'Longing for the Stars' von Caemeli

Titel

Longing for the Stars

Autor

Caemeli

Genre

Übernatürliches

* * *

G E S A M T E I N D R U C K

Mein Gesamteindruck wäre um Welten besser gewesen, wenn die ersten Kapitel bereits überarbeitet gewesen wären. Allein die Idee der Geschichte und auch die Gestaltung der neueren Kapitel gefallen mir ausnehmend gut, aber du versaust es dir leider in den ersten Kapiteln. Dummerweise sind die es, die deine Leser als erstes lesen und anhand derer sie entscheiden, ob sie genügend Vertrauen in deine Fähigkeiten haben, ihre Zeit in deine Geschichte zu investieren.
Ich fand die Handlung im Allgemeinen gut. Vor allem der Plot um Henry hat mich neugierig gemacht. Ich fand ihn schön insziniert, sowohl von der Szenenwahl als auch vom Tempo her. Waren die anfänglichen Kapitel mir viel zu oberflächlich, hat sich das nach hinten hin gelegt und du hast dich getraut, detailierter auf die einzelnen Begebenheiten einzugehen, was mir deutlich besser gefallen hat.

Nur eine Sache hat mich doch noch einmal sehr verschreckt: Für mich war es ein ziemlich niederschmetternder Moment, als der Film Kung Fu Panda als Indikator für lang zurückliegende Ereignisse genommen wurde. Bei dir klang es, als wäre dieses Animationswerk historisch! Selten kam ich mir so alt vor ... Manno!

L E S E E M P F E H L U N G

Das ist etwas schwierig. Einerseits würde ich das Buch gerne jedem empfehlen, der auf der Suche nach Büchern jenseits von Kitsch und Erotik sind, mit einem bisher sehr niedlichem, aber gut gemachten Plot. Auf der anderen Seite sind da die ersten Kapitel, die noch etwas mager und formal überarbeitungswürdig sind.

Daher würd ich mal sagen, wer sich davon nicht abschrecken lässt, der wird in den späteren Kapiteln belohnt, wenn er es dennoch wagt. Es geht nicht darum die Welt zu retten. Es ist kleiner, übersichtlicher, aber nicht weniger spannend, wenn die Protagonistin versucht, sich mit der unausweichlichen Teilnahme an der Schulaufführung zu arrangieren versucht oder mit paranormalen Phänomenen hadert.

* * *

C O V E R

Wirkung

Das Cover wirkt sehr ordentlich, angenehm aufgeräumt und trotzdem ziemlich interessant. Der Sternenhimmel am oberen Rand, der in Richtung Horizont in eine (Morgen?)Dämmerung übergeht, ist ein wirklich sehr schönes Motiv, was alleinstehend langweilig gewesen wäre, aber dafür haben wir unten die Straße mit den beiden Schemen. Sie heben sich gut vom Hintergrund ab, sind als solche zu erkennen, verraten aber nicht zu viel über die Personen. Das Einzige, das sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen lässt, ist, dass es sich bei der vorderen Person um eine junge Dame handelt und bei der hinteren um ein Kind, welchen Geschlechts auch immer.

Das Motiv der Straße, die in Richtung Fluchtpunkt in die unbekannte Ferne führt, verbinde ich mit Reisegeschichten, einem Weg, den der Protagonist zu beschreiten hat, ob nun in der Realität oder metaphorisch gesehen. Die beiden Figuren lassen vermuten, dass sie dabei nicht allein sein wird, entweder die kleinere Person trifft oder ihr folgt. Die Sterne hab ich bei der Betrachtung weniger im Fokus, sie liegen hinter der Schrift, schaffen gemeinsam mit der sonst leeren Straße eine abgelegene, einsame Atmosphäre und tragen so trotzdem ihren Teil dazu bei, das Cover ansehlich zu machen.

Macht es mich neugierig? Auf den ersten Blick gebe ich zu, dass mich die zwei Personen hätten mit den Zähnen knirschen lassen, wenn ich nicht die #rezensionFrei-Liste vorwiegend über die Klappentexte durchsucht hätte. Zusammen mit den Sternen hat es bei erster Betrachtung in mir die Befürchtung geweckt, es handle sich um eine Romanze, da Sterne ja auch gern mal als romantische Elemente eingesetzt werden, vonwegen Augenstern und "Du bist für mich die Sonne, um die ich kreise" und so ein Kram. Dass es sich bei der zweiten Person um ein Kind handelt, fiel mir erst später auf.

Handwerk

Mir gefällt die farbliche Gestaltung sehr gut. Oben und untern dominieren dunkle Farben, so dass der Dämmerungsstreifen deutlich sichtbar hervortritt und sich die Personen davon sehr gut abheben können. Es passt alles zusammen und trotzdem lassen sich die einzelnen Elemente erkennen.

Auch die Schrift hebt sich vom Hintergrund ab und dass ein Titel, in dem das Wort "Sterne" (engl. Stars) enthalten ist, ausgerechnet vor dem Sternenhimmel positioniert wird, macht doppelt Sinn und gefällt mir.

Zur Qualität des Ausgangsmaterial werd ich zukünftig keine Aussagen mehr treffen, da Wattpad inzwischen wirklich in jeder Ansicht herabskaliert, was ich sehr schade finde. Das ändert jedoch nichts daran, dass man deinen Autorennamen auf dem Cover so nicht erkennen kann. Auf dem Original funktioniert das sicher, aber hier auf WP mit der Auflösung von Kartoffel mal Kartoffel hock ich davor, als müsste ich ganz, ganz, ganz dringend mal wieder zum Optiker. Man rät mehr, als dass man es liest. Das written by lässt sich durch die Länge der Wörter und die Grundlinien der Buchstaben herleiten, aber das Caemeli ... also, da könnte auch Omlett stehen. Das muss größer, damit man es trotz Auflösungseinbußen erkennen kann. Bei verschnörkelter Schrift allgemein: Der Titel geht völlig in Ordnung, er ist wunderbar zu lesen - weil er riesig ist. Unter 20pt sind solche Zierschriften nicht zu gebrauchen. Schon gar nicht bei schlechter Auflösung.

Zudem finde ich die Positionierung, möglichst unauffällig unten rechts, unschön. Schaut euch mal richtige Buchcover an. Teilweise ist da der Autorenname größer als der Titel, was nichts ist, was ich euch empfehlen will, weil ich den Titel nicht suchen müssen will, aber ein Bisschen mehr Präsenz, wenn ihr euren Namen schon draufschreibt, wäre nicht schlecht. Setz ihn wenigstens mittig, für die Symetrie. Ihr braucht ihn auch nicht immer an den Rand schreiben, ihr könnt ihn auch unter oder über dem Titel positionieren, wo es gerade hinpasst. Probiert da ruhig ein wenig mehr aus.

Das For und das The hast du clever zwischen den Buchstaben positioniert und sie sind auch gerade so groß, dass sie sich auch in der Listenansicht gut lesen lassen.

Neben der Schrift, die mir überwiegend gefällt, kann ich auch sonst keine groben Patzer ausfindig machen. Ich habe einen Blickfang, die beiden Umrisse, der Titel sticht schön hervor, ich finde keine hässlichen Kanten, die auf schlechte Einarbeitung von Bildmaterial hindeuten. Nein, es bleibt ein schönes, schlichtes Cover.

T I T E L

Wirkung

Wie bereits angedeutet, hat der Titel zu meiner anfänglichen Befürchtung beigetragen, eine Romanze vor mir zu haben. Eigentlich liebe ich Sci-Fi und die einzige Frage, die ich mir stellen sollte, wäre "Trek oder Wars?", vielleicht sollte ich noch an "To the stars" aus Dragonheart denken (YT hilft da weiter), aber stattdessen denke ich an die vielen Promi-FFs und schmierige Romanzen, die irgendwas mit "My xxx star" im Namen haben. Ich kann nicht ausschließen, dass das am Kontext mit dem Cover liegt, dem bilderbuchhaften Sternenhimmel und der Abbildung einer Frau (lange, im Wind wehende Haare, schlank, weibliche Proportionen), aber zunächst war da kein "Woooow, das will ich lesen!", sondern eher so ein "Hmmm, gibt's vielleicht noch was anderes?".

Dazu kam mir mal wieder meine Englischschwäche in die Quere. "For the stars" war kein Problem, das kann ja inzwischen jeder Erstklässler dechiffrieren, aber Longing (engl. Sehnsucht) ... Ich sag es mal so: Es ist eine Vokabel, die in technischen Handbüchern oder Vorträgen sehr selten Verwendung findet. Gehörte auch in meiner Schulzeit zu den Vokabeln, die an mir vorbeigegangen sind.

Hätte ich aber gewusst, dass es Sehnsucht heißt, hätte es meine Angst nur bestärkt, auch, wenn der malerische Titel durchaus treffend ist, aber Sehnsucht ist so ein Wort, das ich im besten Fall mit Fernweh, im schlimmsten aber mit Rosamunde Pilcher verbinde. Und wenn ich das Wort mal in die Suche auf Wattpad tippe, gibt sie mir Recht. Selbst Titel wie "Blutige Sehnsucht", lassen mich völlig kalt. Dazu ein Wust aus "Sehnsucht und Verlangen", "Wenn aus Sehnsucht Liebe wird", "Sehnsucht nach Uns" und viele, viele Pärchen und Kussszenen auf Covern ... Du kannst nichts dafür, dass andere dieses Wort in einem anderen Kontext verbinden, aber du musst mit der Wirkung leben, die das hinterlässt.

Ich könnte jetzt vermuten, dass es nicht bloß darum geht "nach den Sternen zu greifen", sondern meine vage Reisetheorie korrekt wäre und deine Protagonistin wirklich eine Reise zu den Sternen antritt. Zu dem Schluss komme ich aber nur mit viel Wohlwollen. Viel eher manifestiert sich in mir die Vermutung, dass es sich doch in Richtung Liebe entwickelt und ich hoffe, dass die kleine Person auf dem Cover entweder älter ist als ich vermute, oder nicht im Fokus stehen wird.

Trotzdem ist er auf Wattpad einzigartig.

Kontext

Die Straße, die ein gerngenommenes Motiv für Fernweh (Sehnsucht) ist, die Sterne (Stars), finden sich im Cover wieder und auch zum Klappentext, in dem Julies Schauspielambitionen angesprochen werden, die in doppelter Hinsicht zum Terminus "Star" passen, passt der Titel sehr gut. Letzteres legitimiert die Wahl deiner Sprache. Allerdings gibt es auch im Deutschen das Sprichwort "Nach den Sternen greifen", das exakt so in deinem Buch genannt wid, so dass der Titel ebenfalls in der Sprache des Buches funktioniert hätte, nämlich als stumpfe Übersetzung "Sehnsucht nach den Sternen". Da ist nicht einmal ein großer Umbau notwendig. Wieso also? Warum setzt du dich dem Risiko der Sprachbarriere aus? Und sag nicht, weil Englisch besser klingt, denn wenn du die Sprache lieber hast, dann frag ich mich, weshalb du ein ganzes Buch in einer anderen verfasst hast.

Es ist jedoch nicht zu abstrakt, als dass man es nicht durchschauen könnte und es bildet außerdem eine schöne Einheit, wenn diese Einheit auch jeden Romantikskeptiker in die Flucht schlägt. Die Erwartungen, die du mit diesem Gesamtbild schaffst, passen leider nicht zu deiner Geschichte. Zugegebenermaßen hab ich, spätestens nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, Bilderbuchromantik erwartet und wurde erfreulicherweise enttäuscht.

Es ist schade, weil alles so wunderbar aufeinander abgestimmt ist, aber ich würde dir nahelegen, das noch einmal zu überarbeiten. Ich kann mir denken, dass du gerade die großen Mysterien deiner Geschichte nicht vorweg nehmen willst und dich vielleicht sogar ein wenig freust, dass man anfänglich in eine komplett falsche Richtung denkt, aber das hat leider zur Folge, dass viele aufgrund völlig unnötiger Befürchtungen, auf dem Absatz kehrtmachen und nicht in dein Buch reinlesen werden. Und die, die es tun, die überraschst du zwar, aber enttäuschst womöglich ihre Erwartungen. Am Ende ist niemand glücklich.

K L A P P E N T E X T

"Es ist noch immer etwas, das ich einfach nicht begreifen kann, aber irgendwann kommt jeder zu dem Punkt, an dem er bereit sein muss, auch Unmögliches zu akzeptieren."

Mit acht Jahren hatte Julie Parson einen Traum. Sie wollte Schauspielerin werden, auf den größten Bühnen und in den besten Filmen spielen. Neun Jahre später ist von diesem Traum nicht mehr viel übrig geblieben und dennoch wird sie von ihren Eltern dazu gezwungen, einem Schauspielkurs beizutreten. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie dadurch auf jemanden treffen würde, der ihr Leben so durcheinander bringen könnte, wie Henry es tat. Doch eines war sicher: Dieser Junge war alles, aber nur nicht normal.

(Stand: 07. Januar 2019)

Handwerk

Wie ich letztens von getafly005 gelernt habe, hat der durchschnittliche Klappentext 70 Wörter. Bei dir sind es 108, aber ich finde ihn von der Länge her dennoch angenehm - wenn man den bloßen Klappentext ohne das Zitat betrachtet. Dann hat der Text auch bloß 80 Worte.

Eigentlich finde ich Zitate aus dem Buch zu Beginn gar nicht verkehrt. Sie können einen schönen Einstieg und später während des Lesens tolle Erkenntnisse hervorbringen, wenn man den Abschnitt letztlich im Kontext des Geschehens noch einmal liest, aber ich lese dieses Zitat und frage mich, was es mit Julies Schauspielambitionen zu tun hat, worauf du kurz danach eingehst. Die beiden Teile wirken somit wie zwei Fremdkörper. Sie sind nicht miteinander verbunden und erst ganz am Schluss, wenn man das Zitat bis dahin nicht wieder verworfen hat, weil völlig zusammenhangslose Textfetzen hier auf Wattpad leider schwer in Mode sind und man die Hoffnung verloren hat, dass es noch einmal wichtig werden könnte, findet man mit etwas gutem Willen einen Bezug: der abnormale Junge, der womöglich das Unmögliche ist, das Julie akzeptieren muss. Ich weiß nicht, ob ich drauf gekommen wäre, wenn ich das Hauptmotiv deines Buches nicht schon gekannt hätte. Vermutlich nicht.

Positiv aufgefallen ist mir, dass du den eigentlichen Klappentext nicht mit dem Namen deiner Protagonistin beginnst. Du beziehst dich im ersten Satz auch nicht auf die Gegenwart, sondern die Vergangenheit, mit der du ihre aktuelle Situation vergleichst, was mir ausnehmend gut gefallen hat.

Nicht so gut dagegen fand ich den Satz, in dem es heißt, dass sie jemanden trifft, der ihr Leben durcheinanderwirft. Wie oft liest man das bitte in Klappentexten? Und in welchen Klappentexten? Vorwiegend in denen von blütenreinen Kitsch-Romanzen (womit ich gute, kitschfreie Romanzen ausnehmen will). Ob diese ominösen Menschen nun das Leben der Protagonisten auf den Kopf stellen, durcheinanderbringen oder deren Weltbild zerstören, es - passiert - so - oft! Und ich kann es nicht mehr lesen. Typ trifft Mädel, alles wird anders, aber vorher ist er natürlich voll der merkwürdige Kerl, den sie natürlich gar nicht heiß findet. Das verbinde ich damit. Es ist so eine Phrase, mit der man mich wirklich in die Flucht schlagen kann. Schreib es anders, mach deutlich, dass es um Freundschaft geht und nicht um die 2353413ste Romanze nach Schema F! Ja, hier auf Wattpad sollte man das herausstellen, weil jeder Leser, der nach so etwas sucht, dir auf Knien dafür danken wird.

Inhalt

So, welche Infos haben wir? Das Zitat gibt einen Ausblick auf den Verlauf, dass Julie (vermutlich) auf etwas stoßen wird, dass ihrem Weltbild oder gar den Gesetzmäßigkeiten der Naturwissenschaften widerspricht und trotzdem muss sie anerkennen, dass so etwas existiert. Vielleicht ist es auch bloß etwas, das sie nicht glauben will, aber akzeptieren muss. Beispielsweise dass ihre beste Freundin nach Übersee auswandert oder sie ihren Hund abgeben muss, weil sie in eine neue Wohnung ziehen, dessen Vermieter die Haltung untersagen. Es bietet eine manigfaltige Palette an Möglichkeiten, bishin zu Szenarien, in denen Julie auf Außerirdische trifft. Das finde ich gar nicht verkehrt, nur gerade bei der vorherschenden Romantikatmosphäre denkt man zu schnell in die falsche Richtung. Und ich finde, es greift zu weit vor, denn es zeigt bereits, dass Julie irgendwann akzeptieren wird, was auch immer ihr begegnet. Es nimmt dir die Möglichkeit, mit ihren eigenen Zweifeln zu spielen, denn der Leser weiß von vornherein, dass sie unbegründet sind.

Im eigentlichen Klappentext lernen wir mehr über die jungen Dame. Sie wollte einmal Schauspielerin werden, hat diesen Traum über Bord geworfen. Das tun viele Menschen und auch wenn ich es toll finde, Geschichten von Figuren zu lesen, die sich eben diese Träume erfüllen, finde ich hier gut, wie du damit umgehst und die andere Seite beleuchtest, mit der sich vermutlich weit mehr Menschen identifizieren können. Die Information hilft, sich etwas zu der Figur vorzustellen, ohne die Handlung vorweg zu nehmen.

Dass sie gegen ihren Willen in einen Schauspielkurs gesteckt wird, verrät auch nicht zu viel, allerdings habe ich gestutzt. Mit Acht wollte sie Schauspielerin werden und neun Jahre später kommen ihre Eltern auf die Idee. Da ist sie siebzehn Jahre alt. Da frage ich mich schon: Warum erst dann? Warum überhaupt noch? Was haben die für Argumente sprechen lassen, dass eine Siebzehnjährige das mitmacht? Fragen sind gut, sie wecken die Neugier; den Drang, Antworten zu suchen.

Dann trifft Julie auf Henry, der nicht ganz normal scheint, was auch immer das bedeuten mag (von merkwürdig bis geistig beeinträchtigt ist da alles drin), der ... naja, ihr Leben durcheinanderbringt.

Das sind alles Informationen, die ich nicht als überflüssig empfinde. Durch Julies Kindheitstraum weiß man, wie die Eltern ausgerechnet auf einen Schauspielkurs gekommen sind und da wir wissen, dass Julie diesen Traum eigentlich begraben hat, können wir überhaupt erst erkennen, weshalb sie sich dagegen wehrt. Dass sie Henry trifft, ist eine wichtige Wendung, ja. Wir brauchen schließlich etwas, wobei wir mitfiebern können. Ein ausgewachsener Teenie, der zu einer Pflichtveranstaltung geht allein ist nicht spannend genug. Wir brauchen noch etwas zum Verlauf, das uns eine Richtung vorgibt. Allerdings sollte das, wie oben erwähnt, keine falschen Erwartungen wecken oder die falschen Leser vergraulen.

Es geht um Paranormales, da wird Julie doch wohl an sich selber zweifeln, glauben, dass man sie veralbert. An deiner Stelle würde ich auf diesen Moment den Fokus legen, du sprichst diese Zweifel ja bereits im Zitat an, somit würdest du nicht mehr vorwegnehmen als ohnehin schon. So bräuchtest du Henry nicht einmal zu erwähnen und du würdest diese unsägliche "Merkwürdige Begegnung stellt mein Leben auf den Kopf"-Formulierung umgehen.

Davon abgesehen finde ich den Klappentext ganz passabel. Die Idee ist gut, das Ende passt mir persönlich nicht, das Zitat greift zu weit vor, aber es ist kein Weltuntergang.

Hier mal ein Versuch meinerseits, bei dem ich einen Großteil von dir so übernommen habe: Mit acht Jahren hatte Julie Parson einen Traum. Sie wollte Schauspielerin werden, auf den größten Bühnen und in den besten Filmen spielen. Neun Jahre später ist von diesem Traum nicht mehr viel übrig geblieben und dennoch wird sie von ihren Eltern dazu gezwungen, einem Schauspielkurs beizutreten. Zweifelt sie zu Beginn dieser unfreiwilligen Zeitreise in ihre Kindheit am Verstand ihrer Erziehungsberechtigten, ist sie sich letztlich gar nicht mehr so sicher, ob nicht sie selbst diejenige ist, die allmählich ihren Verstand verliert.

T A G S

Deine Tags gefallen mir sehr gut. #Drama und #Übernatürliches passen zum Genre des Buches - Drama gleich in doppelter Hinsicht, da es um #Theater geht - und die Grundmotive hast du in meinen Augen auch gut abgedeckt. Julie ist anfangs zwar ziemlich #Hoffnung(slos) statt #Leben(sfroh), aber trotzdem spielen #Freundschaft und #Liebe in ihrem #Leben ja eine Rolle. Sie denkt viel nach und durch die Tatsache, dass es mit Henry um einen Geist geht, hast du auch das Thema #Tod drin. Wie das alles mit der #Trauer zusammenhängt weiß ich noch nicht, auch der Liebes-Aspekt kommt noch nicht so durch, worum ich persönlich jetzt aber nicht traurig bin. Ich kann mir denken, dass Owen und sie sich womöglich noch einmal näher kommen.

Meine Vermutung ist ja, dass Julie Henry als Kind kannte und sie sein Ableben verdrängt hat, bis er ihr wieder erscheint. Quasi eine Reverse-Version von 'Die Brücke nach Terabithia' (und ich fände diese Idee sogar ganz gut).

Was man noch angeben könnte, ohne zu viel zu verraten, wäre #Geister (denn man kann es ja auch auf Mrs. Ralven beziehen) und womöglich den Tag #Sorgen, denn ohne, dass die Eltern sich Sorgen gemacht hätten oder Sorgen machen, wäre sie ja nicht in einem Theaterkurs gelandet.

Womit ich ein kleines Problem habe, ist der Tag #Schauspieler. Da erwarten viele, dass sie eine Geschichte mit einem berühmten Schauspieler (nein, seltener mit einer Schauspielerin) zu lesen bekommen. Dabei geht es vielmehr um das #Schauspiel selbst und das sollte man dann auch so taggen.

Orga-Tags: #RezensionFrei
Genre-Tags:
#Drama, #Übernatürliches
Gute Tags:
#Freundschaft, #Hoffnung, #Leben, #Liebe, #Nachdenken, #Schule, #Theater, #Tod, #Trauer
Schlechte Tags:
#Schauspieler
Vorgeschlagene Tags:
#Schauspiel, #Geister, #Vergangenheit, #Sorgen

S T O R Y A U F B A U

Einleitung

Du legst keinen glanzvollen Start hin, aber das tun die Wenigsten. Es ist nicht besonders schwer, sich aufzuraffen, anzufangen, es ist auch ziemlich schwer, gleich zu Beginn etwas Anständiges auf Papier zu bringen.

Du beginnst mit einem Vorwort, was in Ordnung ist. Was gehört nicht in ein Vorwort? Der Klappentext. Um es mit den ASCI-Zeichen deiner Abgrenzung zu sagen: -_-* Nein!

Was will ein Klappentext? Ein Klappentext möchte Leser dazu animieren, in ein Buch hineinzuschauen. Er möchte sie locken, ködern, verführen. Was haben deine Leser getan, wenn sie in deinem Vorwort angelangt sind? Richtig, in dein Buch geguckt. Der Sinn des Klappentextes - ob sie ihn gelesen haben oder nicht - ist bereits erfüllt. Du brauchst nicht vor ihnen damit herumwedeln. Lass sie in Ruhe deine Geschichte lesen. Sie haben diesen Text höchstwahrscheinlich voller Absicht übersprungen, lass ihnen ihren freien Willen.

Dann zum eigentlichen Vorwort: Es ist in Ordnung, seine Kritikfähigkeit zu bekunden und höflich darauf hinzuweisen, dass man für Anregungen und Tipps dankbar ist. Deine Quellenangabe zu den Bildern (Seiten und Benutzernamen des Fotografen/Bildbearbeiters) finde ich außer ordentlich vorbildlich, aber die Entschuldigungen bezüglich des mangelnden Hintergrundwissens zum Thema Theater streich bitte raus.
Du bist dir dieser Wissenslücke bewusst. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Du hast keine Ahnung, wie du sie noch besser schließen kannst, hast aber in deinen Augen alles Mögliche getan, um ein gutes Ergebnis abzuliefern. Dann gibt es keinen Grund, sich zu entschuldigen. Stattdessen könntest du freundlich und KURZ darauf hinweisen und anregen, dass Leute, die davon mehr Ahnung haben, dich darauf hinweisen, wenn ihnen etwas auffällt, statt dich hinter deinem Amateurstatus verstecken zu wollen.
Die andere Möglichkeit ist, du bist zu faul und denkst, eine Entschuldigung würde das legitimieren. Den Eindruck hinterlässt so etwas meist bei mir und ich lese in solche Bücher mit einem ganz, ganz schlechtem Gefühl rein. Du könntest Dokus oder Filme zum Thema schauen, es gibt Erfahrungsberichte, Blogs oder gar die Möglichkeit, sich eine Amatuerprobe mal anzusehen. So, wie es da steht, klingt es nicht so, als hättest du nur eines davon jemals auch nur in Erwägung gezogen, zu tun.

Eigentlich erwarte ich in einem Vorwort ein paar persönliche Worte des Autors zu seinem Buch, vielleicht eine Danksagung, Widmung, eine knappe Anekdote, die den Stein des Anstoßes gegeben hat. Etwas Interessantes. Nicht den 0815-Text, den ich in 666 anderen Vorwörtern auch schon gelesen habe. Aber es ist ansonsten in Ordnung.

Die Geschichte selbst begrüßt mich mit einem Ich-Erzähler im Präsens. Eine Erzählform, gegen die ich meine Vorbehalte habe, aber die mich gelegentlich ja auch mal positiv überrascht.

Leider beginnst du mit sehr viel Erzählung. Wir erfahren, wo Julie ist, aber dann textet die Erzählerin mich auch schon damit zu, wie sie da hingekommen ist und dass sie überredet werden musste und dass sie beim Vorsprechen für die Schulaufführung wie eine "einschlafende Kartoffel" klang und ... Ich erlebe davon nicht einen einzigen Satz. Es ist zu ausführlich, um als beiläufige Erklärung durchzugehen, die man mal fallen lassen kann, aber auch zu oberflächlich, um mich zu fesseln. Dazu ist es nur sehr lose mit der Handlung verknüpft. Ja, das gemeinsame Thema ist die Schulaufführung, aber diese vier erklärenden Absätze lang passiert - nichts. Julie steht abseits in der Gegend rum, während ich Namen an den Kopf geworfen bekomme, die ich noch nie gehört habe und zu denen ich keinerlei Beziehung habe.

Auch die Erzählungen kann ich nicht einschätzen. Julie berichtet, dass sie Aine überredet hat, mit ihr in den Theaterkurs zu kommen, aber die will nicht und dann hat Julie eigentlich auch keine Lust, aber ihre Eltern wollen es und dann überredet sie Mr. Wilson und ... Warum will sie sich überhaupt eintragen? Weil ihre Eltern ihr sonst mit Taschengeldentzug drohen? Weil sie sonst am Wochenende das Auto nicht bekommt? Weil sie ihre Eltern liebt und ihnen einen Gefallen tun will? Ich hab keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, warum sie sich nicht in die Liste eintragen will. Mag sie Theater allgemein nicht? Findet sie es doof? Glaubst sie, sie wäre schlecht darin und könnte sich blamieren? Hält sie es für eine Zeitverschwendung und wüsste mit ihren freien Stunden besseres anzufangen? Ich krieg absolut kein Gefühl dafür, warum sie etwas tut - was nicht schlimm wäre, wenn ich es irgendwann einmal hätte nachvollziehen können. Ich weiß bis heute allerdings auch nicht, wie Mr. Wilson sie überreden konnte, wo sie doch so überhaupt keine Lust darauf hat; oder weshalb sie auf die Bühne gegangen ist; wie es sich für sie angefühlt hat, dort zu stehen, wo sie doch angeblich so scheu ist; wieso sie dort ihrer Unlust schon wieder nachgibt, obwohl der Lehrer sie doch überreden konnte, mitzumachen. Ich fühle nichts - und schon gar nicht mit.

Gerade für einen Ich-Erzähler ist das erstaunlich distanziert. Mit einem personalen Erzähler hätte man das durchaus machen können. Der bietet einem wenigstens ein Bisschen die Möglichkeit der Distanz. Aber nicht der Ich-Erzähler. Der ist distanzlos. Und wenn er es nicht ist, ist es für mich nicht stimmig.

Der nächste Punkt, der mich zunächst sehr skeptisch gemacht hat, hat mich letztlich aber sehr positiv überrascht. Die Vergabe der Rollen endet so, dass Julie trotz ihrer miesen Leistung eine Rolle bekommt, die extra für sie dazugeschrieben worden ist. Da bin ich schon hellhörig geworden. Von wie vielen Charakteren habe ich schon gelesen, deren Welt sich um sie drehte? Wie wenig haben sie mich interessiert? ABER Mr Wilson hat diese Rolle nicht etwa geschrieben, weil er Julie für ein Ausnahmetalent hält - auf welcher Basis auch immer - sondern weil ihre Eltern ihn inständig gebeten haben, ihr eine Chance zu geben. Inklusive Spende an die Schule. Die Rolle ist auch sehr unwichtig und kann, falls Julie sich nicht bewährt, rausgestrichen werden, was Wilson ihr auch so sagt. Das fand ich gut von dir gelöst! Es erklärt, wie sie doch noch zu der Rolle kommt und erhebt sie nicht in einen Sonderstatus - zumindest nicht in einen positiven.

Julie ärgert sich auch darüber, dass ihre Rolle quasi gekauft ist, was verständlich ist, aber was mir ein wenig fehlt, ist die anfängliche Verwunderung, als Wilson ihr die Rolle zuteilt. Die anderen starren sie an, aber Julies Reaktion fehlt mir. Da kannst du noch mehr rausholen. Ich schreibe bewusst "kannst", denn in anderen Szenen zeigst du, dass du das wirklich kannst. Auf den Punkt gehe ich aber noch einmal genauer ein.

Mich hat der Einstieg ehrlich gesagt überrumpelt. Leider nicht im positiven Sinne. Er ließ mich ratlos zurück. Wer zur Hölle ist Casper (Ihr Nachbar? Ihr Bruder? Ihr Freund?)? Wer ist Aine? Überhaupt die ganzen Leute, die mir da im Eilverfahren vorgestellt werden. Sind die wichtig? Wenn ja, dann bräuchtest du wesentlich mehr Raum, um all diese Informationen, sprich Figuren, einzuführen. Du erschlägst einen förmlich damit. Statt "Die Jungs schauten sich mal wieder beim Zocken zu", einfach mal einen kleinen Dialog zwischen zwei Personen schreiben, damit man sie erlebt und etwas mit ihnen verbindet. Namen allein genügen nicht. Das würde auch Gelegenheit bieten, in der Szene anzukommen, bevor man dann zwischen dem erschlagendem Jetzt und dem verwirrendem Vorher hin und her zu switchen.

Von der Idee her fand ich es überhaupt nicht schlecht. Julie wider Willen in dieses Theaterprojekt zu schmeißen und sie nicht zum Naturtalent unter der Sonne zu machen, fand ich klasse. Nur die Art der Aufmachung hat mich doch ziemlich überrumpelt.

Handlung

Was passiert in der Geschichte? Vorwiegend geht es um Julie, die widerwillig einer Thater-AG an ihrer Schule beitritt - auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Eltern. Ihre Lust hält sich in Grenzen, weshalb sie sich beim Vorsprechen keine große Mühe gibt, doch entgegen ihrer Erwartungen, bekommt sie dennoch eine Rolle für die diesjährige Schulaufführung, die Rolle der Mrs. Ralven, die in der Lage ist, Geister zu sehen. Eine Rolle, die extra für sie dazugeschrieben wurde. Der Grund dafür sind wieder einmal ihre Eltern, die ihren Lehrer, Mister Wilson, gebeten haben, sie zu fördern, da sie der Meinung sind, ihre Tochter sei zu introvertiert und müsse lernen, aus sich herauszukommen. Julie sagt zu, einige Proben lang durchzustehen, kann sich jedoch nicht aufraffen, hat keinerlei Vertrauen in ihre Fähigkeiten und denkt vorwiegend darüber nach, wie sie aus der AG wieder herauskommt, obwohl sie durch drei Mitglieder der Gruppe große Unterstützung erfährt, die sie anfangs abblockt, bis Mister Wilson ihr die Pistole auf die Brust setzt. Er beschließt, dass für Julie die AG verpflichtend ist und wenn sie auf der Bühne nichts zustande bringt, hilft sie halt dahinter mit. Während Julie sich mit der Situation, mit der Hilfe einiger anderer Theater-Darsteller, zu arrangieren, trifft sie immer wieder einen kleinen Jungen. Erst bewirft er sie an einer Bushaltestelle mit Ästen, entschuldigt sich danach aber für sein Verhalten, nachdem Julie ihn bei ihrem zweiten Treffen vor einem Zusammenstoß mit einem Auto bewahrt hat. Sie freunden sich an, aber Julie ist misstrauisch, da sie den Jungen immer alleine antrifft und sie manchmal das Gefühl hat, sie wäre sie einzige, die ihn sehen könnte.

Es sind eigentlich zwei rote Fäden, denn der Theaterplot würde auch ohne Henry, den seltsamen Jungen, funktionieren und die Zusammentreffen mit Henry wären auch ohen die Theatergruppe möglich - ABER! Die beiden Plots ergänzen sich sehr schön, denn die Figur der Mrs. Ralven kann Geister sehen - und Julie im echten Leben auch. Diese Parallele zwischen den beiden Handlungsbögen finde ich ziemlich gut gedacht und auch sehr spannend. Wie es dazu kommt, dass Julie Henry sehen kann, ist bisher noch nicht erläutert, vielleicht wird es niemals aufgeklärt, aber - für eine Geschichte aus dem Genre Übernatürliches - gefällt es mir. Das ist ein Genre, dass solche paranormalen Phänomene erlaubt, ohne, dass man als Autor seine Glaubwürdigkeit verliert.

Logiklücken habe ich so keine gefunden. Es ist realistisch, dass Mr. Wilson sich dazu berufen fühlt, seine Schülerin zu unterstützen, nachdem die Eltern ihn darum gebeten haben - sofern es sich für ihn machbar gestaltet. Er gibt sich zwar sehr große Mühe - verteidigt seine Entscheidung vor den anderen Schülern, schreibt eine eigens dafür gestrickte Rolle für Julie - aber nur weil es selten ist, heißt es ja nicht, dass es keine engagierten Lehrer gibt.

Was den Ablauf der Theaterproben angeht, gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es gibt so viele Methoden, um Schauspiel zu üben, und so viele Arten, zu unterrichten, anzuleiten oder genau das nicht zu tun und den kreativen Köpfen ihren Freiraum zur Entfaltung zu lassen, dass man da erstmal nichts falsch oder unrealistisch machen kann. Mr. Wilson kombiniert Proben mit allgemeinen Schauspielübungen, das ergibt in dem Rahmen einer solchen AG auch Sinn, da man so nicht nur stur die eine Rolle lernt, sondern allgemeine Methoden, um sich auszudrücken und in Figuren hineinzuversetzen. Zudem ist er kein professioneller Schauspiellehrer. Er ist Englischlehrer, der das nebenher für seine Schüler macht. Allerdings ist es durch deine Darstellungsform auch schwer zu beurteilen - das, was ich aber beurteilen kann, zum Beispiel die Übung, bei der Schüler spontan Begrifflichkeiten darstellen sollten, war gut und stimmig. Das hätte so auch in einer Theater-AG stattfinden können. Auch, dass die Proben nicht immer mit dem gesamten Cast stattfinden, ist vollkommen korrekt. Der Rest kann schließlich frei üben. Das klappt schon mit jüngeren Kindern.

Einmal habe ich etwas gestutzt, als es Anfang September noch brütend heiß war (34°C im Schatten), aber am Ende des Monats Julie bereits kurz davor war, Schal und Handschuhe auszupacken. Andererseits kann der September auch ein sehr unbeständiger Monat sein, so dass das durchaus hinkommen kann.

Oh, und bei einer Sache zweifelte ich, die aber eher in den Bereich "Dumme Dinge, die Menschen nun einmal tun" fallen: Julie hat einen Hund. Einen Havanesen. So kleine wandelnde Flo(h)katis ohne Augen in verschiedenen Fellfärbungen mit recht robustem, lockigem Fell. Der ist kurz vor Beginn der Geschichte von einem Auto angefahren worden. Wie kann das passieren? Eigentlich nur, wenn ein Hund ohne anzuhalten über eine Straße tapert, ohne, dass der Halter ihn daran hindert oder hindern kann. Ich habe später gelesen, dass Julie ihren Hund immer frei laufen lässt, entsprechend konnte sie ihn nicht hindern. So etwas passiert, keine Frage. Aber wenn man merkt, dass der Hund nicht mehr hört, nicht mehr am Bordstein wartet und es damit zu gefährlich ist, ihn im Straßenverkehr frei laufen zu lassen, gibt es nach dem Schreck eigentlich nur eine richtige und logische Konsequenz: Den Hund an die Leine nehmen und üben, üben, üben, bis es wieder funktioniert. Das ist die einzige faire Lösung für alle Verkehrsbeteiligten. Ein Hund hat, wenn er frei laufen gelassen wird, auf Abruf zu kommen und ein Hund, der sich frei im Straßenverkehr und nicht nur auf Rübenäckern bewegt, hat die Straße zu meiden. Die dürfen nicht einfach loslaufen, die dürfen keinen Jagdtrieb auf Autos haben und sich auch nicht vor Motorrädern oder Fehlzündungen erschrecken. Falls doch: Leine. Nur die wenigsten Hunde beherrschen es, Entfernungen und Leuchtsignale korrekt zu deuten. Blindenhunde sind darin beispielsweise ganz gut, aber auch darin ausgebildet. Für die meisten Hunde aber gilt, dass sie das nicht einschätzen können und dass ihr das als Halter übernehmen müsst. Ihr tragt die Verantwortung dafür, dass euer Hund und ihr sicher von A nach B kommt und dabei keine Dritten zu Schaden kommen. Da steht das Recht eines Hundes auf Freilauf NICHT drüber. Julie dagegen lässt ihn immer noch frei laufen und kommt erst auf die Idee, als er ihr im Park mal wegläuft. Das ist zu spät und lässt sie in meinen Augen nachlässig und kurzsichtig erscheinen. Ob das so geplant ist, mag ich zu bezweifeln.

Noch eine kleine Anmerkung bezüglich der Schilderung des Streits zwischen Julies Eltern und ihr. Mach doch etwas deutlicher, dass Julies Antwort ("manchmal") auf die Frage ihrer Eltern, ob sie schon einmal an Selbstmord gedacht hätte, nicht der Wahrheit entspricht, sondern der Wut gegenüber ihren Eltern und den ständigen Nachfragen entsprungen ist. Ich konnte schlecht einschätzen, ob sie das nur so dahergesagt hat, oder ob sie vorher gelogen hat und letztlich nachgibt und das tatsächlich so ist. Später irgendwann erwähnst du noch einmal, dass sie es sarkastisch/ironisch gemeint hätte, nach dem Motto "Nerv mich noch fünf Mal, dann schon", aber ich fänd es gut, wenn es gleich bei der ersten Schilderung deutlich werden würde. Dadurch, dass sie dazu noch meint, dass jeder ab und an mal glauben würde, die Welt wäre ohne einen selbst ein besserer Ort, macht die Unterscheidung für den Leser übrigens nicht leichter.
Dass ihre Eltern sich trotzdem Sorgen machen und das nicht einfach so abtun, glaub ich gerne. Sicher gibt es auch jene, die das als Phase abstempeln und auf sich beruhen lassen, oder die mit aller Macht glauben wollen, dass es nicht ernst gemeint wäre, aber genauso glaubwürdig find ich die Eltern hier. Ob das so eine gute Idee ist, Julie dann zu einer Schul-AG zu zwingen, weiß ich jetzt nicht, aber sie machen sich zumindest Gedanken.

Ich habe also an deinem Plot sehr, sehr wenig auszusetzen, sondern finde ihn ganz im Gegenteil sehr interessant und bin gespannt, was du daraus machst. Bisher sind ja bloß 13 Kapitel geschrieben und da ist viel Potential drin, interessante Wendungen und Erkentnisse einzubauen.

Du folgst auch einem klaren Plan, verlierst nicht den Faden, sondern kommst immer wieder auf die Ereignisse zurück und spinnst das Netz immer weiter. Ja, doch, das gefällt mir.

Dramaturgie

Im Gegensatz zum Plot, fallen mir hier weniger Dinge. Die Idee deiner Geschichte finde ich toll und ich bin wirklich gespannt, was du draus machen wirst, aber die Darstellung ist vor allem am Anfang sehr anstrengend und unattraktiv.

Du steigst ruhig ein, willst erstmal die beiden wichtigsten Personen - Julie und ihre Freundin Aine, sowie Mrs. Wilson vorstellen und gleichzeitig einen schnellen Start in den Plot "Schulaufführung" geben. Ich glaube, du willst am Anfang einfach zu viel. Für geschätzte 4000 Wörter ist das ein hoher Anspruch, der so leicht nicht zu erfüllen sein wird. Danach beschäftigt man sich sehr lange mit Julies Desinteresse und Abneigung gegenüber dem Gedanken, ohne echte Handlungen verfolgen zu können, ohne Auszeit, ohne Humor, aber auch ohne tiefergehende Gedanken. Es bleibt zu oberflächlich, bis du das erste Mal auf Henry triffst, dann die Kurve bekommst und es besser wird, du die Proben beginnst auszuschreiben, die Auseinandersetzungen mit Wilson und die Zusammentreffen mit Henry sich häufen, die immer neue, interessante Fragen aufwerfen. Ich würde sagen, ab Kapitel sieben wurd es wirklich gut. Davor solltest du leider noch einmal drübergehen und dir überlegen, was du damit aussagen und worauf du den Fokus legen willst. Und diese Dinge, die du uns erzählen willst, die schreibst du bitte bis auf wenige Ausnahmen aus. Und wenn aus sieben Kapiteln zehn werden, ist das nicht schlimm. Aber was stört mich an den vorherigen Kapiteln so sehr?

Das fängt bei der Wahl und dem Fokus deiner Szenen an und wird etwas länger.

Wir haben das erste Kapitel, in der Julie erfährt, welche Rolle ihr in der Schulaufführung zuteil wird. Dabei erfahren wir im Rückblick, wie es dazu kam, dass sie überhaupt erst vorgesprochen hat. Wir erfahren von ihren Eltern, die sie gedrängt haben; von Aine, die ihre beste Freundin ist und nicht mitmachen wollte; von Mr. Wilson, der sie dann letztlich überredet hat. Aber erfahren wir es? Nein, wir bekommen es erzählt und tiefer, als in meiner Zusammenfassung geht es auch nicht. Es ist so viel Kram, den wir einfach so vor den Latz geknallt bekommen - dass es gerade so für ein erstes Kapitel noch in Ordnung ist. Es ist okay, wenn du nicht beim Streitgespräch mit den Eltern einsteigen willst und meinetwegen auch nicht beim Vorsprechen oder dem Einschreiben, wobei sich da so tolle Möglichkeiten ergeben hätten. Beim Vorsprechen hättest du Julies Unlust und ihre Abneigung gegenüber diesem Vorhaben, so wundervoll porträtieren können, statt uns zu sagen, ihre Eltern hielten sie für introvertiert. Du hättest es wunderbar zeigen können, auch wenn du dir so dennoch Mühe gibst, indem Julie am Rand der Gruppe steht, während sie wartet. Aber es ist noch okay.

Kapitel zwei ist aber absolut nicht in Ordnung. Die Theater-AG ist mit eines deiner Hauptthemen und was tust du? Du machst zwischen Kapitel 1 und Kapitel 2 einen Zeitsprung, der NACH der ersten Theaterprobe endet. Wir landen in einem banalen Gespräch zwischen Julie und Aine, in dem die Theaterprobe in wenigen Absätzen schluderig zusammengefasst wird. Macht es uns das leicht, nachzuvollziehen, weshalb Julie sich so sehr dagegen wehrt? Nein. Absolut nicht. Das ist in meinen Augen eine verdammte Schlüsselszene, die man gefälligst ausschreibt und den Leser daran teilhaben lässt und das nicht als Zusammenfassung.

Auch später, wenn sich Ansätze davon erkennen lassen, schreibst du bloß, dass der Kurs "Komische Sprachübungen" macht. Kann ich mir etwas darunter vorstellen? Ja, eine ganze Menge, weil ich solche komischen Sprachübungen aus meiner Chorvergangenheit sehr gut kenne und mir verdammt noch einmal etwas vorstellen will, aber die meisten Leser sind weder Logopäden noch (Amateur-)Sänger oder Schauspieler. Die wissen nicht, wie Sprachübungen komisch sein können. Und es ist verdammt lustig, wenn zehn Leute in einem Raum sind und versuchen, mit einem Korken zwischen den Zähnen einen graden Satz raus zu bringen! Das sind unschätzbare Chancen, die du verpasst! Chancen für Humor, für Leichtigkeit; Chancen für Julie, mal einen Satz lang unbewusst zu vergessen, herumzujammern.

Denn das tut sie vorwiegend, was zum Charakter passt und vollkommen in Ordnung ist, aber du brauchst für den Leser zwischendrin Luft. Es ist in Ordnung, wenn Julie lustige, schöne, spaßige Momente in dem Moment nicht so würdigen kann, wie man es sonst tun würde, und wenn es nur aus pubertierendem Trotz ist, aber wenn du diese Situationen ausschreibst und ihnen Raum gibst, kann der Leser es genießen und er kann verschnaufen und ihr Gejammer verdauen, um es zu ertragen. So etwas ist un-glaub-lich wichtig bei so einer Figur. Glaub es mir, ich weiß, wovon ich spreche. Ansonsten geht sie einem irgendwann nur noch auf den Wecker, egal, wie viel Verständnis man hat. Humor beschränkt sich bitte, bitte nicht auf pseudo-ironische Kommentare deines Ich-Erzählers. Nein! Humor entsteht auch aus Situationen heraus, ohne, dass jemand es kommentiert. Humor kann auch zu Lasten deiner Figur gehen und es ist okay. An solchen Dingen fehlt es dir wegen der vielen verknappten Szenen, die du als Zusammenfassung eindampfst, leider oft.

An anderer Stelle gelingt es dir ja! Die Szenen mit Henry sind wunderbar. Sie sind unmittelbar, sie sind detailiert, sie enthalten Dialoge, Rückbezüge auf Vergangenes nur im absolut notwendigem Maße. So schreibt man tolle Szenen! Du kannst das. Auch die Szene mit Ivory im Chocoletta ist dir gut gelungen oder die Theaterprobe, in der Julie eine gestorbene Gießkanne darstellen soll, auch wenn die Beschreibung der Haltung sehr creepy war. (Ein Z kann man mit EINEM Arm eigentlich nur dann bilden, wenn da mehr Stufen drin sind als sollten.) Aber davon abgesehen: So funktioniert lebendiges Schreiben. Am Anfang ist die Masse an Ich-Erzähler-Kommentaren und Ich-Erzähler-Erinnerungeszusammenfassungen einfach zu groß, wenn man es mit der Handlung vergleicht. So etwas muss man wenn dann verknüpfen und dann Maß halten.

Verknüpfen ist übrigens ein gutes Stichwort. Auf der einen Seite sollte man sparsam damit sein, Informationen wild über den Erzähler auf den Leser zu werfen, was sich bei dir noch jenseits der Rückblenden in Grenzen hält, aber auf der anderen Seite darf man auch nicht am falschen Ende sparen. Wenn ich einen Dialog lese und erst nach gefühlten drei Absätzen bemerke, dass die beiden Gesprächspartner sich auf dem Schulhof gar nicht gegenüberstehen, sondern miteinander telefonieren und nur eine der beiden physisch am Ort des Geschehens anwesend ist, komme ich mir veralbert vor. Genauso wie, wenn ich zwar den Rassenamen des Hundes an den Kopf geworfen bekomme, aber eine Beschreibung des Aussehens erst zwei Kapitel später. Das sind Informationen, die ich brauche, um mir das Geschehen vorstellen zu können. Die sind, im Gegensatz zu Einwürfen des Erzählers, wie sehr sie ihren Hund doch liebt, unabdinglich. Vielleicht hilft es dir, wenn du dir Stichpunkte machst, wie die Szene beginnt, wie es aussieht. Vielleicht machst du eine kleine Skizze und arbeitest anhand dessen heraus, was man braucht, um das Geschehen zu verstehen. Alles darüber hinaus ist nicht schlecht, aber eben optional. Die Basics braucht man, um entspannt folgen zu können. Für den Überraschungseffekt kann man manchmal bewusst Informationen verschweigen, aber A) dafür eignet sich der Ich-Erzähler nicht und B) macht das nur bei Schlüsselszenen mit Cliffhanger- oder Überraschungspotential irgendeinen Sinn. Auch das ist etwas, das man nicht überstrapazieren sollte.

Genauso sparsam sollte man mit abgehackten Sätzen sein. Da weiß ich, wovon ich spreche. Ich bin da selbst ein großer Fan von, aber das macht sie nicht besser, wenn man das Gefühl hat, 60% des Textes bestehen aus Satz-Ratatouille wie diesem: "Es ist seltsam mit den beiden zu [e]ssen. Oder generell irgendetwas mit ihnen zu machen."
Noch extremer war es hier: "Da steht er wieder. Montag, dritte Stunde und lächelt freundlich. Als würden wir uns irgendwie kennen. Aber das tun wir nicht."
VIER Satzfragmente, für etwas, das man in einen Satz hätte packen können. Ja, man kann das machen, um zu verdeutlichen, wie langsam und fassungslos der Groschen erfasst wird, aber bitte nicht in dieser Masse. Schraub es etwas zurück, versuche Sätze, die mit Doch, Aber, Und oder Denn beginnen, umzuformulieren und es nur dort zu belassen, wo es wirklich, wirklich notwendig und gewollt ist. Gewöhn dir das nicht als Standardstil an. Glaub mir, es ist die Hölle, sich das abzugewöhnen. Wenn ich alte Kapitel von mir überarbeite, kostet mich allein das bis zu einer Stunde - pro Kapitel. Das willst du nicht.

Ebenso sollte man nur dann die Wörter Wirken oder Scheinen verwenden, wenn sie angebracht sind. Du aber setzt sie auch gerne für Dinge ein, die unumstößliche Fakten sind oder zumindest aus Julies Sicht so sind, statt nur zu scheinen. "Doch wenn Noah bei ihr ist, wirkt sie wie ausgewechselt." Nein, wenn Noah bei ihr ist, IST Aine für Julie wie ausgewechselt. Sie erlebt sie ja vollkommen anders und vermutet das nicht bloß. Es ist eine Feststellung. Entsprechend konkret solltest du das auch benennen, das Geschehen nicht zu einer Möglichkeit zu degradieren.

Allgemein bist du ein Freund von negierten, verwaschenen Formulierungen, die deinen Ich-Erzähler sehr unbeständig rüberkommen lassen. "mag es nicht wirklich", "finden es nicht so toll", "nicht zufrieden", "mag sie nicht wirklich" und viele mehr. Triff doch mal zur Abwechslung konkrete Aussagen. Anfangs gelingt dir das besser als in den mittigen Kapiteln. Wie bei allem: Begrenze es auf die Fälle, in denen eine solche Fomulierung unumgänglich oder gewollt ist, dann wirkt das alles viel besser, weil der Leser sich nicht dran gewöhnt hat. Ständig mit pseudosarkastischem "Naja, find ich jetzt nicht so toll" beschmissen zu werden, macht müde.

Bleibt noch die Umsetzung der Perspektive. Bis zur Mitte etwa dachte ich, der Ich-Erzähler ist für dich falsch. Und das sage ich nicht, weil ich dem Ich-Erzähler generell skeptisch gegenüberstehe, weil er viel zu oft falsch umgesetzt wird. Der Ich-Erzähler ist unmittelbar, vor allem deine Variante im Präsens. Wir erleben das Geschehen der Person aus der Ego-Perspektive. Näher geht nicht. Dazu passen deine Rückblenden nicht. Dazu passt nicht, dass du dem Leser Gedanken der Figur vorenthältst. Dazu passt dein erzählender Stil nicht. Das erzeugt eine Distanz, die sich schlichtweg mit dem ICH beißt, was man ständig zu lesen bekommt.
Hier mal ein Beispiel: "Da Aine gegenüber von mir sitzt, tritt sie mir ans Schienenbein. Darauf erntet sie ein wütendes Funkeln [...]"
Aines' Tritt ist keine logische Konsequenz daraus, dass sie ihr gegenübersitzt. Julie kann das nicht wissen, bevor sie getreten wird.
So sähe es aus, wenn man aus Julies Sicht schreiben würde: "'Aua!', schreie ich empört auf, als mich etwas hart am Schienbein trifft. Wütend mustere ich die beiden Verdächtigen vor mir und begegne Aines Blick, deren Augen mindestens genauso zornig funkeln und jede Reue vermissen lassen."
Komplett gleiche Szene, gleiche Zeit, gleiche Perspektive, zwei verschiedene Formulierungen - und trotzdem ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wie bereits gesagt, gelingt dir das in den Szenen mit Henry, generell den späteren Kapiteln, ausnehmend gut, aber gerade die ersten paar Kapitel und alles Gestauchte krankt daran total. Natürlich kann man nebensächliche Dinge im Nebensatz abhandeln, ohne sie perfekt auszuleuchten, aber doch nicht die Haupthandlung einer Szene.

Im schlimmsten Fall führt das alles in Summe wie beim nächsten Beispiel zu Verwirrung. Ich habe den folgenden Satz, den Julie laut sagt, gelesen, und mich gefragt, 'Warum?'. Julie steht in einem Park, beschreibt ein paar Leute, die um sie herum sind, die aber vollkommen normal wirken. Von ihren Gedanken und Plänen erfahren wir nichts. Stattdessen sagt sie: "Nun denn, so wie es aussieht, kann ich ab heute wohl Dinge sehen, die sonst keiner sieht. Was eine Freude!" Meint sie es sarkastisch? Versucht sie sich in ihre Rolle einzufinden? Soll es komisch sein? Meint sie das ernst? Ich weiß es nicht. Es folgt auch kein Nachsatz a la "Auch es laut auszusprechen, brachte mich Mrs. Ralven nicht näher. Ich fühlte mich bloß unglaublich bescheuert dabei.". Das hätte es erklärt. Stattdessen frage ich mich, ob es nicht normal ist, Jogger und spielende Kinder zu sehen. Falls ja, hab ich ein Problem o.O

Bleibt nur noch ein Punkt, den ich zu kritisieren habe: Die Autorenanmerkungen am Ende der hinteren Kapitel. Ich war sooo froh, dass die ersten Kapitel frei von diesem Dreck waren, aber dann kamen sie und sie beinhalteten Fragen und ausschweifende Begrüßungen und irgendwelche Updates zum Update-Rhythmus, Entschuldigen für Ahnungslosigkeit, Selbstzweifel, die mich so absolut überhaupt NICHT interessieren, wenn ich ein Buch lese. Die Fragen kann ich noch verstehen, die hat jeder Schreiber und jeder hofft auf eine qualifizierte Antwort, die sich mit dem deckt, was man sich vorgestellt hat, aber der Rest ist ... Bullshit. Sorry.
Im letzten Kapitel: Okay. Aber wenn man ein neues hochläd, muss die Anmerkung aus dem vorletzten raus. Vor allem, wenn es sich um temporäre Infos handelt. Warum nutzt ihr für sowas nicht eure Pinnwand? Oder ein Extrakapitel am Ende? Oder ein eigenes Buch für privaten Kram? Da krieg ich echt die Grieselkrätze - was aber eine persönliche Abneigung ist. Da bin ich echt wie der Teufel, der dem Weihwasser irgendwas Gutes abgewinnen soll.

Das Buch ist in der Hinsicht also recht durchwachsen. Es gibt Stellen, da schreibst du nah am Charakter und verpackst es gut, an anderen versaust du es leider durch zu viel Distanz, zu viel Erzählen statt Zeigen, zu viele Erzähler-Kommentare. Würdest du durchgängig dieselbe Hingabe für die Szenen an den Tag legen und Dinge, die du gar nicht beschreiben willst, stattdessen streichen, wäre es für deine Geschichte ein deutlicher Gewinn.

Was die Spannungskurve angeht, verläuft diese großteils über deine Handlung, weniger über die Darstellung. Auch hier sind die Szenen mit Henry positiv ausgenommen, denn beispielsweise den Beinaheunfall beschreibst du ziemlich gut, dass man auch mitfiebert und die Reaktion der Leute lässt du unkommentiert stehen, um später darauf zurückzukommen und daraus offene Fragen und Neugier zu generieren, aber in den ersten Kapiteln - die, in denen der Leser entscheidet, ob er dranbleibt, verschenkst du eben einiges. Natürlich will man irgendwie auch wissen, ob Julia sich nun mit ihrer Mrs. Ralven arrangiert und doch noch zu ihrem Kindheitstraum zurückfindet, aber durch die mangelnde Atmosphäre der Erzählepisoden bleibt es ein eher untergeordnetes Verlangen. Nicht nur das Ziel muss ansprechend sein. Bei einem Buch sollte auch der Weg dahin nicht wehtun.

Metaebene

So, weit, dass ich bis zu einer echten Botschaft gelangt wäre, ist das Buch noch nicht fortgeschritten, aber es zeigt schon einmal sehr eindrücklich "Von nichts, kommt nichts". Julie strengt sich wegen mangelnder Motivation nicht für die Theatergruppe an, übt nicht und so wird auch mit noch so viel spontanem guten Willen nicht plötzlich ein Ausnahmetalent aus ihr. Klar erfährt sie Unterstützung und bekommt dennoch eine Rolle, aber ohne die Einmischung ihrer Eltern wäre das nichts geworden. Das ist etwas, das viele Autoren nicht übers Herz bringen. Ihre Figuren wenns hart auf hart kommt einfach mal vor versammelter Mannschaft trotz frisch erwachtem Willen scheitern lassen, da zieren sich viele und wecken dann lieber ominöse, schlummernde Talente, um das Ruder doch noch rumzureißen. Ich finde es so schöner, da Julie ja dennoch die Chance hat, sich zu verbessern. Durch Übung. Und das ist an der Realität viel näher dran, zudem ist das Erfolgserlebnis auch für den Leser dann viel größer, wenn sie es dann letztlich schaffen sollte. Sofern ihre Demotivation nicht vorher abfärbt ...

Was Emotionen angeht, hatte ich gerade im ersten Teil meine Probleme, weil es in meinen Augen zu oberflächlich geschrieben war. Da geht viel unter, was sehr schade ist. In den späteren Kapiteln, mit Ivory oder Henry, funktioniert es viel besser und du schreibst näher und erlebender, was sich auch darauf auswirkt, wie sehr ich mitgefiebert und wie gut ich Julie verstanden habe. Das letzte Kapitel lässt sich mit dem ersten kaum vergleichen, so groß ist der Unterschied hinsichtlich Emotionalität und Nähe zum Charakter. Die Notizen, die ich zu den ersten Kapiteln hatte zu viele Zusammenfassungen. Zu wenig Dialog und die Dialoge schlagen Haken, sind abgehackt und unrund) lassen sich darauf kaum anwenden, so sehr sie auf den Start auch zutreffen.

Wenn du die ersten Kapitel deinen neueren Kapiteln anpasstes, wär das, glaube ich, ein ziemlicher Gewinn für dein Buch.

Genre

Passt. Eines der zentralen Elemente ist der Geist eines kleinen Jungen, der durch die Stadt wandelt, in der Julie wohnt, den nur sie alleine sehen kann. Da gibt es nicht viel zu diskutieren. Geister sind wohl der Inbegriff des Übernatürlichen.

W O R L D B U I L D I N G

Welt

Deine Geschichte lebt nicht von der Welt, die du kreierst, von daher sind die Patzer, die dir hier passiert sind zwar ärgerlich, aber nicht unglaublich dramatisch.

Im ersten Kapitel ist es störend, dass es zwar "Seniors" und "Mister"s gibt, aber Julia meint, sie klänge, als würde sie den "Duden" vorlesen. Das hat mich verwirrt, weil der Duden ein Standardwerk der deutschen Sprache ist. Falls sie als zweite Fremdsprache nicht Deutsch hat, bitte ändern. Das verwirrt.

Ansonsten gehst du nicht viel auf die Gegend ein. Julia geht auf eine High School, es gibt AGs, was dort sehr üblich ist, besucht Unterricht als Kurssystem, was ebenfalls üblich und typisch ist, und wohnt bei ihnen Eltern, was in Amerika auch üblich ist, wie auch hier.

Dass Aine allerdings Handball spielt, was eine dort nicht allzu verbreitete Sportart ist, ist schon ungewöhnlich - aber nicht unmöglich.

Man kann sich kein Bild von Julies Zimmer oder dem Haus ihrer Eltern machen, was für die Geschichte aber auch nicht von gehobener Wichtigkeit ist. Wie genau die Schule aussieht, könnte ich auch nicht beschreiben. Der Corony Park ist wohl ein typischer Park mit Grün - dafür hast du das Chocoletta gut beschrieben, in dem Ivory und Julie sich treffen, was eine detailiertere Szene ist und da sehr gut reinpasst. Was aber die Eisdiele jetzt so toll macht, konnte ich dagegen nicht begreifen. Gerade wenn du behauptest, wie toll oder typisch etwas aussieht, solltest du ein paar Worte mehr daran verschwenden, damit der Leser eine Basis hat, auf der er dir zustimmen kann.

Mal von diesem einen Patzer oben abgesehen, kommt eigentlich sehr gut raus, dass es sich um eine amerikanische Kleinstadt handelt, auch wenn die Anonymität dafür ziemlich hoch ist. In so einem richtigen Dorf würde es auffallen, wenn Julie plötzlich einem Jungen über den Weg laufen würde, den sie noch nie gesehen hat. Bei einer Kleinstadt kommt es auf die Mentalität der Stadt an. Deine wirkt anonym und doch sehr groß. Julie benennt nur den Eisverkäufer namentlich, sonst trifft sie nie jemanden, den sie kennt. Wenn ihr das zwischendrin mal passieren würde, würde das deine Stadt kleiner und dörflicher wirken lassen - je nachdem, ob du das willst.

Sonst habe ich nicht viel auszusetzen. Man erlebt wenig von der Welt, das stört bei der Art der Geschichte aber nicht, da man sich trotzdem weitesgehend zurechtfindet.

Figuren

Das wird jetzt wieder ein etwas holperiger Abschnitt. Ehrlich gesagt, wurd ich mit den meisten Personen nicht wirklich warm.

Ich habe allein sehr lange gebraucht, bis ich Julie einigermaßen angenommen hatte, weil sie von der ersten Seite an wie ein bockiger, demotivierter Teenager rüberkam. Sie will gar nicht zur Theater-AG und sie will nicht vorsprechen, sie will keine Rolle, sie will nach Hause und ... Was tun? Was ist ihr wichtiger als das Theater? Will sie Bücher lesen? Will sie etwas mit Aine unternehmen? Will sie einfach nur bei ihrem Hund sein? Macht sie sich Sorgen oder Vorwürfe und ist deshalb mit den Gedanken woanders? Wie hat Wilson sie überredet? Was hat sie überzeugt? Ich verstehe ihre Motive zu Beginn nicht und sie jammert mir in einer Tour die Ohren voll. Das ist nicht sympatisch.

Jetzt muss ich gestehen, dass ich auch Charaktere habe, die genau so eine Art und Weise an den Tag legen, aber die haben ein Ziel - und wenn dieses Ziel ihr Sofa ist! Bockige Teenager dagegen sind "Ne, kein Bock" - "Worauf hast du denn Lust?" - "Weiß ich nicht." Bockige Dreijährige sind übrigens genauso! Das ... das ist anstrengend. Und davon solltest du wegkommen, auch wenn dein Charakter siebzehn ist. Gib ihr einen Grund und mach den dem Leser schnell klar. Caspers Autounfall kann nicht der einzige Grund sein, weshalb sie so down ist - es sei denn, sie fühlt sich verantwortlich und plagt sich mit Schuldgefühlen, dann wird da schon eher ein Schuh draus. Wie ist ihr Leben sonst? War sie schon immer so introvertiert? Oder erst seit sie keinen Traum mehr hat? Verunsichert sie womöglich, das baldige Ende ihrer Schullaufbahn und dass sie keine Ahnung hat, was dann mal werden soll? Ist sie mit der anstehenden Kurswahl überfordert? Wachsen ihr die immer schlechter werdenden Leistungen über den Kopf und rauben ihr die Motivation? Und nervt es sie, dass ihre Eltern das einfach nicht verstehen wollen und ihr stumpf sagen "Tja, lernen soll helfen" und dass sie nicht sehen, dass Julie anfangs alles getan hat, aber es nichts gebracht hat, weil die Themen ihr nicht lagen/die Lehrer scheiße waren/sie sich nicht getraut hat, sich mündlich zu beteiligen und deshalb abgestraft wurde? Such dir was aus! Denk dir was aus! Schule und das Drumherum bietet eine Menge Stoff für Frust und Entfremdung von den Eltern. Fang es ein und zeig so, dass man es nachvollziehen kann. Allein das würde schon viel bringen. Einen Protagonisten, vor allem einen Ich-Erzähler, muss man verstehen können. Nicht unbedingt ab der ersten Seite, aber spätestens am Ende des ersten Kapitels.

Sonst finde ich ihre Figur interessant und etwa ab dem siebten Kapitel wurde es auch immer besser mit ihr. Die Detaildichte deiner Erzählung wurde höher, ihre Gedanken waren besser mit der Handlung verknüpft, so dass man daraus auf ihr Wesen schließen konnte und, ganz wichtig, sie hatte etwas, das sie wirklich beschäftigt hat, nämlich die Frage, wer Henry ist und wie sie sich mit Mrs. Ralven arrangiert. Sie hatte endlich eine Motiviation! Nur Kapitel 7 ist dafür etwas spät ... Vor allem musst du mehr zeigen. Sie ist introvertiert? Dann lass sie auch so reagieren, wenn sie fremde Menschen anspricht. Introvertierte Menschen sind selten sonderlich schlagfertig oder offen zurückweisend. Eher überfordert und hilflos, bemüht nicht negativ aufzufallen und sich schnell zurückzuziehen. Manche ignorieren fremde Gesprächspartner einfach und gehen weg, in der Hoffnung, es würde sich erledigen. Julie kommt aber eher abweisend und zickig rüber als schüchtern. Also doch eher "unsozial", um Ivory zu zitieren, als introvertiert.

Machen wir weiter mit ... Cas. Ja, richtig gehört, mit dem Hund, Casper, der Havanese. Er ist unwichtig. Klingt jetzt hart, aber in der jetzigen Form ist er ein Lückenbüßer, was sich extrem mit Julies Beschreibung von ihm beißt. Demnach ist er ihr Engel, ihr "Kleiner", ihr Ein und Alles.
So, was für Szenen haben wir mit ihm? Einmal kuscheln die zwei auf dem Bett, okay. Dann ist Casper als Anhängsel dabei, als Julie mit Aine zur Eisdiele geht. Und dann kommt die beste Szene, wie ich finde, in der Julie Casper anschnauzt, weil der Hund es wagt, seine Pipirunde winselnd einzufordern. Genau, das ist die Liebe zu einem Haustier!
Natürlich heißt Liebe nicht, dass man immer und ständig von diesem Wesen begeistert sein muss, das ist klar. Manchmal passt es einem nicht. Aber der Hund kommt kaum vor und bei diesen wenigen Szenen ist so ein Klopper dabei? Macht keinen vertraulichen Eindruck. Auch als Julie, Aine und Casper unterwegs sind, ist Casper eben "dabei" oder eine Art bellendes Kuscheltier. Wenn mir gesagt wird, dass das Tier der Figur wichtig ist, will ich, dass sie sich mit ihr beschäftigt. Also, wenn der Tier ein Hund ist, der beschäftigt werden will. Und wenn es Bällchen werfen ist! Oder auch eine normale, entspannte Gassirunde, in der Julie ihren Gedanken nachhängen kann. Mach ihm zu etwas, das Julie wirklich wichtig ist und für das sie auch Verantwortung trägt. Nicht nur einen süßen Wuschel, den man gelegentlich streicheln kann. Dann kannst du ihr auch eine Katze an die Seite setzen. Aber ich find den Namen lustig, weil ich da immer an Casper, das Gespenst, denken muss und Henry ist ja ein Geist und als die beiden spielten, war das schon sehr lustig.

Aine ist Julies beste Freundin. Blöde Frage, aber: Wieso? Ich kann es mir nicht erklären. Ich habe keinen Hintergrund zu den beiden. Bis auf die Eisdiele erkenne ich bei ihnen auch keine Gemeinsamkeit. Sie sind zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die sich aus mir unerfindlichen Gründen mögen und Zeit miteinander verbringen. Wobei, sie gehen einmal zusammen Eis essen, mehr Zeit verbringen sie auch nicht zusammen. Worüber reden die beiden sonst, wenn sie telefonieren? Was sind ihre Themen, wenn sie in der Pause zusammen sind? Dazu muss man aber sagen, dass du ansonsten die Beziehung gut zeigst. Julie fragt Aine um Rat, zieht sie als Vertrauensperson bei Problemen in Betracht, das ist schon ganz gut. Trotzdem täte etwas Hintergrund dem Ganzen gut, weil wie sie ihre Zeit verbringen, wenn Julie mal keine Probleme hat oder Aine sie aufbauen muss ... das ist noch sehr fraglich.

Bei Aine und Noah dagegen funktioniert es wieder sehr gut, weil Julie den Gegensatz selbst zur Sprache bringt und auch nicht begreifen kann, was die beiden aneinander finden. Da hat sie den Leser auf ihrer Seite und greift meine Zweifel auf, was super funktioniert. Ein wunderbarer Kniff, damit es gewollt und nicht verbockt aussieht.

Die ganzen Figuren, die Julie dagegen neu kennenlernt, baust du gut aus. Sowohl Owen als auch Jeremy und Mr. Wilson gelingen dir sehr gut, eben weil du ihnen keinen Stempel aufdrückst, dem du am Ende nicht gerecht wirst, sondern die Sache sind entwickeln lässt. Das ist in der Tat einfacher und scheint auch dir deutlich mehr zu liegen.

Die Beziehungen zu von dir zu Beginn etablierten Charakteren aber solltest du noch einmal überarbeiten. Auch zu den Eltern, weshalb sie unbedingt den Schauspielkurs präferieren und hinsichtlich des Einflusses, den die beiden auf Julie ausüben, wäre es auch nicht verkehrt, die beiden mal "live" vorzustellen.

Die Szene beim gemeinsamen Essen beispielsweise, in der Julie am Ende unverrichteter Dinge abhaut, könnte man deutlich mehr ausbauen, um auch den Standpunkt der beiden Erwachsenen dem Leser zu zeigen. Zu zeigen, nicht zu erzählen! Es würde Antworten auf die Fragen geben, weshalb Julie sich ihnen überhaupt fügt. Ob nun aus Angst, weil ihr Vater oder ihre Mutter sehr aufbrausend sein können, oder aus dem kindlichen Verlangen heraus, ihnen zu gefallen und sie zu beruhigen. Schreib nicht nur, dass sie vorsichtig fragen und sorgenvoll schauen, sondern zeige, wie viel Mühe sie sich mit ihrer Tochter geben, falls letzteres der Fall ist. Dass mitten in der Woche extra ihr Lieblingsgericht gekocht wird. Dass ein gemeinsamer Filmabend angeregt wird, wie sie ihn als Kind geliebt hat. Dass ihre Mutter ihr vom Einkauf ihr Lieblingsbadeschampoo mitgebracht hat - was weiß denn ich, was Julie toll fände oder als Kind toll fand, da wird dir schon was einfallen. Und dann kannst du noch einen draufsetzen und sagten, dass sie das alles gar nicht will, dass sie kein kleines Kind mehr ist und ihre Eltern das endlich begreifen und sie in Ruhe lassen sollen. Dann kann sich der Leser auch mal was darunter vorstellen. So ist es ein grober, unzufriedener Nebel.

Figuren, die so viel Aufmerksamkeit von dir erfahren sollten, wären: Julies Eltern, Casper (falls er so wichtig sein soll, wie Julie behauptet) und Aine. Die übrigen Figuren sind Top.

S C H R E I B S T I L

Ausdruck

Auch hier muss man sagen, dass es nach hinten hin deutlich besser wird. Anfangs aber stolpert man über so einige Ungereimtheiten, die es einem schwer machen, in das Buch reinzukommen. Eigentlich sind es nur fünf Punkte, aber die haben es in sich.

Ich fang ganz untypisch mal nicht mit Wiederholungen an, sondern mit Platzhaltern. Das typische "Leicht" ("leicht mit dem Kopf schüttelnd", "leicht genervt", "zittert leicht") zieht sich bei dir bis zum Ende durch, aber gerade in den ersten Kapiteln haben wir auch eine geballte Macht an Wieder, Immerhin, Schon, Einfach, Nur, Wirkt, Schien, Vielleicht - die in fast jedem Satz des ersten Kapitels vorkommen. Vorweg als Trost: Meine persönliche schwarze Liste der Füllwörter, nach denen ich meine Kapitel durchsuche, ist länger.

Hier mal ein Auszug: "Ohne auch nur ein Wörtchen zu sagen. Dabei müssten die Besetzungslisten schon längst feststehen. Die Vorsprechen für das neue Stück waren immerhin schon letzte Woche. Alle im Raum sind gerade irgendwie beschäftigt. Ein paar der Mädchen aus der Zehnten unterhalten sich über die grauenhaften Klamotten ihrer Chemielehrerin. Damit sind sie immerhin kommunikativer, als die beiden Jungs aus ihrer Stufe, die sich hin und wieder gegenseitig beim Zocken zusehen. Und sie sind gesprächiger als ich. Im Gegensatz zu allen anderen, die Kaffee trinken und miteinander reden, stehe ich einfach zwischen den Bänken des Musikzimmers. Allein ohne mit jemandem reden zu können."

Und jetzt mal ohne Dreingaben: "Ohne ein Wörtchen zu sagen. Dabei müsste[] die Besetzungsliste[] längst feststehen. [Das Vorsprechen] für das neue Stück war [] letzte Woche. Alle im Raum sind gerade [] beschäftigt. Ein paar der Mädchen aus der Zehnten unterhalten sich über die grauenhaften Klamotten ihrer Chemielehrerin. Damit sind sie [] kommunikativer[] als die beiden Jungs aus ihrer Stufe, die sich gegenseitig beim Zocken zusehen. Und sie sind gesprächiger als ich. Im Gegensatz zu allen anderen, die Kaffee trinken und miteinander reden, stehe ich [] zwischen den Bänken des Musikzimmers. Allein[,] ohne mit jemandem reden zu können."

So zieht sich das durch den Text durch. Diese Wörter sind nicht verboten. Man darf sie durchaus benutzen. Aber wie alles eben nur in Maßen und bitte nicht ständig. Nutze sie für die Stellen, an denen die kleinen Nuancen wichtig sind. Wenn man ihnen ständig begegnet, verliert man das Gespür für sie. Ich beispielsweise habe die Angewohnheit, meine Texte mit negierten Formulierungen zuzukleistern und Hauptsätze zu unnötig langen Konstrukten zu verketten. Wenn ich in Rohtexten nach Und oder Nicht suche, könnte ich regelmäßig anfangen zu heulen. Mein Höchstwert lag bei 34 Nichts ... auf ca. 800 Wörtern. Weder fällt es dann auf, wenn ich eine Passage besonders negativ formulieren will, falls ich die düsteren Gedankengänge meiner Figur untermalen will, noch ist es mir so möglich, besonders lange, schnelllebige Sätze zu bauen, welche die Hektik der Situation abbilden, weil es nicht auffallen würde. In Sachtexten ist das glücklicherweise wurscht, aber aus Geschichtstexten müssen solche ungewollten Angewohnheiten raus, um die bewussten Kniffe nicht zu verschleiern. (In diesem Text sind es über 200 Nichts. Wie gut, dass es kein Kapitel ist.)

Aber weiter zu den Wiederholungen, die du auch drinhast. "[...] wenn man einfach nur vorne steht und den Text abliest, als müsste man den Duden vorlesen." ist so ein Beispiel. Man stolpert unweigerlich drüber, wenn man es zum ersten Mal liest, aber übersieht es sehr leicht, wenn man der Urheber des Textes ist. Sowas unbedingt vermeiden.

Auch für das Wort Motivation solltest du dir Synonyme zulegen. Und für "Textbuch". Es ist ja vollkommen richtig, obwohl der Begriff eher aus der Musikszene kommt, aber ich stutze da jedes Mal und frage mich "Ja, was denn sonst? Ein Bilderbuch?". Als Alternative gäbe es da schlicht "Text(e)", "Textblätter" oder "Skript". Oder Drehbuch, das verwendest du ja manchmal auch. Einfach etwas mehr Vielfalt.

Ebenso könnten deine Satzanfänge gelegentlich etwas Abwechslung vertragen. Sowas liest sich auch nicht so schön: "Als auch die fünf Seniors verschwunden sind, stehe ich alleine da und beobachte, wie mein Lehrer Blätter sortiert. Als er bemerkt [...]" Ich weiß, es passiert schnell, aber versuch da zukünftig mal drauf zu achten.

Verwendung falscher Wörter ist auch ein Punkt. Kommt selten vor, aber trotzdem stolpert man darüber, wenn es statt Exemplar plötzlich Exempel heißt. Ich nehme an, da war die Autokorrektur am Werk, aber ein Exempel will man auf keinen Fall sein. Wenn man ein Exempel statuiert, dann schafft man durch besonders drastisches Vorgehen in einem Einzelfall ein abschreckendes Beispiel für den Rest. Ich mein, am Ende kommts schon irgendwie hin, aber man kann kein Exempel sein, da es ein Geschehen ist.

Bleiben noch deine Absätze. Du machst Sinnabschnitte, was sehr gut ist. Wenn man thematische Sprünge hat, bietet es sich an, das durch einen Absatz zu kennzeichnen. Wenn du jetzt noch Absätze dort setzen würdest, wo die handelnde Person wechselt, würde es noch besser werden. (Ich hab heute echt gute Laune. Gut-noch-besser-Feedback! Da merkt man, dass ich Sylvester mit angehenden Lehrern gefeiert habe ... Schlimm!) Und weil alles mit Beispielen viel griffiger wird, mach ich das auch wieder: "'Und du glaubst wirklich, dass du in der Schule damit lernen wirst?' Noah greift gelangweilt in die Keksschachtel und knabbert an seinem gefühlt hundertsten Keks herum. Seine schwarzen Haare fallen ihm dabei so ins Gesicht, dass man seine Augen kaum erkennen kann und sein Desinteresse an meinem neuen 'Hobby' ist ihm förmlich auf die Stirn geschrieben. Aine verdreht die Augen während sie ihren Freund vom Tisch hochzieht.
'Lass dich wenigstens mittags nicht so hängen. Sonst wurzelst du noch auf der Tischplatte fest.'
"

So, die wörtliche Rede gehört zu Noah, so dass das, was er währenddessen tut, ohne Weiteres zusammen in einem Absatz stehen darf. Auch die Beschreibung seines Äußeren passt da rein. Dann aber kommt der Fehler. Plötzlich handelt Aine in Noahs Absatz und du lässt dich, wie viele, dazu hinreißen, den Absatz erst zu machen, sobald die wörtliche Rede kommt.
Übersichtlicher wäre es wie folgt: "'Und du glaubst wirklich, dass du in der Schule damit lernen wirst?' Noah greift gelangweilt in die Keksschachtel und knabbert an seinem gefühlt hundertsten Keks herum. Seine schwarzen Haare fallen ihm dabei so ins Gesicht, dass man seine Augen kaum erkennen kann und sein Desinteresse an meinem neuen 'Hobby' ist ihm förmlich auf die Stirn geschrieben.
Aine verdreht die Augen während sie ihren Freund vom Tisch hochzieht. 'Lass dich wenigstens mittags nicht so hängen. Sonst wurzelst du noch auf der Tischplatte fest.'
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Noahs Absatz, Aines Absatz. Klar soweit? Bei mir ist es übrigens andersherum. Ich bin zu sparsam mit Sinnabschnitten, dafür bei Fokuswechseln sehr akribisch. Ist auch nicht gut.

Das war es aber auch schon. Davon abgesehen ließen sich deine Kapitel eigentlich sehr gut lesen und wie bereits beteuert, hat mir die Idee sehr gut gefallen. Gerade nach den letzten Kapiteln, bin ich neugierig, was da noch kommt.

Orthografie

Last and nearly least ... Die liebe Rechtschreibung. Wobei das, was viele als typische Rechtschreibfehler sehen, bei dir nicht vorkommt. Aus mangelnder Sorgfalt falschgeschriebene Wörter habe ich bei dir nicht gefunden. Wenn, dann waren sie wie das Exempel so anders geschrieben, dass klar war, dass du dir sehr sicher warst, dass es so richtig wäre. Einmal hab ich "Dewegen" statt "Deswegen" gefunden, was tippfehlertechnisch eine megamäßige Quote bei deiner Kapitellänge ist.

Aber du hast andere Baustellen. Neben der Frage, welche Wörter man zusammenschreibt, wäre da noch die Groß- und Kleinschreibung, die dir Probleme bereitet. Dazu kommt die Zeichensetzung bei wörtlicher Rede und Nebensätzen. So viel in der Zusammenfassung.

Beginnen wir mit dem Trennen und Zusammensetzen von Worten. Es gibt Regeln dazu, die man versuchen kann, zu lernen. Zu finden auf Duden.de, Sprachwissenschaften, Rechtschreibregeln D47 bis D66. Es ist nicht so einfach ... Ich arbeite da auch noch dran, das durchgängig richtigzumachen. Eine Hilfe kann es schon sein, das fragliche Wort laut mal mit und mal ohne deutliche Trennung vorzulesen. Oftmals hört man tatsächlich, ob Mister Wilson nun "zurück kommt" oder "zurückkommt". Jetzt bin ich allerdings durch Schreiben nach Gehör ohne Regeln alphabetisiert worden und habe gelernt, mir sehr Vieles beim Hören schönzureden, was mir meine gesamte Schulzeit zum Verhängnis wurde, und mache inzwischen bei Unsicherheit einfach Folgendes: Ich suche die Grundform des zusammengeschriebenen Wortes auf Duden.de und wenn ich fündig werde, weiß ich, dass es zusammengeschrieben werden kann. Wenn die Bedeutung der zusammengeschrieben Form übereinstimmt, nehme ich es so. Im Falle von "zurückkkommt" wäre das "zurückkommen", das man suchen kann und unter dem man fündig wird. Genauso ist es mit "dazuschreiben" oder "vorhaben" (ebenso vorgehabt) und so weiter. Kann man übrigens auch auf orthografietrainer.net kostenfrei üben.

Die nächste Unsicherheit bei dir ist die Groß/Kleinschreibung. Sowohl Nominalisierung ("im [E]ntferntesten"), als auch das Großschreiben von Verben ("[...] mit den beiden zu Essen.") oder Adjektiven ("Drogenabhängig"). Auch das begegnete mir im Text immer wieder. Macht den Text leider unattraktiver. Tätigkeiten und beschreibende Worte werden kleingeschrieben. Wenn man es mit einem Artikel kombinieren kann und es nicht allzu doof klingt, ist die Chance hoch, dass es ein Namenswort, Nomen, Subjekt ist. Das Essen funktioniert zwar auch, aber in dem Fall wollen sie ja etwas tun, nämlich essen. Ander ist es bei "im Entferntesten" oder "zum Essen". Sowohl im Im als auch im Zum steckt der Artikel Dem. Müsste Dativ sein. Zu Wem oder Was geht man? Zu dem Essen. Jedenfalls ein Artikel und Artikel sind die besten Indikatoren für Wörter, die man großzuschreiben hat. Auch das kann man üben.

Dann noch eine Sache, die du gar nicht falsch gemacht hast, die mir aber beim Lesen zunächst wehtat. Mir war in der Tat nicht bewusst, dass man das Adjektiv "falsch" steigern kann. Ich hätte dir das als Fehler angekreidet, wenn ich nicht nachgesehen hätte, weil "falscher" echt komisch klingt. Das Wort kenn ich nur in Verbindung mit "Falscher Hase" (Hackbraten). Aber ... es geht. Funfakt: Richtig dagegen kann man nicht steigern. Das ist ein Adverb. Verrückt.

Bei der Zeichensetzung komme ich zunächst auf die Wörtliche Rede zu sprechen. Ich habe ein wenig mit den Zähnen geknirscht, als ich in den Kommentaren gelesen habe, dass du da bereits drauf hingewiesen wurdest, aber bitte korrigiere es auch in den vorderen Kapiteln. Hinten ist es doch richtig und toll und man kann es gut lesen, aber vorne ... Ne! Es geht einfach nicht. Es stört immens. Dabei ist es so schön, dass du nicht zwanghaft hinter jede Äußerung einen Begleitsatz hängst. Dafür beneide ich dich sogar ein bisschen! Aber bitte überarbeite das. Du weißt doch inzwischen, wie das geht.

Bleiben die Nebensätze. Der, der dir am meisten Probleme bereitet, ist der Infinitivsatz. Sowas wie "Letztes Jahr[] wurde er nämlich gezwungen[,] für ein halbes Jahr Mitglied des Schauspielkurses zu sein[...]", da vergisst du oft das Komma. Passiert hier auf WP zwar fielen, liest sich dadurch aber nicht besser.

Zu viele Kommas dagegen setzt du beim Vergleich mit Als. Das Komma wird dann gesetzt, wenn nach dem Als ein Verb folgt. Wenn nicht ("Damit sind sie immerhin kommunikativer[] als die beiden Jungs aus der ihrer Stufe [...]"), dann nicht.

Bei Einschüben ist es eine Frage der Betonung, wie man es denn gerne hätte. Vor allem aber bei längeren Sätzen, die dann auch noch Einschübe beinhalten, bietet es sich allerdings an, die Beistriche zu machen, um eine Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Auch wenn der Satz nicht sonderlich lang oder komplex ist, böte sich es auch hier an, um den Einschub auch als solchen zu betonen: "An den Proben[,] oder was da sonst noch ablief[,] kann ich mich leider nichtmehr erinnern."

Bliebe noch der Ausruf. Sowas wie "Ja[,] ich sehe schon [...]" wird auch separiert. Genauso wie "He, du da" oder "Klar, können wir machen". Mit Ansprachen ("Peter, du bist gemeint") wird übrigens genauso verfahren.

Zuletzt die Temporalsätze, die dir zwischendrin auch noch durchgegangen sind. Wenn die Teilsätze durch eine Konjunktion in einen zeitlichen Zusammenhang gesetzt werden (als, gleichzeitig, währenddessen, bevor, ehe (kleingeschrieben), nachdem usw.), werden auch die voneinander getrennt: "Wilson lächelt einen Tick zu freundlich[,] bevor er sich an den nächsten Schüler wendet [...]" Das passierte dir aber seltener.

Wenn du das ausbügeln würdest, würde dein Text auch formal einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen - wie es deine aktuelleren Kapitel auch tun. Nur wie oben schon gesagt: Der Leser fängt bei Kapitel 1 an. Man kann den Inhalt problemlos erschließen, aber es ist leider noch nicht störungsfrei genug, um von entspanntem Lesen zu sprechen.

S C H L U S S W O R T

Es ist während der Kritik womöglich bereits durchgeschimmert, aber ich wäre insgesamt noch viel hingerissener gewesen, wenn die ersten Kapitel gleich so toll und farbenfroh gewesen wären, wie die neueren. So blieb mir der holprige Start recht unangenehm in Erinnerung, aber trotzdem bin ich von der Idee nach wie vor angetan und werde wohl auch weiterlesen, da in zukünftigen Kapiteln ja viele Stolpersteine, die ich hier angesprochen habe, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorkommen werden und ich mich inzwischen ja an die Figuren gewöhnt habe. Noch schöner wäre es gewesen, wenn der Einstieg leichter gewesen wäre. Das ist es vermutlich, das viele, die bei dir reinklicken, ein wenig vergrault. Dabei ist es eine Geschichte, die gerade für anspruchsvolle Leser, die mal etwas jenseits von Kitsch und Erotik lesen wollen, begeistern kann.

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