Begegnungen ~ Feuerahorn 🔥🍁

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~ Begegnungen ~

von Jevan2020

Feuerahorn - Acer japonicum 'Aconitifolium'

~Schmuddelwetter, Fliegenpilz, rascheln, Körnerkissen, taubenblau ~

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Was für ein Schmuddelwetter. In langen Schritten stampfte Magnus über den klammen Waldboden. Die trockenen Blätter raschelten unter seinen Schritten, bevor sie durch seine schweren Schuhe zerdrückt wurden. Gestern hatte es geregnet und unter der Schicht an Laub war der Weg matschig und rutschig. Magnus musste aufpassen. Schon zwei Mal wäre er mit seinen langen Schritten fast ausgerutscht. Und Matschflecken auf seinem herrlichen, feuerroten Mantel wollte er auf keinen Fall riskieren. Er versuchte sich ganz auf den Weg zu konzentrieren und nicht auf das, was am Ende auf ihn wartete. Der Mann mit der bronzefarbenen Haut und den schwarzen Haaren als Mohawk gestylt, hatte tatsächlich ein Blind-Date. Ein Blind-Date mitten im Wald. Das hatte er zuletzt als Teenager gemacht und damit lag diese Erfahrung fast zwei Jahrzehnte hinter ihm.

Was war nur in ihn gefahren als er dieser Idee zustimmte? Zu seiner Verteidigung: Magnus hielt seine Versprechen, auch wenn er sie unter dem Einfluss von mehreren Martinis gemacht hatte. Und dieses war genauso ein Versprechen gewesen.

Also statt mit seinem Körnerkissen auf seinem gemütlichen Sofa zu sitzen und den neusten Mama Carlotta zu lesen, stapfte er jetzt durch den Wald am Stadtrand um ein Blind-Date zu treffen, das Heidi für ihn ausgemacht hatte. Magnus mochte die junge Frau, allerdings war ihre Erfolgsbilanz bei Männern nicht wirklich gut, daher zweifelte er sehr, dass "Lorenzo" wirklich so ein heißer Tipp war.

Aber alles Klagen half nichts. Magnus hatte sich in Schale geworfen und würde rechtzeitig am vereinbarten Treffpunkt erscheinen. Wer verabredete sich in einem Wald? Hoffentlich war Lorenzo kein Axtmörder oder noch Schlimmeres. Vielleicht war er verheiratet und auf der Suche nach einem zweiten Standbein. Bei dem Gedanken lief es Magnus kalt den Rücken runter.

Plötzlich öffnete der Wald sich etwas und der Weg führte auf eine kleine Lichtung. Auf ihr stand ein wunderschöner großgewachsener Baum mit leuchtend roten Blättern, die an drei-fingrige Tatzen erinnerten. Eindeutig ein feingliedriger Ahorn. So ein wunderschönes Exemplar hatte Magnus noch nie gesehen und er musste einfach ein paar Schritte näher kommen. Das war definitiv nicht der Birkenhain in dem Magnus verabredet war, aber das flammende Rot der Blätter hatte ihn komplett in seinen Bann gezogen. Er ging vorsichtig auf den soliden Stamm zu. Dieser war in mehrere Stränge verästelt und trug stolz seine brennende Krone.

Irgendetwas war komisch an diesem Ort, direkt unter dem Regen aus roten Blättern. Es war wärmer als auf dem Weg und das Sonnenlicht fiel in magischen Punkten durch das Blätterdach. War das ein Fliegenpilz mit taubenblauer Haube neben dem Stamm? Vorsichtig beugte Magnus sich herunter um das eigenartige Gewächs genauer zu betrachten. Dabei lehnte er sich mit der Schulter gegen den ungewöhnlich warmen Stamm des Ahorns und seine Welt begann sich zu drehen...

Die Luft wurde aus seinen Lungen gequetscht als er den Boden unter den Füßen verlor und in einen leuchtend bunten Tunnel gezogen wurde. Jedes Einhorn wäre auf diese Farbenpracht eifersüchtig. Magnus hatte das Gefühl sich um seine eigene Achse zu drehen, während er auf dem Kopf schwebte und im nächsten Moment wieder auf der Seite lag. Ein Astronaut, dem man den falschen Schubs gegeben hatte.

Nach ein paar Augenblicken meldete Magnus Gehirn sich wieder durch den Schock. Was war passiert? Wo war er hier? Warum drehte er sich? War das ein Traum? Hatte ihm jemand etwas in den Drink gemischt?

Halt. Zuerst musste dieses Drehen aufhören, bevor sein Magen rebellierte. Magnus streckte zaghaft die Hand aus um die bunte Tunnelwand zu berühren. Sie war warm und weich. Sobald seine Hand Kontakt aufgenommen hatte, verschwand das Drehgefühl in Magnus Magen. Dafür hörte er ein Giggeln. Ein Geräusch, das ganz bestimmt nicht von ihm gekommen war. Erschrocken zog er seine Hand wieder zurück und das Drehen begann von neuem. Schnell streckte er beide Hände aus um die Farbenpracht zu berühren und so etwas wie festen Boden unter den Füßen zu bekommen.

Sobald seine Hände wieder die samtweiche Wand aus Farben berührten, hörte er wieder das Giggeln, wobei es diesmal eher ein Brummen war.

„Hallo?", rief er in die farbenfrohe Leere. „Ist da jemand?" Magnus Stimme klang bei weitem nicht so selbstbewusst wie er es sich gewünscht hätte.

Das Brummen wurde lauter und ähnelte schnell einem Murmeln. Und dieses schien immer näher zu kommen, aber Magnus konnte zwischen den ganzen Farben nichts erkennen, was dieses Geräusch verursachen könnte.

Plötzlich begann die Farbe unter Magnus linker Hand leicht zu vibrieren. Mit aufgerissenen Augen starrte er auf die Verbindung als das samtweiche Material unter ihm begann kleine Wellen zu schlagen und damit immer wieder über seine Haut zu fahren.

„Was in Edoms Namen!", rief er entsetzt, wagte es aber nicht seine Hand wegzuziehen. Auch wenn er nicht wusste was es war, etwas zu sehen war besser als weiter durch die Leere zu schweben. Im wortwörtlichen Sinne.

Plötzlich begann sich ein Teil der Farbwand auszustülpen als würde ein Mensch versuchen hindurch zu laufen und die Farben umschlossen seine Form. Die Figur war eindeutig menschlich und noch deutlicher männlich, ein wenig größer als Magnus mit ausgeprägtem Kiefer und trainierten Muskeln am gesamten, unbekleideten Körper. Die farbigen Streifen liefen vertikal über den athletischen Körper, den Magnus sehr genau studierte. Schließlich gab es hier nichts anderes zu sehen.

„Wer bist du?", fragte Magnus schließlich, nachdem die Figur sich fast von der Wand gelöst hatte. Nur eine kleine Verbindung bestand noch zwischen seinem Rücken und der pulsierenden Farbe.

Das Brummen wurde stärker und es schien direkt in die Figur übergegangen zu sein, während die Farbwellen sich gelegt hatten und Magnus Hände nun auf der samtigen Wand lagen.

„Wer bist du?", fragte die Figur neben ihm plötzlich zurück und schlug die Augenlider auf. Zwei braune Augen starrten Magnus an, der vor Schreck die Wand losließ. Schlagartig umhüllte ihn Dunkelheit bis zwei starke Hände ihn an seinen Unterarmen griffen.

Sofort kehrten die Gestalt und die Farben zurück.
„Danke", brachte Magnus leise heraus, während er das Gesicht vor sich genau betrachtete. Es wirkte wie ein Mann mit einem extrem guten Bodypainting. Oder zumindest versuchte sein Gehirn so die Verbindung zu etwas Bekanntem herzustellen.

„Hallo", antwortete die tiefe Stimme und das Wort vibrierte förmlich in Magnus Brust.

„Wer bist du?", fragte die Stimme wieder.

„Ich bin Magnus. Wer ist du? Und wo bin ich hier?" Magnus versuchte sich zu konzentrieren, aber alles was er wahrnahm, waren die herrlich brauen Augen und wie warm die Hände waren, die ihn berührten.

„Du bist in mir. Ich habe viele Namen, aber du kannst mich gerne Alec nennen."

Magnus sah die Gestalt vor sich skeptisch an. „Wie kann ich in dir sein, wenn ich dich sehen kann?"
Ein Rumpeln ging durch die Gestalt, fast wie ein Lachen. „Du bist in mein Bewusstsein gefallen. Was du siehst, ist die Verbindung, die wir aufgebaut haben. So können wir uns austauschen", erklärte die Gestalt.
„Was du siehst, ist ein Bild, das deinen Träumen entspringt." Magnus wollte von dem Wesen zurück zucken, aber der Griff um seine Arme wurde fester. „Wir können nur kommunizieren, wenn eine Verbindung besteht", erklärte 'Alec' sanft.

„Ok", sagte Magnus und versuchte sich zu entspannen. „Aber wie ist das passiert? Wie konnte ich in dich fallen? Und was bist du?"

„In deiner Welt werde ich als Pflanze gesehen. Zumindest wurde mir das von denen vor dir erzählt."

„Es waren Menschen vor mir hier?" Magnus war sich nicht sicher, ob er entsetzt oder erleichtert sein sollte.

„Ja, alle paar Jahreszeiten wird die Barriere zwischen den Bewusstseinsebenen dünner. Und manchmal passiert es, dass jemand in mich hinein stolpert. Die meisten erzählen von einem blauen Fliegenpilz in der Nähe meines Stammes."

„Oh. Ja, den habe ich auch gesehen", bestätigte Magnus. „Wie komme ich wieder zurück?", wollte er wissen.

„In ein paar Stunden, wenn der Vollmond am höchsten Punkt steht, ist die Verbindung am durchlässigsten. Dann werde ich dich schubsen. Vorher wird meine Kraft nicht ausreichen."

„Das... Das ist gut. Denke ich. Vielen Dank." Das war ein Plan, damit konnte Magnus arbeiten. Er würde bis etwa Mitternacht hier bleiben, damit war sein Blind-Date wohl nicht mehr zu retten. Wobei er sich nicht sicher war, ob die Situation gerade besser oder schlechter war als dieses ausgefallene Date.

„Und was machen wir die Zeit bis dahin?", fragte Magnus vorsichtig. Konnte er stundenlang einfach nur hier stehen und Alec ansehen?

„Du könntest mir von deiner Welt erzählen", bot sein Gegenüber an. „Oder du zeigst mir, was du mit dem Mann aus deinen Träumen machen würdest."

Magnus musste nicht lange überlegen welche Option er wählte und die Stunden verflogen für ihn viel zu schnell.

Schließlich drückte Alec ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Schlaf jetzt", sagte er sanft und bedeckte Magnus Augen mit seiner Hand.

Im nächsten Moment wurde Magnus von kräftigen Händen geschüttelt. „Hallo Sie, wachen Sie auf", rief eine vertraute Stimme. Magnus schlug die Augen auf und lag im Wald unter dem herrlich leuchtenden Feuerahorn als wäre die Welt nie eine andere gewesen.

War er vielleicht doch nur eingeschlafen?

Neben ihm kniete ein großgewachsener Mann mit braunen Locken und ebenso brauen Augen, die ihn besorgt ansahen. „Geht es Ihnen gut? Kann ich Ihnen helfen?"

„Alec?", fragte Magnus verwirrt.

„Nicht ganz. Ich bin Alexander Lightwood", sagte der Mann, der seinem Traumbild zum Verwechseln ähnlich sah.

„Soll ich Sie aus dem Wald begleiten?"

Ende

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