XIII. Versteckspiel
Nachdem sie das Restaurant betreten hatten und an einen Tisch geführt worden waren, sahen sie sich im blauen Licht der Aquarien an. Es wurde inzwischen früher dunkel, sodass das Licht schummrig war, obwohl es gerade einmal neunzehn Uhr schlug. Sie bestellten eine Flasche Wein und jeweils Vor- und Hauptspeise, als der Kellner an ihren Tisch trat und saßen nun einander schweigend gegenüber.
„Also...", begann sie, er war anscheinend in Gedanken und schreckte ein wenig zusammen.
„Mhm?"
„Was?", fragte sie ihrerseits und verwirrte ihn zusehends.
„Ich habe nichts gesagt. Aber du, oder nicht?"
„Ich sagte nur ‚Also'."
„Okay.", Draco räusperte sich. „Gut, dass du hier bist."
„Hmm.", machte sie und benetzte ihre Lippen. „Willst du mir jetzt sagen, weshalb ihr euch getrennt habt?"
„Du redest nicht lang um die heiße Kürbissuppe, was Granger?", bemängelte er und trank etwas Wasser.
„Ich bin nur hier, weil du mich sonst nie in Ruhe lässt, also schieß los.", ungeduldig trommelten ihre Finger auf die weiße Tischdecke. Hin und wieder wanderte ihr Blick zu den schimmernden kleinen Fischen hinter ihrer Begleitung.
„Wie du willst. Sie weiß, dass ich ihr fremdgegangen bin.", er offenbarte es ihr kurz und schmerzlos, musterte ihre Reaktion abwartend.
„Darauf hätte ich wohl selbst kommen können.", bemerkte sie und war unzufrieden mit sich. Klügste ihres Jahrgangs, hm?
„Hättest du.", stimmte Draco ihr zu.
„Und wie hat sie es herausgefunden?", fuhr Hermine fort, während sie über die Serviette strich. Sie musste immer irgendetwas tun, sonst würde sie wahnsinnig, dachte sie.
„Sie hat dich an meinem Mund gerochen.", erklärte ihr Gegenüber achselzuckend. Ihre Haltung versteifte sich, als die Erinnerung vor ihrem inneren Auge vorbeizog.
„Wow. Und du hast nicht versucht sie mit deinem Charme zurückzugewinnen?"
„Dafür gab es in der letzten Zeit zu viel Streit. Ich bin nicht blöd. Ich merke es auch, wenn es nichts mehr wird.", mit erhobener Augenbraue erwiderte er ihren amüsierten Blick.
„Du scheinst ja sehr betroffen zu sein.", entgegnete sie abwertend. Eigentlich hatte sie nichts anderes von ihm erwartet.
„Red' nicht über Dinge, von denen du nichts weißt.", grummelnd verschränkte er seine Arme. Dann tauchte die Vorspeise mit einem leisen Plopp vor ihnen auf und sie hüllten sich in Schweigen, während sie diese aßen. Hermine versuchte keine weiteren abfälligen Kommentare zu äußern und ließ das Thema damit bewenden.
„Sag mal, was ist mit dem Buch?", setzte sie von Neuem an, als sie auf die Hauptspeise warteten.
„Ich gebe es dir danach. Sieh es als einen Anreiz dazu, bis zum Schluss zu bleiben.", erklärte er unumwunden.
„Dann versuch wenigstens dich mit mir zu unterhalten.", allmählich war ihre Geduld am Ende, obwohl sie noch nicht lang an diesem Tisch saßen.
„Wieso bist du nicht mehr mit dem Wiesel zusammen?", damit hatte sie wohl nicht gerechnet. Eigentlich wollte sie nie wieder über oder mit ihm reden müssen, weil sie dieses Kapitel ein für alle Male abgehakt und verstaut hatte.
„Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen will."
„Du bist gewissermaßen in meine eigene Beziehungskrise verwickelt, also erzähl mir von deiner.", forderte er und widmete sich dann halb seinen Nudeln, die vor ihm erschienen waren.
„Es ist keine Beziehungskrise, wenn ihr bereits getrennt seid.", krittelte sie, gestand sich aber ein, dass er einen Punkt getroffen hatte.
Hermine wickelte ihre Spaghetti mit Gabel und Löffel auf, nebenher erzählte sie: „Er war unheimlich eifersüchtig auf Harry. Aber seine Eifersucht war nicht romantischer Natur, sondern bezog sich einzig und allein darauf, dass Harry schon immer im Mittelpunkt stand und er als sein dummer Freund galt. Was natürlich nur in seiner Blase zutraf."
„Meiner Meinung nach ist das ganz richtig.", fügte Draco an, als er einen Bissen heruntergewürgt hatte.
„Ach sei doch still! Für mich war er immer ein guter Mensch, der seinen eigenen Wert und einen besonderen Platz in meinem Leben hatte, aber dann war er nur noch anstrengend. Ich habe es nicht mehr ausgehalten und mich getrennt. Der Höhepunkt war, dass er mir unterstellte ihn nicht zu unterstützen, weil ich all meine Aufmerksamkeit auf Harry richte. Das ist natürlich Unsinn."
„Und wenn du logisch darüber nachdenkst, hast du Potter nicht wirklich mehr Aufmerksamkeit geschenkt?", hakte er nach.
„Ich... eigentlich nicht. Während der Schulzeit kann es schon sein... aber er brauchte auch jede Hilfe und ich...", ihre Schultern sackten ein wenig nach unten, als sie sprach. Malfoy stoppte damit, zu essen.
„Du hattest die Intelligenz, die den beiden gefehlt hat, aber Weasley musste nun einmal nicht gegen Voldemort kämpfen, richtig?"
„Kann man so sagen. Aber ist ja auch egal. Das ist unwichtiger Schnee von gestern."
~*~
Nachdenklich betrachtete er sein Gegenüber. Während ihrer Erzählungen von Weasley wirkte sie niedergeschlagen, es schien sie noch immer zu beschäftigen. Das war durchaus etwas, das ihn abstieß, aber es war nicht genug. Darüber konnte man hinwegkommen und das war bei ihr sicher schon geschehen. Nach dem Ende ihrer Erklärung hatten sie sich wieder ihrer Mahlzeit gewidmet und die war ausgezeichnet gewesen, er hatte es allerdings auch so erwartet.
Aber was er wirklich nicht erwartet hatte, war das Wiesel, das mit einer blonden Frau das Restaurant betrat.
„Sieh jetzt nicht hin, aber da ist er.", zischte er ihr vornübergebeugt zu.
„Wer?", fragte sie alarmiert und drehte sich. Sie erblickte ihren Verflossenen und wandte sich ruckartig zu ihrem Date zurück. „Hoffentlich hat er mich nicht gesehen! Oh nein, oh nein, oh nein! Er darf mich hier mit dir nicht sehen!"
„Entschuldige mal, aber ich habe dir gesagt, du sollst nicht hinsehen!", knurrte er ungehalten. „Mal davon abgesehen, bin ich ja wohl die deutlich bessere Wahl!"
„Wir müssen verschwinden. Komm mit!", möglichst unauffällig griff sie mit einer Hand nach ihrem Mantel, geistesgegenwärtig warf Draco etwas Geld auf den Tisch, ehe seine andere Hand von ihrer umschlossen wurde und sie ihn mit sich zog. Geradeso konnte er seinen Mantel mit sich nehmen und schon fand er sich in einem schnellen Lauf mit Granger wieder, der an den Tischen vorbei, zu den Toiletten führte. Er bemerkte die verständnislosen, aber auch interessierten Blicke der anderen Gäste, die das Treiben verfolgten.
Granger stieß die Tür auf, sie beide traten in den Flur, von dem die Toiletten abzweigten. Atemlos dachten sie nach, wie sie aus diesem Schlamassel entkommen konnten, aber sie wurden unterbrochen.
„Ich gehe nur kurz auf die Toilette, ich bin gleich wieder da.", hörten sie Weasleys Stimme gedämpft durch die Tür. In einer Kurzschlussreaktion zog sie ihn hinter sich her in die Damentoilette und sperrte sie gemeinsam in eine der beiden Kabinen. Sie war nicht besonders groß, also standen sie nah beieinander, sie konnten eine weitere Frau in der anderen Kabine hören. Geschockt wechselten sie einen Blick, Draco konnte die ganze Situation nicht fassen und daher einen verärgerten Ausdruck nicht verhindern.
Als die Spülung rauschte, dann der Wasserhahn plätscherte und die Tür zuschlug, atmeten sie auf.
„Verdammt nochmal! Musstest du mich unbedingt hierher zerren?", zeterte er sofort, als er annahm, sie wären allein.
„Wohin denn sonst? Ron würde auf die Männertoilette gehen!"
„Es ist viel schlimmer, wenn ich als Mann in einer Damentoilette bin, als umgekehrt.", meckerte er weiterhin rechthaberisch.
„Stell dich nicht so an.", Granger lehnte sich gegen die Wand und strich mit einer Hand über eine lose Haarsträhne.
„Ich stelle mich nicht an. Aber wenn du mit mir allein sein willst, können wir das auch an einen anderen Ort verlegen.", mit einem Grinsen rundete er den Stimmungswechsel ab.
„Wir können nicht apparieren, schon vergessen? Sonst könnte jeder für Unmengen Geld bestellen und sich dann aus dem Staub machen.", dass Granger von dieser Situation so durcheinander gebracht wurde belustigte ihn sehr, ob sie in ihrem alltäglichen Leben auch so war?
„Nein das habe ich nicht vergessen. Aber sollen wir jetzt warten bis sein Date vorbei ist, oder wie hast du dir das vorgestellt?"
„Ich habe mir gar nichts vorgestellt. Ich wollte überhaupt nie hier sein!", rief sie verzweifelt aus, Tränen bildeten sich in ihren Augen. Warum sie jetzt weinen sollte, verstand er nicht.
„Es muss ja eine furchtbare Qual für dich sein, mit mir auszugehen, Granger.", unzufrieden musterte er ihren Gefühlsausbruch, der sich in eine Schimpftirade wandelte.
„Das ist es nicht. Du platzt auf meinem Arbeitsplatz rein, während ich einen meiner wichtigsten Kunden betreue und denkst, du kannst dir dann einfach nehmen, was du willst! Und dann tauchst du ständig im Péché auf und denkst es wäre alles in Ordnung und dass ich das einfach vergesse. Und das ist ja nicht mal alles, wenn man an die ganzen Beleidigungen denkt, die du mir früher und heute gegen den Kopf wirfst!", vorwurfsvoll gestikulierte sie mit ihren Händen und sie wollte fortfahren, aber Draco hörte, wie sich die Tür öffnete und stürzte sich auf sie, presste eine Hand auf ihren Mund, damit sie still blieb.
Erst wollte sie sich wehren, umfasste seinen Unterarm, aber als sie die Tür der anderen Kabine hörte, hielt sie inne. Sie nickte ihm zu, er nahm seine Hand von ihrem Mund und wischte ihre Tränen mit seinem Daumen von den Wangen. Aber er dachte nicht daran einen Schritt zurück zu gehen. Er könnte den Moment nutzen und sehen, ob es sich immer noch gut anfühlte oder ob es ihn abstieß. Langsam senkte er seinen Kopf, bis er sie schließlich küsste. Sie war noch ein wenig zu aufgewühlt, um seine Annäherung zu verstehen, aber sie beendete es nicht.
Alles das er vernahm, war ihre Berührung, ihre weichen Lippen und ihre Hände, die sich auf seine Brust gelegt hatten. Ein berauschendes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus und sorgte dafür, dass er sich leicht fühlte. Vorsichtig bewegte er seine Lippen auf ihren. Es war erst der dritte Kuss, den sie teilten und umso besonderer war es, denn dieses Mal –
Die Hände auf seiner Brust stießen ihn von ihr. Aufgelöst wischte sie sich über ihr Gesicht, sie sah ihn nicht mehr an.
„Du spinnst doch.", flüsterte sie, öffnete die Tür und verschwand.
Er schloss die Tür wieder ab, setzte sich auf den Klodeckel und stützte seinen Kopf in seine Hände. Er konnte nicht fassen, dass es so schiefgelaufen war. Der schlimmste Ausgang dieses Abends, war eingetreten.
~*~
Mit wehendem Haar preschte sie zwischen den Tischen entlang, ignorierte die verwunderten Gäste. Erneut benetzten Tränen ihre Haut, sie wollte nur noch verschwinden.
„Hermine? Hey!", hörte sie Rons Stimme, der inzwischen wieder bei Lavender sitzen musste. Sie reagierte nicht auf seinen Ruf und setzte weiter einen Fuß vor den anderen. Nachdem sie das Restaurant verlassen hatte und in dem düsteren Herbstabend stand, richtete sie ihren Blick auf den letzten hellblauen Schein am Horizont, der hinter den Bäumen auf der anderen Seite des Flusses verblieb. Das Wasser der Themse plätscherte gutmütig vor sich hin, aber die kühle Brise erzeugte eine unangenehme Gänsehaut auf ihrem Dekolleté, das frei lag.
„Hermine?", fragte Ron erneut, anscheinend war er ihr gefolgt und stand nun hinter ihr. Zögerlich wandte sie sich um und sah ihn auf dem Gehweg vor dem Restaurant stehen.
„Was willst du?", sie selbst erschrak von ihrer erstickten Stimme, blinzelte die Tränen davon.
„Ist alles ok? Was machst du hier?"
„Das ist ein freies Land, ich war in einem Restaurant. Wo ist das Problem?", beantwortete sie missmutig und verschloss den Umhang eng vor ihrem Körper. Es war kälter geworden.
„Aber... du weinst. Ist es wegen mir und Lavender?", sein Blick lag prüfend auf ihr. Natürlich nahm er an, dass es an ihm lag. Immer wenn sie niedergeschlagen war, hatte es in der Vergangenheit an ihm und ihren romantischen Gefühlen für ihn gelegen, aber das war vorbei.
„Nein, Ronald. Ich interessiere mich nicht für dich und die Hohlbirne. Es ist mir egal.", setzte Hermine nach.
„Fein. Wie geht's Harry?", ein spöttischer Unterton trat zu seinen Worten hinzu. Wie konnte sie nur denken, dass er sich sorgte?
„Bestens."
„Ach ja? Nachdem er sich von meiner schwangeren Schwester getrennt hat geht es ihm bestens? Ist ja kein Wunder, der Held der Nation kann sich seine Frau ja aussuchen! Was soll er dann mit meiner Schwester?"
„Ron, es ist genug! Deine Schwester ist nicht unbeteiligt. Außerdem war sie es, die sich getrennt hat.", seine Worte erzeugten eine unfassbare Wut in ihrem Inneren. Sofort führte er ihr vor Augen, weshalb sie die Beziehung zu ihm beendet hatte.
„Ich kann es nicht fassen, dass ihr euch so gegen mich und meine Familie stellt.", verbittert sah er sie an.
„Es ist vorbei! Ich will nicht mit dir über diesen Nonsens reden! Hau ab!", Hermine wurde immer aufgebrachter und ihre kreischende Stimme brachte das zusätzlich zum Ausdruck. Sie wollte ihn nicht sehen, immer wenn sie ihn sah, riss es alle ihre Wunden auf, sodass sie zu bluten begannen. Dabei ging es ihr doch endlich gut.
„Granger?", kaum hatte er ihren Namen ausgesprochen, schlug sie sich mit ihrer Hand vor die Stirn. Es war ihr ein Rätsel, wie sich die Götter so gegen sie verschwören konnten, dass alles Schlechte sich in diesem Moment versammelte. Es fehlte nur noch Guinea Pig.
„Malfoy? Was willst du hier?", wenn es denn möglich war, wurde Rons Gesichtsausdruck noch finsterer.
„Das geht dich nichts an. Granger, soll ich dich nachhause bringen?", überraschend sanft stellte er ihr diese Frage. Das konnte er nicht tun, nicht nachdem er sie so behandelt hatte. So wie er es schon sein ganzes Leben tat.
„Warum fragt er, ob er dich nachhause bringen kann?", fügte der Rothaarige entgeistert hinzu.
„Aaargh!", stieß sie aus. Hermine ertrug die Situation nicht länger und wollte weder dem einen noch dem anderen eine Erklärung für irgendetwas liefern. Zornig trat sie auf die beiden Männer zu. „Du!", sie zeigte auf ihren Verflossenen, „Vermisst dich deine Freundin nicht? Geh zu ihr zurück, mein Leben ist nicht mehr in deinem Aufgabenbereich. Und du-", nun richtete sie ihren Finger auf den Malfoy, „Bringst mich nirgends hin, ich kann allein gehen, schließlich habe ich auch allein hergefunden. Ihr macht mich noch irre!"
„Fein. Aber komm bloß nicht zu mir, wenn du Hilfe brauchst.", drohte Ron und verschwand im Inneren des Gebäudes.
„Komm bloß nicht zu mir, wenn du Hilfe brauchst.", äffte sie seine Worte nach und machte kehrt. „Du solltest auch gehen.", rief sie Malfoy über ihre Schulter zu, der ihren Ausbruch bewegungslos zur Kenntnis genommen hatte.
Er jedoch schien nicht daran zu denken, sie einfach gehen zu lassen, und hielt sie an ihrer Schulter zurück.
„Fass mich nicht an!", kreischte Hermine, entwand sind seiner Hand und stolperte einen Schritt zurück.
„Schon gut! Reg dich wieder ab.", auch er musste sich um Beherrschung bemühen, so erschien es ihr zumindest. „Du hast was vergessen."
„Wüsste nicht, was das sein soll.", stur verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. Sie würde ihm keinen Millimeter entgegenkommen.
„Du bist nicht auf mich sauer.", stellte er neutral fest. „Also hör auf mich anzuzicken."
„Natürlich bin ich auf dich sauer! Du hast meine Verfassung ausgenutzt und mich einfach geküsst."
„Ich würde eher sagen, dass du auf Weasley sauer bist, aber was weiß ich schon, ich bin ein Mann und kann dich sowieso nicht verstehen.", bevor sie noch etwas sagen konnte, sie funkelte ihn bereits entrüstet an, fuhr er fort: „Ich habe dir gesagt, dass du das Buch bekommst, wenn das Date zu Ende ist. Aufgrund von Weasleys Erscheinen ist das Date wohl eher vorbei als erwartet, aber egal. Ich habe es dabei und werde es dir geben. Also hier.", er fischte ein kleines Buch aus seinem Mantel und vergrößerte es, dann überreichte er es Hermine, die es ehrfürchtig entgegennahm. Es hatte goldene Seiten, der Stoffeinband war reich verziert und handbemalt.
„Die Überredung von Jane Austen?"
„Ich kann mit Muggelliteratur wenig anfangen. Aber ich habe dich einmal in der Schule dieses Buch lesen sehen, als du in der Bibliothek saßt. Und ich habe irgendwann eine Spezialausgabe in der Sammlung meiner Eltern entdeckt. Anscheinend stammt es aus dem Besitz der Blacks.", erklärte er weiter.
„Aber warum hast du es?", verblüfft über diese Aufmerksamkeit löste sie ihre Augen von den leicht gelblichen Seiten und richtete sie auf den blonden Mann, der vor ihr stand.
„Ich weiß es nicht. Ich habe lang nicht daran gedacht, dass ich dich damit gesehen habe, bis meine Mutter zu meinem Auszug verlangte Bücher aus der Bibliothek auszusuchen, weil ich sonst nie wieder ein Buch in die Hand nehme. Es ist mir zufällig aufgefallen und ich habe es eingepackt."
„Mhm. Danke.", unschlüssig standen sie im Lichtschein, der schwach aus den Fenstern des Restaurants fiel.
„Aber bilde dir nichts darauf ein, es war eine Reihe von Zufällen.", ächzte er und ging an ihr vorbei.
„Wolltest du mich nicht nachhause bringen?", mit dem Rücken zu ihr blieb er stehen. Er drehte seinen Kopf halb in ihre Richtung:
„Ich dachte du findest allein nachhause, wenn du auch allein herkommen konntest?"
„Fang jetzt bloß nicht so an.", mahnte sie und trat neben ihn. Mit einem skeptischen Seitenblick reichte er ihr seinen Arm, den sie ergriff. Sie umfasste ihren Zauberstab und apparierte mit ihm gemeinsam vor die Tür ihres Wohnhauses.
~*~
Draco sah sich um. Hinter ihm funkelten die beleuchteten Büros im Nachthimmel, dazwischen schwebte das Logo der HSBC und verschiedener anderer Hochhäuser, die man hinter der Mauer auf der anderen Straßenseite erahnen konnte. Als er sich wieder Granger zuwandte starrte diese auf den Gehweg, auf den sie appariert waren und der sich vor dem kleinen Vorgarten und ihrem Wohnhaus befand, das in seinen Augen renovierungsbedürftig erschien.
„Hier wohnst du?", fragte er ein wenig schockiert, sie verzog ihren Mund.
„Ist dir das nicht vornehm genug? Wo wohnst du nochmal? Kensington? Belgravia?"
„Fast, Notting Hill.", klärte er unbeeindruckt auf. Da sie nur einmal in seiner Wohnung gewesen war dachte er, sie hätte es vielleicht verdrängt.
„Wo auch sonst.", abwertend schnalzte sie mit ihrer Zunge. „Ich werde dich also nicht hereinbitten, wenn das ok ist. Schließlich wird sich dein wohlhabendes Gesäß sicher unwohl auf meinem fleckigen Sofa fühlen."
„Ich hatte auch nicht vor dich bis in deine Wohnung zu begleiten. Jedenfalls... wann sehen wir uns wieder? Nächstes Wochenende?"
Verdutzt blinzelte sie: „Nächstes Wochenende? Du denkst ich will mich noch einmal der Tortur aussetzen, mehrere Stunden mit dir zu verbringen und mich schlecht zu fühlen?"
„Musstest du heute Abend auch nur einen Cent ausgeben? Nein. Ich habe für dich bezahlt. Und das werde ich auch wieder tun. Denkst du ich sehe nicht, dass du diese horrenden Summen nicht mit einem halben Monatsgehalt begleichen könntest?"
„Willst du mich jetzt etwa kaufen? Falls du das noch nicht bemerkt hast, die einzige Zeit, in der du mich kaufen kannst, ist von 20 bis 2 während meiner Frühschicht oder von 0 bis 6 in meiner Spätschicht.", attackierte sie ihn, „Denn ich bin eine Nutte, aber nur während ich in Soho bin. Außerhalb kannst du dir diese Idiotie ersparen! Überhaupt, dass du jedes Mal aufkreuzt und mir viel zu viel Geld gibst. Ich nehme es natürlich, wenn du es mir gibst, aber ich fühle mich schlecht, weil ich denke, dass ich dir etwas schulde. Dabei behandelst du mich genau wie das, was ich gerade sagte, das ich bin. Und obwohl ich weiß, dass ich keine Ansprüche haben darf, geht es mir beschissen, okay?", atemlos beendete sie ihre kleine Rede, die ein komisches Gefühl in ihm erzeugte. Diese Wut hatte sich wahrscheinlich während der Vorkommnisse des Abends aufgestaut. Er musste nachdenken, ehe er antwortete.
„Ich will dich nicht kaufen. Man kann Menschen nicht kaufen, selbst wenn sie in deinem Gewerbe arbeiten. Man bezahlt sie für eine Leistung, einen Tanz oder ein Gespräch. Und ich sage es dir wieder: du verkaufst dich unter Wert. Aber wenn du all das wirklich glaubst, was du gerade sagtest, dass du es verdienst oder keine Ansprüche haben darfst, dann will ich dich auch nicht anders behandeln. Liebe dich selbst und du wirst geliebt. So ist es doch, nicht wahr?"
„In deinen Augen bin ich doch sowieso an den richtigen Beruf geraten, sonst hättest du mich nicht sieben Jahre lang geächtet. Irgendwann glaubt man das, was einem immer wieder gesagt wird. Aber ich war glücklich Malfoy, wirklich glücklich.", kraftlos sanken ihre Arme an ihre Seiten, flüsternd fuhr sie fort: „Und dann bist du aufgetaucht und du hast mich an alles erinnert, das du mir jahrelang eingetrichtert hast."
„Ich bin doch gar nicht mehr so. Ich habe immer angenommen, dass du jemand bist, der jedem eine zweite Chance gibt.", ihre Worte trafen ihn härter, als er vermutet hatte und das wertete er als schlechtes Zeichen. Sie sollte damit aufhören ihm immer wieder die frühere Wahrheit vorzuhalten. Niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass sie so sehr unter diesen Dingen leiden würde, auch wenn es ihr momentan gut ging.
„Nur, wenn diese Person eine Chance verdient.", murmelte sie bitter. Und der dazugehörige Blick sprach Bände: Du hast sie dir noch nicht verdient.
„Dann gib dir selbst zuerst eine.", beendete er knurrend und verschwand mit einem leisen Knall.
~*~
Leise raschelten die Blätter in den Bäumen und Sträuchern, während sie auf die Wolkenkratzer sah und fröstelte. Sie biss fest auf ihre Unterlippe und unterdrückte den Drang zu weinen. Zumindest versuchte sie es, denn es gelang ihr nicht.
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