stirbt sind wir Schuld." Sein Blick wandert zu mir und er zieht seine Augenbrauen zusammen, "Du hättest noch mehr Schuld als ich, schließlich wolltest du unbedingt da rein und wofür? Wir sind ja noch nicht einmal über das Wohnzimmer hinweg gekommen."

Abwehrend hebe ich die Hände. "Komm mal runter. Ich habe euch zu nichts gezwungen. Ihr seid freiwillig mit gekommen. Wie würde meine Mutter sagen, nur weil ich von der Brücke springe, müsst ihr mir noch lange nicht folgen."

"Wer soll von der Brücke springen?", ertönt es von der Haustür und erschrocken zucken wir zusammen. Mit großen Augen starren wir Markus an, der gerade hinter sich abschließt und den Schlüssel wieder im Gartenzwerg versteckt. "Du lebst.", sprudelt es aus mir heraus. Ich stürme auf ihn zu und ziehe ihn fest an mich. Verwirrt drückt er mich kurz, bevor er mir unbeholfen auf den Rücken klopft. "Ich war doch nur kurz mein Handy holen."

"Wir leben alle. Yeah. Können wir aber endlich dieses beschissene Grundstück verlassen? Ich habe immer noch ein schlechtes Gefühl, hier stinkt es und ich fühle mich beobachtet.", Elias Blick schwirrt nervös umher.

Augen rollend löse ich mich von Markus und zusammen verlassen wir das Grundstück. Lachend ziehen wir Elias auf, der sich im Haus beinahe in die Hose gemacht hat. Und während wir die schlecht beleuchtete Straße entlang laufen, entgeht uns der Schatten, der im Haus an einem Fenster im Wohnzimmer steht.

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