II. Stripperin
Erfrischt trat sie aus der Dusche. Es war bereits 23 Uhr und sie musste in einer halben Stunde auf der Arbeit sein, sonst würde sie zu Überstunden verdonnert und darauf hatte sie keine Lust. Zu später Stunde waren immer nur diejenigen anwesend, die betrunken oder aufdringlich waren. Kurz lächelte sie sich im Spiegel entgegen, jedoch fiel es ihr kurz danach wieder aus dem Gesicht. Mit ihrem Zauberstab formte sie ihre Locken, legte ein leichtes Makeup auf. Sie hatte nie verstanden, warum die anderen sich immer knalligen Lippenstift und übermäßig viel Lidschatten auftrugen, abgesehen davon, dass man wegen der Masken die Augenpartie nicht einmal richtig sehen konnte.
Seufzend stieg sie in normale Unterwäsche, eine Jeans und ein T-Shirt. Sie würde sich in der Umkleide des Péché de ta vie umziehen. Nachdem sie ihren Umhang und ein paar Schuhe angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg.
Für ihre Arbeitsstelle musste sie beinahe die ganze Stadt durchqueren. Aber jeden Abend war sie froh darüber zaubern zu können, also nutzte sie die Möglichkeit zu apparieren.
Ein Plopp hallte durch die Gasse, in der sie auftauchte. Hier war es nur schwach beleuchtet, lediglich der Mitarbeitereingang war von einer flackernden Glühbirne erhellt. Mit einem Schlüssel öffnete sie die grüne Metalltür und trat ins warme Innenleben des Gebäudes. Ein schmuckloser Gang führte bis zu der Garderobe von ihr und ihrer Kollegin Mouse. Um sich gegenseitig die Idee von Anonymität zu geben, war es vertraglich geregelt, dass sie sich lediglich mit ihren Künstlernamen ansprachen, auch wenn sie die Gesichter voneinander kannten. Mouse war bereits anwesend und tuschte ihre Wimpern.
„Hi Bunny.", begrüßte sie den Neuankömmling, ohne ihren Blick auf sie zu richten. „Heute bleiben wir bis sechs. Richard hat gesagt, dass Guinea Pig für diese Schicht ausfällt. Mal wieder."
„Ernsthaft? Das ist schon das fünfte Mal diesen Monat.", meckerte sie und legte nebenher ihre Straßenkleidung ab.
„Sie hat doch nur keine Lust momentan. Niemals ist sie fünf Mal pro Monat krank.", fügte Mouse bitter an und öffnete ihren Lippenstift. Mit der Kappe in der Hand drehte sie sich zu Bunny, die gerade einen anderen BH anzog. „Wenn du mich fragst sollte Richard lieber eine zuverlässige Person einstellen. Ich hab die Schnauze voll davon jedes Mal länger zu bleiben, weil sie erst kurz vorher krank macht.", darauf dreht sie sich zum Spiegel und begann damit, gewissenhaft ihre Lippen zu umrahmen.
„Ja, würde mir auch besser passen. Ich wollte mich morgen Vormittag mit einem Freund treffen und ich muss vorher dringend ein bisschen Schlaf bekommen.", murmelte sie abwesend, rollte die Strümpfe über ihre Knie und befestigte sie an den dafür vorgesehenen Haltern.
„Na ja. Ist ja nichts neues, hab beinahe damit gerechnet, weil sie die ganze letzte Woche da war.", prüfend betrachtete sie den violetten Lippenstift. Sie tupfte mit einem Taschentuch die überflüssigen Reste ab und drehte sich dann wieder zu ihrer Kollegin. „Übrigens, heute Nacht kommt wieder ein Junggesellenabschied.", grinsend hob sie eine Augenbraue.
„Klingeling!", rief die Brünette lachend. Ein Junggesellenabschied versprach stets eine gute Bezahlung, weil die Gruppen es aufgrund des Anlasses richtig krachen lassen wollten. „Für wie viele haben sie reserviert?"
„Nur drei, also sollten wir uns im Service anstrengen, damit ordentlich Trinkgeld rausspringt.", kicherte Mouse und band sich einen hohen Zopf.
Als sie beide fertig bekleidet und gestylt waren, betraten sie den großen Bühnenraum. Noch zwei weitere Stunden arbeiteten sie gemeinsam mit der Frühschicht, die aus Bird, Dolphin, Deer und Peacock (dem einzigen Mann im Kollegium) bestand. Die Mädchen (und Peacock) waren gut gelaunt, anscheinend gab es heute keine Zwischenfälle. An der Theke trafen sie auf Fox, deren rote Haare für Bunny schon immer beneidenswert gewesen waren.
„Hey, Fox!", begrüßte sie die Irin und stützte sich mit ihrem Arm auf ihrer Schulter ab. Die kleine Frau entwand sich.
„Ich hab dir schon mal gesagt, dass du das lassen sollst, Bunny!", schimpfte sie leise und zapfte ein paar Bier.
„Sorry.", kleinlaut umrundete sie die Theke und begann ein paar Tische nach Wünschen zu befragen. Mouse blieb bei Fox und lud die fertigen Gläser auf ein Tablett.
In den frühen Stunden war der Andrang immer übersichtlich, weshalb es eher wenig Arbeit war. Nach Mitternacht jedoch, gab es für Bunny mehrere Privatvorstellungen, einen Auftritt auf der großen Bühne und einen Blowjob. Dennoch war sie eine der Wenigen, die die sexuellen Leistungen ablehnte, wenn ihr die Person unangenehm war. Im Gegensatz zu Bird, die sich niemals genierte, besaß sie sehr wohl noch ein Schamgefühl. Zu Beginn ihrer Arbeit im Péché hatte sie sich sehr unsicher gefühlt, aber sie war sehr froh über Mouse und Fox, die sie angelernt und ihr zur Seite gestanden hatten. Entgegen ihrer ursprünglichen Meinung war das Gemeinschaftsgefühl im Rotlichtgewerbe sehr ausgeprägt und daher wurden Richard und die Mädchen wie eine zweite Familie für sie.
Die einzige Person, die es ihr immer wieder schwer machte, war Guinea Pig. Regelmäßig fiel sie unangekündigt aus, spannte Kunden aus und verhielt sich generell immer recht selbstsüchtig. Guinea war groß, hatte lange gefärbte Haare. Balayage nannte man es, wenn der Ansatz braun war und die Farbe bis zu den Spitzen in ein helles blond überging. Ihre Sanduhrenfigur war bei den Männern sehr beliebt, weshalb sie seit Jahren die Strip-Teaseuse mit dem meisten Gewinn war.
Das Péché de ta vie war ein Etablissement, dass seit den fünfziger Jahren bestand und ursprünglich während der Besatzungszeit von Franzosen in London ins Leben gerufen worden war. Der ehemalige Besitzer Jacques, der aus Lyon kam und den Laden eröffnete, legte seit jeher sehr viel Wert auf die Schönheit und Tadellosigkeit seiner Strip-Teaseuses und seine Standards hielten sich bis zum heutigen Tage. Natürlich implizierte der Begriff, dass es sich lediglich um Stripperinnen handelte, aber mit dem richtigen Betrag konnte man sie auch für andere Dienstleistungen bezahlen. Selbstverständlich nur unter der Hand. Jacques war innerhalb der Szene ein sehr beliebter Mensch, immer freundlich und höflich, kümmerte sich um seine Angestellten herzlich. Leider ereilte ihn eine schwere Krankheit, wodurch er in den 90ern verstarb. Im Zuge seines Todes wurde das Péché an seinen Sohn vererbt, der konnte es jedoch nicht unterhalten, also musste es an jemanden verkauft werden. Richard Mill war es, der es erstand und ihm nach einer Renovierung neues Leben einhauchte. Mit ungebrochener Zufriedenheit begrüßte er nun seit acht Jahren neue Kundschaft, die in ihrem Urlaub oder nach der Arbeit durch seine Türen trat. Er behandelte seine Mädchen ebenso gut, wie es Jacques seiner Zeit getan hatte.
„Oh! Bunny da sind sie.", flüsterte Mouse, die neben ihr an der Theke stand. Interessiert wandte sie sich zum Eingang und erstarrte. Sie kannte die Personen, die gerade zu ihrem Tisch geführt wurden mehr als genau. Bunny schluckte und sah zu Mouse. „Alles okay?", fragte diese besorgt.
„Die kenne ich.", entgegnete sie alarmiert.
„Eigentlich warst du für ihre Bedienung eingeteilt, soll ich das übernehmen? Ich gebe dir Tisch Nummer 5 dafür.", einfühlsam legte sie ihre Hand auf Bunnys Unterarm. Sie nickte und machte sich zu dem anderen Tisch auf, an dem zwei Geschäftsmänner aus Amerika saßen.
Die Zeit verging, sie bemerkte, dass ihre ehemaligen Mitschüler betrunkener wurden. Sie versuchte möglichst unauffällig zu sein und drückte sich daher am Rande der Bar herum, mied den Bereich in der Nähe der Bühne.
„Hey, du musst heute noch einen Kunden haben, am besten mit Blowjob oder sowas...", riet ihr die Schwarzhaarige schließlich. „Sonst macht Richard Probleme."
„Ich weiß...", antwortete sie leise. „Bisher hat niemand danach gefragt und die Gruppe des Junggesellenabschieds würde ich lieber nicht fragen."
„Du musst dich anbieten, manche trauen sich nicht zu fragen, das weißt du doch. Aber sieh mal, vielleicht erledigt sich das Problem von allein."
Bunny blickte über ihre Schulter, ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Oh, nein. Draco Malfoy kam (halbwegs) gerade auf sie zu. Sie hoffte inständig, dass er nach Mouse fragen würde. Aber er fixierte sie und blieb vor ihr stehen. Erkannte er sie? Hoffnung keimte in ihr auf, dass er zu betrunken dazu war, sie zu erkennen. Automatisiert hob sie ihre Mundwinkel und lächelte.
„Guten Abend."
„Privatvorstellung.", nuschelte er und hielt ihr eine Hand voller Münzen entgegen. Bunny nahm sie entgeistert an, es war viel zu viel. Mit großer Beherrschung nahm sie ihn an die Hand und begleitete ihn in eines der Abteile. Hinter ihm schloss sie den Vorhang, ehe sie ihn zu einem der Sessel bugsierte. Anscheinend hatte er bereits einige Biere konsumiert und würde sowieso kaum etwas von ihr mitbekommen. Möglichst elegant setzte sie sich neben ihn auf die Armlehne, während sich alles in ihr dagegen sträubte. Am besten mit Blowjob oder sowas. Ugh, er war der Letzte, dem sie einen verkaufen wollte. Dennoch lächelte sie tapfer.
„Gibt es einen Namen, nach dem ich dich rufen kann?", sie blinzelte. Dann besann sie sich auf den Job, den sie zu erledigen hatte, lehnte sich zu ihm und hielt einen Finger an sein Kinn.
„Du kannst mich Bunny nennen.", presste sie hervor, erhob sich. Vor ihm in der Hocke, fuhr sie fort. Sie brauchte mehr als nur einen simplen Tanz, obwohl sie es nicht wollte. „Was soll ich tun? Ich kann für dich an der Stange tanzen, mich auf dich setzen... was auch immer du willst, außer Küssen."
„Stange... klingt gut.", sie schluckte. Widerwillig versuchte sie es weiter, nachdem sie sich erhoben und ein paar Schritte in die Mitte des Raumes gemacht hatte:
„Soll ich mich ausziehen? Das kostet 5 Galleonen extra."
„N-nein!", rief er. Erkannte er sie doch und wollte sie einfach nicht nackt sehen? Er hätte statt ihr auch eine andere der Stripperinnen aussuchen können. „Musst du nicht."
Das war wohl nichts. Langsam ging sie auf die Plattform zu. Kurz fragte sie sich, wer von den Dreien wohl der Glückliche Verlobte war und da der einzige, gedanklich abwesende Goyle war, musste er es sein. Und obwohl sie Malfoy eigentlich etwas mehr verkaufen musste, war sie froh darüber, dass er es bei einem Tanz beließ. Sie wandte sich noch einmal zu ihm.
„Nein ich muss es nicht, aber wenn du es wünschst, dann mache ich alles, was du dir vorstellen kannst.", wobei das nur zur Hälfte der Wahrheit entsprach. Sie würde für ihn tanzen und sich eventuell ausziehen. Alles was darüber hinausging würde in ihr vermutlich einen Würgereflex auslösen. Malfoy nickte.
„Tanzen. Ohne ausziehen."
Von ihm unbemerkt atmete sie auf und begann mit ihrer Show. Sobald sie einen Schritt auf die Plattform tat und die Musik erklang, konnte sie sich auf ihre Bewegungen konzentrieren und ihn ignorieren, aber gerade als sie in die Hocke ging, spürte sie seinen Blick, der an ihr haftete, als wäre er festgeklebt. Langsam öffnete sie ihre Knie, er sah weg. Sie runzelte ihre Stirn, was er allein wegen der Maske nicht sehen konnte und darüber war sie froh. Aber es wunderte sie, dass er sie plötzlich nicht mehr betrachtete. Gefiel sie ihm nicht? Warum hatte er sie dann ausgesucht, wenn er offensichtlich nicht wusste, wer sie war?
Es vergingen endlose Sekunden, bis er seinen Kopf wieder zu ihr wandte und sie aus ihrer Starre erlöste. Dass er sich dafür schämte sie für ihre Arbeit zu bezahlen und sie dann deshalb nicht ansah, war eine weitere Vermutung. Man hatte viele Geschichten über sein Liebesleben gehört, ob sie stimmten wusste sie nicht. Grübelnd setzte sie ihr Programm fort, das langsam dazu führte, die Gedanken verstummen zu lassen. Routiniert reihte sie verschiedene Elemente aneinander, es war immer sehr entspannend für sie. Auch wenn Malfoy gerade derjenige war, der ihr gegenübersaß, machte es ihr weniger aus, als ursprünglich angenommen. Wahrscheinlich würde es auch ihm anders gehen, würde er wissen, wer sie war. Hin und wieder warf sie einen Blick in seine Richtung und stellte zufrieden fest, dass er sie gefesselt beobachtete.
Ungefähr zehn Minuten mussten vergangen sein, als sie zu ihm zurückkehrte und sich vornübergebeugt auf den Armlehnen abstützte. Sie bemerkte, dass seine Augen kurz auf ihrem Ausschnitt ruhten, sie nahm es mit einem unwohlen Gefühl zur Kenntnis.
„Hat es dir gefallen?", schurrte sie, zufrieden nahm sie sein Nicken wahr. „Kann ich noch etwas für dich tun?", fragte sie zusätzlich, vielleicht hatte er seine Meinung ja geändert.
„Nein, ich...", sie verfolgte seine Handbewegung und hob, verborgen vor ihm, eine Augenbraue. Wenn er dachte, sie würde seine Erektion nicht sehen, hatte er sich gewaltig geirrt. Unwillkürlich musste sie grinsen, wenn er nur wüsste, wer sie war.
„Mhmm...", begann sie müßig. Bunny entfernte sich von ihm und sagte, was ihr als erstes einfiel: „Zu schade. Komm doch irgendwann wieder.", und hoffte inständig, dass er nicht wiederkam.
„Mal sehen...", irgendeine unerklärliche Faszination spiegelte sich in seinem Gesichtsausdruck. Ein kleines Stoßgebet in ihrem Inneren sollte dazu führen, dass er sie in seinem nüchternen Bewusstsein vergaß.
„Komm, ich bringe dich zu deinen Freunden.", schloss sie. Bunny öffnete den Vorhang und ging voraus an den Tisch mit Zabini und Goyle. Goyle sah so aus, als würde er gleich umkippen und Zabini nahm es sich heraus Fox auf den Hintern zu schlagen. Fox ließ sich derartiges nicht gefallen, also folgte prompt eine Standpauke, wenn auch sehr charmant:
„Finger weg, außer du buchst eine Privatvorstellung.", Bunny lächelte schelmisch, als die Rothaarige ihre Augen auf sie richtete: „Bunny, deine Schicht ist gleich vorbei, hilfst du mir kurz an der Theke?"
Sie nickte und verabschiedete sich von Malfoy, so wie sie es tun sollte: „Klar. Bis zum nächsten Mal, Süßer.", in ihrem Beruf war es wichtig, dass man lügen konnte.
Sie half Fox dabei die gewaschenen Gläser in das Regal einzuräumen und, wenn notwendig, zu polieren, um Kalkflecken zu vermeiden. Erleichtert atmete Bunny durch, sie war froh, es endlich überstanden zu haben.
„Mouse hat erzählt, dass du die Typen kennst. Wie lief es? Hat er dich erkannt?", fragte sie und nahm ein Küchentuch in die Hand.
„Es war okay. Wie immer eigentlich. Er war höflich, aber ich glaube, er hat mich nicht erkannt und er war sehr betrunken. Außerdem hat das Péché glücklicherweise noch nie viel Wert auf eine gute Beleuchtung gelegt.", gleichmütig zuckte sie mit ihren Schultern und schielte zu Tisch Nummer 3, mit den Junggesellen.
„Dann ist doch alles gut.", lächelnd reichte sie der Brünetten ein Bierglas, welches sie abtrocknete.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Zabini und Malfoy den betrunkenen Goyle dazu zwangen aufzustehen, um den Laden zu verlassen. Ein letztes Mal wandte sich Malfoy nach ihr um und sie konnte sich nicht zurückhalten, also zwinkerte sie ihm zu und lächelte, in Gedanken dabei, dass sie mehr als er wusste.
~*~
A.N.: Hier der gleiche Abend aus der Sicht unserer Bunny. Ich hoffe ihr könnt euch mit dem Thema anfreunden, ich fand es sehr spannend die Geschichte zu schreiben!
Ich werde noch weitere Korrekturen vornehmen, also kommt diese Nacht vielleicht noch ein zweites Kapitel, bis dahin!
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