+ 'Warmer Wind an Sommertagen' von classicandvampire
Titel
Warmer Wind an Sommertagen
Autor
classicandvampire
Genre
Kurzgeschichten
***
Cover
Wirkung: Ist es ansprechend?
Das Cover verspricht einen Enblick in vergangene Tage. Die Kleidung der Frau auf dem Titelbild und der Westminster Palace im Hintergrund lassen uns eine historische Kurzgeschichte erwarten, die im alten England spielt. Die Dame im Vordergrund macht auf uns einen sehr femininen und doch starken Eindruck. Die Einarbeitungen der orange-braunen Elemente am Rand gefallen an für sich sehr gut, das sie dem Cover etwas Bedrohliches verleihen. Lediglich die oberere, linke Ecke gefällt Sue nicht so sehr, da hier die Übergänge nicht so schön ineinandergreifen und zu scharf sind. Daduch wirkt es so, als versuchte man zu retuschieren, dass es sich hier um ein zusammengeschnittenes Bild handelt. Der Sticker auf dem Cover stört natürlich das Gesamtbild, aber wer will nicht seine Auszeichnung offen zur Schau stellen? Das verstehen wir und klammern es daher aus.
Insbesonder Syd bekommt langsam eine richtige Abneigung gegen Cover, von denen einem wieder einmal ein Gesicht entgegenblickt, da diese Wattpad geradezu überfluten. In deinem Fall müssen wir alllerdings sagen, dass es sich um eine äußerst stilvollen und ansprechendes Titelbild handelt. Würde Jao es in der Buchhandlung stehen sehen, sie würde es sofort kaufen. Zwar nicht für sich selbst, aber für ihre Mama und ihre Schwester, die total auf historische Romane stehen.
3 von 3 Punkte
Kontext: Passt es zum Titel und zur Geschichte?
Ja, zur Geschichte passt es. Nachdem man die Geschichte durchgelesen hat, kann man sich durchaus vorstellen, dass Lionne zu jener starken Frau wird, die auf dem Cover zu sehen ist. Ebenso erklärt sich im Verlauf der Story der Bezug zu England und auch die bedrohlichen Schatten sind zu recht dort.
Ob es auch zum Titel passt? Wieso nicht? Hier hat man viel Interpretationsfreiraum. Zum Beispiel könnte die, zuvor bemängelte, linke Ecke den warmen Wind darstellen. Oder aber man denkt sich, dass die Geschichte im Sommer spielt und die junge Dame ein paar Erlebnisse haben wird, in denen eine warme Brise sie begleitet und die Eindrücke des Erlebten noch tiefer in ihr verwurzelt. Unpassend ist es jedenfalls nicht.
3 von 3 Punkten
Schrift: Kann man den Titel gut erkennen?
Ja, man kann den Titel gut erkennen. Auch der Autorenname ist gut leserlich, ohne dabei aufdringlich zu wirken oder das Cover zu überladen wirken zu lassen.
Störend empfinden wir allerdings die Grafik hinter dem S. Sie passt nicht ganz zu dem Rest des Bildes. Außerdem wird durch sie das folgende O sehr weit von dem Anfangsbuchstaben des Wortes getrennt, was dann ein wenig unstimmig wirkt.
Zudem hätten sich zumindest Sue und Jao eine etwas verpieltere und verschnörkeltere Schrift gewünscht. Aber dies ist ein subjektives Empfinden und soll daher nicht im Übermaß in die Bewertung einfließen.
Syd findet die seperate Gestaltung des Anfangsbuchstabens gerade toll und auch die schnörkellose Schrift ist ihr überaus sympathisch. Ein gutes Beispiel, dass die Meinungen in solchen Punkten stark auseinandergehen können.
2,5 von 3 Punkten
8,5 von 9 Punkten
Der Titel
Wirkung : Passt er zur Geschichte?
Ja, das tut er. Im weitesten Sinne, wenn man die Hoffung bedenkt, die Lionne wiedererlangt und die das hoffentlich baldige Kriegsende versrpicht. Aber auch, wenn man den direkten Bezug betrachtet, der in deiner Anfangs- und in deiner Schlussszene definitiv gegeben ist.
Er passt auch zu der Zeit in der die Geschichte spielt, zu dem Flair, der in ihr steckt und zu der Veränderung, die Lionne im Laufe der Story erlebt.
3 von 3 Punkten
Kontext: Klingt er interessant und ansprechend?
Das ist natürlich Geschmackssache. Insbesondere in Kombination mit dem Cover, werden sich Menschen, die nicht gerne historische Romane oder veilleicht auch Liebesgeschichten lesen, keine Kurzgeschichte zu Gemüte führen, das 'Warmer Wind an Sommertagen heißt'. Und auch die Macho-Chick-Lit-Teenie-Klientel würden vermutlich eher ein Buch mit dem Titel 'Heißer Sturm in krassen Sommernächten' lesen. Aber das ist ohnehin nicht das Publikum, welches du ansprechen möchtest. Von daher kannst du bestimmt sehr gut damit leben, dass sich nicht jeder von dienem Titel angesprochen fühlt und sofort mit lesen beginnt.
Wir haben uns alle drei angesprochen gefühlt, haben uns eine Menge von deinem Werk versprochen und uns schon darauf gefreut, wenn du endlich an die Reihe kommen würdest. Also: Ja, wir finden ihn interessant und ansprechend.
3 von 3 Punkten
6 von 6 Punkten
Der Klappentext
Äußere Form: Wie lang bzw. kurz ist er?
Dein Klappentext ist angenehm kurz und dabei doch informativ. An der Länge gibt es unserer Meinung nach nichts zu bemängeln.
Im letzten Satz fehlen ein paar Kommata: So wandert sie im Oktober 1944(,) mit nicht mehr als Kleid und Jacke(,) durch die Felder(,) auf der Suche nach dem Ozean.
2,5 von 3 Punkten
Inhalt: Verrät er zu viel oder zu wenig?
Er verrät recht wenig. Aber bei einer Kurzgeschichte wäre es auch unsinnig, die halbe Handlung bereits im Klappentext zu verraten, denn dann bräucht man sie nicht mehr lesen. Ein kleines Manko im Bezug darauf, was man noch sagen könnte oder sollte, was ein wenig fehlt, wird im nächsten Punkt genauer erläutert.
3 von 3 Punkten
Wirkung: Macht er neugierig?
Leider nicht so wirklich. Wenn man nicht ein absoluter Fan von historischen Romanen oder Kurzgeschichten ist, bietet der Klappentext wenig Anreiz. Die Kombination aus Bauerstochter, ländliches Frankreich und durch die Felder wandern klingt für viele dann doch eher langweilig. Nicht jeder ist in der Lage, selbst seine Fantasie spielen zu lassen und sich die Frage zu stellen, was einem allein reisenden Mädchen zu jener Zeit alles passieren könnte. Für uns ist es ausreichend, wir können das. Aber zum Anreiz für andere, wäre es vielleicht ratsam eine offene Frage an den Schluss zu setzten. Zum Beispiel: Wird Lionne die Freiheit finden, nach der sie sucht? Oder: Wird sie finden, wonach sie sich sehnt? Irgendetwas, das einen das Buch aufschlagen lässt, um die Antwort darauf heruaszufinden.
Wobei Syd diese abschließenden Fragen rät, mit Vorsicht zu genießen! Oftmals werden sie hier auf WP so benutzt, dass man schon davon ausgeht, dass die Frage schon nach Lesen des Klappentextes mit "JA, wird Sie/er!" beantwortet werden kann und nimmt damit das Ende vorweg. Die zerfallende Welt und Lionnes Wunsch nach Rettung geben mir aber genug Anreize zum Lesen. Wovor genau läuft sie weg? Eine Frage, die so da nicht steht, die ich mir aber stelle, wenn ich den Text lese. Man kann offene Fragen auch beim Leser generieren. Ist schwierig und auch da muss man das richtige Maß finden, das du, in meinen Augen, getan hast.
2,5 von 3 Punkten
8 von 9 Punkten
Storyaufbau
Einführung: (Fühlt man sich gut von dir abgeholt oder muss man sich eher in deine Geschichte hineinquälen?)
Wenn man sich entscheidet, deine Geschichte zu lesen, stößt man als aller erstes auf ein Vorwort. Auf kein Kurzes, sondern auf ein eher Langes, das zu großen Teilen nichts mit der Geschichte zu tun hat. Dass "Warmer Wind an Sommertagen" für einen Bestimmten Award oder Contest geschrieben wurde, okay, dass kann man hineinschreiben. Aber die Erklärung, dass Lionne ein Liebling aus einem anderen Buch von dir ist, ist in unseren Augen ebenso unrelevant für die Story, wie der Verweis, auf Elizabeth und deren Geschichte. Böse Zungen könnten behaupten es sei schlichtweg ein Querverweis auf "Das Erbe - Hagel zum Dessert" zu Werbezwecken. Syd sieht im Inhalt des Vorwortes bis zu diesem Punkt keine Probleme, nur dass das Kapitel dann "Warmer Wind an Sommertagen" heißt, aber mit der Geschichte eher auf der Metaebene zu schaffen hat, irritierte sie. Hättest du das Kapitel klassisch "Vorwort" genannt, hätte man eher gewusst, was einen erwartet. Sonst sind die von dir gewählten Punkte in jedem Fall interessanter als das werben um Rückmeldungen. Und wozu verschleiern, dass es sich bei der Kurzgeschichte um ein Pre/Sequel handelt, wenn es eines ist?
Dann lesen wir eine Begründung zu deiner Entscheidung dein Buch unter Erwachseneninhalt einzuordnen. Nachvollziehen können wir das nicht so ganz, da du ja bereits hier erwähnst, dass der Krieg nur ein unsichtbarer Antagonist bleibt. In der Story an sich konnten wir auch keinen ausschlaggebenden Punkt finden, der diese Entscheidung tatsächlich gerechtfertigt hätte. Als vierzehn- bis achtzehnjährige Jugendliche wären wir alle drei wohl zutiefst beleitdigt gewesen, wenn man uns diesen Inhalt nicht zugetraut hätte. Noch ein Punkt in deinem Vorwort, der da, in unseren Augen, so nicht hingehört, ist der Dank an deinen Vater. Schöne und liebevolle Geste, keine Frage. Aber so etwas gehört eher hinter die Geschichte. Leser, die an dir und an dem, was du zu sagen hast, interessiert sind, werden es lesen. Auch dann, wenn die Geschichte schon vorbei ist. Die anderen nicht, aber bei denen ist es dann auch egal, oder? Andererseits ist es keine DIN A4 Seite mit Dankeswünschen, sondern genau ein Dank, den man ruhig da unterbringen kann. Syd hat auch Bücher im Regal stehen, in denen vorne Widmungen oder auch Danksagungen stehen. Das macht den Kohl nicht fett. Nur die Latte an Formalismen zieht das Vorwort schon etwas sehr in die Länge.
Durch all das muss man sich durchlesen, bevor man erst zur eigentlichen Geschichte kommt. Und allein das ist schon ein bisschen quälend, wenn man doch durch den Klappentext aufmerksam auf das Buch geworden ist und jetzt endlich die Story lesen will ...
... zu deren Einstieg wir nun kommen: Du beginnst mit einer Szene, in der deine Hauptprotagonistin auf einem Balkon liegt. Auf Grund deiner angenehmen und atmosphärischen Beschreibungen befindet man sich als Leser sofort nahe an Lionne und fängt ihre Stimmung auf. Ein Wind an einem warmen Sommertag streicht über uns hinweg, aber innerlich friert die Hauptprotagonistin, sodass wir uns automatisch fragen, wo das drohende Unheil im Hintergrund wartet. In den folgenden Zeilen erfahren wir ein wenig über das, was Lionne in ihrem Leben bisher getan und erreicht hat, ohne dabei von Informationen erschlagen zu werden, bis du uns schließlich zurück zu ihrer Kindheit führst. Und hier ist dann der Knackpunkt. Der Übergang mit den "ersten zarten Schatten" ist sehr weich. So weich, dass man auch gerne darüber hinwegliest und sehr schnell vergisst, welche unsere Ausgangs- bzw. Einstiegsszene war. Wir fänden es schön, wenn du noch ein wenig klarer machen würdest, dass an dieser Stelle ein weiterer Zeitsprung stattfindet. Etwa in dem du schreibst: Doch in ihrer Kindheit war es anders gewesen. Damals hatte Lionne ... Oder so ähnlich.
Ansonsten ist es ein gelungener Einstieg, der uns als Leser sofort mit sich zog und uns in Lionnes Vergangenheit entführte.
1 von 2 Punkten
Der rote Faden (Ist die Geschicht stimmig und verfügt über einen logischen Aufbau und ist somit nachvollziehbar? )
Hier gibt es nichts zu bemängeln. Von Beginn an nimmst du deine Leser bei der Hand und bringst ihm Lionne näher. Man erfährt, wie sie lebte, was sie liebte und was ihr widerfuhr. Du hast uns mit nach Frankreich genommen und hast uns auf Lionnes Weg bis nach Calais und darüberhinaus geführt. Dabei fühlten wir uns beim Lesen stets, als befänden wir uns an Lionnes Seite. Richtig unlogische oder unstimmige Stellen konnten wir nicht wirklich finden.
Aber wer suchet der findet. Und natürlich gibt es auch in deiner Geschichte Stellen, Ereignisse oder Unstände, die manch anderer bemängeln könnte. Muss man zwar nicht, aber wir zeigen hier trotzdem einmal auf, was für andere Leser durchaus relevant sein könnte. Das heißt nicht, dass wir uns daran stören, ganz im Gegenteil, aber wir möchten gerne beleuchten, wie anders tickende Leser das auch empfinden können, um dir einen Blickwinkel zu geben, der jenseit unserer Einstllung, Auffassung und Empfidnungsweise liegt.
Zum einen hätten wir da den Umstand, dass es zu jener Zeit höchst gefährlich war, für eine junge, ledige Frau war allein zu. Und dabei ist der Krieg im Sinne von Bomben, Minen oder Handgranaten, noch die kleinste Bedrohung. Eher dachten wir an die, in jeder Hinsicht hungrigen Soldaten, die sich ja auch prompt in Calais befanden. Lionne scheint sich darüber wenig Gedanken zu machen. Selbst als sie auf ein, Gott sein Dank (und welch Zufall) nettes Exemplar davon trifft, scheint sie doch sehr unbedarft zu sein. Schön, dass wenigstens Marcus diese Gefahren zu bedenken scheint und sie später auch mal erwähnt. Am Rande. Und nur ganz kurz. So könnte man das sehen. Aber wir empfinden das so: Vielen blieb damals keine andere Wahl und ständig darüber zu grübeln, hat auch nichts gebracht. Die Menschen lebten ständig in Angst. Sie sind an ihre Angst gewohnt. Was wäre die Alternative gewesen? In ihrem Dorf zu bleiben und letztlich womöglich doch zu sterben. Durch Bomben, Gewehrkugeln oder Flaggeschütze. Oder in die Fremde, wo sie fremde Menschen erwarten. In dieser Zeit gab es keine Sicherheit. Nur unterschiedliche Schrecken. Leute gingen trotz der Angriffe zur Arbeit, sie lebten ihr alltägliches Leben, so gut es ging, trotz fremder Soldaten in der Nachbarschaft. Um es mit den Worten eines Zeitzeugen zu sagen: "Das kann man sich nicht vorstellen. Gut, dass das vorbei ist." Aber diese Atmosphäre, die sehr nüchtern beschriebene, latente Furcht, ist sehr gut in der Geschichte vermittelt worden. Es mag naiv klingen oder leichtsinnig, aber es ist der reine Wille zu Überleben, der mitunter von Zeit zu Zeit auch erschüttert wird.
Marcus. Da haben wir dann den nächsten Punkt erreicht. Es ist schon riesiges Glück, dass Lionne ausgerechnet auf ihn trifft, oder? Und war es zu Kreigszeiten wirklich üblich mit einer sochen Mildtätigkeit Fremde aufzunehmen? Wir sind uns da nicht so sicher. Uns kommt es eher so vor, als habe das kleine, französiche Bauernmädchen einfach nur fantastisches Glück oder sei vom Schicksal so sehr begünstigt, dass es schon beinahe unglaublich erscheint. Wobei viele Soldaten die Erlebnisse des Krieges geprägt haben. Nicht alle sind abgestumpft. Es gab auch jene, die froh waren, ihr Herz mit guten Taten zu erleichtern, quasi als Widergutmachung für ihre Taten auf dem Schlachtfeld. In Gruppen haben sie allerdings gern auf den Putz gehauen und die harten Kerle raushängen lassen. Nicht falsch verstehen: Es gab und gibt darunter auch echte Arschlöcher und kalte Hunde. Wie Marcus schon sagt, in Calais hätte Lionne auch an den Falschen geraten können. Die Chance wäre groß gewesen. Marcus bleibt ein Glücksgriff.
Aber uns hat das nicht gestört. Wie gesagt: Wenn man mit so etwas nicht zurecht kommt, kann man es bemängeln. Muss man aber nicht. Wir fanden die Geschichte, trotz dieses reibungslosen Verlaufes, sehr schön und stimmig zu lesen.
3 von 3 Punkten
Dramaturgie (Zeichnet sich eine Spannungskurve ab? Oder neigt man dazu den Inhalt deiner Geschichte einfach zu überfliegen?)
Das Erzähltempo der einzelnen Szenen ist gemächlich, aber nicht zu langatmig, dem Inhalt angemessen. Spannung im Sinne von Drama, Herzschmerz und akute, drängende Lebensgefahr findet man in deiner Geschichte zwar nicht, aber dennoch besitzt sie eine Spannungskurve, die du gut herausgearbeitet hast. Wobei Lebensgefahr allgegenwärtig besteht! Es mag manchen etwas zu hintergründig wirken, aber so wurde es von vielen wahrgenommen. Man war nicht die ganze Zeit in Panik und ist kopflos durch die Gegend gerannt, sondern das war eine Gefahr, die über einem schwebte, mit der man mit der Zeit dann lernte, zu leben. Irgendwie. Oder auch nicht, auch diese Fälle gab es. Aber die, die es überlebt und damit gelebt haben, haben einen Weg gefunden, diese Angst in ihren Alltag zu integrieren. Klingt grotesk und unmenschlich, aber was der Mensch ertragen und woran er sich gewöhnen kann, ist erstaunlich und auch erschreckend. Von dem Augenblick an, indem die Erzählung in Lionnes Vergangenheit zurückkehrt und den Leser durch die Zeiten des Krieges, bis hin zu ihrem Aufbruch und an die Küste geleitet, verstehst du es, interessant und anschaulich zu schreiben, so dass man gern weiterliest und den Text nicht einfach nur überfliegt, um endlich an einen spannenden Punkt zu gelangen. Dabei hilft vor allem dein wunderbarer Ausdruck, der Charme, mit dem du berichtest und die Atmosphäre, die du zu erschaffen verstehst. Auch nachdem Lionne von Bord des Schiffes geht, wollten wir wissen, wie es mit ihr weitergeht und habem mit Interesse verfolgt, wie Marcus und sie einander etwas näher kommen.
Dass du dich auf die Schlüsselszenen ihrer Vergangenheit konzentrierst, die ihren Weg in ihre neue Heimat skizzieren, wirkt wirklich sehr schön. Die Wahl der Ausschnitte ist auch sehr gut. Du verlierst dich nicht in den nichtigen Details, sondern berichtest punktgenau die Knackpunkte ihrer Reise. Durch die sehr nüchternen Schilderungen, kommen die einzelnen Szenen auch sehr gut als rückblickende Erinnerungen rüber, welche Lionne sich auf dem Balkon durch den Kopf gehen lässt. Man merkt an der Art des Geschriebenen deutlich, dass es weniger aus der Lionne geschrieben ist, die all das erlebt, sondern der Lionne, die es bereits erlebt hat. Sie wirkt sehr analytisch und berichtend, was in diesem Fall sehr gut wirkt und zum Gesamtkonzept passt.
Auch die Parabell, dass du mit der Situation auf dem Balkon beginnst und auch damit endest, ist schön gewählt und bildet einen tollen Rahmen um die Gesamtgeschichte.
2 von 2 Punkten
Genrebezug? (Passt der Titel zum Inhalt? Oder brichst du ganz bewusst und gekonnt mit den Vorgaben, um etwas Neues zu wagen?)
Der Genrebezug ist ganz klar gegeben. Es ist eine Kurzgeschichte und kein ganzes Buch. Der Titel passt zum Inhalt und zum Flair der Geschichte.
2 von 2 Punkten
8 von 9 Punkten
Charaktere
Charakterset: Sind sie authentisch?
Es bleibt, dass es nicht sonderlich wahrscheinlich ist, was Lionne passiert. Aber das ist keine Kritik, sondern sie hat einfach Glück gehabt. Ihr überstürzter Aufbruch, nach dem Streit mit ihrer Mutter, hätte auf viele Weisen böse enden können. Letztlich wäre sie wohl ertrunken, hätte Marcus sie nicht abgehalten, bei Calais in die Fluten zu gehen. Aber jede Handlung hat einen Auslöser, einen Grund und vom Charakter eine Motivation, warum er sie tut und warum er sie so tut, wie er es eben tut. Lionne ist vom Verlust ihres Vaters geprägt, vom Krieg gebrannt, durch ihre Restriktionen frustriert und letztlich soll sie ihre Heimat verlassen, um irgendwohin zu gehen, dessen Ort und deren Menschen sie nicht im Ansatz kennt. Nur, um sich Sicherheit zu erkaufen. Die Situation überfordert sie, dass ihre Flucht, die sie völlig überstürzt und planlos beginnt, zwar himmelschreiend doof auf den gutsituierten Leser wirkt, aber nachvollziehbar bleibt. Gut situiert deshalb, weil ich hoffe, dass nicht viele Leser in der Situation sind, in der Lionne sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Lionne sieht keinen anderen Weg und daher sind ihr die Gefahren, die ihr begegnen könnten auch egal. Es ist Krieg, da gibt es ohnehin überall Gefahren. Dennoch ist es, auch wenn sie sich außerhalb von Calais aufhielt, eine glückliche Fügung, dass sie an Marcus und nicht an ein Rudel ausgehungerter Seeleute geraten ist.
Dass Marcus ihr hilft, macht sie auch zu einem erfreulichen Einzelfall. Vielen wird es nicht so ergangen sein. Aber du begründest seine Hilfsbereitschaft sehr gut. Er ist kein Soldat, der sich während des Krieges eingeschrieben hat, um gegen den Feind vorzugehen. Er wollte auch kein Kämpfer oder Schlächter werden. Er ging zur Marine, noch bevor der Krieg losbrach und wollte vor allem die Welt sehen, war neugierig und war motiviert durch die Taten seines Großvaters. Helfen liegt ihm mehr, als zu zerstören, weshalb auch sein Bestreben, etwas Gutes zu tun, um die Missetaten des Krieges wieder gut zu machen, sehr passend für die Figur ist. Besonders haben uns auch seine offenen, charmanten und teils durchaus humorvollen Charakterzüge um den Finger gewickelt.
Sie sind Individualisten, aber authentisch und realistisch durch ihre Vergangenheit geprägt. Vor allem ist schön, dass du das alles rüberbringst, ohne viel zu erklären. Die Dialoge und Handlungen sprechen für sich und du hast es raus, nicht zu viel und nicht zu wenig zu erzählen. Es wirkt weder störend, noch scheint etwas zu fehlen.
3 von 3 Punkten
Charakterdesign: Kann man sich ein gutes Bild von ihnen machen? (nicht nur äußerlich, sondern auch was ihre Eigenschaften betrifft)
Im Großen und Ganzen war die äußere Erscheinung der Personen immer angemessen einbezogen worden, so dass man sich eine grobe Vorstellung machen konnte. Zumindest für Lionne und Marcus gilt das. Auch für Marcs Mutter. Sein Bruder kommt ein wenig kurz, aber hey, so wichtig ist der fürs Geschehen nicht. Die beiden Protagonisten füllst du dafür sehr gut mit Leben und das trotz des Geschichtscharakters einer Nacherzählung. Denn Lionne sinniert ja über rückblickend Geschehnisse, die bereits passiert sind. Daher kommen die Beschreibungen zu ihr, gerade in jungen Jahren, schon sehr reif und analytisch rüber. Aber dennoch lernt man den Charakter kennen, auch wenn du nicht jede Gefühlsregung genau beschreibst. Dafür benennst du die umso deutlicher, die wichtig sind. Ob in einem Dialog oder indem du sie durch den Erzähler aufgreifen lässt. Allein am Text zum Charakterset ist glaube ich zu erkennen, dass man einen guten Einblick in deine Protagonisten bekommt.
Die Nebencharaktere wie die Mutter, der Bruder oder die Schwägerin von Marcus bleiben sehr unscharf, aber es sind Nebencharaktere und für die Haupthandlung eher nebensächlich, so dass das kaum negativ ins Gewicht fällt. Klar, man könnte das noch etwas vertiefen, aber der Fokus der Geschichte liegt nicht darauf und man muss auch bedenken, dass es sich um eine Kurzgeschichte und nicht um einen Roman handelt.
3 von 3 Punkten
Metaebene: Wie sind Dialoge und Emotionen beschrieben worden?
Wie schon erwähnt, greifst du Emotionen vor allem durch Handlungen und Dialoge auf. Du schreibst nicht von Gefühlen, wenn Lionne ihr Elternhaus verlässt und flüchtet. Die Flucht allein und die Art, wie sie mit einem Mal plötzlich alles hinter sich lässt und sich nicht darum schert, was ihr dabei passieren könnte, macht ihre Verzweiflung und die Entschlossenheit sehr deutlich, ohne es beim Namen zu nennen. Show dont tell in Reinform! Wunderbar. Auch als sie auf den Felsen steht und sich ihre Motivation erst im Gespräch mit Marcus offenbart, du den Leser über das Gefahrenpotenzial im Dunkeln lässt, ist klug gemacht. Die Dialoge wirken natürlich, wenig gestellt und ja, Emotionen kommen rüber. Die Szene in der Marcus und Lionne das erste Mal aufeinander treffen, empfanden wir übrigens, als eines der Highlights der Geschichte. Einerseits dramatisch, weil Lionne immerhin verzweifelt genug ist, um ins Wasser zu gehen. Anderseits humorvoll; es ist absolut herrlich, wie du hier mit der Sprachbarriere spielst und den Leser auf diese Weise zum Schmunzeln bringst. Noch dazu besitzt die Szene einen unvergeleichbaren Charme. Super geschrieben!
3 von 3 Punkten
9 von 9 Punkten
Schreibstil
Ausdruck: Gibt es viele Wortwiederholungen? Verfügst du über ein eher geringes oder über ein weitgefechertes Vokabular? Wie sieht es mit Bildern, Vergleichen oder Metaphern aus? Oder greifst du immer wieder dieselben hohlen Phrasen auf?
Dein Ausdruck ist nahezu tadellos. Es fallen kaum Wortwiederholungen auf, die Beschreibungen sind detailreich, aber nicht zu überladen und du besitzt und du nutzt dein breitgefächtertes Vokabular wirklich wunderbar aus. Sehr deutlich wird das auch in den sehr treffenden und passenden Vergleichen und Metaphern, welche du nutzt. Besonders aufgefallen ist das bei der Beschreibung der Zeiger der Uhr, welche du mit einem sterbenden Insekt verglichen hast. Auch die harte, treffende, aber auch fast schon philosophische Formulierung über den Krieg, hat uns sehr nachdenklich gemacht und etwas in uns bewegt, was mit Worten kaum zu beschreiben ist. "Ihr Vater war ungeeignet, aber champ de bataille fraß Menschenleben und das Schlachtfeld schrie nach neuem Futter." Es war beinhae schmerzhaft diesen Satz zu lesen. Doch deine Geschicht an sich zu lesen hat wirklich Spaß gemacht, auch, wenn es ein sehr nüchterner Einblick in eine sehr düstere Gegebenheit bleibt. Literarisch war es wirklich eine Freude, menschlich natürlich bleibt es eine Katastrophe, was dort vorgefallen ist und auch das von dir Geschilderte wirkt inhaltlich sehr bedrückend, was der Thematik angemessen ist. Es ist schön, dass es bei dir alles einen guten Ausgang nimmt. Zumindest bleibt das bei dem fast offenem Ende zu hoffen.
Aufgefallen sind uns kaum Dinge. Einmal heißt es, dass Jean bei der Airforce eingestellt sei, was eine etwas weniger gebräuchliche Formulierung für Leute ist, die im Militärdienst sind. Schöner wäre auch zu schreiben, dass Lionne beim Bestellen der Felder half, statt beim Bewirten. Oder man wählt das Wort Bewirtschaften. Und bei dem Satz: "Damals hatte sie es nicht verstanden, warum ein Versprechen gebrochen wurde", wäre zu überlegen, ob man das "es" nicht streichen könnte, weil es dann runder klänge. Aber von solchen Haarspaltereien einmal abgesehen, haben wir keinen Punkt, den wir dir hier zum Verbessern mitgeben könnten.
Nur etwas, zum Nachdenken. Du beginnst, wie oben schon erwähnt, mit Lionne auf dem Balkon und den Fliesen und gehst dann in einen Rückblick, der aus mehreren Szenen besteht, zwischen denen teilweise deutliche Zeitunterschiede bestehen. Diese Sprünge könntest du irgendwie kennzeichnen, wie oben schon einmal erwähnt. Entweder mit Trennern oder durch Formatierung des Textes (kursiv?), damit die Trennung zwischen den einzelnen Parts etwas deutlicher wird. Andererseits gehen so die einzelnen Szenen ineinander über, wie es vermutlich auch Lionnes Gedanken tun, die langsam durch ihre Vergangenheit schweifen. Am Ende musst du entscheiden, welchen Effekt du hervorrufen willst. Die Trennung der Parts wäre leichter zu überblicken, strukturierter, das andere verwirrender, aber auch näher an der Situation.
Äußere Form: Verwendest du Satzzeichen? Verwendest du sie richtig? Wie steht es um deine Rechtschreibung? Wie ist es mit der Grammatik? Nutzt du lange Bandwurmsätze, ungeachtet der entsprechenden Situation, oder weißt du damit zu spielen?
Wir haben keinen nennenswerten Zeichensetzungsfehler gefunden. Einen(!) Temporalsatz und einen Infinitivsatz im ganzen Text. Das ist eine Fehlerquote, die ein Text durchaus haben darf. Sowas findet man auch in lektorierten Texten. Es scheint jedenfalls nicht so, als wären dir die Regeln der Grammatik und der Rechtschreibung nicht geläufig oder als gäbest du dir keine Mühe. Nichtsdestotrotz, wenn du die Sätze findest, solltest du es einmal ausbessern und dir die Regeln evtl. noch einmal ansehen, dass dir das zukünftig NOCH seltener passiert. Nein, grammatikalisch war die Geschichte auf wirklich hohem Niveau.
Wie oben nur ein Gedankenanstoß zu den Rückblenden. Da es sich um Geschehnisse handelt, die vor der Eingangsszene stattfinden, hätte man sie im Plusquamperfekt schreiben müssen. Für den Effekt, die Szenen fließend ineinander übergehen zu lassen, wäre das natürlich kontraproduktiv, aber es würde noch mal den Drift in die Vergangenheit verdeutlichen und die zeitliche Distanz, die zwischen den Ereignissen und den Überlegungen und Analysen liegt.
Sonst? Du weißt mit Sprache zu spielen und beherrschst dein Werkzeug sehr gut. Toll strukturierte Sätze, immer noch ein guter Ausdruck. Was soll man da groß sagen?
14,5 von 15 Punkte
Der Gesamteindruck
Da Syd einen Zeitzeugen eines Krieges in der Familie hat, fand sie gerade die nüchterne Beschreibung der Geschehnisse unglaublich gelungen, da sie diese an die Berichte des Zeitzeugen erinnerte. Es ist schwer vorstellbar, wie Menschen in diesen Zuständen leben können und einen Alltag führen, Kinder großziehen, ihrer Arbeit nachgehen, aber diese groteske Normalität existiert und wird gerade in Gespräch mit Leuten, die so etwas erlebt haben, sehr deutlich. Diesen Kontrast hast du in deiner Geschichte wirklich wunderschön zur Sprache gebracht, wenn auch die Situation und die Reise eine außergewöhnliche war.
Auch die anderen beiden schätzen die Erzählweise, in der Resignation (Lionnes Mama), aber auch die kroteske Tatsache, dass der Krieg eben zum Alltag gehörte, eindurcksvoll und glaubhaft geschildert wird. Aber auch der zarte Nebenplot, die zart wachsende Liebe zwischen Lionne und Marcus hat uns bezaubert und durch tiefgängige Dialoge und zur Schau gestellte Emotionen bestochen. Gerade Jao und Sue, die es waren, welche an deinem Vorwort rumgemäkelt haben, hätten nach dem Lesen der Geschichte, neugierig und wohlwollen ein langes Nachwort inklusive Danksagung an den Papa und Werbung für andere Werke sehr gerne gelesen ;-)
Aber uns alle drei verbindet wohl Eines: Als wir deine Anmeldung sahen, uns Cover, Title und Klappentext anschauten, haben wir viel von dir erwartet ...
... und wurden nicht enttäuscht! Super Story. Absolut empfehlenswert!
3 von 3 Punkten
Gesamtpunktzahl: 60 Punkte
Erreichte Punktzahl: 57 Punkte
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