+ 'Schatten, Flamme und Staub' von Shar57
Titel
Schatten, Flamme und Staub
Autor
Shar57
Genre
Fantasy
* * *
Wie angekündigt, handelt es sich hier um die vorläufig letzte Rezension in diesem Werk. Wer Interesse an Vorschlägen zu seinem Buch hat, darf sich gerne die alten Einträge ansehen oder mal im Buchclub nachfragen, wie da derzeit die Kapazitäten sind. (Schleichwerbung: Aktive Leser sind immer gerne gesehen!)
Anmeldungen in diesem Buch werden ignoriert, ebenso wie PN-Anfragen und ich gehe dann schlichtweg davon aus, dass die diversen Hinweise auf den Geschlossen-Zustand entweder ignorant übergangen oder nicht verstanden worden sind. Daher an der Stelle nochmal: Hier ist jetzt dicht!
Dagegen habe ich mir sehr über das letzte Werk gefreut, dass ich für dieses Projekt rezensieren durfte. Das steht seit dem ersten Buchseelen-Leseurlaub auf meiner Liste und dass ich das noch abhaken konnte, erfreut meinen inneren Seelenfrieden doch sehr ;-)
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G E S A M T E I N D R U C K
Dazu muss ich erwähnen, dass ich dieses Buch seit über drei Jahren immer mal wieder lese. Das zeigt, so schlecht kann es schon einmal nicht sein. Finde ich auch nicht! Der Einstieg war nicht ganz so flüssig, wie ich ihn in Erinnerung hatte, aber die Geschichte finde ich immer noch faszinierend und packend und ich freue mich, dass ich hier bei der Überarbeitung helfen darf.
Ich liebe die kleien Gemeinschaft, die aus Jurano übriggeblieben ist, und wie sie ihren Weg in die neue Welt finden und mag die Wendungen, die sich immer mal wieder ergeben, sehr, sodass immer dieses Gefühl bleibt, dem Unbekannten entgegen zu gehen. Genauso wie ich die kurzen Einblicke mag, die nicht aus Sicht des Protagonisten geschildert werden. Da ich selbst lange Zeit mit mehreren Perspektiven geschrieben habe, hab ich da ein Faible für, aber hier hat mich auch die Umsetzung überzeugt, dass ein Großteil eben doch eine Figur im Fokus hat, während der Anteil der Fremdeindrücke anfangs gering, aber trotzdem immer interessant bleibt.
Kurzum: Ich habe es trotz allem sehr gerne noch einmal von vorn gelesen und bin froh, jetzt endlich (nachdem ich es während des Mikrowellenawards ja nicht lesen durfte) endlich mal wieder auf dem aktuellen Stand zu sein :D
L E S E E M P F E H L U N G
Also, wer das perfekte Fantasy-Buch sucht, der sollte noch bis Ende des Jahres warten, bis der Anfang überarbeitet ist. Der zieht sich aktuell noch etwas. Genauso wie die Leute es sich überlegen sollten, die schnell mit großen Settings überfordert sind. Wer dagegen total auf Weltenbau, Geschichte und Strategie, eben das große Ganze, steht und auch überhaupt kein Problem damit hat, wenns mit der Handlung anfangs etwas länger dauert - sprich, wer im Urlaub auch gerne mal ne Runde Sightseeing betreibt - und außerdem ein wenig was für altertümliche Setting jenseits des Adels übrig hat, der kann jetzt schon gerne einen Blick riskieren. Es gibt eine Menge zu entdecken und zu erleben, aber alles zu seiner Zeit. Das hier ist kein "Finde die heilige Klobürste und alles wird gut"-Fantasybuch, in dem ein Bösewicht gekillt werden muss. Hier muss man ein bisschen weiter denken. Ein bisschen wie Schach, oder eher Go. Irgendwann, wenn der letzte Stein gelegt ist, sieht man, wie die Lage wirklich ist.
Nur eine Einschränkung: Es ist eben ein Fantasy-Epos. Nur, weil sich das Setting am Altertum oder dem frühen Mittelalter anlehnt, heißt das nicht, dass es historisch korrekt ist. Nicht alle Dinge haben sich so wie bei uns entwickelt, ob technologie- oder wissenstechnisch. Dem sollte man sich bewusst sein.
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C O V E R
Covermaker: getafly005
Wirkung
Vorweg will ich sagen, dass ich das neue Cover sehr mag, auch wenn ich auf dem alten sehr schön fand, wie der Lichtschein durch die Blätter fiel und man glaubte, den Staub in den Strahlen tanzen zu sehen. Hier betrachtet man den Wald aus der Vogelperspektive, alles ist ein wenig schattiger, düsterer, zusammen mit dem wolkenverhangenen Himmel ist es insgesamt ziemlich bedrückt, was aber streckenweise sehr gut zum Inhalt des Buches passt - so viel nehme ich mal vorweg.
Diese unendlichen Weiten des Waldes sprechen gerade den Anfang des Buches wunderbar an und wirken auch ohne, dass ich an den Inhalt denke, auf mich mystisch. Es sieht nach viel Platz für viele Abenteuer aus, viele dunkle Ecken, in denen sich üble Monster verkriechen können - aber trotzdem ruhig, ein wenig heimtückisch, ohne groß mit Horror-Elementen aufzuwaten.
Durch diese Schlichtheit sticht es auch ein wenig hervor, wenn man das Buch in einer langen Reihe anderer betrachtet. Also schon nicht schlecht gemacht. Ein wenig frage ich mich zwar, wie der Titelaspekt der Flamme dort unterzubringen wäre. Das ist aber bloß eine Idee und keine Kritik.
Handwerk
Habe ich schon erwähnt, dass ich Schlichtheit durchaus etwas abgewinnen kann? Falls nicht: Kann ich. Das Cover ist schlicht, hat "nur" ein Motiv, den Wald (und den Himmel), sodass man geneigt wäre zu sagen, es sei ein Hintergrundbild und die Schrift. Nun weiß ich, dass es mehr als nur ein Hintergrundbild ist und in diesem Eindruck, dass alles eine Einheit wäre, viel Arbeit steckt. Diese Arbeit hat sich gelohnt. Das Motiv ist inhaltlich passend und wenn jemand jetzt meint zu sagen, da ist zu wenig Action drauf, dem sei gesagt, dass actionversessene Leser, die es nicht abwarten können, bis Blut fließt, in dem Buch auch schlicht an der falschen Adresse wären. Mich hat es angesprochen, weil es eben nicht mit den typischen 0815-Elementen aufgewartet ist, weil es nicht pompös herausstechen wollte, weil es eine Geschichte versprach, in der mehr Steckt als nur ein heruntergemagerter Plot, in dem jeder "unnötige" Nebensatz eliminiert worden ist.
Bevor ich zu viel auf den Inhalt eingehe, eine Sache, die mich tatsächlich handwerklich etwas stört: Die Schrift. Von der Schriftart her, finde ich es gut gewählt, auch die Größe ist sehr angenehm, nur geht der Anfang des "Schatten" in den Wolken unter. Im Großformat ist es gar kein Problem, aber in der Listenansicht geht der helle Dunst, den du dahinter gelegt hast, vollkommen verloren. Da wäre zu schauen, ob man das noch irgendwie besser herausarbeiten könnte, dass der Titel wirklich auf den ersten Blick mühelos lesbar ist.
Dagegen finde ich die Idee, den ersten und letzten Buchstaben jedes Titelnomens groß zu schreiben, ziemlich gut. Das hebt die Elemente noch einmal etwas hervor und bringt Abwechslung rein. Mag ich!
T I T E L
Wirkung
An einer Stelle des Titels stolpere ich jedes Mal: Ich will immer "Schatten, Flammen und Staub" schreiben, statt die Flamme im Singular zu belassen. Mich würde mal interessieren, ob es einen bestimmten Grund gibt, weshalb du hier mal den Plural (Schatten) und mal die Einzahl (Flamme) gewählt hast, statt beides zu mixen.
Der Titel hatte, solange ich das Buch lese, eigentlich nie eine wirkliche Wirkung auf mich. Ich habe bis jetzt noch keine wirkliche Verbindung mit dem Inhalt finden können, daher klingt er in meinen Ohren recht willkürlich, wenn auch irgendwie schon passend. Es ist ja nicht so, als gäbe es in deiner Geschichte keine dunklen Schatten. Was aber genau die Flammen und der Staub für eine Bedeutung haben, kann ich schwer sagen. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Art Klimax ist (erst die Schatten, dann die Flamme und am Ende bleibt nichts als Staub), aber genauso gut könnte ich mir denken, dass es drei mehr oder minder unabhängige Elemente sind.
Jetzt ist das Buch ja noch nicht beendet und es könnte sein, dass sich die Bedeutung des Titels noch klärt. Mich würde aber an der Stelle mal interessieren, ob es sich um eine Art Arbeitstitel handelt, bei dem du hoffst, dass dir noch was passenderes einfällt, oder ob es tatsächlich der aus deiner Sicht perfekt passende Titel ist, dessen Perfektheit sich später noch aufklären soll?
Was mir jedenfalls positiv auffällt ist, dass es nicht die dröfste Chronik ist und nicht krampfhaft versucht wurde einen ultra-epischen Titel zu konzipieren. Das muss man sagen, wurde nicht versucht und dafür bin ich ziemlich dankbar. Genauso wie, dass sich hier für einen Titel in deutscher Sprache entschieden wurde. Insgesamt geht er auch recht melodisch über die Lippen, also ist er nicht unbedingt verkehrt.
Kontext
Habe ich hierzu vielleicht im oberen Punkt schon zu viel bezüglich des Kontext gesagt? Vielleicht! Aber dafür kann ich mich hier dann ja kürzer halten: Ich finde den Kontext zum jetzigen Zeitpunkt noch ziemlich abstrakt. Wenn das so gewollt ist, spricht absolut nichts dagegen. Persönlich mag ich es, wenn am Ende ein großer Aha-Moment kommt, in dem sich alle Teile des Puzzles plötzlich zu einem großen Ganzen formen. Manchen mag das zu spät sein, aber da scheiden sich eben die Geister und Wattpad ist eine wunderbare Plattform, um so etwas mal auszuprobieren.
Der Bezug von Cover und Inhalt ist gleich zu Beginn erkennbar, der Titel hängt an einem seidenen Faden zu Cover und Inhalt, aber es ist nun einmal genug, um nicht hart zu verwirren und es bietet trotzdem einen guten ersten Eindruck, wenn man gewillt ist, sich auf ein wenig Unbekanntes einzulassen. Wer nach Schema F sucht, würde ja ohnehin enttäuscht.
K L A P P E N T E X T
Der junge Siraj wächst in Jurano auf, einem kleinen Dorf inmitten eines schier endlosen Waldes. Er kennt nichts anderes als die Umgebung des Dorfes. Hier hat er seine Freunde, seine Frau, seine Familie.
Keiner weiß, was sich hinter dem Wald verbirgt, ob noch mehr Dörfer existieren, was die Welt noch für Wunder - und Schrecken - bereithält. Siraj möchte diese Umgebung niemals verlassen, er fühlt sich sehr zu seinem Heimatdorf hingezogen. Das Leben scheint perfekt.
Als es jedoch zu einem furchtbaren Ereignis kommt, welches ganz Jurano in seinen Grundfesten erschüttert, bleibt Siraj nichts übrig: Für das Wohl seiner Familie und seines Dorfes muss er losziehen, den Gefahren des Waldes trotzen und feststellen, dass die Welt noch viel gewaltiger, schöner und gefährlicher ist, als er je zu träumen gewagt hatte.
Und bald muss Siraj erkennen, dass er trotz seiner langen Reise nur ein winziges Zahnrad in einem furchtbaren Konstrukt aus Macht, Intrigen und erbarmungsloser Gewalt ist.
Cover wurde erstellt von @getafly005
Handwerk
Sind wir uns einig, dass Klappentexte ne ziemlich harte Nummer sind? Es liest sich so, als sei dir der Text weniger leicht gefallen als der Inhalt deines Buches. So, als hättest du jeden Satz zehnmal schreiben müssen. Ich glaube, die Mühe, die darin liegt, wirklich zu erkennen und vom Aufbau gefällt er mir auch recht gut, aber an ein oder zwei Stellen würd ich schon noch einmal den Rotstift ansetzen.
Fangen wir mit einem wichtigen Punkt an: Wiederholungen. Insbesondere Wald und Dorf würd ich versuchen ein wenig einzudampfen. Nicht unbedingt durch Synonyme, es soll schließlich keine Synonymparade werden, bei dem du plötzlich von Forsthabitaten redest, das nimmt einem ja auch keiner ab, aber womöglich indem du genannte Worte manchmal einfach ... weglässt, weil du im vorherigen Satz eh davon gesprochen hast.
Das wäre auch der zweite Punkt, zu dem ich dir raten würde: Kürze diesen Klappentext. Wenn ich jetzt mal einen Part des nächsten Punktes herausnehme, dann kann man sagen, dass der Großteil des Klappentextes sich um das erste Kapitel deines Buches dreht. Na gut, um die ersten drei. Aber darauf verwendest du einen sehr, sehr großen Teil deines Klappentextes. Etwas mehr als die Hälfte.
Dann eine Phrase, bei der ich ein wenig schmerzhaft zusammengezuckt bin: "furchtbares Ereignis" aka "eines Tages" und so weiter. Der Wendepunkt eben. Ich glaube sogar vorstellen zu können, was in dem Moment in deinem Hirn vor sich ging: Ja, du willst einen Hinweis darauf geben, dass sich das Blatt wendet. Du willst dem Leser zeigen, dass ihn Drama erwartet. Aber was du auf keinen Fall willst: Zu viel sagen. Also bleibst du bei dieser recht leeren Worthülse "furchtbares Ereignis X". Es sagt alles und nichts. Die erschütterten Grundfesten von Jurano sind viel besser! Sie sagen auch sehr wenig aus, was genau passiert, aber es bezieht sich auf ein Element deiner Geschichte und wenn du die furchtbaren Ergeignisse streichst, hast du nur noch eine Phrase und die hat wenigstens etwas Bezug. "Als jedoch Juranos Grundfesten erschüttert werden, bleibt Siraj keine Wahl:"
Dagegen finde ich den Satz, in dem du beschreibst, was Siraj für Entdeckungen machen wird, unglaublich toll und du solltest ihn auf jeden Fall behalten: "dass die Welt noch viel gewaltiger, schöner und gefährlicher ist, als er je zu träumen gewagt hatte."
Das ist toll, diese Zerrissenheit zwischen Gefahr und Schönheit find ich super. Nein, es ist nicht alles toll in dier großen Weiten welt, aber sie hat eben auch ihre Vorteile.
Auch dass du anfangst versuchst, Siraj schon hier ein wenig zu charakteresieren, mit seiner Verbundenheit zum Dorf, der Loyalität der Gemeinschaft und seiner Familie gegenüber, finde ich keine schlechte Idee. Aber vielleicht könntest du versuchen, denselben Effekt mit ein paar Worten weniger, mit etwas weniger Erklärung, zu erreichen.
Nebenbei bemerkt bist du einer der ganze wenigen, der seinen Klappentext noch mit Einrückungen versucht ein wenig zu strukturieren. Find ich eine gute Sache, was dem Ganzen einen professionelleren Anstrich beschert. Ich würde dir, gerade bei der Länge, allerdings zusätzlich empfehlen, doppelte Zeilenumbrüche zwischen den Absätzen zu verwenden und zu versuchen, mit maximal 3 Absätzen auszukommen. Im Idealfall weckst du das Interesse des Lesers im ersten Satz, denn den bekommt er auch in der Vorschau angezeigt.
Inhalt
Oh ja, man kann sich etwas drunter vorstellen. Der Klappentext enthält eine Menge Informationen zu Siraj (s. oben), zwischen den Zeilen auch zu Jurano und dem (beschränkten) Wissen der Bewohner zum Rest der Welt. Er enthält auch einige Informationen zur Umgebung, den Wald, damit einen Bezug zum Cover. Gleichzeitig greift er trotzdem nicht zu weit vor, denn wo der Klappentext endet, bei Sirajs Reise in die Welt, fängt die Geschichte gerade erst an. Die Andeutung, dass er lernen muss, dass es nicht nur Friede-Freude-Eierkuchen ist, reicht zwar noch etwas weiter, ist aber allgemein genug gehalten, um nicht zu spoilern.
Also inhaltlich finde ich persönlich ihn ziemlich gelungen, hätte hier einen kleinen Wink zum Titel aber nicht schlecht gefunden. Gerade das Wort Schatten kann man ganz gut aufgreifen und ein wenig damit spielen.
Beispiel
Inmitten des ewigen Waldes, in einem kleinen Dorf mit dem Namen Jurano, wächst der junge Siraj auf. Hier hat er seine Freunde, seine Frau - seine gesamte Familie. Was jenseits der Bäume liegt, was die Welt noch für Wunder - und Schrecken - bereithält, interessiert ihn nicht. Sein Leben scheint perfekt.
Als Jurano und ihre friedliche Gemeinschaft jedoch in ihren Grundfesten erschüttert wird, bleibt Siraj keine Wahl: Für das Wohl seiner Familie muss er losziehen, den düsteren Schatten des Waldes trotzen und feststellen, dass die Welt ein noch viel gewaltigerer, schönerer und gefährlicherer Ort ist, als er je zu träumen gewagt hat.
Ein Ort, an dem er trotz seiner langen Reise nur ein winziges Zahnrad in einem furchtbaren Konstrukt aus Macht, Intrigen und erbarmungsloser Gewalt ist.
Wie immer nicht perfekt, aber persönlich find ich es schon besser.
T A G S
Wisst ihr, wann diese Kategorie hier lästig wurde? Seit sich Tags nicht mehr kopieren lassen, sondern man sie abtippen muss. Aber gut, ist eh die letzte Rezension und die meisten gefallen mir eigentlich recht gut.
Nur an dreien habe ich etwas auszusetzen. Beginnen mir mit #wald. Am Cover sieht man, dass es kein so kleines Element in der Geschichte ist, aber es fällt mir irgendwie schwer mir vorzustellen, dass da jemand vor der Suchmaske von Wattpad sitzt und sich denkt "Suchen wir mal nach Geschichten, die in einem Wald spielen". Ich befürchte einfach, das kommt sehr, sehr selten vor. Insofern würd ich das rausnehmen.
Was #authentisch und #realistisch angeht, finde ich, dass es sich mit fantasy ein wenig beißt, auch wenn ich glaube zu wissen, was du damit auszudrücken versuchst. Außerdem befürchte ich auch hier, dass viele nicht nach diesen Begriffen suchen werden, gleichzeitig, dass es ein wenig zu präsentativ rüberkommt. "Seht her, ich schreibe authentisch!", das ... wirst du sicher nicht so gemeint haben, aber Autoren, die ihr Werk selbst mit irgendwelchen Attributen betiteln, das riecht schnell nach Selbstbeweihräucherung.
Empfehlen würde ich dir dagegen die Tags #liebe und #familie, auch wenn du #romantik (liebe) ja schon drin hast. Das ist ein Punkt, nach dem häufiger gesucht wird. Den Punkt #familie finde ich deshalb wichtig, weil Siraj sich ja für viele Leute verantwortlich fühlte, sie zu seiner Familie zählt und das einen großen Teil der anfänglichen Dynamik ausmacht. Genauso wie der spätere #zusammenhalt auf der Reise.
Orga-Tags: #darkfantasy, #eigenbau, #fantasy, #highfantasy, #romantik
Gute Tags: #epos, #düster, #intrigen, #krieg, #macht, #magie, #mittelalter, #politik, #rebellion, #reise, #saga, #schatten
Schlechte Tags: #authentisch, #realistisch, #wald
Vorgeschlagene Tags: #liebe, #familie, #zusammenhalt, #kreaturen, #ungeheuer
S T O R Y A U F B A U
Einleitung
Der Beginn der Geschichte ist nicht gerade zimperlich. Der Einstieg ist eine Erinnerung sehr jungen Sirajs an eine Situation, in der sein Vater einen schwerverletzten Jäger des Dorfes Juranos heilt. Man wird sofort hineingeworfen, als zwei namenlose den Verletzten in Sojas (Sirajs Vater) Hütte tragen und man erlebt mit, wie Soja von magischen Kräften gebrauch macht, die nicht näher beschrieben werden. Es ist sehr schön gewählt, dass man als Leser dieses Phänomen beobachtet, während auch Siraj es zum ersten Mal erlebt. Das hat mich ein wenig mit dem jungen Protagonisten verbunden, denn es war quasi ein gemeinsames Erleben.
Nebenbei erfährt man einiges über Jurano. Dass es Jäger und Sammler gibt, dass die Behausungen sehr einfach gehalten sind, mit rauen Wänden und Fellvorhängen, dass im Dorf quasi jeder jeden kennt, auch wenn Siraj sich in dem Moment nicht an den Namen des Jägers erinnern kann und es fallen einige Namen weiterer Bewohner. Ich habe also einen kleinen Einblick in das Setting bekommen, das mich erwartet und das vollkommen ohne, dass es mir erklärt worde, sondern durch die Dinge, die währenddessen passiert sind. Der Fellvorhang der beiseitegeschoben wird, der erwähnte Beruf des Verletzten, die Unterhaltung zum Schluss zwischen Siraj und seinem Vater, in dem mehrere Berufe genannt werden, die zum Vorankommen des Dorfes beitragen.
Besonders in diesem Gespräch habe ich auch sehr viel über Sojas und Siraj gelernt. Siraj war anscheinend ein sehr offenes und ehrliches Kind, das keine Scheu hatte, die Anweisungen seines Vaters zu hinterfragen. Als Sojas meint, er sei kein Übermensch, nur weil er Kräfte besitzt, fragt Siraj frei heraus nach, ob ihn genau das nicht doch einzigartig macht. Dass Sojas ihm daraufhin deutlich macht, wie wichtig jeder einzelne in Jurano für das Zusammenleben ist und dass sich alle miteinander ergänzen, zeigt wunderbar die Bodenständigkeit Sojas' sowie die Geduld, die er für seinen Sohn aufbringt. Überhaupt das gesamte Gespräch, die Zeit die er sich nimmt, verbildlicht wunderbar, wie wichtig sein Sohn ihm ist. Also rein gar keine Infodumps, sondern einiges an Show statt Tell.
Ich habe aber auch zu meckern. Zumindest ein kleines Bisschen. Einerseits sind mir auch in der Einleitung einige Wortwiederholungen aufgefallen, die nicht hätten sein müssen. Darauf gehe ich aber weiter unten einmal allgemein ein.
Was mir viel mehr Kopfzerbrechen bereitet hat, waren die Absätze und die damit nicht immer ganz klaren Bezüge. Du verzichtest oft auf die Benutzung von Personalpronomen, setzt mehr auf die Nennung der Namen oder Synonyme (Sojas, Sirajs Vater usw.), was dir hier den Allerwertesten gerettet hat (dafür hinsichtlich der Wiederholungen manchmal ein kleines Problem darstellt), aber gelegentlich nutzt du sie ja doch und dann passiert sowas:
"Ein Freund von Sojas zog einen Schaulustigen aus dem Haus heraus. Kurz darauf wurde auch dieser mit einer ablehnenden Geste seines Vaters des Hauses verwiesen.
Er verschwand durch den schweren Fellvorhang. Sojas atmete tief durch. "Vater?", fragte Siraj vorsichtig."
Wir haben zwei Wechsel zwischen den handelnen Personen in einem Absatz. Der erste Satz im zweiten Absatz ist ein namenloser Statist, den du hier mit Er bezeichnest. Die Information, dass es der Freund des Vaters ist, fällt im vorherigen (Ab)satz, hängt also nicht direkt mit diesem Satz zusammen. Und das bei ausnahmslos männlichen Figuren in der Szene. Das kann zu Verwirrung führen.
Daher bin ich ein Freund davon, die Sätze zu bündeln, deren handelnde Person sich gleicht. Das wäre dann gewesen:
"Ein Freund von Sojas zog einen Schaulustigen aus dem Haus heraus. Kurz darauf wurde auch dieser mit einer ablehnenden Geste seines Vaters des Hauses verwiesen. Er verschwand durch den schweren Fellvorhang.
Sojas atmete tief durch.
"'Vater', fragte Siraj vorsichtig."
Jetzt muss man nur noch klarstellen, dass es Sirajs Vater (Sojas) ist, der ihn da hinauszitiert und nicht der Vater des Freundes von Sojas. Auch hier, unklarer Bezug.
Natürlich kann man sich vieles davon denken, aber es würde das Erfassen des Textes deutlich leichter gestalten, wenn klar wäre, wer wann gemeint ist und man eben nicht noch überlegen müsste. Besonders am Anfang, wenn die Namen und Beziehungen noch nicht so klar sind, hilft es mir zumindest ungemein, wenn ich mir darüber keine Gedanken zu machen brauche.
Sonst ein sehr, sehr sauberer Text mit wenig Fehlern (ein kleines förmliches ihr, das hätte großgeschrieben werden müssen und ein Zeitfehler auf geschätzte 1500 Wörter Text), gewählten Formulierungen und einem spannend erzählten Inhalt, wobei du dich aufs Wesentliche konzentrierst. Die Glückwünsche und Freudenbekundungen kürzt du unterm Bruchstrich weg und gehst nach der gelungenen Heilung dann schnell zum Vater-Sohn-Gespräch über, was sehr gut dazu passt, dass Siraj sich ja daran erinnert und das werden wohl die beiden Punkte gewesen sein, die sich am besten bei ihm eingeprägt haben. Das verleiht dem Ganzen einen schönen, nachvollziehbaren Rahmen.
Im nächsten Teilkapitel dann aber willst du mit einer Zusammenfassung zu Sirajs Erwachsenendasein überleiten, was keine schlechte Idee ist, falls du nicht vorhast, erstmal fünf Prequels zu schreiben, aber die Umsetzung hat in meinen Augen eine Schwäche: Zunächst einmal enthält sie (naturgemäß) sehr viel Tell. Vollständig wird sich das nie vermeiden lassen, aber man kann es etwas reduzieren, indem man die Punkte, die man zuvor so wunderbar gezeigt hat, in der Zusammenfassung nicht mehr lang und breit erklärt. Zum Beispiel, dass Sojas sehr geduldig ist und seinem Sohn viel erklärt.
Der andere Punkt, der die Überleitung etwas zäh gestaltet, ist, dass du zwischen den Themen springst und das ein bisschen brutal. Hier mal die Ultrakurzfassung: Erinnerung (Sicht Siraj), Sirajs Kräfte (Siraj), die Heilkunst (Siraj), Sirajs Mutter (Sicht Sojas), Sojas Vaterrolle (Sojas), Sirajs Annäherung an Sianna(Sojas) , Sojas als Lehrer(Sojas), Sojas Vaterrolle (Sicht Siraj), Sojas non-existentes Liebesleben (Sicht ... kann beides sein), Sojas Vaterrolle (dass er Siraj alles zum Thema Frauen beibringt), Sojas Vaterrolle (Sicht Siraj)
Du merkst, dass du da nicht immer bei einem Punkt bleibst? Wenn du die zusammengehörigen Punkte auch in einem Rutsch abhandelst, sparst du dir viel Overhead und ich muss beim Lesen nicht zwischen X Baustellen springen.
Dann habe ich überall mal notiert, wie ich glaube, dass du erzählst. Nun habe ich ja nichts perse gegen auktoriale Erzähler, die zwischen den Perspektiven springen können, aber Sojas Vaterrolle sprichst du hier diverse Male an, kommst darauf quasi immer wieder zurück, immer wieder aus verschiedenen Richtungen, obwohl der Inhalt recht identisch ist bzw. sich an einer Stelle abhandeln ließe.
Den Bogen von der Erinnerung zur Heilkunst und den Kräften seines Vaters finde ich gut gemacht. Den fand ich sehr nachvollziehbar. Der Themenschwenk zu seiner Mutter war in meinen Augen dann willkürlich. Das Thema Frauen hätte ich zusammenfasst (Sianna, Sojas Treue seiner toten Frau gegenüber und dass er mit seinem Sohn über das Verhalten gegenüber jungen Damen spricht) und seine Rolle als Sirajs Lehrer direkt mit zur Heilkunst gepackt. Also die Überleitung von der Erinnerung, dann die Heilkunft und die Kräfte des Vaters, sowie die Ausbildung zum Heiler, dann das Resümee der Entwicklung vom Kind zum Mann, die Annäherung an Sianna, die Erwähnung des Schicksals von Sojas Frau und so weiter ... Das wirkt dann eher wie ein roter Faden statt ein Wollknäul. Oder du streichst oben den ganzen Frauenkram komplett und bleibst bei der kurzen Szene, die du später ja sowieso zeigst(!), als Siraj Sojas Rat einholt. Das zeigt wunderbar, was du weiter oben beschreibst! Wozu die Dopplung? Es heißt "Show, don't tell" noch "Show AND tell".
Und an deiner Stelle hätte ich mich für eine Perspektive entschieden. Der stolze Vater, der den Werdegang seines Sohnes beschreibt, oder der Sohn, der danach strebt, in die Stiefel seines Vaters zu treten. Das hätte dir auch in der Zusammenfassung die Möglichkeit gegeben, die Distanz, die man bei Zusammenfassungen immer hat, ein wenig zu verringern.
Persönlich geht es mir so, dass, wenn ich mich auf eine Perspektive konzentriere, aus der ich Dinge schildere, es mir leichter fällt, saubere Übergänge zu schaffen, statt die Infos, die ich droppen will, Punkt für Punkt abzuhandeln. Währung, "jeder beschützt jeden", der Rat. Es ist kein echter Infodump, aber es klingt noch nicht vollkommen zusammengehörig. Das wird nach hinten raus, wenn mehr Handlung kommt, deutlich, deutlich besser, und ich weiß, wie schwierig es ist, nicht in einen Vortrag zu verfallen, wie toll die eigenes erdachte Welt doch ist. Von der Idee her liest es sich auch wundervoll, vom Text her würd ich dir raten, nochmal bei zu schleifen, damit der Anfang auch heute noch dem Rest des Buches auch gerecht wird.
Handlung
So, jetzt legen wir mal das Brennglas beiseite und schauen uns das große Ganze an, denn wenn man nicht gerade nach Fehlern sucht, kann man die Geschichte schon ziemlich entspannt genießen. Aufgrund der Länge der Geschichte ist der Inhalt hier unten extrem eingedampft. Einige Wendepunkte werden zwar notgedrungen gespoilert, aber nichtsdestotrotz gibt es noch genügend Punkte, die man in der Geschichte entdecken kann.
Die Geschichte dreht sich um den immer noch recht jungen Siraj, der in Jurano aufwächst, dort seine Liebe, Sianna, kennenlernt und zum Heiler des Dorfes ausgebildet wurde. Eines Tages taucht in der Nähe des Dorfes ein Ungeheuer auf, das die Sicherheit der Gemeinschaft bedroht. Man beschließt, auszurücken, um sich das Biest wenigstens mal von Nahem anzusehen, im besten Falle, um sich dessen zu entledigen. Die Sache geht ziemlich nach hinten los und als klar wird, dass dieser Kreatur mit normalen Mitteln nicht beizukommen ist, steht die Dorfgemeinschaft vor der Frage, ob sie eine weitere Konfrontation riskieren oder die Flucht ergreifen will.
Siraj entscheidet sich mit Sianna für die Flucht und lässt jene, die sich für den Kampf entschieden, schweren Herzens zurück. Die kleine Gruppe bricht in den ewigen Wald auf, ohne zu wissen, was sie erwartet. Zu ihrer Überraschung kommen sie irgendwann tatsächlich an einem Haus an, einem Hof, auf dem sie freundlich aufgenommen werden. Die Gebahren der Menschen sind ihnen jedoch zu großen Teilen fremd und sie müssen sich mit der neuen Situation zunächst arrangieren. Viehzucht, Alkohol, Geld, leichte Leinenkleider sind Dinge, die sie noch nie gesehen haben, doch in der nächstgelegenen Stadt schaffen sie es, sich eine neue Existenz aufzubauen. Siraj ist als Heiler sogar ziemlich erfolgreich und auch die anderen finden ihre Niesche, in der sie sich nützlich machen können, wobei es immer wieder Kleinigkeiten gibt, die ihnen unbekannt sind. Bürokratie zum Beispiel bietet viel Spielraum für Verwirrung.
Eines Tages wird Siraj gebeten, zu dem Sohn eines Herrschers zu fahren, da dessen Sohn schwer erkrankt ist. Der Stadt, aus der der Heiler kommt, der diese Geschicke zu lenken vermag, winkt eine prächtige Belohnung. Tatsächlich gelingt Siraj dieses Kusntstück, doch damit zieht er die Aufmerksamkeit der Mächtigen auf sich.
Parallel bekommt man immer mal Eindrücke aus anderen Richtungen. Man erlebt die Geschicke von Aysen aus einem etwas anderen, vor allem verschiedenen Blickwinkeln. Aus denen von Fürsten, Paladinen, Ratsmitgliedern, Bürgermeistern, Generälen, Soldaten ... Aber was sind das für Geschicke? Es beginnt alles mit dem Angriff auf einen Gutshof, während in einer anderen Ecke des Landes eine abtrünnige Generälin eine Einheit der aysenischen Armee hinters Licht führt und ein mehr oder minder geheimnisvolles Syndikat, das seine Fäden ziemlich weit gesponnen hat. Die Charaktere der einzelnen Handlungen laufen sich immer mal wieder über den Weg und nach und nach verdichtet sich alles zu einem zusammenhängenden Bild, während man mit diesen Figuren das Land, die Leute und die Gewohnheiten dieser fremden Zivilisation erkundet.
Die Geschichte wird größtenteils aus Sirajs Sicht erzählt und seine Erlebnisse sind der rote Faden, der sich von Beginn an stringent durch die Geschichte zieht. Die Flucht vor der Bestie, das Zurechtfinden in der neuen Umgebung, das Behaupten gegenüber den Mächtigen und das Bewahren seiner Prinzipien ist der Dreh- und Angelpunkt von fast allem.
Was mir besonders an der Handlung gefallen hat, war, dass sie nicht konstruiert wirkte. Klar, sie ist konstruiert, wie jede fiktive Handlung, aber man merkt es nicht. Die typische Heldenreise beginnt ja mit einem Helden und einem Problem und der Held hat die Aufgabe, dieses Problem zu lösen - meistens sogar von Anfang an einen Masterplan, der mit diversen Hindernissen dann letztlich umgesetzt wird. Ein magisches Artefakt zur Rettung der Welt oder die Erfüllung einer Prophezeiung oder so ein Quatsch. Hier ergibt sich die Handlung der Charaktere aus dem Problem heraus, sie reagieren darauf, schmieden Pläne, die sie später wegen Irrtümer oder falscher Annahmen verwerfen oder anpassen müssen. Sie erreichen ihr Ziel zwar auch, aber erstens ergeben sich daraus nur neue Konflikte und Widrigkeiten und zweitens doch ganz anders als sie es erwartet hätten und das hat mir sehr, sehr gut gefallen, weil es deutlich realistischer gemacht ist als viele andere Werke dieser Machart.
Subplots gibt es immer mal wieder. Einmal die Nicht-Siraj-Kapitel, die immer wieder neue Seiten von Gottesbau und der Umgebung aufdecken. Sie bringen wirklich viel Abwechslung rein und bieten eine "zivilisierte" Perspektive auf das Geschehen, während die Bewohner von Jurano vielem anfangs sehr naiv gegenüberstehen, weil es für sie schlichtweg Neuland ist. Manchmal auch eine Prise Vorausdeutung (Foreshadowing) zu kommenden Ereignissen, die Siraj und seine Leute überstehen müssen. So kann man schon früh in die "andere" Gesellschaft hineinblicken, während Siraj und seine Gefolgsleute noch langsam begreifen.
Gleichzeitig wählst du auch sehr spannende Begebenheiten aus. Zunächst Marco und die Paladine, die einen Einblick in die Religion deiner Welt bieten, letztlich die Diebe stellen, die der Kirche Serras das Gold geraubt haben und sich dann mit der Bestie auseinandersetzen, die aus dem aysischen Wald erstaunlich ähnelt. Es ist interessant zu lesen, wie die verschiedenen Reaktionen auf das Tier sind. Wie Hans und Marla, welche als erste die Bewohner Juranos bei sich übergangsweise aufnehmen, die Schilderungen entgegen nehmen, wie Marco und die Paladine die Kampfspuren interpretieren. Zusammen mit dem Erleben der Bewohner von Jurano ergeben sich da wirklich viele Eindrücke, die zu allerlei Vermutungen anregen.
Anfangs wirken die Abstecher zu Marco, Hazduhr, Revana und den vielen anderen Figuren noch etwas willkürlich und verwirrend, weil es immer mehr Personen und Aspekte werden, aber wie oben bereits erwähnt, wächst alles zusammen und da immer wieder bekannte Aspekte aufgegriffen und vertieft werden, findet man sich erstaunlich schnell in die neuen Blickwinkel ein, je mehr man liest und findet mit der Zeit an jedem Handlungsstrang etwas, was Neugier und Spannung weckt, wenn neue Erkenntnisse dazu gewonnen werden.
Logiklücken als solche sind mir keine großen aufgefallen. Ganz am Anfang fragt Sojas Siraj, ob er auch Sianna nichts erzählt hätte, was darauf hindeutet, dass sie schon als kleine Kinder sehr viel miteinander unternommen haben. Später heißt es dann, er musste sich erst an sie annähern und ihre Aufmerksamkeit erregen.
Später stolperte ich noch über eine andere Sache: Siraj und die Bewohner von Jurano wandern tagelang, wenn nicht sogar Wochen, durch den Wald. Sie trinken Regenwasser und ernähren sich fast ausschließlich von Beeren - sofern sie überhaupt etwas finden. Erstens: Im Herbst wären Nüsse auch noch ne nette Alternative und ein deutlich besserer Energielieferant. Da auch Sammlerinnen mit an Bord sind, wären Kräuter und vor allem Wurzeln oder sogar Pilze ebenfalls Alternativen. Im Herbst deckt die Natur eigentlich so zum letzten Mal nochmal den Gabentisch (Erntedankfest, falls das jemand kennt), viele Obst- und Gemüsesorten, die es auch als Wildbestände gibt, werden hier erst reif. Auch im späten Herbst findet man hier und da doch noch etwas Abwechslung.
Was das Regenwasser angeht: Das enthält kaum Salze oder Mineralien. Du erwähnst mehrfach, wie sehr sie schwitzen, wie sehr sie der Marsch anstrengt und ... Da wäre nur Regenwasser ziemlich fatal. Wenn man bedenkt, dass Sportlern im Sommer meist sogar von normalem Wasser abgeraten und versucht wird, denen möglichst isotonisches Zeug anzudrehen ... In Regenwasser sind bei dir zwar weniger Feinstäube als in unserer zivilisierten Welt drin, aber Asche, Staub, Pollen, Bakterien uvm. Da würd ich sie ab und an an einem See oder einem Fluss vorbeiführen. Klar, einem Fluss könnte man folgen, dann hättest du keine Wasserknappheit mehr, aber wenn die Flüsse plötzlich unterirdisch verlaufen oder einen Abhang hinunterstürzen geht das auch nicht mehr. Oder sie werden zu groß, damit trüb oder führen in ein Moor. Wenig Wasser und lange Reise ließe sich also trotzdem in Einklang bringen.
Zu guter Letzt wäre da noch der Punkt, dass sie am Ende ja auf einem Hof aufgenommen und verköstigt werden. Dort ist die Rede von einem riesigen Gelage, nachdem sie tagelang hungern und dursten mussten. Nach so langem Fasten bekommt man meist nicht sehr viel herunter und falls der Hunger es doch hereintreibt, treibts der überforderte Magen meist wieder an die Oberfläche zurück. So schön der Gedanke auch ist, dass sie sich endlich, nachdem sie so viel auf sich haben nehmen müssen, die Bäuche vollschlagen können, auch ist - und ich hätte es ihnen von Herzen gegönnt - geht das so vermutlich nicht auf.
Und hatte ich mich schon einmal darüber ausgelassen, dass frisch geschossenes Wild - auch Hasen - I-Bah-Pfui ist? Gut, Hasen hängt man "nur" mind. 24h ab, aber das sollte man dem Tierchen zugestehen, sonst isses eher so Level Schuhsole. Totenstarre und so. In irgendeiner Rezi hab ich mich darüber mal länger ausgelassen. Da deine Leute da gerade gegen das Verhungern kämpfen, könnt ich aber verstehen, dass sie es trotzdem tun und die Geduld nicht aufbringen, nur könntest du vielleicht unterbringen, dass es nicht halb so gut wie sonst schmeckt.
Ansonsten nichts zu Bemängeln. Weder an dem Überfall der Aufständischen, der Aufstellung der aysenischen Armee, den Geschicken der Räte, nichts. Normalerweise muss ich hier Stichpunkte streichen, damit die Rezi nicht länger als das Werk wird, aber das ist bei dir glücklicherweise schlichtweg nicht der Fall.
Und ich bin schwer entsetzt, dass Siraj ... die Akademie ... das ...! Wieso?! O.O Das ist grausam! Es ... Halten wir fest, die Handlung um Siraj, dieser unbeholfene arme Tropf, fesselt mich. Die Handlung um die Paladine beobachte ich immer mit angehaltenem Atem, weil ich gleichzeitig nicht will, dass jemand von ihnen verletzt wird, ich aber immer ein bisschen zittere, weil ich auch nicht unbedingt will, dass sie jemand anderen abmetzeln. Das Syndikat ist mir nicht geheuer, je höher die Leute stehen, desto bedrohlicher kommen sie rüber, selbst wenn Chandler selbst noch nie auf den Plan getreten ist, aber ich habe großes, großes Mitleid mit dem Kneipenwirt, der nun in dessen Schuld steht und hoffe einfach sehr, dass ich mich irre. Na gut, Bastor ist jemand, zu dem ich jetzt weniger emotionale Nähe habe, aber von der Armee sind einfach zu viele draufgegangen, als dass ich mich da stärker binde. Das wär ja emotionaler Selbstmord. Trotzdem denke ich, dass es besser ist, wenn die Rebellen nicht durchbrechen. Die Bevölkerung von Aysen scheint ja friedlichend zu sein, insofern hoffe ich, dass sie kein Blutbad erleben - gleichzeitig bin ich unglaublich neugierig, was genau Rashka eigentlich vorhat und was sie bewegt. Die vielen offenen Fragen bieten einfach an jeder Ecke deiner Geschichte irgendwas spannendes, irgendetwas wo man tiefer graben will und immer, wenn es einen neuen Wechsel gibt, bin ich zwar erst traurig, dass ich nicht mehr erfahre - bzw. es wieder ein wenig dauert, bis es so weit ist - gleichzeitig freue ich mich aber, an anderer Stelle weiter forschen zu können.
Dramaturgie
"Er sah dies bei Namir, der alleine - ohne seine Frau oder wenigstens eines seiner fünf Kinder - langsam in den Wald schlurfte. Er sah dies bei einer jungen Frau namens Ghara, die ein blutes Bündel in ihrem Arm ohne Schreie oder Bewegung sanft hin und her wiegte. Diese Menschen waren gebrochen. Sie hatten ihre Haut gerettet, doch ihre Seelen waren in Jurano verblieben und dort gestorben."
Das ist mal so ein Positivbeispiel aus dem Buch, dass der Schreibstil doch ziemlich gut ist und dass du dieses ominöse "Show, don't tell" kannst. Viele Stellen des Buches sind dramaturgisch gut gemacht und stilistisch richtig leichtfüßig zu lesen. Du wählst tolle Szenen, die interessanten Inhalt bieten und gleichzeit skippst du eben die Bereiche, zu denen sich weniger sagen lässt.
Besonders hervorheben will ich hier die Wahrnehmung der Waldbewohner Juranos, als sie auf die "zivilisierte" Welt treffen. Kurz zusammenfasst: Jurano steht eher auf dem Level kurz hinter Steinzeit. Sie haben Waffen aus Holz und Knochen, Sammeln und Jagen, von Viehzucht, Handel oder gar der Verarbeitung härteter Materialien sind sie weit, weit entfernt. Als sie flüchten, treffen sie auf eine Gesellschaft, die diesen Sprung inzwischen gemeistert hat, die Ackerbau, Viehzucht, Metallverarbeitung, Handel und leider auch die Bürokratie für sich entdeckt haben. Sie betreten also wahrlich eine neue Welt. Und wie das geschildert wird, fand ich super! Das hat mich vor zwei Jahren schon sehr beeindruckt und ich habe es diesmal auch wieder sehr gern gelesen.
Siraj beschreibt dabei meist unbekannte Dinge, die er sieht, zum Beispiel "besonders dicke Rehe", die sich später als Kühe herausstellen, oder einen geraden Stock, der am oberen Ende ewig brennen zu scheint (Kerze). Hier wird ganz klar darauf geachtet: Was kennt Siraj? Auf welches Wissen kann er zurückgreifen? Kann er sich mit seinem Wissenstand irgendwie erklären, um was es sich handelt? Egal ob Glas, Leinenstoffe, Karren, hier wurde wirklich sehr, sehr gründlich darauf geachtet, dass Siraj nicht plötzlich Dinge als gegeben hinnimmt, die ihm eigentlich neu sein müssten. Er versteht auch nicht alles sofort, die Gespräche, wenn Figuren ihm irgendeinen Punkt versuchen näher zu bringen, wie beispielsweise Politik oder Geldwirtschaft, haben mich manchmal schmunzeln lassen und waren für die Beteiligten sicher nicht einfach, aber diese Details haben mir sehr, sehr gut gefallen.
Grundsätzlich weiß ich also, dass du erzählen kannst - man merkt dem Buch allerdings an, welche Kapitel älter sind und das nicht an der Kapitelzahl. Du schreibst schon eine ganze Weile an dem Buch und da lässt es sich glücklicherweise kaum vermeiden, dass man sich weiterentwickelt und eine Steigerung zu erkennen ist.
Also? Wo haben die oben genannten Dinge nicht ganz so gut geklappt?
Fangen wir mit etwas recht Banalem an. Während du später immer dichter an Siraj erzählst, sehr viel mit seiner Wahrnehmung, seinen Gedanken, eben seiner Sicht der Dinge arbeitest, was wunderbar funktioniert, schienst du dich am Anfang noch nicht so recht festlegen zu wollen. Da bin ich oben im Einstieg schon drauf eingegangen. Dadurch kam es mir anfangs teils sehr distanziert vor. Beispielsweise an dieser Stelle:
"Viele Väter hätten ihrem Kind die Schuld am Tode gegeben, aber Sojas war anders."
Erstens isses ne ziemlich lieblos gedroppte Information zu einem Charakter, den ich zu dem Zeitpunkt kaum kannte ... kaum gekannt hätte, wenn mir das Buch fremd gewesen wäre ... gekoppelt mit der kühnen Behauptung, dass die Figur natürlich ganz anders ist. Die benutzt du später noch einmal im Zusammenhang mit einem anderen Charakter, aber darum geht es nicht. Es geht mir darum, dass ich mich frage: Wenn diese Schuld doch nie im Raum gestanden hat, warum wird sie erwähnt? Klar, ein auktorialer oder neutraler Erzähler darf erzählen was er will, aber es wäre in meinen Augen schöner gewesen, es mit einem Anlass, einem Gedanken oder einem Charakter selbst zu verbinden. Hatte Siraj jemals Schuldgefühle wegen seiner Mutter? Dann hätte man es aus der Warte schildern können. Oder ist Sojas einmal darauf angesprochen worden?
Perfekt hätte ich diese Information gefunden, nachdem Siraj zum Ratsmitglied ernannt wurde und jemand aus der Menge ihm vorwift, bisher nichts zustande gebracht zu haben, außer seine Eltern umzubringen. Oder an Sojas Totenbett, dass er noch einmal reinen Tisch macht, was er ja auch tut. Die Information zuvor so recht kontextlos im Erzähltext unterzubringen, find ich dagegen etwas laff. Da kommt sie rüber als Nice to know, im richtigen Moment aber, in einem Bezug zur Handlung, in Kombination mit dem Erleben von Emotionen, hat es Gänsehaut-Potenzial, das hier verschenkt wurde.
Aber auf dem ersten gesamten Kapitel bin ich inzwischen wohl genug drauf rumgeritten. Inhaltlich gut, vom Handwerk kannst du da noch einiges rausholen.
Wo du auch zum Beispiel noch eine Schippe mehr Show drauf hättest legen können, wäre auf der Suche gewesen, als die Jägergruppe den Prankenabdruck findet.
"Dann sah Siraj es. Fernab des Chaos auf der kleinen, freien Fläche waren einige große Abdrücke auf der Erde zu sehen. Krallen an der Spitze hatten das Erdreich aufgewühlt. Die riesigen Pranken eingedrückt."
So wirklich was drunter vorstellen konnte ich mir jetzt nicht. Groß, ja. Und ... Krallen. Aber wie groß? Wie viele Krallen? Wie tief? Natürlich nicht in Zentimetern, ich - und die meisten deiner Leser - bin kein Zimmermann, aber ein wenig plastischer und vielleicht mit etwas mehr Atmosphäre. Ist schließlich der Moment, in dem sie erkennen müssen, dass diese Bestie tatsächlich existiert! Ein sogenannter Schlüsselmoment. Und auf solche Momente solltest du das Augenmerk legen, sie herausarbeiten und glänzen lassen.
Mal ein Beispiel: "Dann sah Siraj es. Fernab des Chaos auf der kleinen, freien Fläche stand Gas in einer knöcheltiefen, kreisrunden Senke, die locker so breit wie Basfas Schultern war. Der Heiler schluckte, als er die aufgewühlte Erde hinter dem Jäger entdeckte. Drei Furchen, die sich zwei Armlängen durch den Waldboden zogen, vermutlich von den Krallen des Untiers hinterlassen. Mit klopfendem Herzen wandte er sich einem der zerstörten Bäume zu. Die Spuren am verbliebenen Stamm, so tief wie Basfas Axt sie hinterließ, hatte er zuvor anderen herabgestürztem Geäst zugeordnet. Nun wusste er, dass dies ein großer Fehler gewesen war."
Du scheust dich anfangs noch, etwas tiefer unter die Oberfläche zu schauen und ins Detail zu gehen. Du gehst auch später unglaublich viel auf die Hintergründe des Landes, der Figuren und der Motive ein (das Syndikat, die Armee, der Rat und und und), aber ein echtes Bild von der Umgebung fehlt von Zeit zu Zeit. Rashka zum Beispiel hat nen Bogen dabei, der so groß ist wie sie und eine Lederrüstung, die sie wenig bekleidet (was für eine Rüstung wirklich ungünstig ist), mehr Infos krieg ich zum Aussehen (beim ersten Auftreten) nicht. Man kann jetzt sagen, da soll sich bitte jeder das Vorstellen, was er gerne hätte, aber ein wenig mehr als "wenig bekleidet" wär irgendwie ... top, damit ich sie als Soldatin ernst nehmen kann. Beim Tisch der Ratssitzung zeigst du, dass du eigentlich recht bildlich wiedergeben kannst.
Innenleben dagegen konntest du schon damals sehr gut. Das zeigst du, als Siraj zum ersten Mal seine Kraft benutzt und du sein Innenleben wirklich phänomenal zur Geltung bringst. Das in den richtigen Momenten wäre einfach super. Später kommt das kaum noch zu kurz, da sinds eher die Darstellungen der Umwelt, die mir von Zeit zu Zeit fehlen, aber zum Beispiel der Diebstahl des Kneipenwirts, der so gründlich in die Hose geht: Top! Phänomenal, da saß ich richtig mit angehaltenem Atem da. Da hast du echt wunderschön mit Gedanken und Wahrnehmungen der Figur gearbeitet und selbst in den Momenten, in denen nichts passiert ist, sein Unbehagen und seine Befürchtungen ganz vortrefflich herausgearbeitet.
Zusammenfassungen sind ein tolles Werkzeug, um unwichtige und weniger interessante Passagen zu überbrücken, aber wo ich sie definitiv als störend empfinde, ist, wenn spannende, konfliktgeladene Handlungen oder gar Dialoge dadurch unterbrochen werden. Hier zum Beispiel, wenn es dann plötzlich nur noch heißt: "Siraj fasste all seinen Mut zusammen, holte tief Luft und fragte mit möglichst kräftiger und lauter Stimme, wie Sajaras sich das vorstelle."
Hallo?! Das ist ein wichtiger Konflikt, der da gerade ausgefochten wird. Da springt man doch nicht mal eben in die indirekte Rede! Das kann man machen, wenn beim Abendessen jemand nach dem Salz fragt oder Sajaras sich auf der Wanderung zum tausensten Mal beschwert, aber doch nicht in einem handfesten Streit. Das nimmt in meinen Augen ziemlich viel von der Dynamik raus und schafft wieder Distanz, die ich in dem Moment eigentlich nicht haben will. Schon gar nicht, wenn der Protagonist gerade all seinen Mut zusammennehmen muss, gegen das Zittern in seiner Stimme ankämpft, weil er sich gerade mit einem eigentlich sehr geschätzten Mitglied des Dorfes anlegt, was so völlig gegen seine Harmoniesucht geht. Da will ich eher mehr Show als weniger. Später traust du dich da deutlich mehr, in die Dialoge einzusteigen und die auch durchzuziehen.
Manchmal sind es nur kleine Punkte, wo es mir auffällt, aber auch hier wäre mehr Show vorteilhaft gewesen: "Der Heiler hatte einen großen Schluck der roten Flüssigkeit genommen und fing an, aufgrund des plötzlich auftretenden, leicht brennenden Nachgeschmacks, zu husten." Ja, es ist nur das erste Mal, dass Siraj Wein trinkt, aber dennoch hätte ich es schöner gefunden, das mit ihm zu erleben, als es so runtergerattert zu bekommen.
Beispiel: "Der Heiler nahm einen großen Schluck der roten Flüssigkeit. Noch während er sich über die Trockenheit, die sich über seine Zunge legte, wunderte, erwischte ihn der brennende Nachgeschmack im Rachen kalt. Er würgte den Trunk herunter, verschluckte sich und gab sich alle Mühe, den aufkommenden Husten unter Kontrolle zu bringen. Vor den Gastgebern gehörte sich das nicht, doch gegen zunehmende Schärfe im Hals war seine Kinderstube machtlos." Step by Step, eins nach dem anderen. Das Wort Plötzlich sorgt leider allein nicht dafür, dass etwas als plötzlich wahrgenommen wird. Es kann unterstützen, aber in erster Linie muss es die Figur als plötzlich erleben. Wenn du davor die Erklärung lieferst, ist da nix plötzlich.
Wovon ich dagegen ruhig etwas weniger haben dürfte, wäre manch eine Erklärung. Damit darf man von mir aus gerade in actiongeladenen Szenen gerne geizen. Aufgefallen ist mir das besonders bei der Flucht vor der Bestie (Kapitel 4.4.). Du gehst nebenbei auf die Reihenfolge der Läufer ein, wer besonders gut voran kommt, wer sich schwertut. Das ist gar nicht übel, um sich die Situation vorstellen zu können und da habe ich auch überhaupt keine Einwände. Danach folgt die Überquerung des Bachs und dann ... erzählst du erneut die Reihenfolge der Läufer, weil sie hat sich ja nun geändert. Und das in derselben epischen Breite wie bereits oben.
Eine einleitende Information, wie gesagt für den Überblick, ist ne tolle Sache, aber später hätte ich auch da gerne wieder einen Bezug zur Handlung oder zum Protagonisten gehabt. Warum ist ihm das jetzt wichtig? Prüft er einfach nur, wer wo läuft? Oder fällt ihm auf, dass Gas plötzlich nicht mehr vor ihm ist? Dann wäre ein "Wo war Gas?" sehr, sehr viel kürzer gewesen, hätte nahezu dieselbe Information beinhaltet und das Texttempo wäre der Geschwindigkeit der Handlung deutlich besser angepasst gewesen. Die Frage hätte nämlich gleich die Begründung geliefert, warum Siraj sich umdreht, dann hätte er beobachten können, wie der Jäger von der Kreatur zermalmt wird.
Zu der inhaltlichen Dopplung der Reihenfolge kam dazu noch die Wiederholung diverser Termini (Rennen, Sprinten, Laufen, Zweige peitschen, Bach, Treiben), was ebenfalls auf mich das Gefühl erzeugt hat, als käme ich nicht vom Fleck, bzw. als hätte ich bestimmte Sätze schon einmal gelesen. Aber zu dem Punkt komme ich später noch einmal.
Bleibe ich erstmal bei der Platzierung von Informationen, denn auch die Einführung von Figuren verläuft bei dir meist sehr umfassend. Egal ob nun die diversen Bewohner von Jurano, zu denen zu meist auch eine kleine Lebensgeschichte mitlieferst, oder der Fürst Devin, der nur ein Teilkapitel lang lebt, man kommt nicht umhin zu erkennen, wie viel hinter diesen Figuren steckt. Das ist ja erstmal positiv, aber wenn ein neuer Name auftaucht und ich werde noch mit fünftausend Informationen zu diesem Namen konfrontiert ... Bleibt davon nicht unbedingt mehr hängen, weil mir der Kontext fehlt, an den ich es tackern könnte und es zieht sich, weil meist keine Handlung damit verknüpft ist. Bei Devin hält es sich noch in Grenzen, der geht während vieler der Erzählungen seine Bücher durch, was ich mal als Handlung durchgehen lasse, aber Marco?
Zu dem habe ich einmal eine Reihe an Hintergrund, als er zum ersten Mal auftritt. Da bekomme ich gleich den gesamten Werdegang von Kindheit bis zum Paladin um die Ohren gehauen. Gut, nebenher betet er zu Serra, es ist ein ruhiger Morgen, es passt zumindest zum Tempo der Handlung. Später aber klopfen sie an die Tür von einer Bande Diebe, die sie zur Rechenschaft ziehen wollen. Und in diesem kleinen Stück zwischen Klopfen und der Öffnung der Tür beschreibst du das Viertel, in dem sie sich aufhalten und gehst noch einmal auf Marcos Kindheit zurück, in der er in einem solchen Viertel gelebt hat; auf die Rüstungen die sie tragen und und und. Statt also die Spannung dieses Moments weiter auszubauen, kommt wieder ne Geschichtsstunde und ne Runde Sightseeing. Wenn du das hättest unterbringen wollen, wäre es in meinen Augen cleverer gewesen, mit der Anreise zu starten und beim Ritt durch die Gassen ein wenig nostalgisch zu werden. Dieselbe Chance hättest du gehabt, wenn sie vom Ort des Geschehens wieder forgegangen wären. Dann wär der Drops gelutscht gewesen, wenn es ans Eingemacht gegangen wäre. So hast du meiner Meinung nach eine recht spannende Handlung ziemlich ausgebremst. Und was mich bei ihm ziemlich fertiggemacht hat, war, dass er danach eigentlich kaum noch betrachtet wurde. Der einzige Paladin, der danach eine tragende Rolle spielt, ist Arijem und nicht Marco, dessen Hintergrund die Hälfte des ersten Paladin-Teilkapitels eingenommen hat.
So schwer es fällt, würd ich dir ans Herz legen, Informationen zu Charakteren nur dann fallen zu lassen, wenn sie gerade wichtig sind. Das muss nicht unbedingt für die Handlung sein, es reicht schon, wenn es dem Charakter gerade in den Sinn kommt, weil ihn etwas erinnert hat. Ich bin kein Freund davon, alles auf den roten Faden zu reduzieren, ich mag gerade die Details außen herum, die dem Ganzen einen passenden Hintergrund verleihen, aber es darf eben nicht zu viel Gerümpel werden, dass es zum Wimmelbild mutiert und ich will mich nicht fragen "Warum erzählt er mir das jetzt?".
Dagegen gut fand ich den ersten Kampf mit der Bestie (wenn da auch etwas mehr von Sirajs Erleben mit beigewesen sein könnte), Sojas Ableben, Kars Rettung, die Entscheidung nach der Flucht aus dem Dorf, die Aussprache mit Rajos, später dann auf der Reise nach Hilas der Streit mit Rajos, das Gespräch zwischen Hans, Marla und Siraj und nachdem sie auf dem Hof angekommen sind, überwiegen diese Szenen sowieso ... Man merkt also, die Szenen, die mir gefallen überwiegen denen, an denen ich zu meckern habe und nach hinten hin wird das Meckern sehr, sehr wenig.
Genre
Wir haben wenige magische Akzente, so will ich Sirajs Kraft mal nennen, und eine vollkommen eigens erdachte Welt. Auch wenn dort jetzt keine Trolle durch die Wälder wandeln, finde ich es durchaus legitim, hier von High Fantasy zu sprechen. Sci Fi ist es jedenfalls nicht, es sei denn, es handelt sich um eine Art Dystopie, in der jeglicher Fortschritt der Menschheit abhanden gekommen ist und Sirajs Macht beruht auf irgendeinem X-Men-Like-Gendefekt. Da ich das nicht glaube, können wir das glaube ich hier abhaken.
W O R L D B U I L D I N G
Welt
Hier hast du wirklich viel, viel Liebe reingesteckt und das merkt man. Angefangen bei Jurano, dem Entstehungsmythos mit den zehn schwarzen Steinen, dem ewigen Wald und den zehn Dörfern, über die Berufe, die eigens von dir erfunden Kräuter und Gewächse, der Brauch des Ruhestoß, Beerdigungsriten, Politik, Kleidung, Nahrung - alle Achtung! Und wenn man bedenkt, dass du dir all dies nur erdacht hast, um es nach zwei Kapiteln dem Erdboden gleich zu machen hast du meinen Respekt. Ich hätte, nachdem ich das geschrieben hätte, vermutlich geheult.
Auch später in den Städten bist du kreativ und versuchst wirklich auf alle wichtigen Aspekte einzugehen, die Siraj auf seiner Reise begegnen. Zahlungssysteme, Religion (der Serra-Orden), Politik, Behördentum, Zünfte, Berufswesen, Meldewege und du flechtest alles schlüssig, nachvollziehbar und zunehmend leichtfüßig in das Geschehen ein. Anfangs bei Jurano ist es noch etwas holprig (s. Einleitung), aber später, wenn du erstmal in Fahrt und Siraj auf der Reise ist, fällt es dir leichter, die richtigen Momente herauszugreifen, wann du welchen Punkt gut ansprechen kannst. Statt einfach die Info zu droppen, dass die übrigens in der Stadt Wein haben, lässt du es Siraj und Sianna erleben und nutzt diese Momente geschickt für eine Prise Humor.
Ich mochte vor allem deine Bezeichnungen sehr gerne. Sowohl für die Gewächse in Jurano als auch für die Städte. Du bedienst dich nicht wie so viele irgendeiner (meist toten) Sprache, sondern konzentrierst dich mehr darauf, dass die Namen Sinn ergeben. Der Ruhestoß aus Jurano ist ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich um einen tödlichen Pilz, den die Menschen in Jurano tatsächlich dazu verwenden, alten und kranken Menschen ihren Wunsch nach "Ruhe" zu erfüllen, so sie ihn noch äußern können. Der Name ist auf erschreckende Weise treffend und so kamen ja wirklich viele Dinge zu ihrem Namen: Weil man mit dem Namen beschreiben wollte, was sie tun. Mit der Zeit wurden die Begriffe dann verkürzt oder ihr Ursprung ist durch den Wandel der Sprache nicht mehr deutlich, aber auch viele Städtenamen gründen ja auf den Legenden, wie sie entstanden sind, auf Flüssen, die in der Nähe fließen, oder auf Bergen oder Tälern, die unweit zu sehen sind. Da hast du dir einiges an Gedanken gemacht.
Ich hatte allerdings das Gefühl, dass gerade hinsichtlich der Botanik dein Eifer früher größer als heute ist. In den späteren Kapiteln heißt es überwiegend nur noch "ein paar (besondere) Kräuter", die nicht namentlich benannt werden, während du in den früheren Kapiteln da noch mit Eigenkreationen brilliert hast. Wäre schön, wenn du da wieder hinkämst, weil wenn Siraj von Bleichwächs, Schwarzwurz oder ähnlichem Gestrüpp redet, klingst ne Spur fantasy-kompetenter als "ein paar Kräuter".
Deine Welt ist ein schönes rundes Ganzes, die sich stark ans frühe Mittelalter anlehnt, aber auch nicht zu sehr beschönigt, sondern durchaus die Schattenseiten benennt.
Ein Punkt hat mich manchmal stutzig gemacht. Einmal beschreibst du "In Jurano gab es keine Hochzeit [...]", was äußerst erklärend klingt, denn die Bewohner von Jurano sind sich ja nicht dessen bewusst, was es nicht gibt. Genauso wie du gelegentlich von "behelfsmäßigen Waffen" redest. Für die Menschen in Jurano sind sie das Beste, was sie als Waffe kennen. Das sind keine Behelfe, es sind ihre Waffen. Basfas regt sich später schließlich ja auch über Hans auf, der meint, dass sie in Hilas oder Gottesbau bessere Waffen haben. "Behelfsmäßige Waffen" klingt dann, als würdest du es extra für Leute beschreiben, die höhere Zivilisation gewohnt sind - also mir als Leser. Da würd ich dir raten, eher das zu zeigen/beschreiben, was da ist und nicht was nicht ist. Also "Die magischen drei Worte galten in Jurano als die höchste Bekundung der Zuneigung und kamen einem Versprechen gleich, auf Lebzeiten füreinander zu sorgen" statt "Es gab keine Hochzeit" oder "Waffen aus Knochen, Sehnen und Hölzern" statt "behelfsmäßige Waffen". Aber wie gesagt, das sind Dinge, die dir später kaum noch passieren.
Hinsichtlich der Sprache gab es noch eine andere Begebenheit, die mich beschäftigt hat. Jurano war jahrelang isoliert. Von sieben Generationen ist die Rede, wenn nicht sogar noch länger. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Menschen, die Jurano einst gründeten, zuvor mit den Menschen der späteren zivilisierten Welt zusammengelebt haben und daher ihre Sprachen denselben Ursprung haben, läuft mir die Kommunikation beim Zusammentreffen beinahe zu glatt.
An eine Sache hast du gedacht: Dass Siraj und die Bewohner von Jurano keine Wörter für Dinge haben, die sie nicht kennen. Sie haben keine Kerzen, also wissen sie auch nicht, wie man Kerzen nennt. Dasselbe gilt für Kühe, Bären, Karren u. v. m. Aber betrachtet man sich einmal Deutschland und die vielen Dialekte, sieht man, dass sich für manche Begrifflichkeiten mit der Zeit unterschiedliche Wörter etablieren. Pfannkuchen ist so ein Ding, das sogar eine Doppelbedeutung hat. Es fehlen mir also die Dinge, die es in beiden Welten gibt, die aber unterschiedliche Namen tragen. Einmal kurz flammt diese Art von Unverständnis auf, als Hans und Marla besonders förmlich sprechen. Da sind die Waldbewohner kurzzeitig verwirrt. Aber noch eine Schippe authentischer hätte ich es gefunden, wenn im Dorf bestimmte Begriffe genutzt worden wären, die sich dann später als vollkommen normale Dinge entpuppt hätten. Wie die Kerze, nur andersherum. Wenn es im Dorf beispielsweise keine Speere, sondern Spießen gegeben hätte. Hätte Hans nach den Waffen gefragt und hätte Siraj Spießen geantwortet, wäre dieser verwirrt gewesen. Der Leser hätte das Ding schon gekannt, dass es sich aber letztlich wirklich und tatsächlich um Speere handelt, hätte man ihm da bestätigen können, wenn bei Hans der Groschen fällt.
Das ist nur ein winziges Detail, wo man noch mehr Zeit investieren könnte, aber Sprache ist so ein Ding, da kann man sich Jahre mit aufhalten. Ist wie mit Geld beim Hobby: Noch oben sind dem keine Grenzen gesetzt. Also: Nur eine Idee. Ansonsten keine Beschwerden und ich finde es großartig, dass du selbst den Aspekt der gleichen Sprache beleuchtest, statt es einfach so stehen zu lassen.
Der Orden von Serra war mir zunächst sehr suspekt. Die Paladine haben auf mich einen extrem fatalistischen Eindruck gemacht. Wirklich nach dem Motto "Befiel Priester, wir folgen dir", ob nun Mord oder ein Ritt um die halbe Welt. Die Typen würden für Serra - ihre Göttin, die sie mit der Sonne verbinden - alles tun. Das lässt mich mit Sympathie meist sehr zögern, aber spannend sind die Charaktere trotzdem. Man muss nicht jeden lieben, Hauptsache sie passen ins Setting.
Den Aufbau mit den Priestern, Abtein, Paladinen usw. hat mich ein wenig an die katholische Kirche erinnert, aber gleichzeitig schien sie mir nicht ganz so scheinheilig. Zumindest in ihrer Konsequenz, in der sich die Paladine wirklich einzig dem Glauben und nicht irgendwelchen Ämtern verschrieben haben, dass sie in der Tat keinen Unterschied zwischen Arm und Reich machen, hat mich ein wenig beeindruckt.
Beim Syndikat und den Rebellen bin ich unschlüssig. Also das Syndikat klingt schon sehr nach Mafia, die Frage wäre, ob es ohne sie tatsächlich besser wäre oder es einfach bloß mehr Chaos gäbe. Schwierige Sache. Und bei den Rebellen ... Ah, das geht schon in Richtung des nächsten Punktes.
Figuren
Du steigst gleich direkt mit einem echt riesigen Setting ein. Da sind Sojas, Siraj, Sianna, Kar, Basfas, Ruil, Rajos, Jikas, Jimas, Jorklara und noch viele mehr, die in Jurano leben. Vorweg: Ich mag große Settings. Ich mag es auch, dass die Namen vom Klang her recht ähnlich sind. Wenn sie auch von dir erdacht sind, kann man sich vorstellen, dass sie in einer Region gehäuft auftreten. Das macht die Unterscheidung gerade am Anfang etwas schwierig, weil die Namen fremd klingen und sich dann eben noch ähneln, aber man kann das so hinkriegen, dass Leser trotzdem den Durchblick behalten.
Sojas und Siraj hatte ich schon beim ersten Lesen ziemlich schnell auf dem Schirm, obwohl ich mich mit Sirajs Schreibweise auch noch nach vier Jahren schwer tue. Sianna ebenfalls, weil das die drei Personen sind, von denen anfangs am meisten berichtet wird. Bei den übrigen Figuren war das Feld dünner gesäht und von den Verwandschaftsverhältnissen will ich erst gar nicht anfangen. Ich glaub, da kriege ich erst jetzt beim Reread wirklich den Überblick. Dass Kar der Quasi-Schwiergervater von Jina ist, da bin ich ziemlich stolz drauf, dass ich mir das ohne Notizen gemerkt habe, und dass Basfas Siannas Vater ist, das ist auch noch hängen geblieben. Wie nun aber Kars Sohn hieß, mit dem Siraj da auch irgendwie viel zu tun hatte, da müsste ich jetzt arg grübeln.
Aber ich glaube, man kriegt das trotzdem hin, wenn man anfangs den Tell-Anteil etwas verringert und vielleicht die ein oder andere Szene unterbringt, in der z. B. Siraj und Ruil wirklich was zusammen unternehmen. Und sei es ein kurzer, wirklich freundschaftlicher Dialog, in den Kar womöglich mit reingrätscht. Oder wie wäre es, wenn Siraj nach der Rettung von Kar auf dem Vorplatz Ruil begegnet und versucht, ihn zu trösten? Mir geht es so, dass, wenn ich Figuren in Aktion gesehen habe und gesehen habe, wie sie miteinander umgehen, ich also selbst die Schlüsse bezüglich ihres Verhältnisses gezogen habe, mir die Details deutlich besser merken kann, als wenn mir jemand erzählt, dass X und Y schon seit Jahre dicke Kumpels sind.
Zu Jorklara konnte ich mir die meisten Informationen auch nur so gut merken, weil da diese kleine Szene am See ist, als Siraj und Sianna versuchen, nett zu ihr zu sein und sie einfach nur patzig antwortet (wobei du diese Patzigkeit durchaus noch etwas unterstreichen könntest). Der Name ihres Mannes hingegen ... Uff, frag mich nicht. Und der Kerl ist der erste, der in der Geschichte draufgegangen ist!
Wenn ich dann aber später mal den Soldaten Alsas und die anderen Soldaten, die beim Überfall draufgehen und wie dass den Kapitel, in denen ihre Handlung beschrieben wird, manchmal bis zu 50% Vorgeschichte vorausgeht ... Mir persönlich reicht Hintergrund nicht, um den Tod einer Figur als tragisch zu empfinden. Also falls das dein Ziel gewesen ist, funktionierts bei mir nicht. Ich habe einfach nicht viel Zeit, diese Person kennenzulernen, zu erleben wie sie leben und wirken, sprich, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Das funktioniert nicht dadurch, dass mir jemand erzählt, wie seine Mutter umgekommen ist oder wie er seinen Weg in die Armee gemacht hat.
Klar, die Informationen sind für die Welt insgesamt interessant, um zu verstehen, wie es innerhalb der Armee läuft und so weiter, aber ließen sich die Infos nicht mehr verteilt unterbringen, um da die Handlungsdichte ein wenig zu erhöhen?
Ich finde es ja gut, dass sich jemand Gedanken um seine Figuren macht und ich finde es auch richtig, es entsprechend einfließen zu lassen, aber die Masse ist an manchen Stellen in meinen unverhältnismäßig, egal wie viel Mühe du dir gibst, es atmosphärisch zu gestalten - und das gelingt dir stellenweise auch, aber es drückt die Handlungsdichte teils halt stellenweise extrem nach unten.
Wie du es bei Arijem zum Beispiel gemacht hast, fand ich gut. Klar, man bekommt auch ziemlich schnell ein kleines Infopaket zu ihm, aber so wirklich tieferen Hintergrund, den Tod seiner Frau usw. bekommt man erst geliefert, als man ihn schon eine Weile beobachten konnte und ich muss sagen, der ging einfach mal mindestens doppelt so tief unter die Haut als er gegangen wäre, wenn ich den sofort beim ersten Auftreten an den Kopf geworfen bekommen hätte. Weil ich einen Bezug zu dieser Figur hatte.
Bei Rashka dagegen hättest du niemals irgendwo erwähnen müssen, dass sie ne harte Nuss ist wie sie als Generälin einst gewesen war. Sie ist ja heute nicht anders und zeigt das spätestens Adam gegenüber sehr eindeutig. Das hätte ich viel lieber selbst beobachtet, statt es erzählt zu bekommen - und dann später nochmal zu sehen.
Und, was ich schon an einigen Stellen gesagt habe: Wenn du getellte Informationen zum Charakter hast, die du später ohnehin zeigst, dann streiche den Tell-Teil ersatzlos. Dopplungen wirken nur in sehr großen Ausnahmen wirklich gewinnbringend auf einen Text.
Zuletzt noch die Frage: Welche Charaktere sind gerade zu Beginn wirklich wichtig? Nala beispielsweise fände ich deutlich wichtiger als der Koch, dessen Name mit S beginnt, der exakt einmal erwähnt wird. Oder zweimal? Egal, dass Nala erst auf der Flucht einen Namen bekommt, obwohl sie die Mutter der Frau des Protagonisten ist, hat mich dann doch gewundert. Bis dahin war ich davon ausgeganngen, Sianna hätte bloß noch ihren Vater.
Trotzdem: Ich mag die Leute und viele Punkte hast du schon richtig gemacht. Deine Figuren sind keine lieblosen Pappaufsteller, wie es sonst so schön heißt, und du gestaltest sie wirklich authentisch, nachvollziehbar und die Fülle an Charakterzügen, die da vertreten sind, ist herrlich. Auch, nachdem sie das Dorf Jurano hinter sich lassen. Klar gibt es auch Klischees, die des gewieften Geschäftsmannes oder des unbestechlichen und ein bisschen nerviegen Beamten, aber erstens entspringen Klischees der Realität und zweitens gibt es auch genügend Figuren, die dem nicht entsprechen.
Aber mal vom allgemeinen Start-Setting weg, konkret zu Siraj. Er war einer der ersten Charaktere, mit dem man konfrontiert wurde, der Protagonist deines Werks und die Figur, zu der du bisher am meisten erzählt hast. Du startest zwar etwas holprig, aber im Grunde werden die charakterlichen Grundzüge dieser Figur gleich zu Beginn sehr deutlich: Er ist ruhig, pflichtbewusst, sorgsam, sensibel und wissbegierig. Das sind Attribute die ich ihm nach zwei Teilkapiteln zugeschrieben hätte, ohne dass du es explizit erwähnt hättest. (Da sind wir wieder bei Telleinschübe streichen.)
Nur in einem Punkt ist er nicht ganz konsistent: An manchen Stellen schreibst du, dass es ihm egal ist, was außerhalb von Jurano ist. Gleich zweimal gehst du recht ausführlich auf diesen Punkt ein, wie glücklich er ist und wie wenig Interesse er an der Umwelt hegt. Und dann kommt ein ganzer Absatz, in dem du beschreibst, dass er sich doch gelegentlich fragt, was hinter dem Wald liegt und geht die verschiedenen existenten Spekulationen durch. Für jemanden, den das so überhaupt nicht interessiert, ziemlich merkwürdig. Diese Frage, was hinter dem Wald liegt, hättest du viel schöner in Minas Erzählung unterbringen können, statt es als einen Sirajs Gedankengegängen zu verkaufen, den es ja absolut nicht interessiert, was jenseits von Jurano existiert.
Dann noch eine Sache, die mir später auffiel: Nachdem sie dem Dorf den Rücken kehren, fallen die Namen der Zurückgebliebenen auf der Reise nie mehr. Auch nicht im Streit wird da gesagt "Dann geh doch zurück und frag Huskas, ob du bei ihm Unterschlupf findest!", genauso wenig lässt Siraj das in seine doch manchmal sehr ausführlichen Zweifel einfließen. Später heißt es dann aber, dass Huskas und die anderen sehr oft Teil seiner Gedanken gewesen wären. Da wäre es schön gewesen, wenn statt dieses Satzes, dass das so wäre, gelegentlich mal im Zwischensatz die Namen derjenigen gefallen wären. Wieder so ein Show, don't tell Ding, aber kein direkter Widerspruch.
Ansonsten find ich ihn ziemlich gut gelungen. Ich mag auch seine Veränderung, als er zum Ratsmitglied wird. Die Verunsicherung, die damit einhergeht, der Rechtfertigungsdruck, der auf ihm liegt und später die große Verantwortung, als sie sich vom Dorf abwenden. Das zeichnest du wirklich sehr nachvollziehbar und authentisch! Man kann sehen, wie er sich verändert und nachdem ihn das alles ziemlich runterzieht, habe ich mich mit ihm gefreut, als man gemerkt hat, wie er an der Sache wächst.
Auch sonst ist mir bei keinem Charakter irgendeine Handlung aufgefallen, die ich nicht hätte nachvollziehen können, egal ob sie im Mittelpunkt standen oder nicht. Auch Dinge, die ich selbst nicht für Gutheiße, wie Schlägereien, wilde Anschuldigungen etc. waren aus der Situation heraus immer schlüssig, im Zweifel mit der Lebensauffassung oder dem Charakter der Figur erklärbar. Kar kann nun einmal ziemlich aufbrausend sein und Jorklara ist eben ne gemeine Ziege, genauso wie Ghara mit einem herben Verlust zurecht kommen musste, als sie Siraj die Schuld am Tod der Dorfbewohner gibt. Da hab ich absolut nichts auszusetzen.
Natürlich, Rashka ist schwierig einzuschätzen, ich könnte bis jetzt nicht sagen, ob sie Spaß an Gewalt und Tod hat, was ihre Beweggründe sind und was sie bereit wäre, wofür zu geben, aber das scheint von langer Hand geplant zu sein, ansonsten würdest du nicht offen mit diesen Informationen hinterm Berg halten. Die Charaktereinführung der anderen Figuren hat ja deutlich bewiesen, dass du eigentlich kein Problem damit hast, deine Figuren zu erklären. Bei Rashka tust du wirklich gut daran, das zu unterlassen. Es macht mir Spaß, herumzurätseln, was hinter ihren Machenschaffen steckt, auf welcher Seite sie steht, was auch nicht leicht einzuschätzen ist, weil man so viele verschiedene Meinungen und auch einige schwer zu deutende Handlungen von ihr als Grundlage hat. Alles ist möglich und sie ist es, mit der du es schaffst, auch den Rat oder die Geschicke der Armee in Zweifel zu ziehen. Ohne sie, im schlimmsten Fall nur durch Sirajs Augen, wäre ich vermutlich ein bisschen weniger skeptisch gegenüber dem Ganzen und das, obwohl ich auch ihr nicht vertraue. Kurzum: Ich mag es, wie du es vermeidest, Figuren als Schwarz oder Weiß hinzustellen. Das sind sie nie. Das kommt immer auf den Blickwinkel, die Umstände und denjenigen an, den man gerade fragt. Und du lässt zu, dass ich mir selbst ein Bild machen, selbst Entscheidungen treffen kann, obwohl natürlich der Weg, den alles nehmen wird, von dir vorbestimmt wird. Aber für wen ich sympatisiere und für wen nicht, bleibt ja mir überlassen und da hast du eine breite Auswahl vorbereitet.
Genauso wie ich es sehr zu schätzen weiß, dass es bei dir und deinen Figuren Missverständnisse gibt, dass sie sich irren, dass sie wirklich streiten, es Zwietracht und schwelende Konflikte gibt, die sich mal entladen, mal beigelegt werden. Und auch, wenn du es Siraj sicher gegönnt hättest, nach der Wanderung mit offenen Armen empfangen zu werden, war es einfach logisch, dass im ersten Anlauf ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Deine Figuren sind keine heiligen Kühe, denen kein Leid oder Widerspruch widerfahren dürfte. Das ist etwas, wovor sich viele Autoren leider scheuen. Da wird dann mal ein wenig Beef angedeutet, aber letztlich verpufft es meist dann so schnell, wie es gekommen war. Du ziehst es konsequent durch und hältst dran fest. Das mag ich an der Geschichte sehr! Das ist einer der Punkte, die sie so authentisch und realistisch macht. Genauso wie es bei dir kein Netz oder doppelten Boden gibt. Wenn Figuren in eine aussichtslose Lage kommen, ist es möglich, dass sie dabei draufgehen. Und das passiert immer wieder. Es gibt nicht dieses Gefühl "Ach, es gibt noch einen zweiten Band, da kann er gar nicht draufgehen", nein. Und das hat für mich die Spannung enorm gehoben.
S C H R E I B S T I L
Ausdruck
Wie an so vielen Stellen möchte ich hier zu Beginn einmal anmerken, dass sich viele Punkte, die ich hier anspreche, auf die älteren Kapitel beziehen, die du als Autor ja ohnehin überarbeiten willst (was ich für eine gute Sache halte). Viele der Dinge, die dir, als du mit dem Schreiben begonnen hast, scheinbar noch nicht klar waren, beherrschst du inzwischen sehr gut. Auf der anderen Seite ist das Bearbeiten eigener Texte noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Meist ist da das Neuschreiben fast leichter. So schlimm ist der Text aber nun nicht, keine Sorge.
Ich finde den Ausdruck, den du an den Tag legst, ziemlich solide. Es ist verständlich, du zeigst einen breiten Wortschatz, es lässt sich wirklich flüssig und abwechslungsreich lesen. Anders als viele Fantasy-Schreiber verzichtest du auf eine allzu gehobene Ausdrucksweise, was auch trotz des altertümlichen Settings in meinen Augen vollkommen okay ist. Das braucht es nicht. Hauptsache, die Sprache, die du beim Erzählen verwendest, wechselt nicht ständig (Wörtliche Rede unterschiedlicher Charaktere wäre hier ausgenommen). Ich persönlich krieg von zu gestochener Sprache auch mit der Zeit Kopfschmerzen, bin dir dahingehend also ganz dankbar, dass du da nicht zu viel Energie reinsteckst, sondern dich der Ausdrucksweise bedienst, die ich im Alltag ohnehin gewohnt bin. Nur eine Sache: Such dir mal ein paar Fluchwörter jenseits von Scheiße. Ist ein bisschen einseitig. Werd mal kreativ :P Mit "Bei Serra" und "Bei allen schwarzen Steinen" hast du zwei nette Ausrufe kreiert, aber wenn deine Figuren aufgebracht sind, sind sie leider in ihren verbalen Möglichkeiten etwas limitiert.
Also, damit fangen wir an. Wo kann man hinsichtlich Ausdruck und Stil den Rotstift ansetzen? Beginnen wir mal mit einem Lob: Du hattest es schon sehr früh drauf, grammatikalisch zu varriieren. Die Sätze haben unterschiedliche Längen, gleichen sich selten in der Struktur und sind von verschiedener Komplexität.
Beim Rumprobieren sind die aber auch ein paar Klopper passsiert, die jetzt eher kein Gewinn waren. Aber beim Ausprobieren ist das nun einmal so. Irgendwie muss man ja das Gefühl dafür entwickeln, dass Absätze wie "Siraj zögerte keine Sekunde und lief sofort auf Rajos zu. Kniete sich neben diesem nieder. Fühlte seinen Puls an dem blutverschmierten Hals. Um erleichtert festzustellen, dass er noch lebte." irgendwie doch als Parataxen durchgehen, aber man bei der Wahl, wo man sie trennt doch eher überlegen sollte, statt Sätze schlicht durch den Häcksler zu jagen.
Beispiel, wie es doch ein wenig zusammenhängender gewesen wäre: "Siraj zögerte keine Sekunde. Sofort lief er auf Rajos zu, kniete sich neben diesen, fühlte an dessen blutverschmierten Hals dessen Puls - um erleichtert festzustellen, dass er noch lebte."
Jetzt könnte man noch etwas mehr Innenleben usw. reinbringen, aber darauf bin ich schon genug rumgeritten.
Eine andere Unart, die sich später großteils verwächst, ist das Beginnen von Sätzen mit Konjunktionen (Und, Aber, Doch), was man gerne machen kann - gelegentlich, um etwas hervorzuheben - aber womit man in meinen Augen sparsam sein sollte. Hier zum Beispiel machen Komma und Punkt in der Wirkung keinen signifikanten Unterschied, weshalb ich das Komma gewählt hätte, um einen intakten Satz zu haben: "Sirajs Lungen explodierten beinahe. Doch er hörte nicht auf, weiterzurennen."
Anders ist es in wirklich tragenden Momenten, oder wenn man z. B. eine Ausnahme besonders betonen will: "Während dieser Zeit, als das Dorf innerhalb eines Jahres vier neue Hütten erhielt, näherte sich der schüchterne Siraj der hübschen Sianna an. Doch er war nicht der Einzige." Da passt es dann wiederum sehr gut, vor allem, wenn man das sonst nicht macht. Dann fällt es auf und fängt Aufmerksamkeit.
Dasselbe Spiel gilt bei Wiederholungen. Natürlich kann man Wortwiederholungen einsetzen, um etwas zu bestärken, sich auf etwas zu beziehen und in wörtlicher Rede ist es nur natürlich, wenn die Figuren sich keine kreativen Synonyme um die Ohren hauen, sondern eben die Dinge beim Namen nennen. Hier allerdings mal eine Auswahl an Punkten, wo ich bezweifle, dass die Wiederholungen den Text voranbringen, geschweigedenn, dass sie gewollt waren:
"Die Trauer, die über das Dorf aufgrund des Totgeglaubten gekommen war, war abgefallen und war grenzenloser Freude [...] gewichen."
Jetzt fang ich gleich bei einem Punkt an, wo mir wahrscheinlich viele entgegenrufen wollen: "Hä?! War?! Das ist ne Form von Sein, ohne das lassen sich einfach keine Sätze bilden!" Kann ich gut nachvollziehen, aber doch, man kann. Also hier nicht komplett, aber man kann variieren und in meinen Ohren klingt es dann besser: "Die Trauer, die das Dorf aufgrund des Totgeglaubten heimgesucht hatte, war abgefallen und grenzenloser Freude gewichen."
Die nächsten sind wohl weniger Erklräungen bedürfig:
"Der junge Jäger [...]. Der junge Mann [...]"
"Und über einigen Trümmern ragte einige Meter entfernt [...]"
(Ganz ehrlich: Hätte von mir sein können. Mir passiert son Bums auch ständig und wenn ich das von meinen Testlesern angemerkt bekomme, würd ich am liebsten in die Tastatur beißen.)
Das Wort Einige verwendest du allgemein ziemlich häufig. Bevor du hier protestierst: Einmal die Suchfunktion anschmeißen und beispielsweise in Kapitel 10.3. reinschauen. Ne helle Freude ;)
"Geräuschvoll schabte sich dieser über seinen Bart, dessen Pflege er in seinem hohen Alter immer mehr vernachlässigte. Scherzhaft meinte Basfas, Sojas sähe wegen dieses Bartes bald so aus wie der Dorfälteste Sajslo mit seinem charakteristischen Rauschebart."
Hier hätte es schon genügt, das "wegen dieses Bartes" zu streichen. Es geht im ganzen Absatz ausschließlich um Gesichtsbeharung, warum sollte die Ähnlichkeit, auf die angespielt wird, nun an den Fußnägeln hängen?
"Er hat einen Hirsch gejagt. Einen wirklich [g]roßen. Riesiges Geweih."
Bis hier hin, überhaupt kein Problem. Es ist wörtliche Rede und ich finds ganz natürlich gemacht, aber dann folgt dieser Satz: "Das Tier war wohl auch ziemlich groß." Ne ... Sach bloß!
"Ebenso nahm er kaum noch wahr, wie sehr er stank. [...] Er selbst roch sich glücklicherweise nicht mehr [...]"
Das ist eher so inhaltlicher Natur gewesen. Der erste Satz leitet einen mittellangen Absatz ein und der letzte zitierte Satz beendet ihn und ... Einer ist schlichtweg über.
"Allein das Schwert war wohl mehrere Häuser und jahrelange Verpflegung für eine Kleinfamilie in einem solchen Elendsviertel wert. Es gab wohl genügend Leute [...]"
(Einfach das zweite "Wohl" streichen, fertig. Das erste hat die Funktion des Satzes, daraus eine Vermutung zu machen.)
"'Das Essen war gut' [...]. 'Es war tatsächlich ein wahnsinniger Zufall, dass ihr gerade dann ankommt, wenn meine Dienser sich gerade Essen zubereiten - so musstet ihr nicht lange warten, um endlich was zu essen, richtig?"
Also hier böte sich als Synonym für "Essen zubereiten" ja irgendwie ... Kochen an, ne? Und das "um endlich was zu essen" könnte man theoretisch ersatzlos streichen, denn ... er redet ja nur vom Essen.
Es sei denn, du wolltest, dass es klingt, als Rede Hans mit einem Zweijährigen - was unter den Umständen, als er und Siraj zusammentreffen, auch gerechtfertigt gewesen wäre, aber dafür ziehst du diesen Aspekt zu wenig durch.
Und der Absatz hier war schon ziemlich hart: "Ein Tropfen der Tinte perlte langsam von der Spitze ab und hinterließ einen im Kerzenlicht glänzenden Klecks. Die Zwergin stützte ihr Gesicht auf eine Hand und umstrich langsam mit dem Finger der anderen Hand den Tropfen Tinte auf dem Papier. Nach wenigen Sekunden hob sich der Tropfen sanft vom Blatt ab, ohne dass man hätte erkennen können dass er jemals da gewesen war. Revaka führte den schwebenden Tropfen Tinte nun gemächlich zurück ins Tintenfass, bis sie mit der Bewegung aufhörte und der Tropfen - nun wieder flüssig - mit dem Rest verschmolz."
In wirklich je-dem Satz! Das hat mich so sehr gefrustet, dass ich die Magie darin gar nicht mitbekommen habe, obwohl der Absatz mal von der WW echt nicht schlecht formuliert ist.
Und das Wort Trupp hat mich in "Die Aufständischen" wahnsinnig gemacht. Genauso wie, dass du in der Einleitung zu Hilas noch einmal erwähnst, dass es in Jurano keine Fenster gab. Auch wenn ein paar Kapitel dazwischen liegen: Das sollte der Leser bis dahin verinnerlicht haben. Über Glas haben Sianna und Siraj sich bereits ausgibig gewundert. Klar, die Helligkeit, dass ihn Sonnenstrahlen wecken, kein Thema. Aber nicht nochmal "Übrigens, für diejenigen, die es vergessen haben ..."
Das waren jetzt nicht alle Vorkommen, aber mal so ein bunter Strauß, der dir vor Augen führen soll: Achte da bei der Überarbeitung mal drauf, dass du auch bei der Wortwahl nicht zu einseitig bleibst. Du hast den Wortschatz, jetzt gehts daran, ihn aktiv zu nutzen und zu erkennen, wo das nötig ist. Keine leichte Aufgabe, aber kriegst du wahrscheinlich hin. Laut lesen hilft hier sehr.
Wo das Lautlesen eigener Texte ebenfalls sehr hilft, ist, wenn es um verdrehte, zu verkopfte oder zu technische Formulierungen geht. Hin und wieder passiert dir sowas: "Sein Patient befand sich nun liegend vor ihm."
Grammatikalisch sicher nicht verkehrt, schön klingend isses aber nicht. Geht fast schon in Richtung Beamtendeutsch. Nach dem Motto "Der Fahrzeugführer führte eine Bremsung durch." Befinden und Liegen sind zudem zwei Verben, die man wunderbar und viel einfacher mit einem der beiden hätte abbilden können: "Sein Patient lag nun vor ihm."
Jetzt muss man dazu sagen, dass der nächste Satz sich darum dreht, dass Kars Leben in Sojas Händen LIEGT, aber ein "befand sich liegend" enthält ja trotzdem das Verb liegen, sodass es gehoppst wie gesprungen eine Wortwiederholung bleibt, nur dass lag auf liegend und nicht lag auf lag folgt. Wenn man aber zwei Sätze hat, in denen dasselbe Verb im selben Zusammenhang fällt, kann man sie ... einfach verbinden: "Sein Patient lag nun vor ihm und sein Leben - oder was davon übrig war - in den Händen seines Vaters."
Genauso passiert bei "bewegte sich schnell in seine Richtung". Jung, mach es dir einfach und wähle direkt das Verb, das die passende Dynamik mitbringt: "schoss auf ihn zu". Schnell gehen klingt auch nicht so wirklich nach Rennen, auch wenn es dasselbe meint. Genauso sehr leise reden = flüstern (oder mein Kryptonit, der mir immer wieder passiert: leise flüstern). Das Verb ist dem Adjektiv in der Regel vorzuziehen. In der Regel heißt aber nicht, dass ein Text kein Adjektiv enthalten sollte. Auch diese Wortgruppe hat ihre Berechtigung.
Manchmal hast du dann auch ganz knapp vorbei gegriffen. "[...] zwinkerte ihn an." statt "zwinkerte ihm zu" oder "Zehn Tage später wurde das Dorf einberufen." statt dass der Dorfrat oder die Dorfversammlung einberufen wird.
Auch nutzt du am Anfang gelegentlich passive Formulierungen, wo ich aktive deutlich netter gefunden hätte. "Sein Gesicht verzog sich." statt "Er verzog das Gesicht." Natürlich kann sich sein Gesicht auch ohne aktives Zutun verziehen, da solltest du allerdings unterscheiden. Meist ist es schöner, wenn der Protagonist derjenige ist, der seinen Körper bewegt. Ist schließlich seiner und der sollte kein Eigenleben führen.
Zuletzt ist da noch eine Unart, die ich persönlich nicht leiden kann. Es gibt sogenannte Inquit-Formeln, die in der Regel aus einem Nomen oder Pronomen des Sprechers und einem Verb des Sagens bestehen. Zu Deutsch: sagte Melanie, fragte Kai, spie Hedigunde aus und viele mehr. Man kann auch etwas sagen, während man lacht, das ist kein Ding, aber diese Verben, die dabei benutzt werden, drücken die Art und Weise des Sagens aus. Es sind Verben, Redewendungen, die Lautäußerungen beschreiben. Bei einem Lächeln wird kein einziger Laut erzeugt und daher bringt mich persönlich folgendes auf die Palme: "'Mir war nur kurz schwindelig', lächelte Sirajs Vater [...]"
Andere sehen es als verkürzte Version von "sagte (o. artverwandtes Verb) er lächelnd", aber ich krieg da immer ein nervöses Zucken, wenn ich das lese. Dass du da zumindest vor vier Jahren einen anderen Standpunkt hattest, weiß ich, aber zumindest meiner hat sich seither nicht geändert.
Dann noch der Punkt Füllwörter. Mir sind drei aufgefallen, nach denen du in deinen Texten mal fahnden kannst: Wieder, würde, leicht und gelegentlich das Wörtchen "teilweise", das den Text ungünstig streckt.
Wieder lässt sich oftmals streichen, da die Wiederholung durch den Text allein deutlich genug wird.
Würde wird meist im Zuge des Konjunktiv verwendet, lässt sich aber oftmals umgehen, indem man das Verb in den korrekten Konjunktiv setzt, statt die Würde-Krücke zu verwenden. Da muss man von Fall zu Fall sehen, ob es dann zu hochgestochen ist oder nicht.
Und Leicht kann man als Gewichtangabe verwenden oder um die Schwierigkeit einer Herausforderung zu beschreiben, aber um etwas abzuschwächen gibt es in 90% der Fälle eine bessere Alternative. Bei leichtem Regen wäre das z. B. Nieselregen oder winzige Regentropfen. Leicht is so ein Allrounder, kann man immer nehmen, passt aber nur selten richtig gut.
Zu den Teilweisen ein Beispiel: "Ohne Geld gab es kein Essen, keine Kleidung und, falls Sianna beim Sammeln nichts auffiel, auch teilweise keine besonderen Kräuter, die er für seine Arbeit benötigte.
Zudem gab es in Hilas erstaunlich viele Probleme mit Zähnen. In Jurano waren diese meist mit leichtem Gelb gefärbt gewesen, hier aber hatten die meisten offenbar mit steigendem Alter immer schiefere und gelbere, teilweise sogar fast schwarze Zähne im Mund [...]" Das Erste würd ich in dem Fall streichen, weil du den dazugehörigen Teilsatz ohnehin an eine Bedingung (Sianna findet nichts beim Sammeln) knüpfst. Das zweite Teilweise hingegen ist legitim.
Zu den Absätzen und Sinnsprüngen hatte ich oben beim Punkt Einleitung genügend gesagt, und auch wenn es nach hinten hin besser wird, noch ein zusätzlicher Hinweis: Später setzt du zwar immer bei Sprecherwechseln den Absatz, aber du setzt ihn teilweise eben erst bei der wörtlichen Rede, obwohl der handelnde Charakter schon vorher gewechselt hat.
Beispiel: "Bral wusste, dass sie hier nur [geringe Überlebenschancen hatten], aber immerhin würde diese Ablenkung Sebast ein wenig Zeit verschaffen.
'Brastor! Naras! Gersal! Sucht euch Äxte oder Hämmer und holt die Einheit aus diesem verfluchten Dorf! Wir verschaffen euch Zeit!'"
Über die inhaltliche Wiederholung von erzähltem ("ein wenig Zeit verschaffen") und gesagtem ("Wir verschaffen euch Zeit!") geh ich mal hinweg, aber Handelnde und Sprechende Figur ist in beiden Fällen Bral. Es ist also gut möglich, diese beiden Absätze zusammenzuziehen.
Teilweise beschreibst du auch die Handlung des einen Charakters, gehst nahtlos in die Handlung des zweiten über, aber wenn der zweite dann zu sprechen beginnt, setzt du den Absatz.
"Walter lehnte sich in seinem Sessel gespannt nach vorn. Harif schüttelte den Kopf.
'Das glaube ich nicht. Aber ja, er ist mächtig.'"
Eingängiger wäre:
"Walter lehnte sich in seinem Sessel gespannt nach vorn.
Harif schüttelte den Kopf. 'Das glaube ich nicht. Aber ja, er ist mächtig.'"
Selbst wenn man die Absätze nicht nach diesem bekannten Schema setzt, find ich es immer nett, überhaupt ein Schema zu erkennen. Das ist hier noch recht durchsetzt.
Mit Fortschreiten der Handlung wird aber auch der Stil immer sicherer, das heißt, es verschwinden auch die letzten Unebenheiten immer mehr: da sind die Sätze nicht nur abwechslungsreich, sondern passend und wirklich leichtfüßig und flüssig zu lesen; da hast du kaum noch Füllwörter drin, da kommt einem das Geschreibe gar nicht mehr gequält vor, sondern man hat das Gefühl, du selbst bist endlich in der Handlung angekommen, weißt wo du hinwillst und hast dich auch mit deinen Schreibwerkzeugen soweit eingerichtet, dass es dir leichter fällt. Auf das Niveau musst du jetzt "nur noch" die ersten Kapitel bringen, aber das traue ich dir unbesehen zu.
Nur die Wiederholungen, die hast du auch später noch hin und wieder. Aber von den genannten Punkte abgesehen, passt es bei dir einfach. Du kannst das und in +90% der Fälle zeigst du das auch sehr gut. Beim Rest muss man halt nochmal drübergehen.
Orthografie
Ich habe vierPunkte auf der Liste, die mir immer wieder aufgefallen sind. Groß/Kleinschreibung bei Zahlenwörtern und Personalpronomen, Das/Dass, Zeiten und ein kleiner Minipunkt wäre noch das Ausschreiben von Zahlenwörtern auch über Zwölf (14 zusätzliche hungrige Mäuler). Ein Minipunkt deshalb, weil das Schreiben von Ziffern über Zwölf kein Fehler ist, aber ich finde, es sieht einfach schöner aus.
Beginnen wir mit etwas Kurzem: Das/Dass. Es hat auf mich den Anschein, als habest du es in den ersten Kapiteln so gehalten, dass jedes Das(s), das auf ein Komma folgte, ein zweites S spendiert bekommen hat, egal ob es sich um eine stinknormale Konjunktion oder um ein Relativpronomen (das/welches) gehandelt hat. Setz dich da mal hin und such mit der Suchfunktion ", dass" in deinen Texten und schau, wo du denen ein S klauen müsstest. Das kannst du, das brauch ich dir nicht herbeten.
Die nächsten zwei Punkte werden etwas ausführlicher. Da wäre einmal das Groß/Kleinschreiben von Mengen. Nachlesen kann man das im Duden bei den Schreibregeln, müsste D77 sein (das klingt wie ne Bestellung die manch einen Apotheker in den Wahnsinn treibt ...). Darin heißt es, dass man Wörter wie "beide, viele, niemand" und so weiter natürlich groß schreiben kann, da sie nicht selten die Funktion des Subjekts in einem Satz einnehmen (Heute sind aber viele/Viele unterwegs.) und ein Satz ja streng genommen ein Subjekt braucht.
Damit ist es nicht falsch zu schreiben "Soraj erzählte es Niemandem [...]", "Einige Füchse, die Viele hier wegen ihrer eleganten [...]", "[...] der es mit wahrscheinlich Jedem aus dem Dorf aufnehmen konnte.", "die Beiden", aber durchgesetzt hat es sich, diese Worte kleinzuschreiben und nur dann davon abzuweichen, wenn man den Substantivcharakter des Wortes unterstreichen will oder er unterstrichen werden muss (Er war ein Niemand.). Also, wenn möglich diese Worte kleinschreiben, hat mich beim Lesen schon etwas verwirrt.
Was hingegen fast immer ausschließlich kleingeschrieben wird, sind Personalpronomen ("ohne [i]hn"), wo du anfangs ebenfalls durcheinander kommst. Tricky wird es dann, wenn förmliche Anrede dazu kommt, was die einzige Ausnahme ist, in der Personalpronomen dann doch wieder großgeschrieben werden ("Sojas, [I]hr braucht Hilfe!", "Entschuldigt, dass ich [E]uch gestern nicht empfangen konnte."), das machst du manchmal richtig, aber auch nicht durchgängig.
Zuletzt noch die Zeiten. In großen Teilen bleibst du deiner Erzählzeit (Präteritum, 3. Person) treu. Du hast auch auf dem Schirm, dass, wenn du Dinge in der Vergangenheit erzählst, du ins Plusquamperfekt springen musst. Hin und wieder (sehr selten) verpasst du das aber.
"Der stehts gut gelaunte und recht zierlich gebaute Mann war noch genauso wie vor knapp fünfzehn Jahren, als Siraj ihn das erste Mal wirklich wahrnahm [...]" (wahrgenommen hatte wäre richtig gewesen)
"Kaum noch etwas erinnerte an die dramatische Situation, die hier vor wenigen Stunden noch bestand[en hatte]."
Aus unerfindlichen Gründen hüpfst du manchmal aber ins Präsens, besonders wenn du Dinge schilderst, die in deiner Geschichte allgemeingültig sind. Es ist ja korrekt, dass allgemeingültige Dinge im Präsens geschrieben werden, weil wir uns im Präsens bewegen und die Dinge jetzt, früher und später gelten, aber in deiner Geschichte ist das Jetzt das Präteritum und daher müssen auch solche Sätze im Präteritum formuliert sein.
"Er wüsste (wusste) nicht, wie er das ohne Sianna ausgehalten hätte. Rajos und Kar stritten sich unentwegt wegen des Weges und wäre Basfas nicht dort [gewesen], hätten die [b]eiden wahrscheinlich erneut einen Kampf ausgetragen." (Die Wortwiederholung musste ich einfach hervorheben, auch das ist sowas, das durchaus mir hätte passieren können. An dieser Stelle ein riesiger Dank an meine Testleser! xD)
"Kar war einmal ein guter, ausdauernder Jäger [gewesen ...]"
"Banditen tuen so etwas nicht." Tun, bzw, zeitlich korrekt taten.
Auch hier noch einmal bei der Überarbeitung genau draufschauen und es der Korrektheit der späteren Kapitel angleichen. Das wäre super.
Sonst noch was? Ach so, ja, Auslassungspunkte. Wenn sie genutzt werden, um zu skizzieren, dass ein Wort unterbrochen worden ist, werden sie direkt hinten drangehä... Aber wenn das Wort, dem sie folgen, komplett ist, kommt davor ein Leerzeichen ... Und insgesamt wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn du mal schaust, wo du die Dinger weglassen und durch echte Pausen ersetzen kannst. (Beispiel: "Ich denke nicht", murmelte Paul und rieb sich die Stirn. "Wäre leichter, wenn die Karte nicht auf dem verdammten Küchentisch liegen würde.") In einer oder zwei Kapiteln waren die Rudel doch recht groß.
Mit vergessenen oder überflüssigen Kommas hatte ich nahezu gar keine Probleme. Die Regeln scheinst du super drauf zu haben, weshalb ich mir da jeglichen Vortrag zu spare. Auch Worttrennung, Groß/Kleinschreibung allgemein (von oben genannten Punkten abgesehen), Beugung, Kasus und Genus, das ist fast durchgehend stimmig und es gibt wenig dazu zu sagen, außer, dass es schön ist, mal nicht in jedem Satz über einen Fehler zu stolpern. Saubere Arbeit.
S C H L U S S W O R T
Du sagst selber, der Anfang ist noch etwas strubbelig, da schließe ich mich dir nach vier Jahren an. Wenn man es mit den aktuelleren Kapiteln vergleicht, kann man das so sagen. Wenn ich es aber mit anderen Erstlingswerken vergleiche, ist es trotzdem noch phänomenal! Trotz der ganzen Punkte, die ich hier aufgezählt habe. Ansonsten wäre ich auch vor vier Jahren nicht davon überzeugt gewesen.
Wenn du jetzt also in den ersten Kapiteln konsequent alles Wiederholende rausstreichst, mehr auf Show setzt, indem du mehr Handlung reinbringst oder die Zusammenfassungen aufs Notwendige kürzt; wenn du die Füllwörter rausstreichst, Das/Dass, Zahlenadjektive und Personalpronomen überarbeitest, Absätze deiner späteren Vorgehensweise angleichst und evtl. durch Lautlesen die verbliebenen hölzernen Formulierungen rauskegelst, wäre schon sehr viel getan. Ist ne Scheißarbeit, das glaube ich dir, aber wenn man sich den Rest des Buches anschaut und wie viel Arbeit du da bereits hineingesteckt hast, lohnt sich das sicher! Und ich will verdammt nochmal wissen, wie es weitergeht ;-)
Ich hoffe, das Feedback enthält irgendwas, das dich irgendwie weiterbringt und was ich noch viel mehr hoffe, dass es dich nicht demotiviert. Dein Buch ist super, auch wenn es nicht perfekt ist. Das schafft wohl kaum jemand, schon allein, weil viele Punkte auch subjektiv wahrgenommen werden können und trotz der Punkte, die mich manchmal aufmerken lassen, lese ich es wirklich sehr, sehr gerne.
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