Ingenium - Dark Ability von _Rosewood_
Titel
Ingenium - Dark Ability
Autor
_Rosewood_
Genre
Science Fiction
***
Cover
Wirkung: Ist es ansprechend?
Die düstere Farbgebung, die Rauschwaden um das Gesicht der jungen Dame, deren Identität unbekannt ist, wirken zunächst einmal interessant. Die Frau hat die Augen geschlossen, aus welchen Gründen auch immer. Die Vermutung liegt nahe, dass es in dem Story um *ihre* Geschichte geht. Der Drang, sich den Hintergrund genauer anzusehen und einen Blick auf den Titel oder den Klappentext zu werfen, wird in jedem Fall geweckt, sofern man gerade auf der Suche nach Geschichten über Einzelschicksale ist, vorzugsweise mit jungen, weiblichen Erwachsenen im Fokus. Die dunkle Gestaltung verspricht darüber hinaus ein düsteres Setting, in dem sich der Protagonist/die Protagonistin vermutlich behaupten muss. Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal allerdings gibt es hier nicht.
2,5 von 3 Punkten
Kontext: Passt es zum Titel und zur Geschichte?
Zum Titel passt das Cover schon wegen der Farbegebung allemal. Die vorherschenden Graustufen bilden eine Einheit mit dem dunklen Untertitel (DARK Ability). Sonst ist schwer ersichtlich, ob es eine Verbindung zwischen Titel und Cover gibt, denn außer dem Gesicht einer jungen Dame ist wenig zu erkennen. Die Rauschwaden, die anmuten, als würde sie sich auflösen, lassen sich im ersten Moment schwer mit dem Begriff "Fähigkeit" in Verbindung setzen. Doch, dass Menschen Gaben besitzen, muss ja - gerade bei dem mehr dystopisch anmutenden Titel - nicht bedeuten, dass sie sie für gute Zwecke einsetzen. Vielleicht leidet die Person unter den Fähigkeiten. Unter ihren oder unter jenen der anderen. Oder sie gibt sich diesen Gaben hin und wird ob ihrer Mächte von ihnen verzehrt.
Ehrlich gesagt ist der Bezug doch eher schwammig. Das Mädchen auf dem Cover könnte eine der drei Protagonistinnen sein, welche mit ihren Kräften hadert, aber abgesehen davon, dass alle über das Training stöhnen, ist da wenig zu erkennen, womit man es beziehen könnte. In Anbetracht der Auflösung, wäre das Gesicht einer Marionette passender gewesen.
2 von 3 Punkten
Schrift: Ist der Titel gut zu erkennen?
Der Titel ist nicht nur gut zu erkennen, er fügt sich auch sehr gut in das Bild ein und stört nicht. Er ist so platziert, dass er keine filligranen oder wichtigen Strukturen überdeckt und farblich so gestaltet, dass er sich dennoch klar, aber nicht zu scharf davon absetzt. Die gewählte Schriftart ist schnörkel- und serifenlos, wirkt schlicht, aber angemessen. Die Nachbearbeitung des Serien-Titels, mit der leicht flouriszierenden Blaufärbung lässt sie gegenüber dem grauen Cover nicht zu aufdringlich aufleuchten und zieht die Aufmerksamkeit sachte auf sich. Es ist wirklich eine sehr angenehme Gestaltung.
3 von 3 Punkten
7,5 von 9 Punkten
Titel
Kontext: Passt er zur Geschichte?
Die gesamte Geschichte dreht sich um die Fähigkeiten der Novus. Entsprechend ist ein Titel mit Anspielung auf Fähigkeiten, Erbe oder Status durchaus angebracht. Vor dem Hintergrund, dass vor allem die negativen Folgen dieser Sonderstellung hinreichend beleuchtet werden, fügt sich auch der Untertitel sehr passend in das Bild.
Bis auf die Tatsache, dass es nicht die Fähigkeiten selbst sind, welche Dunkel sind. Wissen oder Gaben bedeuten Macht. Sie sind ein zweischneidiges Schwert. Aber sie sind nicht von allein gut oder schlecht. Erst die Tat selbst, kann in einen solchen Kontext eingeordnet werden. Und jede dieser Fähigkeiten eignet sich auch dazu, Gutes zu tun. Nicht die Gaben sind dunkel und böse, sondern die aus den Umständen und dem Verrat resultierenden Taten.
1,5 von 3 Punkten
Wirkung: Klingt er interessant und ansprechend?
Er wirft Fragen auf, was zunächst einmal nicht schlecht ist. Ingenium klingt erst einmal interessant, der Untertitel verleiht ihm eine düstere Aura, ähnlich dem Cover. Wenn man sich näher mit den gewählten Worten befasst, oder man in Anglistik bewandert ist und das Latinum nicht nur besitzt, sondern die tote Sprache auch beherrscht, bekommt man noch etwas mehr Einblick. Bevor wir dazu kommen, zunächst die Wahl der Sprachen.
Ingenium gehört nicht zu den lateinischen Begriffen, die in der deutschen Sprache Lehnwörter erhalten haben oder zu jenen, die auch bei uns geläufig wären. Andererseits hat dieses Wort auch als Eigenwort einen gewissen Charme und mittels des Untertitels lässt sich dennoch eine gezielte Wirkung, die über das reine ungelenkte Interesse hinausgeht, erzeugen. Weshalb auch der Untertitel in einer Sprache gehalten ist, die nicht jener entspricht, in der das Buch geschrieben wurde, ist allerdings fraglich. Bedenke, dass nur ein geringer Bruchteil deiner Leser dem Lateinischen mächtig und auch ein Teil deiner Leser beim Untertitel mit Sprachbarrieren konfrontiert sein wird. Die Schnittmenge beider Teilmengen ist die Zahl jener Leser, die du damit ausklammers. Nur aufgrund der Sprachwahl. Gut, abzüglich derer, die englische Titel einfach cool finden, egal, was sie bedeuten. (Kommt jetzt auf den Text an, ob da näher drauf eingangen wird und die englische Sprache da wichtig ist oder das alles nur marketingstrategische Züge sind.)
Jetzt zu der Bedeutung: Ingenium kommt, wie bereits erwähnt, aus der lateinischen Sprache und heißt soviel wie Temperament. Kann aber auch Gemütsart, Charakter, Wesen oder mentale/kognitive Fähigkeiten beschreiben. Das nächste Subjektiv stammt aus dem Englischen: Ability. Zu deutsch "Fähigkeit" oder auch Können, Vermögen, Befähigung oder Potenz. Als kleine Übersetzunghilfe für die Leser sicher nicht schlecht, eine Dopplung drin zu haben. Die vielen möglichen Kombinationen der Worte lassen eine Fülle an Deutungen zu. Temperament - Dunkle Potenz wirkt mehr schlüpfrig oder schreit nach sexualpsychologischen Problemstellungen (also FRAGEstellungen), Fähigkeit - Dunkle Fähigkeit klingt widerum sehr repetativ (sich wiederholend). Der Vor- und gleichzeitige Nachteil von mehreren anderen Sprachen ist ja, dass sie weniger Worte haben, was sie einfacher zu machen scheint, aber sehr vieldeutig und vielschichtig sind, so dass man häufig zwischen den Zeilen lesen muss, um den vollen Umfang zu begreifen. In der deutschen Sprache gibt es eine Fülle an Wörtern, aber viele bezeichnen einen sehr klar umgrenzten Bereich, der eine sehr deutliche und eindeutige Wirkung ermöglicht.
Gleichwohl ist der Haupttitel deiner Reihe sehr wohlklingend, interessant und in unseren Augen innovativ, doch überdenke deine Sprachwahl bezüglich der Untertitel, um die Wirkung besser lenken zu können.
2 von 3 Punkten
3,5 von 6 Punkten
Klappentext
Länge: Wie lang bzw. kurz ist er?
Von der Länge her ist er sehr angenehm zu lesen und die Aufteilung ist auch leserfreundlich. Es wirkt übersichtlich und erschlägt einen nicht sofort.
3 von 3 Punkten
Inhalt: Verrät er zu viel oder zu wenig?
Inhaltlich haben wir ähnliches zu bemängeln wie bei denjenigen vor dir. Es fehlt ein wirklicher Fokus und er verrät jetzt schon zu viel. Du schilderst in dem Klappentext nicht nur die Sicht der Gesellschaft, welche die Novus ächtet, sondern versuchst auch, Verständnis für die "besonderen Kinder" zu wecken und zu erklären, weshalb dieses Institut so ein wichtiger Rückzugsort für diese Wesen ist. Dazu kommt noch der genetische Hintergrund der Gabe und eigentlich hast du damit alle Wirkmechanismen erwähnt. Suche dir einen Blickwinkel aus, beschreibe die Novus - oder das genetische Experiment bzw. das Institut - aus dieser Sicht und erzeuge damit noch mehr Spannung und einen dichteren Fokus. Aus gesellschaftlicher Sicht könntest du schreiben, dass es ein Glück sei, dass man die Novus in dem sogenannten Institut unter Verschluss halten würde, ohne näher darauf einzugehen, was genau ihre Fähigkeiten oder was Novus überhaupt sind. Der Leser erfährt es in den ersten Kapiteln ohnehin. Aber du gibst deinem Leser damit eine Startpespektive an die Hand, die hinterher mit dem Text kollidiert oder übereinstimmt. Je nachdem, ob du einen Konsens oder einen Konflikt herbeiführen willst.
1 von 3 Punkten
Wirkung: Macht er neugierig?
Trotz allem macht der Klappentext neugierig. Schließlich ist noch nicht bekannt, was das für Fähigkeiten sind, welche den Novus zueigen sind und weshalb sie als Mörder bezeichnet werden. Vielleicht macht man das ja völlig zu Recht? Der Klappentext deutet jedoch schon an, dass dem nicht so sein wird und es sich bei den Novus um Missverstandene handelt. Dennoch bleibt die Frage, woher dieses Missverständnis rührt und worin diese Gaben begründet liegen. Doch tatsächlich bleiben das die einzigen offenen Fragen. Mal abgesehen davon, wie die Novus wohl mit dieser Bürde umgehen und wie ihr Alltag aussieht.
Allerdings solltest du an einigen Stellen Fromulierung und Zeichensetzung noch einmal optimieren. Fehler im Klappentext machen sich nicht gut. Beispiel: "Der einzige Lichtblick[: D]as Institut." Nebenbei bemerkt würde hier der ausgeschriebene Name (Ingeniumfacilius) imposanter wirken.
2 von 3 Punkten
6 von 9 Punkten
Storyaufbau
Einleitung: Fühlt man sich als Leser von dir abgeholt oder kommt man schwer in die Geschichte rein?
Ganz offen gesagt, hat man bei dir im ersten Moment das Gefühl, in die falsche Geschichte gerutscht zu sein. Das erste Kapitel ist eine Ankündigung, dass du ab Januar ein Auslandsjahr machst. Es überkommt einen zunächst der Gedanke, es könnte sich nicht um eine Autorenanmerkung, sondern um Äußerungen des Hauptcharakters handeln, aber schnell wird deutlich, dass es eine sehr ausurfernde Ankündigung des Autors ist. Die da nicht hingehört. Für so etwas existiert das Profil. Entweder der Vorstellungstext ("Über mich") oder die Pinnwand. Da kann man sich über solche Dinge auslassen. Wenn es unbedingt in einem Vorwort sein muss, halte dich kurz und mache deutlich, dass du gleich zu Beginn einmal abschweifst. Zum Beispiel mit "Bevor ich zum eigentlichen Erzähltext komme, hier eine kleine Anmerkung". Damit sich der Leser nicht fragt "Kommt hier nicht eigentlich die Geschichte?". Nach einem bisher sehr stimmigen Bild bezüglich des Romans, erwartet man so etwas nicht.
Im nächsten Kapitel dann auch wieder kein Prolog, kein Kapitel, sondern eine Playlist. Die Spotify-Playlist ließe sich auch gut im Vorwort/Klappentext verlinken und die Textausschnitte und Liedtitel, die man nach dem Lesen ohnehin wieder vergessen hat und die auch erst mit der Melodie richtig wirken, ziehen es unnötig in die Länge. Traue deinen Lesern doch zu, die gewählten Stücke - sollten sie sie während des Lesens hören - in Zusammenhang mit dem Text zu setzen. Sie lesen ein Buch, dessen Titel aus der latinischen Sprache stammt, so skeptisch können sie der Bildung gar nicht gegenüberstehen. Vielleicht entdecken sie noch ganz eigene Deutungen und Bezüge zwischen Text und Liedern. Vielleicht mögen sie es auch gar nicht, Musik beim Lesen zu hören und es interessiert sie sowieso nicht, welche Lieder da in der Playlist sind. Zu solchen Lesern gehört Syd.
Hinzu kommt, dass man sich, auf Grund der Vorankündigung zum Thema 'Auslandsreise nach Kanada', in den ersten Sekunden fragt, ob man das Buch jetzt etwa in der dazugehörigen Sprache serviert bekommt.
Wenn dann im dritten Kapitel immer noch kein Prolog zu lesen ist, wird es langsam anstrengend. Aber auch ohne den Erzähltext gelesen zu haben, bekommt man hier einen guten Eindruck davon, welche Gaben du an die Novus verteilt hast. Falls man sich die fünfzehn Fähigkeiten merkt, so ist es höchst unwahrscheinlich, dass nach dem Kapitel auch nur ein Leser weiß, welche Namen in der Liste standen - es sei denn, ihm fällt auf, dass die Namen sehr eng mit den Mächten verwoben sind, was widerum sehr einfallslos wirkt. Diese Auflistung mag für dich wichtig sein, um den Überblick zu behalten, welche Gabe welchen Hintergrund hat, aber für den Leser ist das höchst unspannend, da ihm der Bezug fehlt. Er kennt die Figuren zu den Namen nicht, er kennt die Geschichten zu den Fähigkeiten nicht und er weiß nicht, für welche Zwecke sie bereits genutzt wurden oder wie die Gesellschaft welcher Macht gegenüber steht. Lasse so etwas im Erzähltext einfließen, statt den Leser mit einer stumpfen Auflistung zu konfrontieren. So etwas interessiert bei Regelwerken zu Pen-and-Paper Rollenspielen a la 'Das schwarze Auge' oder 'Dungeons and Dragons', bei denen Spieler ihre eigenen Charaktere und Geschichten bauen, aber nicht in einem Roman. Schließlich schlägt man auch nicht 'Harry Potter - Der Stein der Weisen' auf und wird mit einem Stammbaum der Zaubererfamilien konfrontiert, oder einer Aufstellung der Zauberstabmaterialien und ihrer Wirkung, respektive den bisherigen Besitzern. Es verleitetet zum Überfliegen, wodurch man am Ende genervt zum eigentlichen Prolog blättert, ohne auch nur eine kleine Information des schnell durchgehächelten Textes behalten zu haben. Wenn man dann später mit der Gabe Vodoo konfrontiert wird und sich dann genögt sieht, zurückzublättern, weil es im Kontext rein gar keine Erklärug dafür gibt, ist man zudem auch nicht wirklich schlauer, weil in diesem Punkt die Erklärung ein weing dürftig ist.
Vermutlich gibt es einige, die nicht bis Kapitel vier vorgeblättert haben, um weiterzulesen. Wozu wir drei mit Sicherheit unter normalen Umstände auch gezählt hätten. Das solltest du unbedingt kürzen.
Wenn dann die eigentliche Geschichte endlich beginnt, fühlt man sich etwas überfordert von dem Umstand, dass eine nicht näher identifizierte, weibliche Person von einer weiblichen Assassinin durch die Straßen gejagte wird. Im Grunde ist es ein schönes Stilmittel, die Identität der handelnden Personen im Ungewissen zu lassen, aber da beide Personen meist nur, als "sie" bezeichnet werden, hat es der Leser äußerst schwer den Überblick zu behalten. Gib ihnen keine Namen, aber suche dir Identifikationsmerkmale, um dem Leser eine Chance zu geben, die zwei auseinanderhalten zu können.
In Kapitel eins erfolgt dann die Erkenntnis, dass man sich in einer Geschichte befindet, die im Pränsens und in der Ich-Form gehalten ist. Das Empfinden hierrüber ist von Leser zu Leser verschieden, ist aber bei uns dreien keines, welches Begeisterung, sondern Skepsis auslöst. Hinzu kommt, dass der Eisntieg aus Haydens Sicht in unseren Augen etwas unreif und langatmig ausfällt.
Wir fühlten uns nicht abgeholt oder gut in den Verlauf der Geschichte eingeführt. Wir mussten uns eher ein wenig hinein quälen. Und der Durchschnittsleser quält sich nicht hinein. Der klickt weiter.
Der rote Faden: Ist die Geschichte stimmig und verfügt über einen logischen Aufbau?
Der rote Faden ist eigentlich sehr gut erkennbar. Der Weg der neun Novus, die neu ins Institut kommen, aus der Sicht dreier Protagonisten. Ihr Weg aus der Gesellschaft heraus, die sie auszugrenzen sucht, hinein in ein Biotop, in welchem sie unter ihresgleichen sind und später dann ihr Wirken auf dem Schlachtfeld. Der Aufbau der Geschichte ist dahingehend logisch und du weichst auch nicht ab, was bei der Wahl der Perspektiven schlicht nicht möglich ist.
Du schilderst das alles aus der Ich-Perspektive, was den Überblick zu Beginn nicht so leicht gestaltet. Denn egal, ob aus Haydens, Allys oder Blakes Sicht, es heißt immer "ich". Am Anfang, wenn man die Namen noch nicht so gut drauf hat, hilft auch die Überschrift wenig. Ansonsten hast du die Perspektive recht gut umgesetzt.
Leider fallen einige Lücken in der Darstellung auf. Zum Beispiel bei der Zeugnisübergabe, als Cecilia sich mit Seths Schwester prügelt. Leute drängen sich um sie herum, es wird gekeift, es wird sich geschlagen und - die Eltern der beiden Novus-Geschwister bekommen nichts davon mit? Das erscheint unglaubwürdig, denn eine Schlägerei bei einem solchen Anlass, zieht die Aufmerksamkeit von jedem Anwesenden auf sich. Sie passt nicht in den Rahmen, ist vollkommen unangebracht und bildet entsprechend einen starken Kontrast.
Zu den Novus selbst gibt es auch noch einen Punkt, der nicht klar ist. Die Liste an bisher existierenden Novus ist sehr kurz. Aber pro Jahrgang gibt es neun neue Novus, wobei Blakes Kommentar, mit dem sie sich im Interview herausredet auch verwirrt. Sie sagt, sie trifft noch sieben andere Novus, weil es nur noch sieben Fähigkeiten seien, die mit ihr und Carter fehlten. Das Glossar am Anfang spricht aber von fünfzehn Gaben. Desweiteren impliziert diese Aussage, dass es jedes Jahr von jeder der nun doch nur neun Fähigkeiten einen Novus gibt. Gehen wir von dieser Zahl aus und bedenken, dass auch die Eltern schon auf dem Institut waren und zwischen Eltern und Kindern bei Blake geschätzte 30 Jahre liegen, bedeutet das 30 mal 9 Novus. Bedenkt man, dass auch die Eltern schon die Abschlussprüfung ablegen mussten und das Risiko und die Forderungen kannten, müssten es noch weit mehr sein. Und da kommt eine bedeutend längere Liste zustande, als im Glossar oder in der Geschichte genannt werden. Wie auch immer es dazu kommt, dass jedes Jahr von jeder Fähigkeit nur einer dazukommt. Dieser Hintergrund ist konfus und wirkt unrund.
Dramaturgie: Zeichnet sich eine Spannungskurve ab? Wie fühlt sich der Verlauf an?
Hier besitzt deine Geschichte einiges an Potenzial. Die Ausgrenzung der Novus in der Gesellschaft, die Hintergründe und die Wirkung auf die jungen Ausgegrenzten. Der Aufbruch, in eine vollkommen neue Umgebung, fernab der Ausgrenzung, aber auch ihrer Familien. Ihre neue Aufgabe, ihr neues Leben, die vollkommen andere Art des Unterrichts und des Luxuses, in dem sie plötzlich schwelgen, wie auch die neue Freiheit und später dann die Erkenntnis, verraten worden zu sein; wie langsam diese Erkenntnis in das Bewusstsein sickert. Da kann man viel draus machen und teilweise ist es dir gelungen. Aber nur teilweise. Sue und Jao, sehen das ein wenig anders. Der spätere Verlauf gibt mit Sicherheit die oben genannte Spannung her, allerdings liest es sich bis einschließlich Kapitel drei eher zäh und langatmig.
Der Aufbau der Kapitel mit den Gesetzestexten und Hinweisen zu der Welt, die du zeichnest, ist eine Umsetzung, die Syd sehr gefällt. Jedoch bemängelt Syd den Konjunktiv in Gesetzestexten und die teilweise umgangssprachliche Formulierung. Sie gibt dem Leser das Gefühl, dass jedes Kapitel mit einem neuen Puzzleteil über die Welt beginnt. Diese interessanten Einschübe machen übrigens auch das Glossar zu den Gaben am Anfang ziemlich überflüssig. Sue hingegen empfindet die Infotexte eher als uninteressant und unbedeutend, während Jao genervt von dem repativen, lateinischen Motto ist, welches den Wert der Aussage nicht steigert, nur weil es auf einer toten Sprache verfasst ist.
Die Stammbäume sind auch eine gute Idee, da man mit der Zeit ja zu den einzelnen Familien mindestens ein Mitglied kennenlernt und eine Verbindung dazu bekommt. Nur solltest du besser Bilddateien einfügen (die Möglichkeit besteht ja auf Wattpad), statt sie in ASCII-Zeichen darzustellen. Die Ansicht verschiebt sich, je nachdem, auf welchem Device man sich den Text durchliest.
Insgesamt aber verläuft deine Spannungskurve vergleichsweise flach. Das hängt damit zusammen, dass während der Zeit im Institut auch noch viel nebenher läuft - Beziehungskisten und Jugendliche, die ihre neugewonnene Freiheit mit Alkohol und Straftaten austesten - und dabei hier und da mal völlig vergessen wird, weshalb sie überhaupt dort sind. Aber damit hängt noch ein zweiter Punkt zusammen, nämlich der der Spannungsextreme. Als Beispiel hält hier einmal der Beinahe-Unfall auf der Hinfahrt zum Institut her. Da sitzen neun Jugendliche in einem Fahrzeug, das plötzlich zu einer Vollbremsung gezwungen wird und der Fahrer aufgrund mangelnder Bodenhaftung die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert, das plötzlich nicht nur hart bremst, sondern noch über die Fahrbahn schlittert. Technisch gesehen hoffe ich außerdem, dass ABS auch in 100 Jahren noch zur Serienausstattung gehört und solche Szenarien wirkungsvoll bei entsprechender Reifenprofilierung verhindert und Menschen mit Personenbeförderungsschein so eine Bremsung anders zu händeln wissen, als das Lenkrad rumzureißen. Literarisch betrachtet besaß diese Szene leider auch keine bemerkenswerte Profiltiefe. Du beschreibst Teile der Bremsung, des Herumschleuderns, aber es fehlt an den Auswirkungen. Du schreibst, dass Hayden die Orientierung fehlt, aber sagst dem Leser nicht, woran sie das merkt. Verschwimmen die Konturen vor ihren Augen? Dreht es sich um sie herum? Oder auch andere Auswirkungen: Zittern ihr vor Angst vielleicht die Hände? Überschlagen sich ihre Gedanken? Stattdessen öffnet nach einem kurzen Abriss ein Polizist die Tür, schickt sie weiter und der Unfall ist vergessen. Dabei passiert es häufig, dass bei solchen Manövern die Leute mit dem Kopf irgendwo anschlagen (B-Säule, Kopfstütze, Kopf vom Nebenmann), versuchen nicht so viel hin- und hergeworfen zu werden und sich Sehnen- oder Muskeln zerren, sich die Halswirbelsäule verrenken oder sogar Brüche erleiden. Weder bei den Charakteren, von Nachfragen zu dem Täter mal abgesehen, noch beim Leser hinterlassen diese Ereignisse nachhaltige Spuren, da im Gegensatz dazu gesellige Treffen der Novus auf Dächern baufälliger Häuser inklusive der Wirkung gesellschaftsfähiger Nervengifte weitaus tiefgehender beschrieben werden, was sehr schade ist.
Das nächste, was nur oberflächlich angerissen wird, ist die Abneigung der Gesellschaft gegen die Novus. Da auch die Vulgaris Soldaten stellen, kann es an ihrer späteren Aufgabe nicht liegen. Da die Machenschaften des Instituts auch den Novus selbst nicht bekannt sind, werden die auch nicht nach draußen gedrungen sein. Weshalb also hassen so viele die Novus? Neid wäre ein gutes Motiv, weil Novus ja automatisch in einen der obersten Stände aufgenommen werden. Aber das ist kein Grund, sie als Mörder hinzustellen. Ihre Gaben beherrschen sie in der Schule noch nicht und selbst wenn, sind es generische Fähigkeiten. Wäre nicht die Beschwörung von Wasser oder Telekinese eben jene "bösen" Fähigkeiten, die so gefürchtet werden, sondern könnte Finn beispielsweise Köpfe explodieren lassen, könnte ich diese Abneigung verstehen. Oder wären sie gezwungen, jede Nacht satanische Rituale zu vollführen. Aber das ist nicht der Fall. Ihre Fähigkeiten lassen sich auch nützlich einsetzen. Woher das Gerücht, sie seien Mörder? Welches noch dazu, zumindest zu Anfang, so oft erwähnt wird, dass sich der Leser langsam zu fragen beginnt, ob der Autor ihn für geistig minderbemittelt hält. Trau ihm ruhig mehr Verständnis für die Antipathie der Vulgaris gegenüber den Novus zu. Lege den Fokus dafür mehr auf die Frage, woher dieser tiefsitzende Hass kommt, ohne näher bestimmbare Wurzel. Diesen Aspekt unerklärt zu lassen, nimmt der Geschichte eine Spur Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Wenn du zukünftig Kapitel oder den Verlauf einer Geschichte planst, dann lege auf Schlüsselszenen, die für den Verlauf der Geschichte wichtig sind, einen stärkeren Schwerpunkt. Ob Ryan sich jetzt aufgrund von zu viel Wodka übergibt oder total innig in den Erdbändiger aus der zweiten Stufe verknallt ist, ist weniger wichtig, als ein Attentat auf eine Gruppe Jugendlicher oder dass der Leser begreift, wie sich die Figuren zwischen Vulgaris fühlen. Das Training, ihre Zweifel, die spätere Erkenntnis, das ist wichtiger. Das Gefühl, mit dem Hayden ihren finalen Test besteht, die rasende Wut ihrer Mutter gegenüber, der herbe Verlust, die Ungläubigkeit der Endgültigkeit ihrer Tat gegenüber, das ist wichtig. Auch den Rest kann und darf man natürlich thematisieren und beschreiben, aber wenn du eine "nice to have" Szene neben eine wirklich wichtige Schlüsselszene legst, dann sollte die Schlüsselszene nicht oberflächlicher abgehandelt worden sein als die "Halt meine Haare"-Szene mit Ryan. Dadurch, wie tiefgehend oder oberflächlich man eine Szene beschreibt, modeliert man den Verlauf einer Geschichte wie ein Tal in einem Gebirge. Man lenkt die Aufmerksamkeit und ein Stück weit die Gedanken des Lesers. Und Spannung erzeugt man damit, dass man den Leser an wichtigen oder spannenden Punkten festhält, ihn am Arm packt und mit in die Tiefe der Geschichte reißt.
Ein weiterer Punkt, der auch mit in den erlebten Verlauf der Geschichte mit hineinspielt, ist, dass du Zeitsprünge von teils mehreren Stunden nicht kennzeichnest. Am Anfang finden sich immer noch oft Zeitangaben oder eben beim Wechsel der Pespektive auch die Notation des POVs (ohne Marker, was uns sehr gut gefallen hat), aber gegen Ende verschwimmt das immer mehr. Das einzige, was da zwei Ereignisse trennt, die teilweise an verschiedenen Orten mit beträchtlichem zeitlichen Abstand passieren, ist ein normaler Absatz. Die Zeit kleckert so dahin. Und alle drei Punkte zusammen zeichnen ein leider recht flaches Bild.
Genre: Passt der Inhalt zum Genre oder brichst du ganz bewusst und gekonnt mit den Vorgaben, um etwas Neues zu wagen?
Allein vom Cover, mit dem jungen Gesicht, und dem Zusammenspiel mit dem Klappentext, wonach es um die unverstandenen Novus geht, die lernen müssen, mit ihren Gaben zu leben, ist der Text, wie fast jeder andere bisher, der Jugendliteratur zuzuordnen - was nicht heißt, dass es NICHT Science Fiction wäre. Hier auf Wattpad ist ja keine Mehrfachzuordnung möglich. Aber ebenso wie 'Everything is blue', 'Hüter Widerwillen' oder 'Preference' handelt es sich hier um klassische Jugendliteratur.
Nach dem dritten Kapitel ist auch klar, dass du dich auf den Graden der Sci-Fi-Fantasy bewegst bzw. der urbanen Fantasy. Wo genau dort, lässt sich zu dem Punkt noch nicht genau abschätzen, aber die Beschwörung von Wasser lässt sich schwer wissenschaftlich erklären. Wenngleich die Ursache eine genetische Mutation ist, so ist der Wirkmechanismus unklar. Im Bereich der Fantasy oder des Übernatürlichen würde man hier sofort sagen: "Magie" oder eben "Übernatürlich". Aber welchen wissenschaftlichen Ansatz sollte es geben? Selbst für Regen müsste der Mensch in der Lage sein, die Druckverhältnisse um sich herum zu verändern, was man noch mit elektromagentischen Impulsen erklären könnte, die von tierischen Organismen erzeugt werden können. Aber auch dann wäre der Mensch auf die Flüssigkeit in seinem Umfeld limitiert. Auch bei Pseudowissenschaft, die man ja auch durchaus anbringen kann. Schließlich entspringen Vulkanier einem Original, dass mehr Sci-Fi nicht sein könnte und auch die können Gedanken lesen, ohne dass es dafür eine anwendbare wissenschaftliche Grundlage gäbe. Doch die Erklärung kommt ohne unerklärliche Phänomene aus. Auch "Die Macht" aus Star Wars befähigt nicht zur Beschwörung von Dingen aus dem Nichts. Spätestens Voodoo hat in jedem Fall mehr mit Religion als mit Wissenschaft zutun und vermischt zwei Aspekte auf unangenehme Weise miteinander, so dass deine Geschichte in "Übernatürliches" besser aufgehoben wäre.
3 von 9 Punkten
Charaktere
Charakterset: Sind sie authentisch?
Die Charaktere sind ein weiterer Punkt, das Buch in die Kategorie Jugendbuch zu verschieben. Wir haben in Haydens Umfeld eine Menge Stereotypen, die sich allerdings voneinander unterscheiden. Da wäre der Streber (in diesem Fall die Streberin), den Schüchternen Aiden, der Draufgänger und als Protagonistin hätten wir den gelangweilten Jugendlichen, der sich in dieser Gruppe ein wenig zu durchschnittlich verhält, als dass man ihm das abnehmen würde. Es wirkt alles ein wenig aufgesetzt. Spätestens, als Fräulein Rottenmeier in Gestalt von Frau Sennom, auf der Bildfläche erscheint und deutlich macht, dass auch erwachsene Personen nicht in der Lage sind, über diese Stereotypen hinaus zu denken. Wäre sie ein Einzelfall gewesen, wäre es sehr authentisch gewesen, denn solche Lehrer gibt es in der Tat. So, wo eher der mildere Rektor als absolute Ausnahmeerscheinung gehandelt wird, wirkt es überzogen.
Es ist schon sehr gut, dass es auf der Schule nicht nur jene gibt, welche die Novus hassen. Denn es gibt in einer Masse an Menschen immer eine Teilgruppe, die sich nicht vorschreiben lässt, was sie zu denken hat oder gerade wegen des großen Konsens eine andere Meinung als der Rest einnimmt. Daher macht es das Setting wesentlich authentischer, wenn es auch eine Gruppe gibt, die sich mit den Novus solidarisiert - oder sie zumindest beneidet und bewundert. Trotzdem ist es recht schwarz weiß. Man hat die eingeschworene Gemeinschaft der Novus und "die anderen". Das weicht sich später etwas auf, als es an die Zeugnisübergabe geht, wo ein differenzierter Blick auf die Einzelpersonen geworfen wird, aber zunächst bekommt man dieses Bild präsentiert.
Auch in der zweiten Perspektive um Blake herum finden sich Stereotypen. Allen voran die überdrehte Reporterin, die ihren Verwandten Rita Kimmkorn (Harry Potter), Karla, der rasenden Reporterin (Bibi Blocksberg) und Effie Trinket (Die Tribute von Panem) alle Ehre macht.
Diese Masse an Stereotypen, die Zusammensetzung, die jugendliche Sichtweise, in der die Umwelt allen voran Schuld an der schlechten Situation ist (glotzende Mitschüler, keifende Lehrer, ein totalitäres System, Eltern die die eigenen Freunde kritisieren) ist es, was so deutlich auf Jugendliteratur hinweist.
Und alle diese jugendlichen Charaktere leiden unter ihrem jetzigen Leben, der Aussicht aufs Arbeitsleben und den Maßstäben ihrer Eltern, die entweder noch zu kindlich oder schon viel zu erwachsen sind. Wie das Jugendliche nun einmal tun. Das ist authentisch. Es gibt die Ausnahme von der Regel (hier symbolisiert durch Ryan), aber die sind rar.
Aber diese Darstellung hat auch auch die Zielgruppe Einfluss: Aus Sicht eines pubertierenden Teenagers liest auch nur jemand, der sich selbst gerade inmitten seiner Adoleszenz befindet, wirklich gern diese Geschichte und kann es vollumfänglich nachfühlen, ohne nicht ab und an genervt von all der Unsicherheit und dem vollkommen authentischen pubertärem Gejammer die Augen zu verdrehen.
1,5 von 3 Punkten
Charakteresierung: Kann man sich ein gutes Bild von ihnen machen?
Es fällt sehr leicht, die Charaktere einzuordnen, was bei Geschichten für jüngeres Publikum auch so sein sollte, um die Identifikation zu erleichtern. Insofern ist es auch gar nicht schlimm, dass du die gängigen Archetypen eines High-School-Setting bedienst.
Fangen wir mit Haydan an. Sie ist klug, aber faul, ein wenig chaotisch und vor allem unsicher, was ihre Zukunft betrifft. Einerseits ist sie froh, bald die Schule hinter sich lassen zu können, und den neugierigen oder abwertenden Blicken ihrer Vulagris-Mitschüler nicht länger ausgesetzt zu sein, andererseits fehlt ihr der Plan fürs Leben, was ihr mehr und mehr zusetzt, während sie außerdem ihre kindliche Seite mit ihrem Freund Jay liebendgerne auslebt und den Ernst des Lebens damit versucht zu verdrängen. Ihre Gedanken bezüglich ihrer späteren Berufswahl machen außerdem deutlich, dass sie Hemmungen hat, Verantwortung zu übernehmen. Sie will einen sinnvollen Beitrag leisten, aber sich möglichst nicht überschätzen. Sie ist insgesamt ein sympatischer Charakter.
Weiter mit dem Protagonisten deiner zweiten Perspektive. Blake. Das Mädchen lebt mitten in der Öffentlichkeit und doch sehr weit davon entfernt. Sie geht mit den anderen nicht zusammen auf dieselbe Schule, sie gehört einem hohen Stand an und lebt an der Spitze der Gesellschaft. Ihre Eltern, zumindest ihre Mutter, geben ihr Halt und zwar genug, dass sie wegen der großen Aufmerksamkeit nicht den Boden unter den Füßen verliert. Am ehesten würde sie das aber wohl über ihren Freund Carter sagen, welcher ihr gegenüber keine Hemmungen hat, ein Blatt in den Mund zu nehmen oder sich davor scheut, sie an der Nase herumzuführen. Zwar ist er bei den Eltern nicht sonderlich angesehen, aber trotz der intakten Familienbande, lehnt Blake sich dagegen auf, wie auch gegen Kleidungsvorschläge ihrer Mutter oder die ein oder andere Benimmregel. Von echter Rebellion kann man hier zwar nicht sprechen, was ihre Mutter wohl anders sagen würde. Alles in allem ist sie ein sehr umgänglicher Teenager, der auch mit der Reporterin sehr souverän umzugehen weiß, die sie eigentlich nicht leiden kann. Ob die Abneigung gegen die Dame von der Presse tatsächlich auf Abneigung gegenüber der Öffentlichkeit beruht und Blake den Status einer Berühmtheit wirklich ablehnt, lässt sich schwer sagen, da sie es ja sechs Jahre über sich hat ergehen lassen, ohne sonderlich renitent zu werden. Man schiebt es auf das allgemeine Unwohlsein während der Pubertät und erst einmal alles doof zu finden, was man vorher so gemacht hat und was einen in geringster Weise verpflichtet. Immer wieder blitzt auch ein wenig Sympathie zwischen den beiden durch. Beispielsweise, als die Reporterin die Mutter ermahnt, Blake doch auch einmal Kind sein zu lassen. Irgendwie beruht es zwischen den beiden Trotz allem auf gegenseitigem Respekt.
2 von 3 Punkten
Metaebene: Wie sind Dialoge und Emotionen beschrieben?
Wenn auch die Dialoge teils sehr natürlich und angemessen jung rüberkommen, mangelt es hier und da an Emotionen. Es werden sehr viele Handlungen beschrieben, sehr viele Gefühle benannt, aber es kommt nur bruchstückhaft beim Leser an. Nehmen wir die Szene vor dem Geschichtsraum. Die Novus stehen dort und alle starren sie an oder meiden ihren Blick. Es wird beschrieben, was Ryan und Haydan denken, aber nicht, was das mit ihnen macht. Auch später, als Haydan die Antwort auf Frau Sennoms Frage beantworten soll, gehst du in keiner Weise auf ihr Innenleben ein. Die aufsteigende Nervosität, die ihr Herz schnellerschlagen lässt oder den Schweiß, der sich an ihrer Handinnenfläche bildet. Es bleibt bei einem hilfesuchendem Blick in Richtung Ryan, der nicht einmal als solcher (hilfesuchend) benannt wird. An der Stelle solltest du arbeiten. Adjektive sind nicht immer dein Feind. In Kombination mit Verben sind sie wenn möglich zu vermeiden, aber sie sind dennoch ein gutes Werkzeug, auch in Handlungen Raum für Emotion zu lassen. Auch über die Gedanken geht das, doch naturgemäß sind die bei Jugendlichen vor allem ironisch - wie ja auch bei dir. Aber für mehr als Ironie, die Abneigung und Langweile kaschiert, ist da wenig Platz.
Die Dialoge findet Syd aber streckendweise sehr gelungen und auch nachvollziehbar sinnhaft geschrieben. Jao sieht das anders: Ihr sind insbesondere oft die Dialoge zu oberflächlich. Ihrer Meinung nach versuchst du oft, sie mit Witz oder Sarkasmus zu füllen, was beides nur selten wirklich gelingt. Sue fügt hinzu, dass die Dialoge zu Beginn zwar nachvollziehbar jugendlich sind, ihr persönlich aber zu kindisch und uninteressant anmuten.
1 von 3 Punkten
4,5 von 9 Punkten
Stil
Ausdruck: Wie fällt die Wortgewandtheit und die erzielte Wirkung von Worten und Wortgefügen aus?
Lobend erwähnt sei das zumeist passende und nicht zu einseitige Vokabular. Gerade die neuen Wortschöpfungen für deine Welt sind eine Leistung, die nicht jeder Autor mit einer eigenen Welt erbringt - und auch nicht immer erbringen muss. Dass du dir die Mühe gemacht hast, sei dir angerechnet. Auch sind die Formulierungen, ob in den Dialogen oder in den erzählerischen Passagen, streckenweise gut. Ob sie Spannung erzeugen oder gewollt amüsant sind, du zeigst, dass du in der Lage bist, mit Worten umzugehen.
An einigen Stellen hat das besser geklappt als an anderen. Ein Spiel, welches zeigt, dass du dir die Benutzung des Wortes "Wo" noch einmal ansehen solltest, ist: "Ich will nicht an Geld denken, nicht an das Leben nach dem Institut, wo ich auf mich allein gestellt bin."
Wo darf man nutzen, wenn man eine indirekte Frage zu einer Örtlichkeit stellt ("Kann mir jemand verraten, wo ich überhaupt hin muss?") oder man direkt eine Frage stellt ("Wo muss ich überhaupt hin?"). Das war es. Hier geht es um eine Bezeichnung eines späteren Zeitpunkts. Korrekt wäre also: "[...] nicht an das Leben nach dem Insitut, [wenn] ich auf mich allein gestellt bin."
Ein weiteres Beispiel falsch verwendeter Worte wäre "Manche Regeln beten mich geradezu darum, sie zu brechen". Hier gibt es zwei Formen der korrekten Formulierung. Entweder "Manche Regeln [bitten] mich geradezu darum, sie zu brechen" oder aber "Manche Regeln beten mich geradezu [an], sie zu brechen". Eine Vermischung beider Formulierungen wirkt ungelenkt.
Nächstes Beispiel ist "[...] weil ich mir beweisen bin". Dabei hieße es "[...]weil ich mir beweisen [will]".
Insgesamt stolpert man bei dir über eine Menge holpriger Formulierungen, die teilweise auch inhaltlich eine Veränderung schaffen, die dem Leser merkwürdige Bilder in den Kopf setzen:
"[...] und am Horizont das Institut, dem sie mit blanker Wut in den Augen hinterher sah [...]" Automatisch zwingt sich einem das Bild von einem Gebäude auf, das sich von alleine von der Person wegbewegt. Aber es ist der Buchcharakter, der sich von dem Gebäude entfernt. Besser wäre also: "[...] und am Horizont, das Institut, dem sie im Rennen einen letzen Blick zu warf [...]"
"[...] sie schlitterte über die regennasse Straße, worauf sich der Mond spiegelte und strich im Sekundentakt ihre langen Haare zurück, die ihr immerzu ins Gesicht flogen und ihre Sicht behinderten [...]" Dieser ganze Absatz im Prolog mutet äußerst merkwürdig an. Zum einen muss es hier heissen: "[...] die regennasse Straße, [auf der sich](!) [...]". Worauf ist hier schlicht und einfach die falsche Präposition. Dann muss man sich bitte bildlich vorstellen, wie es aussähe, wenn man wirklich beim Rennen im Sekundentakt die Haare aus dem Gesicht striche. Vielleicht solltest du "im Sekundentakt" durch "andauernd" ersetzen, damit schaffst du dir einen etwas weitgesteckteren Zeit- und Spielraum.
Und als letztes Beispiel noch eine Phrase, die sich so immer wieder im Text findet. "Ich zucke die Schultern". Dabei zuckt man nicht "die Schultern", sondern man zuckt "[mit den] Schultern".
Auch einige Metaphern wirken eher unbeholfen und erzeugen beim Lesen eine unstimmige Atmosphäre. So zum Beispiel: "Ein Gefühl, wie eine Tasse frisch aufgekochter Tee, an einem Wintertag, machte sich in mir breit [...]" Wir können erahnen, was du dem Leser mitteilen willst, aber es wirkt eher unbeholfen.
Ab und an entschwinden dir ganze Satzteile. So wie in folgendem Beispiel: "Ich reiße meine Schranktür auf, woraufhin ein großer Teil der Schwerkraft zum Opferfällt und sich auf dem Boden ausbreitet ..." Hier stellt sich die Frage: Ein großer Teil wovon fällt der Schwerkraft zum Opfer? Natürlich kann sich der Leser denken, dass du die Kleidumg meist, aber stilistisch und auch grammatikalisch korrekt, wäre es, ihm dies trotzdem mitzuteilen. Und auch die Präposition Woraufhin ist dann nicht wirlklich passend, sondern wäre mit Wodurch zu ersetzten. In etwa so: "Ich reiße meine Schranktür auf, wodurch eine großer Teil meiner Kleidung der Schwerkraft zum Opfer fällt und sich auf dem Boden ausbreitet [...]"
Dazu kommt, dass gerade deine Wortneuschöpfungen in großen Teilen Synonyme benötigen. Als Beispiel das Soldatenfeld. Genausogut kann man es Trainingsfeld nennen, oder als Areal bezeichnen, auf dem die Feldübungen stattfinden. Auch sonst hast du immer mal wieder Phasen, in denen du zu Wortwiederholungen neigst - begonnen bei den Namen der Charaktere. Eine Phrase hast du so oft genutzt, dass sie genausogut als Untertitel für die Geschichte hätte herhalten können: "Wir sind Novus." Meist gefolgt von anarchischen Sloagens, die Regelbrüche rechtfertigen sollten. (Nebenbei bemerkt ist das auch so ein Punkt, der dieses Buch für Jugendliche interessanter macht als für Erwachsene.)
Eine letzte Angewohnheit von dir noch: Du neigst dazu, Hauptsätze zusammenzuziehen. Das kann man machen. Gerade, um Szenen hektischer zu gestalten und eben jene Hektik und Unübersichtlichkeit literarisch zu untermalen, ist es kein schlechtes Mittel. Aber es sollte sparsam und mit Bedacht gewählt werden. Ist wie mit den Gaben. Das muss nicht schlecht sein, aber man sollte es mit Bedacht anwenden. Hier zwei Beispiele, bei denen die Aneinanderreihung von Hauptsätzen weniger durchdacht wirkte.
Nummer 1: "[...] imitiert sie Rhonda, sodass ich fast denke, dass sie vor mir steht, ich kann sogar ihr Lachen hören." Der letzte Teilsatz ist vollkommen selbstständig und es gibt keinen Grund, ihn diese Souveränität nicht auch zuzugestehen, um es für den Leser übersichtlicher zu gestalten. Läse sich dann so: "[...] imitierte sie Rhonda, sodass ich fast denke, dass sie vor mit steht. Ich kann sogar ihr Lachen hören."
Zweites Beispiel: "Seitdem ich denken kann, wieso fragst du?"
Hier ist es doppelt unglücklich, denn du vermischst eine Frage und eine Antwort miteinander. "Seitdem ich denken kann" ist die Antwort auf eine vorherige Frage, "Wieso fragst du?" ist eine Frage. Die Antwort muss mit einem Punkt abgeschlossen werden, die Frage mit einem Fragezeichen. Es läse sich also so viel eindeutiger und weniger verwirrend: "Seitdem ich denken kann. Wieso fragst du?"
Von diesen Punkten abgesehen, ist deine Ausdrucksweise wirklich passabel. Der Text ist, von diesen Stolpersteinen abgesehen, flüssig zu lesen.
Form: Werden die Formalien wie Rechtschreibung, Zeichensetzung und der Rest der Grammatik beachtet?
Deine sehr gute Rechtschreibung sei an dieser Stelle gelobt. Inklusive der Trennung oder Zusammenschreibung von Worten und der Groß-Kleinschreibung. Es waren nur sehr wenige Tippfehler, die aufgefallen sind und auch die Fehler in den Weiten der Zeichensetzung, sowohl bei Nebensätzen, als auch um wörtliche Rede herum, hielten sich in engen Grenzen. Das hat den Text wirklich gut lesbar gemacht.
Was die Wahl der Absätze angeht, war es in großen Teilen auch sehr gut. Du hast vorzugsweise dort Absätze gemacht, wo handelnde Personen gewechselt haben, so dass der Leser das leicht nachvollziehen kann. In den ersten Kapiteln passierte es dir zwar hin und wieder, dass du, obwohl die Person nicht gewechselt hat, bei neuerlicher wörtlicher Rede einen Absatz gemacht hast ("Wörtliche Rede", Einschub, ABSATZ, "Wörtliche Rede derselben Person"), aber das wurde nach hinten hin viel, viel besser. In dieser Hinsicht ist wenig zu meckern. Auch wenn du Kunstpausen durch Absätze realisiert hast, wirkte das überlegt und gewollt und hat auch seine Wirkung nicht verfehlt.
Das Einzige, was tatsächlich ab und an gestört hat, waren gelegentliche Sprünge in der Zeit. Du hast den Erzähltext fast durchgehend im Präsens gehalten, was nicht besonders verbreitet ist, aber wenn man sich einmal dran gewöhnt hat, kann man sich damit arangieren. Damit, dass aber zwischendrin Satzteile im Präteritum stehen ("erwiderte ich"), wird dieses Unterfangen arg erschwert. In der Vergangenheit darfst und sollst du Dinge schildern, die zurückliegen, nicht aber, die gerade passieren. Dahingehend solltest du den Text noch einmal prüfen. Es passiert auch nicht oft, aber eben immer wieder und erschwert es dem Leser zusätzlich, in den Text abzutauchen.
Ebenfalls aufgefallen ist, dass du hin und wieder Probleme mit dem Genus (Geschlecht) eines Wortes zu haben scheinst. So schreibst du beispielsweise: Das Kompromiss (es ist aber ein maskulines Substantiv, heißt also der Kompromiss). Und ein anderes Mal steht dort: Es kam zu großer Aufruhr. (auch hier: der Aufruhr, maskulin NICHT feminin)
Nun noch ein kleiner Moment, der uns zum Schmunzeln brachte: Carters Fahrer wird in deiner Geschichte als Schaffner bezeichnet, aber du meintest bestimmt Chauffeur ;-)
7 von 15 Punkten
Gesamteindruck
Formal betrachtet ist dein Text, von den gelegentlichen Zeitreisen mal abgesehen, top. Aber an der inhaltlichen Gestaltung solltest du arbeiten. Die flache Spannungskurve und das fehlende Eingehen auf Emotionen - welche Syd sonst äußerst selten(!) bemängelt - verhindern, dass sich der Leser mitreißen lässt. Schreibe nicht nur über die Hochs und Tiefs deiner Figuren, sondern zeige sie dem Leser. Deine gewählte Perspektive in Zusammenspiel mit der Erzählzeit schreien geradezu danach, dass du den Leser bis aufs Blut mit "Show, dont tell" quälst! Mache das. Du erzählst in der Gegewart, aus den Personen selbst hinaus. Dass der Leser hautnah am Geschehen ist und unmittelbar alles mitbekommt, was die Figur gerade erlebt, ist der absolute Pluspunkt dieser Erzählart. Nutze den aus und arbeite damit.
Dazu würde es sich sicher lohnen, zu der ein oder anderen Szene (s. Logiklücken) Skizzen anzulegen und sich genau anzuschauen, wie es sich damit verhält. Auch solche Eckpunkte, wie die Anzahl der Gaben oder Novus sollten sich stringend durch den Text ziehen.
Ansonsten besitzt deine Geschichte Potenzial, dass du ausbauen kannst, sodass du auch durchaus ältere Leser begeistern könntest. Die Idee ist gut, aber da liegt noch Arbeit vor dir.
1 von 3 Punkten
Gesamtpunktzahl: 60 Punkte
Erreichte Punktzahl: 32,5 Punkte
Persönliche Anmerkung
Wie euch vielleicht aufgefallen ist, lassen sich einige der bewerteten Bücher in einem Schema zusammenfassen. Das ist nicht schlimm, man kann das Rad nicht ständig neu erfinden und das Thema bietet auch großes Potenzial und die Umsetzung ist bei jedem wieder anders. Aber wie bei Geschmackstestern, die zwischendrin immer mal wieder zur Neutralisierung ihrer Nerven einen Schluck Kaffee trinken, brauchen wir auch mal Abwechslung, um nicht bei den ganzen Geschichten von tragischen Junghelden wider Willen durcheinander zu kommen. Liest man etwas, das einem sauer aufstößt, zum fünften Mal, ist man nicht mehr halb so objektiv wie noch beim dritten Mal. Man lässt sich auch von guten Punkten weniger mitreißen. Um diese Subjektivität also nicht aufkommen zu lassen, haben wir uns außerhalb der Reihe ein Werk gesucht, das wir mit Erlaubnis des Autors rezensieren werden - in der nächsten Rezension, außerhalb der Warteliste.
Um gleich Unmut zuvorzukommen: Wir kennen den Autor nicht persönlich, uns gefällt das Werk und das Setting bietet eine entsprechende Abwechslung, die wir gerade brauchen. Es handelt sich auch nicht um eines unserer Werke. Von derlei Eigenwerbung halten wir wenig.
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