Bunte Blumen
Langsam laufe ich den Kiesweg entlang. Die Kiesel knirschen unter meinen schwarzen Schuhen. Zusammen mit meiner schwarzen Strumpfhose und dem schwarzen Kleid, welches mir bis zu den Knien geht, hebe ich mich kaum von den Menschen um mich herum ab. Meine schwarzen Haare habe ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hüpft leicht von der linken zur rechten Seite, während ich über den Kiesweg laufe, als würde er sagen wollen: Ist heute nicht ein wunderschöner Tag? Eigentlich hat er Recht. Die Sonne scheint, vereinzelt ziehen kleine Schäfchenwolken durch den Himmel und sehen so aus, als würden sie ein Spiel spielen. Es gibt da nur einen kleinen Punkt, der alles ändert. Ein Punkt der alles andere als schön ist. Ein Punkt der den wunderschönen Sommertag, in einen kalten, nassen Herbsttag verwandelt. Einen Herbsttag an dem man sich am liebsten mit einer Tasse Tee und einem Buch in sein Bett kuscheln möchte, um das rausgehen zu vermeiden. Genau so ein Tag ist heute. Zumindest so fühlt er sich an. „Geht es dir gut?", dringt die tückischste Frage von allen an mein Ohr. „Alles okay.", antworte ich nur monoton. Es ist gelogen. Das ist auch der Person die gefragt hat klar. Doch nie antwortet man anders auf diese Standartfrage. Immer heißt es, dass alles gut sei und man sich keine Sorgen machen müsste. Nie antwortet jemand ehrlich auf die Frage. Nie schüttet auch nur eine Person einem das Herz aus, wenn man diese Frage fragt. Doch der Fragende lässt es auf sich beruhen und folgt wieder schweigend den anderen Personen vor uns. Auch das ist typisch. Jedes Mal wenn die falsche Antwort gefallen ist, lässt man es auf sich beruhen und redet nicht mehr darüber. Es ist einfach nur typisch. Wir kommen an unserem Ziel an und bleiben stehen. Nach und nach treten die einzelnen Personen vor und werfen eine weiße Rose auf den Boden. Ich beobachte das und frage mich, wie es sich wohl für die Rosen anfühlen muss, einfach weggeworfen zu werden. Es muss kein schönes Gefühl sein. „Thea? Du bist dran.", meint meine Mutter und lächelt mich noch einmal an. Ich trete vor und stehe einfach da. Mein Blick liegt auf der Rose in meiner Hand. Sie ist genauso weiß, wie alle anderen Rosen. Ich verziehe meine Mundwinkel noch etwas weiter nach unten. Sie hat Rosen gehasst! Sie waren ihr zu kitschig und haben sie zu sehr an die Liebe erinnert, die bei ihr einfach nicht funktionieren wollte. Sie waren ihr zu dornig und standen ihr somit zu sehr für den Schmerz. Aber sie liebte Blumen. Bunte Blumen. Maiglöckchen, Tränende Herzen, Veilchen, Vergissmeinnicht, Margeriten, Kornblume und noch so viele mehr. Aber ihre absoluten Lieblingsblumen waren Glockenblumen. Egal zu welchen Anlass oder einfach mal so, sie kaufte sich gerne Glockenblumen in den unterschiedlichsten Farben. Mit einem letzten Seufzen, werfe ich die Rose ebenfalls auf den Boden. Ich trete zurück und sehe zu, wie die Rosen begraben werden. Sehe zu, wie sie unter der ganzen Erde ersticken und mit ihrem Leben abschließen.
Geschockt setze ich mich auf. „Endlich bist du wach! Wir müssen in einer halben Stunde los!", höre ich meine Mutter sagen, während sie das Zimmer verlässt. Ich streiche mit meiner linken Hand durch meine Haare und lasse meinen Blick durch mein Zimmer gleiten. Mir gegenüber steht mein Kleiderschrank. Fein säuberlich auf einem Kleiderbügel hängt das schwarze Kleid aus meinem Traum. Ich seufze und stehe auf. Ich wünschte, es wäre kein Traum gewesen und dieser schreckliche Tag würde endlich hinter mir liegen. Ich ziehe mich an und binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Ich betrachte mich in dem Spiegel und sehe sie darin. Durch den Spiegel durch, fällt mein Blick auf die Glockenblumen, welche sie mir vor einer Woche geschenkt hat. Ich drehe mich um und fasse einen Entschluss. Mit Taschentüchern, welche ich um die Stiele der lilanen, rosanen und weißen Glockenblumen binde, und einem kleinen Korb laufe ich zu dem kleinen Schrank. Ich werde sie verabschieden. Mit etwas das sie liebte. Mit bunten Blumen.
~ 663 Wörter
Na? Findet ihr es gut oder nicht?
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