'Enderals Chroniken' von FabianPiehl
Titel
Enderals Chroniken 1 - Im Zeitalter der Schatten
Autor
Genre
Horror-Fantasy-Abenteuerromen
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Mal wieder eine Ankündigung vorweg: Ja, hier passiert noch etwas. Ja, ich werde auf jeden Fall die ausstehenden Kritiken abarbeiten, schon allein weil ich mir zwei selbstständig ausgesucht habe. Die Frage ist nur, wann. Gründe erspare ich euch an dieser Stelle. Dass Zeit nicht auf Bäumen wächst wisst ihr vermutlich so gut wie ich. Also in dem Sinne: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Frisch ans Werk.
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G E S A M T E I N D R U C K
Insgesamt hat das Werk mich wenig überzeugt. Von außen gibt es ein stimmiges Bild ab, aber zwischen den Buchdeckeln habe ich mich nicht wohl gefühlt. Handlung war da, sie ist stellenweise sogar recht interessant, es ist auch nicht so, dass ich völlig den Faden verloren hätte - obwohl es mehrere Perspektiven gibt - aber dennoch wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte es gerne gelesen, obwohl ich mich eigentlich auf das Buch gefreut hatte. Neben der teils sehr dichten Handlung fehlen mir Details an allen Ecken und Enden, ob es nun die Beschreibung der Umgebung ist oder Hintergründe zu deinen Figuren. Bisher ist die Handlung tatsächlich das Einzige, das mich ein bisschen gefesselt hat, was mir persönlich nicht genügt, um ein Buch zu mögen oder als gut zu befinden, denn ich muss hier klar Handlung (gut) und Spannungsaufbau und Umsetzung (na ja) trennen. Figuren, Stil, textliche Gestaltung, Welt ... Ich habe es nicht wegen dieser Punkte so weit gelesen, sondern trotzdem.
Dabei macht es den Eindruck, als stecke wirklich eine gute Geschichte darin. Immerhin ein Punkt hat den Wunsch in mir geweckt, mehr zu erfahren, was mehr ist, als viele andere Bücher, die ich für dieses Kritikbuch gelesen habe, geschafft haben. Und um die restlichen Patzer auszugleichen, muss es echt sehr gut gewesen sein! Es kann also kein vollkommener Schrott sein. Wenn ich dir also jetzt in den nächsten Zeilen sage, wie groß der Berg Arbeit ist, der vor dir liegt, darfst du dir ab und an selbst zuflüstern 'Es ist nicht alles schlecht!'.
L E S E E M P F E H L U N G
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Werk für Leser zu empfehlen, die Fantasy-Heldenreisen vor allem wegen der Ereignisse lesen. Wer den klassischen Kampf Gut gegen Böse zu schätzen weiß, weniger der Sprache willen oder aus Interesse an den Figuren liest, der könnte mit Enderals Chroniken glücklich werden. Ausschweifungen bleiben euch größtenteils erspart.
Auf der anderen Seite sollten sich diejenigen noch eine Weile gedulden, die dann doch Wert auf Charakterinnenleben oder ausschweifende Welten legen. Meiner Meinung nach fehlen für diese Aspekte zu viele Details. Auch, wer die Erwartung hat, ein volllektoriertes Werk vorzufinden, sollte noch ein paar Wochen ins Land streichen lassen.
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C O V E R
Wirkung
Monochrome Abbildung eines Raben, der sich entweder in schwarzen Rauch auflöst oder aus diesem entsteht. Dazu Gries, der herumfliegende Asche oder Schnee sein könnte und ein schwarzer, in verschnörkelter, aber lesbarer Schrift geschriebener Titel, Untertitel, Autor und sogar die Textform wird ausnahmsweise sogar benannt.
Es macht auf jeden Fall einen ziemlich düsteren Eindruck. Raben, Aasfresser allgemein, sind nicht als die Herolde der Freude und des Optimismusses bekannt, auch schwarzer Dunst geht eher als Bote des Todes durch. Obwohl ein Großteil deines Covers aus weißer Fläche besteht, auf der die Ascheflocken verteilt sind, wirkt es eben nicht hell, sondern die weißen Parts dienen bloß dazu, um die dunklen im Kontrast noch düsterer darzustellen. Dadurch schaffst du gekonnt eine ziemlich kraftvolle, aber eben finstere, trostlose Atmosphäre.
Es hebt sich in meinen Augen auch gut von den Standard-Covern auf Wattpad ab. Es ist absolut nicht überladen, du konzentrierst dich auf das eine Objekt und überlässt ihm das gesamte Feld. Dadurch verbreitet es keine Unruhe, trotz dieser Grissels. Letztere machen mich allerdings etwas nervös, je länger ich sie anstarre. Ich möchte sagen, dass die Bildqualität schlecht ist, wie auf einem alten Film, weiß aber nicht, ob das vielleicht sogar beabsichtigt ist. Es muss ja nicht ständig ein Hochglanzcover sein, aber das gehört eh zum nächsten Punkt. Von der Wirkung her stört mich ziemlich wenig. Ein nettes Symbolmotiv, schöne Einstimmung, klarer Fokus (nicht mittig, aber eben dennoch in einem erkennbaren Bogen angeordnet) kann man so machen.
Handwerk
Ich unterstelle dir jetzt mal ganz böse, dass du das Bild irgendwo gefunden und schlichtweg bloß den Text daraufgeschrieben hast. Das ist auch in Ordnung. Nur, weil man fünfundzwanzig Bilder einbindet, wird ein Cover dadurch nicht besser.
Was mich aber stört, ist die Anordnung des Textes. Man kann natürlich den Titel in seine Bestandteile auflösen und diese versetzt aufs Cover schreiben, aber dann versuch wenigstens, die Seitenabstände gleich zu halten. Sprich: Dass "Enderals" denselben Abstand zum linken Rand hat, wie "Chroniken" zum rechten. So würde das "Enderals" auch nicht in den Schwingen des Raben verschwinden. Du schlägst hier zwei Fliegen mit einer Klappe.
Die Schrift finde ich nett gewählt, etwas verspielt, altertümlich (findet man wahrscheinlich auf den Font-Webseiten unter Irish/Celtic), aber schön anzusehen und in einer ordentlichen Größe, dass sich alle Bestandteile gut lesen lassen.
Was sich in dem Zusammenhang beißt, ist der Autorenname, der stumpf in Arial darübergerotzt worden ist. Stünde der unten, wie die Textgattung (Roman), würde es mich weniger stören, aber im direkten Vergleich ist das ... ernüchternd. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn kaum eine Schriftart ist nüchterner als Arial. Ja, der Autorenname sollte schnell erkenntlich sein, sich auch vom Titel unterscheiden, aber er sollte ins Gesamtbild passen. Daher: Arbeite hier doch noch einmal nach.
Sonst einfach, aber nicht schlecht. Der Vorteil, wenn man nicht 1000 Filter drüberklatscht, ist ja, dass man wenig falsch machen kann. Persönlich würd mich aber schon interessieren, ob neben den offenbar gewollten Flöckchen auf dem Cover dieser Gries bloß das übliche Komprimieren von WP ist, das die Qualität drückt, oder ob das Ursprungsbild schlechte Qualität hatte und ob das Absicht war.
T I T E L
Wirkung
In mir persönlich regt sich beim Lesen dieser "Oh, schon wieder Chroniken ..."-Reflex. Das hängt aber stark von den verschiedenen Lesern ab. Manche lieben es, eine Chronik nach der anderen zu verschlingen, andere sind davon inzwischen einfach übersättigt, weil es so viele davon auf dem Markt gibt. Es kann anziehen, genauso wie abstoßen. Es ist also ein Glücksspiel.
Der Begriff Enderal lässt mich auf eine fremde Welt hoffen. Worldbuilding ist - egal ob SciFi oder Fantasy - eine ziemlich anspruchsvolle Disziplin und es versuchen sich immer wieder Leute daran, deren Ergebnisse mal mehr mal weniger überzeugen. Ich bin so naiv und habe jetzt mal Hoffnung. So!
Zeitalter der Schatten bestätigt mir, was ich nach Betrachten des Covers bereits vermutet habe: Es wird düster. Wir werden also schwere Zeiten Enderals erleben, wie sich das so gehört.
Chroniken, Schatten, Zeit - das sind alles recht häufig genutzte Motive, besonders im Bereich der Fantasy. Aber der Vorteil von Eigennamen ist ja, dass man zumindest in dem Punkt schon einmal ein kleines Alleinstellungsmerkmal hat, wodurch das Gesamtwerk schon einmal hervorsticht. Besonders viele Deutungsmöglichkeiten gibt es beim Titel nicht, aber er verrät auch nicht besonders viel, trotzdem gibt er eine ungefähre Stimmung vor. Es wäre eine Kombination, bei der ich zumindest den Klappentext durchlesen würde.
Ich merke jetzt mal nicht an, dass ich es schön finde, dass der Titel in der Muttersprache des Zielpublikums verfasst ist. Alles andere hätte in meinen Augen auch sehr wenig Sinn ergeben.
K L A P P E N T E X T
Nach langer Zeit in der Versenkung kehrte der verloren geglaubte machthungrige Kaiser Clayk Rodan zurück. Im Gepäck hat er eine riesige Organisation[,] die Schattenjäger. Sie erobern die Kaiserstadt und führen von dort aus seinen Plan durch. Er giert danach, sich alles Untertan zu machen und [sich] an seinem Bruder zu rächen. Nur der Sohn des amtierenden Kaisers und dessen Freunde entkommen und versuchen[,] vom Schicksal auserkoren[,] das Machtspiel zu beenden. Eine Reise voller Gefahren steht vor ihnen. Wer gewinnt den Kampf der sich ewig bekämpfenden Familie?
Handwerk
Die Länge finde ich sehr angenehm. Ein übersichtliches Mittelmaß. Beim Lesen fielen mir allerdings zwei Dinge schmerzhaft ins Auge: Erstens magst du anscheinend das Wort Kaiser sehr gerne. Zweitens hast du anscheinend eine Abneigung gegen Kommas, was unter normalen Umständen ein Ausschlusskriterium für die Kritiken hier ist. Aber komm, für die letzten vier Kritiken ...
Zuerst die Wortwiederholungen. Die erste Erwähnung, als Titel von Clayk Rodan, geht klar. Kaiserstadt ließe sich als Hauptstadt übersetzen, sofern das in deiner Welt äquivalent ist, und den amtierenden Kaiser unten solltest du eh ersetzen (Herrscher? Rodans Nachfolger?), um Verwirrungen vorzubeugen. Du erwähnst im Text einen Kaiser und plötzlich geht um den Sohn eines Kaisers - was meinst du, wie viele Leser da auf die Nase fallen und die falschen Schlüsse ziehen? Vielleicht solltest du auch mal erwähnen, dass Clayk Rodan eben kein amtierender Kaiser ist und er gedenkt, seinen Nachfolger zu stürzen, anstatt von einem ominösen Plan zu berichten?
Die Kommas sind oben in eckigen Klammern markiert, da gehe ich nicht näher drauf ein. In Zeiten von Duden Mentor gebe ich auch zu, dass mir zunehmend das Verständnis dafür fehlt. Beim ersten Komma bietet sich sogar ein Doppelpunkt an, um die dramatische Betonung noch mehr zu verstärken.
Der Infinitivsatz, in dem du das Sich vergessen hast, kommt mir zudem arg umständlich vor. "Er giert nach seiner alten Macht und nach Rache an seinem Bruder." Zack, fertig, ohne Nebensätze, kurz und knackig. Nicht so umständlich, keep it simple. "sich ewig bekämpfende Familie" ist übrigens ähnlich von hinten durch die Brust ins Auge. "verfeindete Familie" hätte es auch getan und ich bin mir sicher, wenn du da mal fünf Minuten drüber meditierst, fällt dir noch was viel besseres ein.
Dann wäre da noch die Reise, die vor dem geflüchteten Sohn des Kaisers (Rodans Neffe?) steht. Wie steht die da? Gebückt? Militärisch? Gebeugt? Ereignisse stehen einem bevor, aber nicht vor einem. Gilt auch für Reisen. Sie können aber vor einem liegen. Liegen, nicht stehen. Und trotzdem möchte ich dir auf die Finger hauen, denn es ist eine ziemlich totgerittene Klappentextphrase. Lass sie einfach weg. Niemand wird sie vermissen.
Aber am meisten wehgetan hat dein erster Satz. Strukturell ist er okay, aber mit "verloren geglaubt" verbinde ich Leute, die vermisst werden. Und verzeih mir meine Zweifel, aber ich glaube eben nicht, dass Rodan von irgendjemandem in Enderal vermisst wurde. Schon die Beschreibung "machthungrig" lässt ihn jetzt nicht mega sympatisch rüberkommen. Dass er gleich einen ganzen Pulk Attentäter im Schlepptau hat, macht ihn nicht vertrauensvoller. Und dann ist der Typ noch von Rache zerfressen. Wer soll dem bitteschön eine Träne hinterher geweint haben? Verschollen, verschwunden, okay. Aber verlorengeglaubt? Ich denke nicht. (Zukunfts-Syd: Nein, den hat so gut wie niemand vermisst! Der Typ ist verbannt worden und das nicht grundlos. Es gab Leute, die ihm hinterhergetrauert haben, aber die hielten sich bedeckt.)
Sonst finde ich, dass der Informationsgehalt ziemlich gut gewählt ist. Es ist nichts dabei, das ich als vollkommen überflüssig werten würde (gut, der Reisesatz, aber da ist auch keine Info drin, die im Rest fehlen würde), davon abgesehen keine nervigen Phrasen, du beginnst nicht mit dem Namen des Protagonisten und gibst insgesamt einen netten Überblick über das, was einen erwartet. Die Frage am Ende kann ich auch verschmerzen, obwohl ich kein großer Fan davon bin, aber es nur eine und endlich mal KEINE Ja/Nein-Frage, sondern eine offene Frage, die, da es mehrere Akteure gibt, auch noch Sinn ergibt. Lob dafür.
Inhalt
In dem Punkt hat mir der Klappentext äußerst gut gefallen. Wir haben den ehemaligen Kaiser, der - aus welchen Gründen auch immer - irgendwann von der Bildfläche verschwunden ist. Wir haben seinen Nachfolger, der, vielleicht, sein Bruder ist, und dessen Sohn inklusive seiner Freunde. Damit ist das Charaktersetting schon einmal grob umrissen und der Plot ist auch klar: Clayk Rodan taucht auf, will seine Macht zurückhaben, der Sohn seines Nachfolgers kann fliehen und steht nun mit seinen Freunden vor der Aufgabe, das Land von Clayk wieder zu befreien.
Gut, es ist schon eine Menge, was verraten wird, aber das Ende bleibt offen und die Details ebenfalls. Ich würde vielleicht das "Nur" streichen, als du davon sprichst, dass der Sohn des amtierenden Kaisers fliehen kann. Du schreibst zwar nicht, ob Rodan dessen Vater tötet oder nur gefangen hält, aber der Tod würde bei der Formulierung nicht überraschen. Daher: Der Sohn flieht, was mit dem Rest ist, lass ruhig völlig offen, um auch diesen Part nicht vorweg zu nehmen.
Aber auch so bleibt noch genügend Spannung übrig. Ich persönlich frage mich zum Beispiel, warum Clayk damals verschwand. Und ob er und der amtierende Kaiser nun tatsächlich Geschwister sind - so ganz geht das nämlich nicht hervor. Er hegt einen Hass auf seinen Bruder und entmachtet den amtierenden Kaiser. Das muss ja nicht ein und dieselbe Person sein.
Dann finde ich, dass die Schattenjäger als Organisation ganz interessant klingen, aber ich würde da nicht so sehr ins Detail gehen. Eine skruppellose Gefolgsschar, die jeden seiner Befehle ausführt. Heb dir die Details dann dafür auf, wenn er wirklich auftaucht und diese Gefolgschaft zur Gefahr wird. Der Name klingt schon mächtig, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in Verbindung mit den Taten durchaus mehr Effekt hätte.
Von der Kaiser-Bruder-Verwirrung abgesehen sind es eher Kleinigkeiten. Meiner Meinung nach ist er inhaltlich schon sehr gut gehalten, insbesondere was die Ausgewogenheit von Andeutungen und Informationen betrifft. Er vermittelt keine gestochen scharfe Skizze der Ereignisse (was totlangweilig wäre), sondern ein Gefühl und eine Ahnung. So soll es sein.
K O N T E X T
Da es sich um den ersten Teil einer Reihe handelt und der Titel des Gesamtwerks (Enderals Chroniken) eher generisch ist, ist es logisch, dass sich das Cover vielmehr auf den aktuellen Teil und damit den Untertitel bezieht. Den Aspekt der Zeit könnte man jetzt in den Raben und den schwarzen Dunst interpretieren, denn nichts symbolisiert die Endlichkeit so drastisch wie der Tod, aber viel deutlicher ist schon der genannte Schatten zu erkennen, denn das Cover scheint quasi aus diesen zu bestehen. Also Cover und Titel passen wie Faust aufs Auge, würd ich mal meinen. Selbst dann, wenn man diese abstrakte Deutung mit dem Tod einfach mal außen vor lässt.
Der Klappentext passt auch wunderbar in dieses Dreigestirn der Finsternis. Machtkämpfe, Rache, blutigen Fehden. Man könnte sagen, Clayk ist der Schatten, der Endaral das neue Zeitalter bringt. Und es ist super, wenn man die einzelnen Komponenten so schön aufeinander beziehen kann. Sie bilden eine tolle Einheit, ein düsteres Gesamtpaket. Gut gemacht!
T A G S
Zu den Tags der übliche Hinweis: Tags zu Awards, die nicht mehr laufen, würde ich an deiner Stelle entfernen. Um es übersichtlich zu gestalten. Es zeigt, dass ihr organisiert seid und euch noch um dieses Werk kümmert, wenn ihr auch sowas gelegentlich entrümpelt. Wenn da Tags drin rumdümpeln, die sichtlich vom vorletzten Jahr sind, wirkt das ein bisschen verwarlost.
Fantasy, Horror und Abentuer. Gleich drei Genres. Das ist eine Herausforderung. Bedenke dabei, dass Horror nicht bedeutet, dass da 2 Splatter-Szenen drin sind. Das Genre Horror spielt in einer verdammt hohen Liga mit den Vorahnungen, Hoffnungen und Befürchtungen der Leser. Verwechselt das bitte nicht mit drei, vier Gruselszenen. Aber Fantasy und Abenteuer ist eingängig.
Auf die guten Tags gehe ich mal nicht ein, aber #kaiser und #könig halte ich für mäßig gut gewählt. #könig deshalb, weil es bei dir keine Könige gibt. #kaiser, weil es eine hier auf Wattpad eher selten gewählte Form ist, weshalb sich in der entsprechenden Leseliste auch bloß 53 Geschichten befinden. Du kannst ihn natürlich drinlassen - immerhin wird man bei so wenigen Geschichten weniger übersehen - aber bedenke, dass auch eher wenige danach suchen werden. Dafür kannst du beides unter #monarchie vereinen. Oder #herrscher.
#menschen enthält zwar mehr Bücher, aber ich nehme mal an, du hast beim Setzen der Tags überlegt, welche Kreaturen bei dir so die Hauptrolle spielen und ... Na ja, Menschen spielen in gefühlt 99% der Geschichten auf Wattpad die Hauptrolle. Also, wenn wir Werwölfe da mit zu zählen, sonst wird das knapp. Wäre das irgendwie das Hauptthema des Buchs, würd ich nichts sagen, aber nur weil Menschen vorkommen ... Das halte ich für dünn.
Als Ergänzung zu #ritter würde ich dir zudem #krieger empfehlen. Das ist weniger spezifisch und ein gern genutzter Begriff.
Dazu noch die Gefühle, die du auch im Klappentext nennst oder andeutest: #rache, #hass oder das Gieren nach #macht.
Orga-Tags: #emeraldaward2019 #fantasy #abenteuer #horror #redroseaward
Gute Tags: #drachen #elfen #familie #freundschaft #kampf #magie #ritter
Schlechte Tags: #kaiser #könig #menschen
Vorgeschlagene Tags: #krieger #monarchie #herrscher #rache #hass #macht
S T O R Y A U F B A U
Einleitung
"Seid Gedenken bewohnen die Elfen den Kontinent Esgath."
Ich weine gerade ein bisschen. Normalerweise halte ich hier oben ja Grammtik/Rechtschreibung total raus, aber das erste Wort ist ein fucking Rechtschreibfehler. "SEIT Gedenken bewohnen die Elfen den Kontinent Esgath." Geht ja gut los ... Ein Komma fehlt nicht, da die Präposition den Satz einleitet, aber bitte prügel dir diesen Unterschied ins Hirn. Seit: Zeitliche Präposition. Seid: 2. Person Pl. Präsens von Sein (Ihr seid). Passiert mir auch mal ganz selten, aber nicht im ersten Satz als erstes Wort ...
Aber zur eigentlichen Einleitung: Du beginnst mit einem kurzen Abriss über die geschichtlich jüngsten Entwicklungen im Reich der Elfen, dem ordnungsgemäßen Abdanken des vorherigen Kaisers, was zum Chroniken-Thema ganz gut passt. Machtübergabe an die beiden Söhne, die sich die Herrschaft teilen sollen und - Überraschung! - das geht schief.
Danach folgt ein harter Schnitt, denn statt dort anzuknöpfen, bekomme ich die Information "Die Elfen führen seit dreihundert Jahren einen schweren Krieg gegen die Menschen." Schön! Toll! Und ... Was hat das mit dem vorherigen Absatz zu tun? Du verbindest diese beiden Dinge erst Sätze später miteinander, dass dieser Zwist zwischen den beiden Erben ihre Position schwächt. Wieso? Vom Aufbau her ist das nicht schlau. "Hier, Machtübergabe, Streit, Uneinigkeit. Ach, übrigens, tausend Jahre zuvor haben die Elfen einen Krieg vom Zaun gebrochen, folgende Partien sind involviert, hier noch ein paar neue Kreaturen mit erdachten Namen, klar, die Elfen waren nicht ganz unschuldig. War jetzt nur blöd, dass der Zwist, ich sprach da ganz am Anfang von, da strategisch eher doof war." Warum springst du zwischen zwei Fakten so sehr, obwohl sie sich doch wunderbar verbinden lassen? Entweder arbeitest du es chronologisch auf (Chronik, das hängt zusammen), und beginnst mit dem Krieg der Elfen gegen die Menschen, oder du leitest direkt vom Konflikt der Brüder zu der Schwäche in den außenpolitischen Schwelbränden über, die dadurch entsteht. Zerrupfe Zusammehenhänge nicht wie Fricassee, sondern leite sie ineinander über.
Von da ab wird quasi das gesamte Leben der Brüder einmal im Schnelldurchlauf abgefertigt. Ein Kampf, die Verbannung Clayks an den Rande des Kontinents, seine Versuche, zurückzukehren und die Macht zurückzuerlagen, wie er dabei scheitert und dann endgültig in die Schattenwelt flüchtet, um sein kümmerliches Leben zu bewahren. Währenddessen schließt sein Bruder Seard mit den Menschen Frieden und teilt das Land unter seinen vierundfünfzig treusten Rittern auf, ist aber irgendwie immer noch der Kaiser des Elfenreichs.
Es klingt mehr wie aus einem Lehrbuch, ist also kein Text, der den Leser besonders nah ans Geschehen führt, sondern fasst die Ereignisse bloß zusammen. Ist durchaus eine Möglichkeit, kann man machen, aber dann muss man extrem sauber arbeiten, denn dadurch, dass man wenig erlebt, sondern bloß erzählt bekommt (Ja, reinstes Tell statt Show), fesselt es weniger und jeder Fehler kann in die Flucht schlagen. Und Fehler habe ich massig gefunden. Da sind ziemlich verkorkste Formulierungen drin. Der Großteil kommt unten, aber hier mal ein Beispiel vorweg:
"Clayk, der Machthungrige, wusste um die ihm gegebenen Nachteile. Er war nicht so fähig wie er und versagte im Zweikampf der Geschwister. Selbst die treusten Anhänger entfernten sich und liefen über. Um die ihn einschränkenden Schwächen zu beheben, forschte er nach einem Zugang zur Schattenwelt."
Es gibt einen Unterschied zwischen großartiger Eloquenz und verschwurbelten Texten. Es tut mir leid, aber das hier ist ein verschwurbelter Text, der schlichtweg unnötig kompliziert und mit möglichst ungelenken Formulierungen gespickt wurde, um ihn irgendwie altertümlich klingen zu lassen.
Der erste Satz geht so noch durch, aber der zweite? "Er war nicht so fähig wie er [...]" Wie wer? Wie sein Bruder? Wer ist jetzt welcher Er? Wer verliert da nun? Vermutlich Clayk, aber kann auch sein, dass hier einfach ein Absatz vergessen worden ist, um den Wechsel zu kennzeichnen.
Man kann und man soll ruhig Personalpronomen zur Vermeidung von ständigen Namenswiederholungen nutzen, aber eben nur dann, wenn dennoch deutlich bleibt, wer gemeint ist.
"Selbst die treusten Anhänger entfernten sich und liefen über." Es ist ne Zusammenfassung, warum dann diese Dopplung? Selbst seine treusten Anhänger kehrten ihm den Rücken/entfernten sich/schlossen sich den Reihen seines Bruders an/liefen über. EINS davon reicht völlig, bzw. ist "liefen über" eindeutig, "entfernten sich" nicht, da sie ja auch woander hingehen könnten, aber statt zwei Formulierungen würd ich dann die eindeutige wählen.
"Um die ihn einschränkende Schwäche zu beheben [...]" ist aber der absolute Hammer. Bestes Beamtendeutsch, das ich seit langem gelesen habe. "Ab einer Wassertiefe von einem Meter, hat der Soldat mit Schwimmbewegungen zu beginnen." Im Ernst, was spricht gegen: "Um sich einen Vorteil zu verschaffen"? Nur weil deine Geschichte in einem altertümlichen Setting spielt, muss das nicht heißen, dass die Sprache dem Leser das Hirn verdrehen muss. Partizip ist wie Salz: Ne Priese ist okay. Mehr kriegst du auch mit nem Kilo Zucker nicht wieder gerichtet.
Dein Text strotzt vor solchen Kloppern und das stört massiv. Spracheleganz: Ja, erwünscht. Du darfst auch gerne das ein oder andere Wort der gehobenen Sprache nutzen, da sagt keiner etwas gegen. Aber es sollte verständlich bleiben und dennoch natürlich klingen. Gerade Letzteres ist etwas, das viele, die sich an historischen Romanen oder eben mittelalterlicher Fantasy versuchen, gnadenlos verkacken.
Ich könnte jetzt noch anmerken, dass das erste Kapitel der reinste Infodump ist, aber wie gesagt, mit dem Thema der Chronik finde ich diese Einleitung gar nicht so doof. Passt ja thematisch. Das Ding heißt Chronik, wieso nicht wie bei einer Chronik beginnen? Wenn man über den ersten Themenschlenker in den ersten drei Absätzen mal hinaus ist, ergibt das Erzählte auch Sinn.
Was ich persönlich noch stimmiger gefunden hätte, wäre wohl gewesen, wenn du es als eine Art Märchen oder Legende geschrieben hättest, wie man es sich unter den Elfen erzählt. Vielleicht in einer Kneipe, wo Elfen es einem Wanderer erklären, oder eine Elfengroßmutter, die es abends ihrem Enkel vorm Schlafengehen vorliest. Vielleicht sogar von einem ehemaligen Schattenelfen, keine Ahnung, beim Lagerfeuer auf nem Gewaltmarsch mit den anderen seiner Einheit und dass er es bereut, damals Clayk verfallen zu sein oder so. Auf diese Weise wäre es womöglich näher gewesen und nicht so trocken heruntererzählt. Aber dennoch: Zur Chronik passt es. Wie viele Leser das allerdings zu würdigen wissen, weiß ich persönlich nicht.
Dagegen verwirrten mich die letzten drei Sätze dann doch noch einmal. Die sind nämlich in der Ich-Perspektive geschrieben und ich habe keine Ahnung, wer die sagt.
"Angst, Verzweiflung, Trauer. Alles Gefühle, die ich ihnen zufügte. Das Schicksal hat mich zum Sündenbock auserkoren. Dies ist die Geschichte, wie ich den Hass der Welt auf mich zog, um das Unabdingbare zu ändern."
Ich vermute mal, dass es Clayk ist, und die Geschichte so, wie sie erzählt wird, dann doch nicht ganz richtig ist, aber das ist nur eine Vermutung. Wenn das tatsächlich so ist, find ich das sogar irgendwie gut. Ich würde trotzdem die Sätze vom Rest des Erzähltextes mittels Absatz trennen und anders formatieren (z. B. kursiv), sonst stolpert man über diesen Wechsel.
Handlung
Itaro, der Sohn von Seard, dem friedvollen Elfenkaiser, findet eines Abends einen Brief vor seinem Gemach. Darin eine mysteriöse Nachricht, die ihm die Finsternis ankündigt. Er verfolgt den Boten, der zwei der Wachen tötet und ihm erklärt, dass die Nachricht von Clayk, seinem Onkel, ist und verschwindet erneut, woraufhin Itaro augenblicklich einschläft.
Am nächsten Morgen berichtet er seinem Vater von der Botschaft, der ihn darauf wütend nach den Worten des Boten fragt, als Explosionen von den Grenzmauern her zu hören sind.
Der Angriff selbst wird abwechselnd aus Itaros Sicht und der einer Wache, Adrian, geschildert.
Während Adrian den Angriff beobachtet und schließlich ins Schloss reiten will, wird Itaro in den Schlosshof geschickt, um die Wachen zu alarmieren. Er tut, wie ihm geheißen, und reitet anschließend mit zehn Gefolgsleuten in Richtung der Explosionsstelle, wobei er auf dem Weg zwecks Versorgung der Verletzten seine Gefolgsleute zurücklässt und in einen ominösen Nebel reitet, wo er den Boten der Nachricht wiedertrifft. Er will ihn angreifen, wird jedoch davon abgehalten, worauf der Bote wieder verschwindet, wobei sein Hinweis Itaro darauf aufmerksam macht, dass sein Vater nun allein im Schloss ist. Bei seiner Rückkehr wird der Kaisersohn von einer zweiten Explosion gegen die Schlossmauer geworfen, doch mithilfe eines Ritters schafft er es stehenden Fußes hinter die sicheren Mauern, die jedoch vom Feind eingenommen worden sind. Dort muss er zusehen, wie Clayk über seinem blutüberströmten Vater steht und ihn verhöhnt. Itaro wird niedergeschlagen und eingesperrt.
Etwas entfernt wacht Adrian irgendwo auf und begutachtet die Verwüstung. Nachdem er seine eigenen Verletzungen versorgt hat, wird er von einer Frau gebeten, ihren eingeklemmten Mann zu befreien, was er auch tut. Sie werden jedoch von Schattenelfen entdeckt und Adrian wird gezwungen, mit ihm zu gehen. Es zeigt sich, dass die Schattenelfen alle Ritter der kaiserlichen Armee versammelt haben, damit Clayk eine Ansprache an sie halten kann, bei der sie die Gelegenheit bekommen, sich ihm anzuschließen. Andererseits unterschreiben sie ihr Todesurteil. Adrian willigt ein, woraufhin er zu seiner Familie läuft. Sein kleiner Sohn wird direkt im Anschluss von den Schattenjägern entführt, die von Adrian fordern, ihm entweder den Kopf abzuschlagen und sich der Leibgarde Clayks anzuschließen, oder aber selbst sein Leben zu verlieren. Adrian sieht ein, dass er das Leben seines Sohnes nicht retten kann und gehorcht, hegt jedoch den Plan, die Schattenjäger zu infiltrieren und von innern heraus zu zerstören.
Und wer jetzt denkt "Danach folgt Band zwei der Chronik" - nein, das ist die Handlung des ersten Kapitels. Des - ersten - Kapitels. Und ja, Adrian hat seinen eigenen Sohn geköpft, aber Dramaturgie und Co kommt ja später.
Also, mangelnde Handlungsdichte kann man dir nicht vorwerfen. Es passiert eine Menge und ja, es hat einen Roten Faden, denn alles dreht sich um den Angriff und die feindliche Übernahme Esgaths. Das hat schon einen gemeinsamen Nenner. Du ersäufst es auch nicht in Subplots, auch wenn kleine Neben-Quests aufploppen, wie die Rettung des eingeklemmten Mannes, später das Drama um die Silbernen Katzen oder der Kerbeos. Viele Dinge sind auch nachvollziehbar und schlüssig geschrieben. Es ist nicht so, als würde das alles völlig unzusammenhängender Brei sein. Die Handlungen bauen aufeinander auf.
Aber es gibt auch ein paar Details, die mich schlichtweg mit dem Kopf schütteln ließen, rein aus Logiksicht.
Da wäre einmal das Siegel auf der Botschaft. Es ist tiefschwarz und löst sich nach dem Siegelbruch spurlos auf. Ich weiß nicht, ich bin jetzt kein Elf, aber wenn mein Land vor wenigen Jahren mal Gefahr lief, von einer Horde Schattenkrieger überrannt zu werden, an die ich Tag und Nacht denken muss ... Ich weiß nicht, aber ich glaube, ich wäre drauf gekommen, wenn so ein schwarzes Siegel sich in Luft auflöst, dass es irgendwas mit Schattenelfen zu tun haben könnte. Und ich bin jetzt nicht übermäßig intelligent. Itaro steht aber völlig belämmert davor und rätselt vor sich hin und ist hinterher total überrascht, einen Schattenelfen vor sich zu haben. Nun, vielleicht ist er einfach nicht der Hellste ... Nachdem ich irgendwann erfahren habe, dass Magie unter den Elfen recht verbreitet ist, wunderte es mich, dass er sich überhaupt über ein magisches Siegel wundert. Müsste eine alltägliche Spielerei sein.
Dann erzählt Itaro seinem Herrn Vater von der Botschaft, der erstmal total auf 180 ist, weil er denkt, sein Sohn würde ihn veralbern (obwohl das wohl gar nicht seine Art ist), zerstört das Mobilar mutwillig und fragt dann, als er checkt, dass Itaro keine Scherze macht, folgendes: "Was hat der Bote gesagt?" Dumm nur, dass Itaro bisher nur etwas von einer schriftlichen Nachricht erzählt hat, nix von einem Gespräch mit dem Boten. Seard kann das also gar nicht wissen.
Genauso wenig wie Itaro drei Tage nach der Flucht aus Esgath wissen kann, ob sein Vater noch lebt. Sie wurden an der Grenze getrennt, ob Clayk ihn eingesperrt oder getötet hat, weiß er nicht.
Ich überspringe jetzt einfach mal, dass Itaro, dem sich bei der Explosion eine Scherbe durch die Hand gebohrt hat, diese einfach so rauszieht und das nie wieder erwähnt wird. Wozu auch? (Gehört das jetzt zur Dramaturgie? Hmm ...)
Genauso wie ich das gejagte Wildschwein auf der Reise nicht thematisieren werde und dass Schalenwild wie Haarwild zwei Stunden nach seinem Tod einfach nicht schmeckt, egal wie toll man es über Feuer röstet und dass das Zeug in der Regel mindestens zwei Wochen abhängt, selbst Hasen 24 Stunden lagern sollten.
Dann bleibt noch die Frage: Warum überlebt Adrian die Explosion überhaupt? Im Schloss, hinter dicken Mauern und Fenstern, hat es sie weggeschleudert. Dass zwischen dem Epizentrum und dem Schloss überhaupt irgendjemand überlebt hat, grenzt an ein Wunder.
Und warum schiebt ein Rabengezeichneter, also ein hochdekoriertes Mitglied der kaiserlichen Armee, überhaupt schnöden Wachdienst wie so ein Fußsoldat? Nicht, dass ich das nicht gut fände, aber anfangs wirkt Adrian wie ein ziemlich kleines Licht. Dass er so ein hohes Tier ist, hat mich kalt erwischt.
Und warum zur Hölle bringt sich die Herrschaftsfamilie nicht sofort in Sicherheit, wenn so eine Scheiße passiert? Was aber macht Seard? Er schickt seinen einzigen Sohn, seinen Thronfolger, in den Bombentrichter, zum Nachgucken. Selbst die Bundeswehr nimmt für sowas, wenn möglich, Roboter. Oder Hunde, die wengistens riechen, wenns eng wird. Und das nicht erst, seit es keinen Wehrdienst mehr gibt! Es ist taktisch einfach äußerst unklug, den Thronfolger ins Wespennest zu schicken. Ich meine, es sei denn, Seard will seinen Sohn loswerden. Das kann natürlich sein. Dann ergäbe das Sinn. Dafür scheint Itaro auch die Veranlagung zu haben, denn im dichten Nebel, in der er kaum die Hand vor Augen sieht, fällt ihm nichts besseres ein, als den Boten, den er dort wiedertrifft, zum Kampf herauszufordern. Ich mein, seine Chancen ignoriere ich dabei mal, aber was bitteschön will er damit bezwecken? Es ist EIN einziger Schattenelf. Selbst, wenn er den jetzt killt: Was bringt es? Wir reden von einer ganzen Armee! Das ist vollkommen unnützes Risiko, das er da eingeht. Wie hat sich diese Familie so lange gegenüber den Menschen beha... Okay, es waren Menschen, das lass ich gelten. Womöglich waren da auf beiden Seiten solche Flitzpiepen am Start.
Davon ab, macht Seard alles mit sich selbst aus. Von den Rittern, unter denen er sein Land aufgeteilt hat, ist nie wieder die Rede. Dabei wäre das mal eine gute Gelegenheit für einen Kriesenstab gewesen.
Am besten an der ganzen Aktion, und beim Rest kann man drüber streiten ob das menschliches Versagen oder mangelnde Logik ist, ist, dass Itaro explizit allein, ohne Begleitung, solo, in den Nebel reitet ... und auf dem Rückweg seine Ritter zurücklässt, weil er keine Zeit hat. Aufgabe: Wie viele Anitmaterie-Ritter müssen jetzt in den Nebel reinreiten, damit der wieder leer ist?
Und überhaupt, wieso hat Clayk so viele Gefolgsleute? Im Prolog hieß es doch, es hätten sich alle Seard angeschlossen? Alle hätten ihn verlassen. Außerdem ist er, wie er selbst sagt, eine schwache Hülle. Warum machen sich die Jäger die Mühe, nach seiner Pfeife zu tanzen, wenn er eh ein Schatten seiner Selbst ist? (Ich konnte mir den Wortwitz nicht verkneifen.) Ich mein, einerseits kann er Seard vertrimmen, andererseits heißt es, er wäre nicht einmal körperlich. Von was für einer Macht reden wir denn jetzt hier? Hat er nun welche oder nicht?
Dabei sind da ja gute Elemente drin. Die Warnkristalle, die Adrian aktiviert, als der Angriff kommt. Die Explosion selbst, die Bedrohung, das Rangsystem der Garde, die familären Verstrickungen, die Elementarmagie der Elfen, die Kuppel der Schattenjäger. Du bedenkst teilweise ja doch, dass Reisen irgendwie eine gewisse Weise dauern, dass sie ohne Geld nicht einfach so überall hinkommen und sich welches beschaffen müssen oder dass sie Nahrung brauchen, genauso wie du nicht einfach so unter den Tisch fallen lässt, dass es vor drei Absätzen geregnet hat. Eigentlich kannst du also den Überblick behalten. Klappt leider nicht immer.
Die weitere Handlung orientiert sich am Schema der Heldenreise. Seard, der noch lebt, und Itaro werden vom besten Freund Itaros befreit, wobei sie auf der Flucht Hilfe von Adrian bekommen. Sie verstecken sich abseits der Schlossmauern, wo sie den Plan schmieden, die Schattenkuppel, welche die gesamte Kaiserstadt umgibt, zu durchdringen. Sie beobachten, wie einige Jäger die Barriere mit einem Gerät überwinden, nehmen es ihnen ab und fliehen, müssen Seard jedoch zurücklassen. Wegen seines Versagens bei der Bewachung der Gefangenen, wird Adrian währenddessen vorerst vom Dienst ausgeschlossen. Als Itaro ihm eines der Geräte bringen will, um auch ihm die Flucht zu ermöglichen, lehnt er jedoch ab, da seine Frau bereits eine Wiederstandbewegung organisiert und er an seinem Plan, die Schattenjäger von innen heraus zu zerstören, festhält. Daraufhin tritt Itaro endlich mit seinen Freunden die Reise an, deren Ziel es ist, Esgath aus den Klauen von Clayk Rodan zu befreien. Zuerst besorgen sie sich etwas zu essen, klären dann ihre Finanzen und entscheiden letztlich, zu ihrem alten Lehrmeister Duran aufzubrechen, der in einem Reich lebt, das Osmania heißt. Vor ihrem Zwischenstopp halten sie noch einmal an einem Fluss, dann im nächsten Ort, wo sie ihr Geld für eine Unterkunft auf den Kopf hauen und noch einen Job in einem abgelegenen Bergdorf annehmen, um in jener Unterkunft ihre Auslagen zu tilgen. Dafür müssen sie, wie sich herausstellt, einen Kerberus erlegen, was ihnen auch gelingt, Norfier jedoch verwundet wird.
Parallel gibt es ein paar Einblicke nach Esgath, in denen man erfährt, dass Clayk die Kinder der Stadt für Experimente mit dem sogenannten Schattengen freigibt. Durchgeführt werden die vom leitenden Wissenschaftler Kureijin, der auch der Schöpfer des Kerberus ist, der das Dorf terorisiert, dem die vier Elfen halfen. Als dieser erlegt wird, erlangt er darüber Kenntnis, so dass Clayk einen Trupp in das Dorf schickt, um sich auf die Suche nach den Entflohenen zu machen. Auf seinen Befehl hin wird das gesamte Dorf mitsamt seiner Bewohner dem Erdboden gleich gemacht.
Clayk ernennt derweil seine drei obersten Jäger zu "Blutjägern" und gibt ihnen einen Blutkristall, der seine Macht aus der Schattenwelt beherbergt.
Die vier Elfen, inklusive Itaro, treffen indes eine alte Bekannte, die als Geleitschutz eine Händlerkaravane begleitet. Sie ist ebenfalls aus der Kaiserstadt geflohen und hat denselben Weg und nimmt sie mit, da sie sich auch im Kampf gegen einige Bestien als nützlich erwiesen haben. Sie bietet ihnen auch an, ihnen eine Überfahrt nach Osmania zu organisieren, da sie in der Hafenstadt einige Leute kennt. Das funktioniert auch, aber währenddessen setzt Clayk einen Auftragsmörder (Senshiro, auch bekannt als Kira) auf die vier Elfen an und sendet gleichzeitig seine Blutjäger in Gesellschaft von Adrian aus, um den Mitternachtskristall zu finden, der ihm die ultimative Macht der Finsternis verspricht.
Itaro und sein Gefolge gelangen nach einigen Zwischenfällen auf See (verursacht durch Kira) zu ihrem Lehrmeister Duran, der sie in fortgeschrittener Magie unterweist, damit sie eine Chance im Kampf gegen das Böse haben. Gleichzeitig schlägt sich Senshiro in der Hafenstadt von Osmania mit einem Bund mutierter Katzenmenschen herum und die Blutjäger nehmen einem Wächtergolem aus der Schattenwelt den Mitternachtskristall ab. Itaro und seine Freunde erfahren allerdings, dass es ein Gegenstück, den Lichtkristall, gibt und Clayk zudem für sein Ritual, um wieder einen menschlichen Körper zu bekommen, den Ältesten Luxaren benötigt. Finden Sie den Kristall und schützen den Ältesten der Luxaner, verhindern sie das Schlimmste.
Es fiel mir zwar extrem schwer, durch diese hohe Handlungsdichte überhaupt noch irgendwas zusammenzukürzen, aber wenn man jetzt mal die Aufmachung und alles weglässt und es so reduziert betrachtet, dann hat man das Gerüst für eine solide Geschichte. Das mag sich bisher anders angehört haben, aber wenn ich mir die Basis anschaue, dann ist das echt nicht schlecht. Sowohl das Zusammenführen der beiden Handlungsstränge (Adrian und Itaro, die sich dann auf der Flucht endlich begegnen), als auch die einzelnen Motive und Ziele. Dass du eine Perspektive hast, die in der Stadt verbleibt und eine, die das Ganze von außen zu lösen versucht. In diesem Schattenelfen gegen Elfen schwingt auch so ein bisschen Magie gegen Technologie mit, weil das Zeug der Jäger doch ziemlich technisch anmutet, aber das bietet schönes Konfliktpotenzial und Leser, die etwas über den Tellerrand hinausblicken können, haben da eine schöne Projektionsfläche, an der sie ihr eigenes Umfeld messen können. Hab ich in der Kombination auch in wenigen Fantasybüchern gefunden und gefällt mir vom Ansatz her sehr. Auch der obere Teil, wenn man die Details der Umsetzung ausblendet, ist ein fantastischer Fahrplan für eine Fantasy-Heldenreise. Ich mein, die Wendungen die du drin hast, die Hürden, die Rückschläge, die verschiedenen Lösungsansätze - das bietet Abwechslung und Spannung. Nur die Umsetzung ist stellenweise oft ...
Dramaturgie
Die Wahl deiner Szenen ist an und für sich sehr gut. Die Botschaft, der Angriff aus zwei Sichten, wie sie sich organisieren, die zweite Angriffswelle und letztlich die Übernahme der Stadt, das Einschwören der alten Truppen und letztlich Clayks Forderung an Adrian, sich seiner Leibgarde anzuschließen und seinen Sohn zu töten als Extrempunkt des Kapitels. Hätte man super machen können, aber auch in der dramaturgischen Umsetzung hast du leider einige Schwächen drin, wie auch im weiteren Verlauf des Buchs. Wie oben gesagt: Idee, top. Das Kreuzen der Handlungsstränge, die verschiedenen Blickwinkel aufs Geschehen und du wählst selten Szenen, die inhaltlich uninteressant wären. Nur schaffst du es leider, dass sie uninteressant zu lesen sind. An der Stelle muss ich allerdings erwähnen, dass es später ein wenig besser wird. Nur unter normalen Umständen hätte ich mich niemals über das fünfte Kapitel hinaus begeben.
Das beginnt bei absoluten Äußerlichkeiten. Du beschreibst kaum etwas. Das Siegel der Botschaft wird beschrieben, der Sternenhimmel, aber kaum ein Wort zu dem Raum, in dem Itaro sich aufhält. Der Thronsaal wird beschrieben, aber der Hof? Überhaupt die übrige Landschaft? Außer, dass sie zerstört ist? Ich kriege kein Bild von der Umgebung, von den Leuten, von eigentlich nichts. Ich will dir keinesfalls raten jedem kleinen Butterblümchen einen ganzen Absatz zu widmen, aber so die Eckpfeiler wären echt nicht schlecht. So die wichtigsten Dinge, um eine grobe Vorstellung zu bekommen.
Dass die Stadt unter einer schwarzen Kuppel liegt? Wird irgendwann erwähnt, wenn es darum geht, dort hindurch zu brechen. Später auf der Reise genauso. Die kommen an einen Fluss, planschen darin fröhlich, klettern dann einen Wasserfall hoch und gehen in DIE HÖHLE. Wurde irgendwann vorher mal erwähnt, dass der Wasserfall einer Höhle entspringt? Nein. In der Höhle gibt es Leuchtkristalle, die von den Figuren dann auch als Leuchtquelle mitgenommen werden. Was für eine Strahlkraft die haben, kann ich bis heute nicht sagen. Leuchtende Steine, die ich kenne, glimmen vielleicht ein bisschen, ersetzen aber keine Taschenlampe. Auch wie sie die aus dem Gestein brechen: Keine Ahnung. Eine Spitzhacke dürfte nicht zu ihrer Standardausrüstung gehören. Magie?
Davon abgesehen: Ich finde, dass die Kristalle eine tolle Idee sind. Ist nicht das erste Mal, dass ich davon lese, dass Kristalle als Speicher für Magie genutzt werden können, aber sowohl die Lichtsteine als auch die Elementarsteine fand ich an und für sich interessant. Ein spannendes Element, mit dem man ne Menge machen kann.
Zurück zum Thema, Beschreibungen: Das Witzige dabei ist, dass du teilweise echt versuchst, Atmosphäre zu schaffen. Auf der Reise, als sie das Wildschwein über dem Feuer braten. Du denkst echt an vieles. Daran, wie die Feuerstelle hergerichtet wird, dass es zuvor geregnet hat und das Holz deshalb erst getrocknet werden muss (Magie!), wie das Fleisch aufgespießt wird, an dem später das Fett heruntertropft und den Stab herunterrinnt ... Trotzdem hab ich keine Ahnung, ob die auf einer Lichtung oder mitten in einem Wald sind. Ich weiß nicht, ob es vor ihrem Unterschlupf oder entfernt ist. Errichten sie das auf Gras oder auf dem Waldboden, der aus lauter Nadeln/Blättern besteht? Aber Hauptsache, ich höre das Zierpen der Grillen. Das gehört auch dazu, ist ein tolles Detail, aber trotzdem bleibt es sehr, sehr vage, mit sehr, sehr vielen weißen Flecken.
Was du eigentlich ganz gut dargestellt hast, sind die Meditationsräume bei Duran. Daran kannst du dir ein Beispiel nehmen. Da bekam ich zum ersten Mal so wirklich eine Vorstellung der Umgebung. Auch Durans Worte, mit denen er sie anleitet, lassen da sowas wie Atmosphäre aufkommen. Sowas fehlt oftmals im Rest der Geschichte.
Dieses Problem bezieht sich nicht bloß auf Dinge, die deine Figuren sehen können, sondern auch auf Pläne und Vorgehen. Zum Beispiel als Itaro in den Innenhof läuft, um die Wachen nach der Explosion zu instruieren. Das Einzige, das ich kriege, ist, dass er das Vorgehen "erläutert". Was genau das Vorgehen ist? Na ja, sein Vater meinte, er soll sich angucken, was da in die Luft geflogen ist. Das ist kein Vorgehen! Jedenfalls machen sich dann alle daran, zu tun, was auch immer Itaro gesagt hat. Man wird es nie erfahren. Und sowas hält auf Abstand. Itaro wird in dem Kapitel zweimal niedergeknüppelt und es interessiert mich niente, weil ich alles durch 50cm Panzerglas betrachte.
Genauso wie ich oftmals (gerade am Anfang!) kein Gefühl für Entfernungen oder Zeitspannen kriege. Wie lange reitet Adrian denn zum Schloss? Wie weit sind die Türme entfernt, die Itaro von dort aus sehen kann? Keine Ahnung. Du vermittelst gar kein Gefühl für verstrichene Zeit. Itaro und die Ritter reiten aus dem Hof los, durch ein Feld der Verwüstung das halt so drölf Zentner lang ist, kennt man ja, und ist plötzlich in diesem Nebel. Nach drei Stunden? Nach fünf Stunden? Wie hat sich der Sonnenstand verändert? Tut der Arsch im Sattel weh? Es gibt so viele Möglichkeiten, zu zeigen, dass da schon ein paar Minuten vergangen sein müssen, aber darauf verzichtest du vollkommen, sodass es mir vorkommt, als beamten die sich ständig von A nach B. Schattenelfen sind ausgenommen, die können ja durch die Schatten reisen. Die dürfen das. Der Rest: NICHT!
Immerhin, am Anfang von Kapitel zwei wird erwähnt, wie lange Itaro und Seard in Haft waren. Elf Tage. Konnte ich mir merken, da es mehrfach gesagt worden ist, wiegt aber die restlichen Versäumnisse diesbezüglich nicht auf. Auf der Reise wird es etwas besser, aber nicht wesentlich. Wie lang der Weg von einem Dorf in dieses Bergdorf mit dem Kerberus ist, weiß ich nicht. Es scheint lang, gleichzeitig haben sie aber Zeit, noch was zu essen, das Vieh zu erlegen und zurückzureiten. Oh, und für einen Rundgang. Kam mir wie ein 48h-Tag vor, der aber irgendwie doch nur von zwölf bis Mittag ging.
Aber wo wir bei absolut keinem Gefühl sind. Hier mal eines meiner Emotions-Lowlights des ersten Kapitels:
"'Das war doch gar nicht so schwer[,] oder Adrian?', entgegnete er ihm im freundschaftlichen Unterton. 'Würdest du mir die Treue schwören?' Wieder zuckte ein Grinsen über die dunklen Lippen des Schattenmanns.
'Ist es mir erlaubt, in die Stadt zurückzukehren?'
'Natürlich. Ich erwarte nur diesen einen Satz [zu] hören und du bist erstmal ein freier Mann.'
So ehrlich wie es ihm möglich war, schwor er Clayk die Treue."
Adrian verkauft dort, gegen seinen Willen, nur um für die Sicherheit seiner Familie sorgen zu können, seine Seele an ein wahres Monster. Er war noch nicht zuhause, er kann nur hoffen, dass Clayk seine Frau und seinen Sohn nicht abgeschlachtet hat und er will dort einfach nur hin und will, dass alles gut wird. Er denkt vielleicht an Flucht, hat Angst um sein eigenes Leben - ich unterstelle ihm das jetzt mal gutwillig, denn es kann auch sein, dass er einfach die Buchse gestrichen voll hat, weil seine Motive oder seine Gefühle vermitteln tust du hier gar nicht. Keine Spur. Da ist einfach nichts. Wirklich gar keine Emotion. Es ist die reine Handlungsschicht und damit war es das. Wäre vorher nicht ab und an mal erwähnt worden, dass eine Figur wütend ist oder sich Gedanken macht, ich hätte dir vielleicht versucht zu unterstellen, dass es ein neutraler Erzähler ist, der da beschreibt, dann wäre das okay gewesen, aber du versuchst personal zu schreiben und da ist sowas, in so einer absoluten Schlüsselszene, ein No-Go.
Du verschenkst das komplette Potenzial, das deine Handlung hat, und toppst das Beispiel von oben nochmal, als Adrian seinen Sohn tötet. Er tötet seinen Sohn. Mit den eigenen Händen. Unter dem Druck von Clayk und seinen Anhängern. Er hört, wie der abgeschlagene Kopf seines kleinen Sohnes auf die Erde schlägt. Und es ist mir als Leser egal. Das hat bisher noch niemand geschafft und lässt mich zu folgendem Schluss kommen: In meinen Augen ist dieses Buch nach jetzigem Stand emotional schlichtweg tot. Da hilft es auch nicht, dass du das sehr, sehr viel später wieder aus der Versenkung holst. Komm ich beim Punkt Charaktere noch zu. Viel mehr hat es mich verstört, dass der Tod eines Statisten (Matt) später deutlich mehr thematisiert wird als der Tod von Adrians Sohn. Selbst als Thero, ein guter Freund Adrians, später stirbt, zeigt er mehr ... irgendwas, als da!
Du nimmst dir schlichtweg zu wenig Zeit. Ja, deine Kapitel sind lang, aber auch völlig überladen und gleichzeitig detailtechnisch so trostlos.
"Sie öffnete die Tür. Ihr war die Müdigkeit anzusehen, sie hätte wohl weitergeschlafen.
'Wie war deine Nacht?'
'Nachdem du weg warst, schlief ich endlich ein. Später werde ich nochmal etwas Schlaf tanken.'
'Wir haben eine lange Fahrt vor uns, da hast du genug Zeit zum Ausruhen.'
'Ich bin aber nicht nur zum Schlafen hier.'
'Darauf wollte ich nicht hinaus.'
Da ist ja unsere Schlafmütze', sagte Baki zu Lina, die sich neben ihm an den Rand der Bank setzte.
'War eine schlechte Nacht', erwiderte sie grinsend.
'Iss erstmal, dann wirst du schon wach werden.'
'Haltet euch lieber nicht zurück, sowas Feines gibt es nur, wenn wir an einem Hafen anglegen. Auf See stehen solche Speisen zumeist nicht am Tisch, das würde sonst einiges an Platz bei den Vorräten einnehmen', erklärte ein Crewmitglied.'"
Da ist alles drin, das ich bisher kritisert habe. Ich verliere im Gespräch total den Überblick. Die Szene beginnt in Linas Kabine, aber plötzlich stehen sie in der Messe bei den anderen. Es wird ein total tolles Essen erwähnt, aber was daran so besonders ist oder was es überhaupt gibt, wird mit keiner Silbe erwähnt. Da ist es wie mit der Zerstörung der Kaiserstadt. Soll total schrecklich sein und Blut ist zu sehen, aber ... mehr wird dazu dann auch nicht gesagt. Auch von der Kuppel, ne, davon erfährt man dann, nachdem sie durch die Stadt gelaufen sind, bei der Besprechung. Das meine ich mit weißen Flecken, die mir das Gefühl geben, ein blinder Zuschauer zu sein. Wenn ich auf etwas aufmerksam mache (z. B. das feine Essen), dann sollte ich mir die Mühe machen, näher darauf einzugehen. Wenn ich Ortswechsel drinhabe, sollte ich sie wenigstens irgendwo im Nebensatz anreißen. Wenn ich viele Gesprächsteilnehmer habe, muss ich zusehen, dass deutlich wird, wann wer etwas sagt! Rein technisch ist die erste Hälfte also völlig in Ordnung, aber auch WIE jemand etwas sagt, kann wichtige Informationen transportieren. Zum Beispiel die emotionale Verfassung oder die Beziehung zwischen den beiden Gesprächspartnern. Das andere Extrem ist, wenn man zwanghaft zu jeder wörtlichen Rede einen Begleitsatz konstruiert, das muss auch nicht sein. Aber hin und wieder ...
Nimm dir zur Übung einfach mal eine deiner Szenen. Sprich, einen Textpart, der eine zusammenhängende Handlung ohne Zeitsprünge dazwischen beschreibt. Schreib auf ein Blatt Papier oder in ein leeres Textdokument in einem einzigen Satz, was in dieser Szene geschehen soll. Meinethalber auch zwei, da will ich nicht so sein. Zum Beispiel "Itaro hört vor seinem Gemach ein Geräusch und findet dort eine geheimnisvolle Botschaft von seinem Onkel." Und dann schließt du mal für eine Minute die Augen und stellst dir vor, du bist an Itaros Stelle. Wie willst du starten? Welche Informationen willst du im ersten Augenblick einfließen lassen? Was siehst und was denkst du? Denk darüber nicht zu lange nach, sonst kommt einem das Schreiben im Vergleich zum Denken so schwierig vor, daher bietet es sich tatsächlich an, testweise den Wecker zu stellen, als kleiner Arschtritt, um nicht völlig ins Tagträumen abzudriften. Und dann fängst du an zu schreiben und zwar ohne daran zu denken, was nach dem Finden dieser Botschaft passiert. Ich hab bei deinem Text nämlich das Gefühl, du bist immer schon drei Schritte weiter und hastest dort hin, weshalb der Moment selbst dann eben recht ... mager ausfällt, obwohl du es anfangs mit dem Sternenhimmel und den Gedanken an die Schattenjäger versuchst. Aber warum zum Beispiel denkt Itaro gerade an diesem Abend an die Schattenjäger, obwohl sein Onkel vor Jahren verbannt worden ist, als er selbst noch ein kleines Kind war? Warum schreckt ihn ein Geräusch so sehr auf, obwohl in dem Schloss doch sicher auch Bedienstete verkehren? Versuche alles, was Itaro erlebt in Worte zu fassen und erst, wenn du damit fertig und zufrieden bist, gehst du zum nächsten Punkt über.
Man muss dazu sagen, dass die Szene des Auffindens des Briefs noch eine deiner besseren war. Daher denke ich, dass du das eigentlich kannst, aber eben mit dem Kopf meist schon viel weiter bist, als deine Finger getippt haben und entsprechend - und normalerweise sind solche Phrasen echt nicht mein Ding - auch mit dem Herzen nicht bei deinen Figuren im Moment bist. Das aber ist, gerade in Schlüsselmomenten (Auffinden des Briefs, Beobachten des Mordes, Gespräch mit dem Boten der Schattenjäger, Gespräch mit Kaiser Seard, ja, sogar der Ritt durch die zerstörte Kaiserstadt, bei seiner Rückkehr die Realisierung, dass sie erobert worden sind, der Anblick seines schwerverletzten Vaters und und und) unabdingbar, dass du da sicherstellst, dass man ein Bild von der Situation und auch vom Empfinden deiner Figuren hat, wenn du als Ziel hast, dass man in irgendeiner Form mitfühlen können soll. Auf diese Momente sollest du dein Augenmerk legen. Der Rest sollte auch nicht dahingeschludert sein, aber den darf man ruhig knapper abhandeln (wenn man es hinbekommt und nicht wie ich dort auch noch Schlüsselmomente findet, wo nie welche geplant gewesen waren - anderes Extrem).
Hier mal ein Beispiel zu "So ehrlich es ihm möglich war, schwor er Clayk die Treue.":
Ausformuliert sähe das bei mir in etwa so aus: Nur diesen einen Satz. Die höhnischen Worte hallten in Adrians Hirn wider. Dieser eine Satz widersprach allem, woran er glaubte. Allem, worauf er sein gesamtes Leben hingearbeitet hatte. Nicht umsonst war er ein Rabengezeichneter, ein hochdekorierter Soldat der Elfenarmee. Ein Diener des rechtmäßigen Kaisers! Die Stadt, das Schloss, die Freiheit, für die er sein Leben lang gekämpft hatte, lag vor ihm in Trümmern. Damals, als er beigetreten war, hatte er auf demselben Platz gestanden und voller Stolz Kaiser Seard seinen Eid geschworen. Seine Selbstbeherrschung hatte er damals aufbringen müssen, um trotz Nervosität mit fester Stimme zu sprechen. Heute musste er sie aufbieten, um die Übelkeit niederzukämpfen, welche die unsagbare Wut und die schier endlose Angst in ihm heraufbeschwor, obwohl er dem Despoten vor sich nur zu gern statt seiner Treue sein Frühstück präsentiert hätte. Doch es gab nur diesen einen Weg, diese eine Chance, zu seiner Familie zurückzukehren und wenigstens sie zu retten, wenn die Stadt schon gefallen war. Wenn einer dieser Bastarde ihnen auch nur ein Haar gekrümmt haben sollte ...! Zitternd holte er Luft. Es fühlte sich an, als fliehe sein Geist vor dem Kommenden und eine gespenstische Ruhe kehrte in seinem Kopf ein, die so leblos war, wie seine Stimme klang. "Ich, Adrian, Ritter der kaiserlichen Elfenarmee, schwöre dem Meister der Schatten meine ewige Treue." Es waren einzig seine Augen, in denen ein Rest Leben wie eine Erinnerung an seinen Zorn aufflackerte. Da er demütig, wie ein räudiger Hund, seinen Kopf gesenkt hielt, konnte Clayk diesen Akt der Rebellion jedoch nicht sehen - doch er würde ihn bald genug zu spüren bekommen, wenn es nach Adrian ginge.
Nicht perfekt, das bestimmt nicht, aber ein Anfang, um dem Moment gerecht zu werden.
Natürlich wird dein Buch dadurch länger. Das liegt daran, dass man Texte technisch gesehen nur in zwei Dimensionen schreiben kann. Höhe und Breite. Wenn man es aber richtig anstellt, kriegt er so beim Lesen mehr Tiefe. Die fehlt dir leider bisher, auch wenn du es teilweise versuchst, wenn Adrian mit seinem namenlosen Kollegen Karten spielt oder Itaro beim Wasserholen ein wenig sinniert. Wer richtig gut ist, kriegt auch mit wenigen Worten viel Tiefe hin, ohne, dass die Handlung dabei in den Hintergrund rückt, aber ein Schritt nach dem anderen.
Weniger wichtige Stellen kannst du gerne abkürzen, aber Textstellen, mit denen du etwas auslösen willst, solltest du die notwendige Aufmerksamkeit schenken. Bisher ist ein Großteil des Textes in derselben Detaildichte geschrieben, egal, ob Itaro nun Äpfel pflücken, Wasser aus nem Brunnen holen, einen Kerberos töten geht oder beinahe im Meer ertrinkt - oder ob Adrian eben gerade seinen Sohn köpft oder andere Kinder der Kaiserstadt im Namen von Clayk dem Tode weiht. Ebenso flach ist daher bisher deine Spannungskurve.
Kommen wir zu deinem Erzähler. Ein personaler Erzähler - vielleicht. Also überwiegend ist er das, nur gelegentlich brichst du daraus mal aus. Dann weiß Itaro zum Beispiel plötzlich, dass Seard die Handschrift seines Bruder auf dem Briefbogen wiedererkennt, ohne, dass der Kaiser ein Wort dazu gesagt hat. Das sind aber Dinge, die kann Itaro höchstens vermuten. Er kann beobachten, und aus dem, was er beobachtet, seine Schlüsse ziehen. Dass Seard im Angesicht des Briefs erbleicht, dass sich seine Brauen verärgert zusammenziehen, dass seine Kieferknochen hervortreten, vielleicht sogar seine Zähne knirschen. Und ja, natürlich kann er daraus vermuten, dass er womöglich die Schrift wiedererkennt; schließlich sind die beiden Geschwister. (Nur ist Clayk inzwischen ein Schattenwesen ohne menschliche Hülle, wenn ich das richtig verstanden habe, und ich frage mich, wie er einen Stift halten will, aber ... Kleinigkeiten ...) So funktioniert der personale Erzähler. Nah an der Figur dran und auf das Wissen eben dieses Charakters beschränkt. Du musst dir alles neue Wissen mit dieser Figur erarbeiten, damit es dem Leser wirklich so vorkommt, als sehe er durch dessen Augen und begreife er mit ihm gemeinsam.
Ebenso: "Im Bruchteil einer Sekunde lagen beide Wachen tot am Boden."
Nicht so übel wie der vorherige Patzer, aber auch hier: Itaro kann nicht wissen, dass sie tot sind. Sie stehen, wenn ich das richtig verstanden habe, gemeinsam mit dem Angreifer auf einer Mauer, recht weit entfernt.
Personal lässt sich das so schreiben: "Einen Sekundenbruchteil später sackten die beiden Wachen zu Boden. Was war geschehen? Für einen Atemzug hoffte Itaro, sie würden aufstehen und sich dem Eindringling entgegenstellen, doch das geschah nicht. Hatte der Fremde sie tatsächlich getötet? Er musste ihn aufhalten!"
Du musst hier auch bedenken, dass Itaro seit Jahren in einem vollkommen friedlichen Land lebt. Oder sind Attentate auf das Schloss an der Tagesordnung? Das würde auch erklären, weshalb er bei Geräuschen vor seiner Zimmertür erstmal einen Dolch zückt. Ist es das erste Mal, dass er einen echten Angriff erlebt oder kann er sich an die Zeit des Krieges gegen die Menschen erinnern, wenn dort so etwas vorkam? Mach dir über so etwas Gedanken und binde es um Himmels Willen noch einmal ein! Ich komm darauf noch einmal beim Punkt Figuren zu sprechen.
Natürlich darfst du auch den auktorialen Erzähler verwenden, der schlichtweg allwissend ist. Er kann in alle Köpfe hineinschauen, kennt jedes Motiv und du als Autor entscheidest, was genau du davon preisgibst. Es macht schließlich keinen Sinn, alles zu verraten. Das wäre saulangweilig. Dafür bist du aber ziemlich fokussiert auf Itaro und Adrian. Es fällt also auf, wenn du aus dieser Perspektive ausbrichst. Einerseits gut, wenn du einen personalen Erzähler haben willst, weil das heißt, dass du schon nah dran bist, andererseits blöd, wenn du auktorial erzählen willst, weil der Erzähler soll eines nicht: Auffallen. Er soll mit der Geschichte verschmelzen und kein Grund zum Stolpern sein.
Vor allem dürfen Charaktere zwar beim auktorialen Erzähler genauso zweifeln (sie selbst haben ja nicht mehr oder weniger Wissen), du darfst natürlich genauso einen Fokus auf die Charaktere legen, aber wer sich nicht irren darf, ist der Erzähler.
Zu den Perspektiven sei noch einmal gesagt, dass ich sie an und für sich sogar mag. Die Überleitungen aber haben was von einem Drehbuch, wenn du schreibst "Zuvor an der westlichen Mauer." Auch das kann man machen. Es ist nicht verboten, wird in manchen Filmen oder Serien ja ebenfalls so gemacht, bestimmt auch in Büchern, persönlich finde ich es allerdings ungeschickt. Diese Information kannst du einfach in den ersten Satz einflechten. "In einem der Wachtürme an der westlichen Mauer saßen wenige Minuten zuvor zwei Soldaten und vertrieben sich, wie üblich, mit einem Satz Spielkarten die Zeit."
Aber wie gesagt, das ist persönliche Vorliebe. Deine Umsetzung hat schon einmal mehr Charme als "POV: Adrian" - dass du sowas nicht machst. Da bin ich dankbar drum.
Nur mit Fortschreiten der Kapitelzahl finde ich irgendwann gar kein Schema mehr. Plötzlich finden sich da Abschnitte aus Clayks Sicht, dann aus der von Lina, Norfier, Baki - teilweise wechselt der Fokus auch mitten im Abschnitt. Da frage ich mich, was du eigentlich für ein Ziel verfolgst und ob du dir im Vorhinein irgendeinen Gedanken über den Erzähler gemacht hast.
Dann noch ein Wort zu der Eigenart deiner Charaktere: Sie reden manchmal mit sich selbst. Laut. Das heißt, mit echter direkter Rede. In manchen Situationen wirkt es sehr authentisch. Wenn ich in Eile bin und beispielsweise noch auf den letzten Drücker irgendein Papier suche, fluche ich auch vor mich hin und ich bin gottfroh, dass selten Leute dabei sind, wenn ich meinen Pflegehund Gassi führe. Aber oftmals kommt es bei dir in der Geschichte äußerst seltsam rüber. Beispielsweise Itaro auf der Mauer, als er den Schattenelfen (Boten der Nachricht) beobachtet, kurz bevor er die beiden Wachen abmurkst: "Wer ist das? Er redet mit den Wachen. Ich erkenne sein Gesicht nicht."
Den ersten Satz hätte ich noch gut gefunden. Das ist was, das man schon einmal fasziniert vor sich hinmurmeln kann. Die restlichen beiden Äußerungen aber machen in meinen Augen wenig Sinn, wenn keine Zuhörer da sind. Es macht mir eher den Anschein, als wolltest du durch das, was Itaro sagt, den Vorgang erklären. Also, als würde Itaro es dem Leser erklären. Ich weiß nicht, ob das ein misslungenes Vierte-Wand-Experiment ist, aber in meinen Augen ist es eben ... na ja, misslungen. Es wirkt bloß seltsam. Zumindest auf mich. Und das machen fast alle deiner Charaktere und hat mich vor allem am Anfang echt irritiert. Später kommt das glücklicherweise nur noch sehr selten vor.
Später gehen deine Figuren sogar teilweise dazu über, dem Leser in ihren Dialogen Dinge zu erklären und zwar so offensichtlich, dass es weh tut. "Unser Schlaukopf - eine Anspielung auf Norfier - ist der Meinung, dass nichts Lebendiges dort hindurch kommt." Ich hoffe doch, die Zuhörer, von denen dein Charakter da weiß, verstehen diese Anspielung auch ohne Ansage.
Oder auch so eine Exploration: "Die Wände und Stangen sind aus Meathit - einem Erz, welches den Fluss der magischen Energie [unterbindet] - also kommen wir mit Magie nicht weiter." Das lasse ich nur gelten, wenn Itaro keinen Schimmer hat, was Meathit ist. Ansonsten hast du hier Informationen mit dem Vorschlaghammer "eingebaut".
Also fasse ich mal zusammen: Mehr. Mehr Farbe (sprich Beschreibungen der Umgebung), mehr Emotionen und Charakterinnenleben, mehr Erleben (Stichwort Show, don't tell), mehr Details und das bitte auch verteilt auf mehr Kapitel. Wenn du das alles nämlich umsetzt, bin ich sicher, dass du pro Kapitel die Sichtweise wechseln kannst.
Genre
Fantasy gehe ich mit. Wir haben Elfen, wir haben Schattenelfen, wir haben Magie, ein eigenes Reich mit politischen Verwicklungen, einer Vergangenheit und so weiter. Man könnte sogar sagen: High-Fantasy, verpackt in der klassischen Heldenreise. Ein Problem, ein Held, ein Ziel. So. Unter der Prämisse diskutiere ich auch nicht darüber, dass es sich um einen Abenteuerroman handelt, eben einen (genretechnisch) fantastischen, aber ja, es gibt ein Abenteuer, das bestanden werden muss. So weit, so klar.
Das Horror nimm aber bitte aus den Tags heraus, bis du es gemeistert hat, Emotionen beim Leser zu wecken. Bisher geht es durch das Abmurksen mancher Statisten (und in der jetzigen Fassung ist auch Adrians Sohn bloß ein Statist) und ein paar Albträume höchstens als seichter Splatter durch, aber eben nicht als Horror-Roman. Auch nicht als Thriller. Nicht mal als Gruselgeschichte. Ich glaube auch nicht, dass es ein Horrorroman wird, wenn du es überarbeitest. Dein Fokus liegt klar auf der Lösung des Problems, auf der Charakterentwicklung, dem Fantasypart. Und zwei Genres sind vollkommen ausreichend. Quäl dich nicht mit diesem Spagat.
W O R L D B U I L D I N G
Welt
Du hast dir eine eigene Welt ausgedacht. Elderal. Vorweg: Respekt dafür, dass du dich diesem Unterfangen gestellt hast. Es ist gar nicht so leicht, alle Details, die für die Geschichte wichtig sind, zu bedenken, und sich gleichzeitig nicht in ebenjenen Details zu verlieren. Ich kenne nur sehr wenige Geschichten, die es schaffen, eine so natürliche Welt zu formen, dass ich sie für vollkommen real erachte, solange ich mich zwischen den Buchseiten befinde.
Es ist auch völlig klar, dass man nicht jedes Rad neu erfinden kann. Selbst, wenn das jemand schaffen sollte, würde ich mich fragen, ob das überhaupt sinnvoll ist. Schließlich sorgen Parallelen zur bekannten Realität dafür, dass wir uns überhaupt zurechtfinden. Vielen Menschen fällt es ja schon schwer, sich den Alltag wildlebender Tiere vorzustellen, obwohl auch dort Parallelen (Essen, Schlafen, Sozialleben) bestehen.
Bei dir haben wir Elfen. Wir haben den Kontinent Esgath, zu dem der abgespaltene Teil Asgath gehört, in dem die Schattenelfen ihr Dasein fristen. Zudem gibt es Menschen, die anfangs eine höchst untergeordnete Rolle spielen, Felianer und Luxare. Wir haben Magie, vornehmlich Elementarmagie, aber auch Alltagsmagie (z. B. Ortungszauber) und die Magie der Schattenjäger, diverse altertümliche Waffen (Bogen, Schwerter, Armbrüste), die Warnkristalle an den Wachtürmen (später auch diverse andere Magiekristalle), die schwarze Kuppel und ominöse Gerätschaften, die eben jene Kuppel durchdringen können. Wir haben also grob das, was wir für dein Setting und den Plot benötigen. Und keine Unze mehr.
Beginnen wir bei den Elfen. Ich weiß zumindest, dass sie Pferde domestiziert haben, da sowohl Itaro als auch Adrian reiten. Zudem ernähren sie sich menschlich. Mit Käse, Wurst, Obst und Gemüse. Vermutlich wird also die restliche Nutz-Tierwelt (Schweine, Rinder) ähnlich aufgebaut sein. In Kapitel drei wird sogar eine Kirche erwähnt. Das wäre eine phänomenale Gelegenheit gewesen, auf den Glauben deiner erdachten Rasse einzugehen - jetzt denke ich, die seien schlichtweg Christen, da Kirchen christliche Gotteshäuser sind - obwohl es sogar diverse Mythen und Legenden um die Magiekristalle gibt, wie man so nach fünzehn, zwanzig Kapiteln erfährt, während Gott höchstens mal als Sprichwort vorkommt.
Immerhin, sie können Magie wirken, irgendwie (wie wird nicht beschrieben, später rufen sie irgendwelche Dinge wie 'Windmagie Sturmböhe!' und Dinge passieren, was mich ein wenig an ... Pokémon ... erinnert hat) und ... ja. Duran hält dann später einen recht ausladenden Vortrag darüber, aber auch erst gegen Ende des zweiten Akts, da geht es dann plötzlich um Götter und Zeitmagie, Dimensionen ... Dafür, dass es am Anfang so dünn ist, kommt da einiges ans Tageslicht! In meinen Augen sogar zu viel ...
Vielleicht sehen sie anders als Menschen aus, aber selbst auf diese simple Sache, das Aussehen deiner Kreaturen, gehst du viel zu spät ein. Haben sie nun spitze Ohren und lange Haare wie bei Tolkien? Oder sind sie viel kleiner und reiten auf Corgies in den Krieg? Ich weiß mehr über deren Wappen als über deren Aussehen. Da ich keine Infos habe, gehe ich von Menschen aus. Denn sehr viel anders, außer, dass sie manchmal was von einem Elfenkaiser reden und ein paar Jahre älter werden, scheinen sie offenbar nicht zu sein. Wobei, werden sie älter? Oder ist ihre Jahreszählung bloß eine andere?
Wozu überhaupt andere Lebensformen, wenn du nicht auf deren Leben eingehen willst? Nur wegen der Magie? Das kann es nicht sein, weil bei dir auch Menschen Magie wirken können. Damit es exotischer wird? Okay, aber dann arbeite trotzdem bitte die Basics aus.
Dass Elfen spitze Ohren besitzen, erfahre ich in Kapitel - Achtung, festhalten - vierzehn! Und plötzlich höre ich davon, dass sie einen grazilen Gang pflegen, während Menschen eher zielstrebig sind. Und dass sie vor allem funktionale Gebäude bauen, im Gegensatz zu den Unikaten der Menschen. Außerdem bevorzugen sie Waffen der Magie (wobei ich jetzt mal ignoriere, dass das bisher vollkommen anders gewirkt hat, da der einzige nicht-magische Elf, den ich bisher erlebt habe, Adrian war). In - Kapitel - vierzehn! Mitte Akt 2. Das, mein Lieber, ist ein bisschen SEHR spät. Mag sein, dass mancher solche Infos nicht vermisst, aber die Gefahr ist groß, dass deine Leser bis dahin ein vollkommen anderes Bild von deiner Rasse haben und es dann an der Stelle mit deiner nachgeschobenen Hintergrundstory kollidiert.
Bei den Schattenelfen ist mir auch noch nicht klar, woher sie kommen. Es heißt, Clayk wurde durch seine Magieexperimente zum ersten Schattenelfen überhaupt. Kureiji experimentiert mit der Mutation normaler Elfen zu Schattenelfen, die aber Stand jetzt noch nicht funktioniert. Woher kommen jetzt die Schattenelfen aus Clayks Gefolge, inklusive Kureiji? Heißen die nur so? Ist es eine natürlich vorkommende Mutation, die immer mal wieder auftritt und die zum Verstoßen dieser Elfen führt, weshalb sie sich Clayk angeschlossen haben? Und wenn das so ist, warum weiß ich davon nichts? Oder hat Clayk sich via Zellteilung vermehrt? Oder sind das alles seine Kinder? Das würde erklären, warum die alle denselben Sockenschuss haben, trotzdem will ich nicht darüber nachdenken, wie die zustande gekommen sind ... In der Zahl ... Das ... Was sagt man da? Respekt? Glückwunsch? Beileid?
Bei Thomas, Selwen und En... Der Frau! ... weiß ich, dass es Clayks "Ziehkinder" sind. So wie Norfier, Lina und Baki Seards Ziehkinder sind. Irgendwo wird erwähnt, dass sich Clayks Anhänger verwandelt haben (einen sehr kruden Satz gibt es dazu. Genau einen!), aber daraus geht a) nicht hervor, was gemeint ist und b) heißt es kurz zuvor, dass sich alle Anhänger von Clayks abgewendet haben. Es wirkt sehr übers Knie gebrochen.
Die Einführung der Menschen ist übrigens super. Ganz ohne Ironie! Da zeigst du, dass du es eigentlich kannst. Den ersten Menschen treffen Itaro und seine Freunde am Hafen. Er ist die Begleitung von Zendel, dem Kapitän ihrer Überfahrtsgelegenheit. Er hat nicht viel zu sagen, kommt nur kurz vor, trägt einen Strohhut, aber zumindest fallen ein oder zwei Sätze dazu und es wird erwähnt, dass er ein Mensch ist. Später, als Senshiro (Auftragsmörder, der hinter den Elfen her ist) aus der Ferne den Hafen von Osmania betrachtet, geht er auf die Architektur ein, das übliche Erscheinungsbild, lässt ein paar Vorurteile und auch Meinungen einfließen und ... Ich war begeistert! Das ist richtig gut gewesen. Die erste, gute Gelegenheit genutzt, um Wissen und Informationen einfließen zu lassen. SO soll das sein!
Viel verwirrender fand ich die Felianer und die Luxare. Wozu werden die im Prolog erwähnt? Nur um zu sagen, dass sie sich nicht eingemischt haben? Nur, um danach nie wieder vorzukommen? Bei denen hast du dir nicht einmal beim Namen wirklich Mühe gegeben. Felidea, die Familie der Katzenarbeiten. Bei Luxaren dachte ich zunächst, es leite sich von Luchsen ab, aber vielmehr kommt deren Bezeichnung vom lateinischen Lux (= Licht) und es handelt sich um Wesen, die der Lichtmagie fähig sind. Auch von denen: Keinen Schimmer, wie die aussehen. Keine Ahnung, was die für politische Ziele verfolgen. Keine Ahnung, was deren Ideale sind. Keine Ahnung, wie sie zu Elfen oder Menschen stehen. Bei denen klärt sich aber wengistens letztlich, warum sie anfangs erwähnt werden, obwohl sie im Krieg selbst keine Rolle hatten.
Aber die Felianer? Zumal sich Menschen später auch noch in Katzen verwandeln könnten, das ... Kann es sein, dass du Katzen magst? Sehr? Merkt man gar nicht. Warum nicht einfach statt der Silbernen Katze Felianer nehmen, damit man die auch mal erlebt?
Ich mein, meine Hochachtung, dass du dich überhaupt an einer ... fast völlig eigenen Rasse versucht hast, und ich nehme es dir auch nicht krumm, dass du dich an echten Tieren orientiert hast. Schließlich basiert alles, was wir uns ausdenken irgendwie auf dem, was wir bereits erlebt und gesehen haben. Aber bitte nicht so offensichtlich und zumindest mit ein ganz, ganz kleines bisschen Hintergrund. Tiefe, du weißt schon. Sind die Luxare vielleicht sehr strebsam und halten die anderen Rassen für völlig zurückgeblieben? Oder handeln sie gerne und ziehen ihre Partner auch mal über den Tisch, wenn sie nicht aufpassen? Es muss ja keine ausgewachsene Fehde sein, sie können trotzdem neutral eingestellt sein, aber es bestehen ja trotzdem Antipathien und Sympathien aufgrund verbreiteter Wesensarten.
Später erfährt man noch etwas davon, dass es in deiner Welt Kerberus und Slaytare gibt, bei denen man sogar ein paar Anhaltspunkte zu deren Aussehen bekommt. Eine Abart des Nashorns, das in Esgaths Wäldern haust, gesellt sich auch noch dazu, das hat aber bloß einen sehr kurzen Auftritt, ebenso wie ein Aal, der Itaro an einem Bach in einer Höhle angreift. Es sind Anfänge, die man weiterentwickeln kann. Erster Punkt hinsichtlich Weiterentwicklung: Kam dir schon einmal in den Sinn, dass Kreaturen mehr sein können als Hürden und Sparingpartner? Bisher gab es da lediglich die Rotbarschlinge (Rotbarsche halt), die als Nahrung dienten. Vielleicht mal irgendwas, das nützlich oder wenigstens hübsch anzusehen ist? Oder ist Natur für dich sonst auch nur Jagd- und Wurstmaterial? Dass man sowas auch herrlich in die Kulisse einbauen kann, scheint dir gegen Ende des zweiten Akts zu dämmern. Vorher ist das recht zögerlich.
Aber ja, da kommt sowas wie Worldbuilding durch. Genauso wie bei den Magiekristallen, die vorher eher nur so sporadisch angerissen werden. Das kam mir vor, als hättest du sie während du die Geschichte geschrieben hast weiterentwickelt und sie daher immer mehr eingebaut. Waren die von anfang an geplant?
Spätestens, als dann auch die Elfen sowas wie Magiegeneratoren, Umwandler und Speicher haben, die überlastet und übersteuert werden können, habe ich mich allerdings begonnen zu fragen, ob du überhaupt Fantasy schreiben willst und dich nicht heimlich nach Science Fiction sehnst. Auf der einen Seite finde ich es ja eine coole Sache, Technik und Magie zu verbinden oder es bei Elfen und Schattenelefen gegenüber zu stellen. Einen Konflikt zwischen Magie und Technik baust du nicht aus, dafür wird die Magie, je weiter das Buch fortschreitet, immer technischer, wobei in meinen Augen leider viel von dem bisschen magischer Atmosphäre, die du anfangs schaffst, verloren geht. Anfangs traut man Itaro keinen Ortungszauber zu, später bringt Lina mittels Windmagie ganze Schiffe fast zum Kentern. Da fehlt mir ein wenig die Relation.
Derzeit fügt sich noch nicht alles zu einem runden Ganzen, sondern hebt sich lediglich ganz schwach von der bekannten Welt ab. Auch hier fehlen einfach die Details und alles, was nicht zwingend für deinen Plot benötigt wird. Magie ist beispielsweise nicht bloß ein Hilfsmittel für Autoren, wenn ihnen keine bessere Lösung einfällt. Es ist ein vollwertiges Element von magischen Welten und sollte genauso Vor- und Nachteile besitzen. Das kann im klassischen Sinne sein, dass Magie der einzelnen endlich ist, oder eben, dass Magie ihre Grenzen hat. Wie andere Fähigkeiten sollte das Level, das die Charaktere beherrschen, aber nachvollziehbar sein. Sprich, das Tempo, in sie sich steigern, sollte realistisch sein. Wenn Figuren, die eigentlich mit dem Schwert voll die Noobs sind, plötzlich drei ach so starke Jäger plattmachen, obwohl nur ein Tag vergangen ist, hinterfrage ich das.
Ich mache jetzt etwas, das ich nicht oft mache, aber hinsichtlich des Worldbuildings würde ich dir gerne ein paar Geschichten ans Herz legen, die in diesem Punkt wirklich hervorragend sind. Sie sind alle hier auf Wattpad zu finden. Ich bin sicher, die Liste ist nicht vollständig, aber besser als nichts:
'Die Forelli-Dynastie' von Dell_a_story
'Die Königin der Bestien' von IFindYourPlotholes
'Schatten, Flamme und Staub' von Shar57
'Das Schwert des Caligár' von TheFlayingNothman
'Schöpferzorn' von RikaMaarinda
'Der Gesang der Golem' von Wolfsspuren
Die Autoren haben es geschafft, in ihren Büchern wirklich Welten zu schaffen. Mit einer Vergangenheit, gefüllt mit Leben und Geheimnissen. Alle auf ihre Weise, manche ausschweifender, manche handlungsorientierter. Vielleicht guckst du da mal rein. Beispiele sind meist griffiger als irgendwelche Beschreibungen. Zu den letzteren beiden Werken kannst du dir auch gern hier die Kritiken durchlesen.
Es ist wie beim Rest: Es sind Ansätze da, die eine coole Geschichte formen könnten, inklusive einer spannenden Welt, aber es bleibt leider bei Ansätzen, die in der Hektik ertrinken.
Figuren
Deinen Figuren geht es ähnlich wie deiner Welt. Ich mein, je mehr ich mich innerhalb der Rezension mit ihnen befasse, umso mehr wachsen sie mir ans Herz, aber du willst ja, dass das passiert, obwohl deine Leser keine zwanzigseitige Abhandlung über deine Geschichte schreiben, oder?
Zunächst einmal hast du zwei Protagonisten. Adrian, die Wache der kaiserlichen Armee, der später Clayks Reihen unterwandern will, und Itaro den Sohn des ehemaligen Kaisers von Esgath. Meist schaut man einem der beiden über die Schultern.
Ich beginne mal mit Itaro, weil er auch die meiste Screentime hat. Ich weiß von Itaro, dass er manchmal etwas überstürzt reagiert (einfach so irgendwelche Jägern hinterherrennt oder sich auf sie stürzen will), was aber auch zeigt, dass er sehr hinter diesem Ideal steht, sein Land notfalls mit eigenen Händen zu verteidigen. Auch vor der akuten Bedrohung interessiert er sich für die Geschäfte am Hof, was ebenfalls auf Pflichtbewusstsein schließen lässt. Er hat drei gute Freunde, mit denen er gemeinsam augewachsen ist (Lina, Norfier und ... Baki? Ich glaube, es war Baki), hat aber auch eine angeblich recht starke Bindung zu seinem Vater, den er wegen seiner Taten in der Vergangenheit bewundert. Zudem ist er im Schwertkampf und der Magie weniger begabt als mit dem Bogen.
Das ist schon recht viel, aber nichts davon liegt tatsächlich auf der Hand. Ich meine, ja, man soll Charakterzüge besser zeigen, statt sie zu erklären, in dem Fall hast du fast alles richtig gemacht. Nur hat dein Charakter Löcher und die Punkte, die du zeigst, zeigst du zu flüchtig.
Die Impulsivität ist wenigstens etwas, das sich durchzieht, in Itaros Handeln. Wo das kaum ankommt, ist in seinem Innenleben. Das führt zu einem skurrilen Bild, dass nämlich relativ nüchtern beschrieben wird, wie Itaro sich von Wut und fixen Ideen leiten lässt.
Da erstaunt es dann ebenso, dass Itaro sich für durchdachter hält als sein Kumpel Norfrier, der jetzt auch nicht der allerbeste Taktiker ist, aber wenigstens in den richtigen Momenten Vorsicht walten lässt. Auf der Reise stellt Norfier sich dann tatsächlich als der klügste und erwachsenste Kopf heraus. Er macht sich Gedanken und kümmert sich um die wichtigen Dinge wie Essen, Unterschlupf, während der Rest ... baden geht oder so.
Wobei Norfiers Einstieg jetzt auch nicht so clever war. Ja, später kommt er verantwortungsvoll rüber, aber der Einstieg? Er kundschaftet tagelang das Schloss aus, um Itaro und seinen Vater zu befreien, nimmt trotz hoher Risiken Kontakt mit ihnen auf, um sie auf die Flucht am nächsten Tag vorzubereiten, kommt am nächsten Tag auf demselben Wege wieder, öffnet ihnen auf dieselbe Weise die Tür und ... hat keinen weiteren Plan. Da hätte er sie auch einen Tag vorher mitnehmen können! Und elf Tage ein Schloss auszuspionieren würde ich auch nicht, wie Norfier es tut, als spontan bezeichnen! Sollte das irgendwie Slapstick sein? Kam bei mir nicht an, sondern eher ... verpeilt.
Auch diese Freundschaft nehm ich den beiden auch nicht wirklich ab. Vor dem Auftauchen verschwendet Itaro nicht einen Gedanken an ihn oder die beiden anderen - mit denen er aufgewachsen ist. Da wird eine Stadt angegriffen! Ja, jeder reagiert da anders, aber man denkt doch mal irgendwann an die wichtigsten Menschen, in seinem Leben, oder? Itaro ist drölf Zentner weit durch die zerstörte Stadt geritten. Er hat nicht einmal gedacht "Hoffentlich geht es meinen Freunden gut". Nicht einmal im Ansatz. Sie tauchen auf, dann sind sie da und Itaro sagt, wie wichtig sie sind, aber man spürt niemals, dass er irgendwie auf dieser gefährlichen Mission Angst um sie hätte. Zurücklaufen, um Adrian, den er seit einem Tag kennt, eine echt wichtige Technologie zu geben, damit er fliehen kann und dabei sich und andere in Gefahr bringen? Wo ist das Problem? Aber mal einen Gedanken daran verschwenden, wenn Norfier von einem Kerberus verletzt wurde? No way, wozu? Sie reden später ja kaum noch miteinander. Da gehts eigentlich nur noch um Lina und Itaro.
Bisher lebt Itaro für den Plot. Um die Stadt zu retten. Na ja, bis zur Reise, dann denkt er irgendwie kaum noch an die Kaiserstadt, sondern geht baden, auf Feste, will viel Zeit mit Lina verbringen und macht sich eher mehr Sorgen darum, wie er ihre Unterkunft bezahlt. Was ansonsten seine Ziele gewesen wären, wenn es nicht zu dem Angriff auf die Stadt gekommen wäre? Ich weiß es nicht. Zu Lina weiß ich wenigstens, dass sie es zur Assasinen geschafft hat, wie sie es immer gewollt hatte. Was sind Itaros Pläne gewesen? Wollte er die Nachfolge seines Vaters antreten? Hätte er sich dafür beweisen müssen? Reicht da die Erbfolge aus? Was hat er außer Kämpfen noch so drauf? Womöglich Hobbys? Kann ich alles nicht sagen.
In späteren Kapiteln gehst du mal darauf ein, dass Itaro unter dem 'Verlust' seines Vaters leidet und dass er 'viel durchgemacht' hat. In Kapitel 9 oder so. Nachdem sie tagelang durch die Lande geirrt sind. Davor: Nichts. Sowas kannst du gerne mit Charakteren machen, die nicht so stark im Fokus stehen, und Itaro muss auch nicht auf Gedeih und Verderb ein von Trauer und Gram gezeichneter Tropf sein, aber zumindest Andeutungen solltest du machen, dass da etwas in ihm passiert. Itaro ist dein Protagonist! Es braucht nicht viel. Gelegentlich ein Innehalten, ein getrübter Blick, dass er plötzlich schweigsam wird, vielleicht gereizt, nachts unruhig ist (da sie meist zusammen irgendwo nächtigen, sollte das auffallen) oder schlichtweg, dass er sich ab und an mal fragt, wie es wohl gerade zuhause ist und ob sein Vater überhaupt noch am Leben ist. Es gibt Möglichkeiten, zu verdeutlichen, dass ihn etwas beschäftigt, ohne es auf dem Silbertablett zu präsentieren - aber dann nimmt man ihm auch ab, dass er dann plötzlich auf dem Schiff zusammenbricht.
So wie es jetzt ist, kommt es rüber, als wäre dir spontan eingefallen, dass Itaros Situation ja nicht ganz so geil ist und außerdem brauchstest du gerade eh ein bisschen Drama und einen Grund für Lina, sich um ihn zu kümmern, um ihre Verliebtheit mal zu thematisieren. Und dieses On-Off hat mich ziemlich genervt.
Bei Lina bist du konsequenter. Du deutest die Alpträume, welche die Zeitmagie in ihr auslösen, an und später löst du auf, woher sie kommen. Abgesehen davon, dass ich Zeitreisen im Gesamtpaket dann doch etwas zu viel fand, und Lina natürlich die letzte ihrer Art ist, eine ganz seltene und verborgene Unterart der Elfen, die diese Magie beherrscht und sie dies unwissend von ihrem Vater geerbt hat, war das toll hergeleitet! Du hast eine Menge gezeigt und es am Ende dann zu einem Gesamtbild gefügt, das innerhalb deines Settings Sinn ergeben hat. Das war gut!
Dass ich Alpträume immer schrecklich und immer lebendig finde - sonst würd sich niemand vor ihnen fürchten - lasse ich jetzt mal außen vor.
Dass man von Linas Gefühlen für Itaro weniger mitbekommt, ist auch kein Problem. Sie ist kein Statist, aber eine Nebenrolle. Sie steht nicht im Fokus des Erzählers. Zumindest meistens nicht! Dass man da was verpasst, nimmt dir keiner Krum. Wenn auch Itaro nichts davon merkt, ist es umso authentischer. Witzigerweise hab ich davon mehr mitbekommen als von Itaros Trauer, trotz ihrer manchmal doch recht zickigen Art, aber da ist der Fehler nicht bei der Darstellung von Linas Gefühlen, sondern bei dem Wenigen, was du zu Itaro offenbarst.
Zu Adrian weiß ich wenigstens, dass er für seine Familie lebt. Zumindest sagst du das, aber es braucht irgendwie drei Sätze von Clayk, um ihn dazu zu bringen, seinen Sohn zu köpfen. Es ist eher so ein "Nein, niemals!" - "Oh doch, du hast keine Wahl." - "Na gut!!!" (*wütend*) Auch hier schneidest du dir mit den mangelnden Emotionen ins eigene Fleisch, denn würde man Adrian wirklich anmerken, wie schwer ihm das fällt, und würde er hinterher nicht nur einmal pflichtbewusst einmal gegen das Holz hauen, um seiner unendlichen Trauer Ausdruck zu verleiehen (letzter Nebensatz ist nur von mir gedeutet - stehen tut das da nicht), würde es ja sogar passen. Auch er ist eine pflichtbewusste Seele, stellt aber eben seine Familie über das Kaiserreich und kann sich durchaus für höhere Ziele und Ideale begeistern. Schließlich will er die Schattenjäger infiltrieren, um andere vor seinem Schicksal zu bewahren. Edles Vorhaben. Wie genau er sich dieses Infiltrieren dann vorstellt, verschwindet wieder in einer grauen Wolke. Später tut er dann einfach nur noch, was Clayk ihm befiehlt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, beispielsweise das Finden des Mitternachtkristalls zu sabotieren. Ebenso, wie es seine Frau hinbekommt, in weniger als zwei Wochen eine Untergrundorganisation auf die Beine zu stellen. Da nicht beschrieben ist, in welchem Ausmaß diese Organisation bereits besteht, lässt sich auch nicht einschätzen, ob das nun möglich ist oder nicht. Wie so oft: Ich brauche mehr Details ...
Wie bei Itaro werden die ihm wichtigen Personen immer erst dann erwähnt, wenn sie irgendwie plotrelevant werden. Heißt: Adrians Familie wird nach dem Eid zum ersten Mal nicht völlig nebenbei erwähnt, als er zu ihnen läuft. Nicht, als die Kaiserstadt angegriffen wird. Nicht, als er aufwacht und die zerstörte Stadt in der Ferne sieht. Na gut, doch, zwei Sätze werden dem gewidmet, dass er zu seiner Frau und seinem Kind muss. Zwei Sätze. An den Kaiser denkt er länger. Sie werden nicht erwähnt, als er Clayk seine Treue schwört. Nach all dem verschwendet Adrian zum zweiten Mal einen Gedanken an seine ach so wichtige Familie, die ihm über alles geht. Der Kollege auf der Mauer, mit dem er Karten spielt ist schon Sekunden später, als er in der Ferne den Angriff beobachtet, vergessen und wird nie wieder thematisiert. Andere Ritter aus der Armee, mit denen er vielleicht befreundet oder auf Konfrontationskurs ist? Nobody knows. Dabei wäre das Gelöbnis eine so schöne Stelle gewesen, um zum Beispiel Adrian dabei zusehen zu lassen, wie so ein Lakeie, den er noch nie leiden konnte, voller Inbrunst seine Treue schwört und ihn denken zu lassen "Das hätte ich mir denken können". Und sowas fehlt eben. Deine Figuren sind völlig isoliert.
Später heißt es übrigens dann, dass er nen guten Kumpel in der Armee hat. Nachdem die Stadt über drei Wochen belagert wurde. Er heißt Thero und ist der best Buddy, dem er alles erzählt. Also, nicht in den letzten drei Wochen, da wurde er mit keinem Wort erwähnt, aber jetzt braucht man ihn, also ... Und mit einem Schattenelfen hat er sich auch angefreundet. Varo. Als ich das las, bin ich völlig vom Glauben abgefallen.
Auf der einen Seite finde ich es ja cool, dass Adrian trotz dem, was ihm passiert ist, nicht alle Schattenelfen über den Kamm schert. Das beweist wirklich Größe. Andererseits wird seine Wohlgesonnenheit gegenüber Varo völlig beiläufig erwähnt, als wäre es das Normalste der Welt, obwohl er einer von Clayks Anhängern ist. Ich erinnere noch einmal daran: Adrian musste auf Clayks Geheiß seinen eigenen Sohn enthaupten und wird regelmäßig davon angestiftet, Elfenkinder in die Katakomben von Kureiji zu schleifen, wo sie qualvoll getötet werden. Da interessiert mich irgendwie schon, wie er Sympathien für einen Schattenelfen entwickeln konnte!!!
Sowas zeigt: Auch Adrian lebt im Grunde für den Plot. Ein davor oder ein danach gibt es nur so weit, wie unbedingt nötig ist, um ein bisschen auf die Tränendrüse zu drücken. Adrians Sohn besteht nur, um zu sterben, seine Frau, um ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen und damit er einen Grund hat, in der Stadt zu bleiben. Aber Figuren sind mehr als nur Werkzeuge!
Und selbst wenn man es so sehen will, dass sie es eben doch sind, dann sollte man es den Leser nicht merken lassen.
Beweise deinen Lesern, wie deine Figuren sind und beweise ihnen, wie fest die Bande sind, die sie verbinden. Das ist der nächste Punkt. Ich sagte ja bereits, dass ich dir die Freundschaft von Norfrier und Itaro nicht abnehme. Mit allen anderen Verbindungen ist es ähnlich. Wo sehe ich denn, dass Adrian seine Frau liebt? Wo die Trauer um seinen Sohn, außer die zwei Male, die er mal kurz an ihn denkt? Lina ist die einzige, die in ihrem Albtraum mal erkennen lässt, dass sie sich große Sorgen um alle Beteiligten macht. Der Rest? Die sind wie Arbeitskollegen. Man zieht halt gemeinsam irgendwie sein Ding durch. Wo sind die Gemeinsamkeiten? Wo ist das, was sie zusammenhält? Dass sie mal im selben Haushalt gewohnt haben und denselben (Zieh)Vater haben mal abgesehen, arbeiten die alle einen Plan ab und das war es aber auch. Ich verstehe nicht, warum sich Itaro ausgerechnet Norfier anvertraut, den Rest aber meist außenvor lässt. Genauso wenig verstehe ich, warum die Gruppe Norfier als Anführer vorschlägt. Was ich verstehen würde, wenn man Baki zur Verpflegung abkommandiert! Oder Lina, als ausgebildete Assasine, Planung und Taktik überließe. Mal abgesehen davon, dass Lina kaum einen anderen Text kennt als "Wo seid ihr/bist du gewesen?"
Gut, später verstehe ich es dann, weil Norfier der einzige zu sein scheint, der sich auf ein Thema konzentrieren kann. Als die Gruppe an einem Fluss hält (nach ... einem ... einzigen Marschtag ...) und erstmal badet, schwimmt, Höhlenexpeditionen unternimmt ... fängt Norfier den gesamten Tag fische, damit der Rest von mehr leben kann als der Hand im Mund. Während Lina sich sonnt und Baki und Itaro Arschbomben von einem Wasserfall aus machen. Aber hey, Itaro weißt ihn noch nett darauf hin, dass er sich ja anstrengen soll, weil sie ja vier Leute sind. Ich wär bei sowas richtig an die Decke gegangen. Wenn du Angst hast, nicht satt zu werden, dann hilf halt mit! Die Szene hatte einen Vorteil: Ab dem Punkt hatte ich Mitleid mit Norfier. Der Typ ist derjenige bei Gruppenarbeiten, der die ganze Scheißarbeit macht und der Rest heimst die Lorbeeren ein.
Du hast ein recht großes Setting, da ist es nicht leicht, immer den Überblick zu behalten und allen Charakteren gerecht zu werden. Da fällt in manchen Szenen schon einmal jemand hinten über. Das ist normal, sollte aber nicht dazu führen, dass man letztlich von allen bloß Bruchstücke mitbekommt. Ich selbst bin echt kein großer Freund von Steckbriefen, aber vielleicht hilft dir das ein wenig. Versuch es mal. Reicht auch ne total minimalistische Version, irgendwie zwei Worte zum Wesen und dann noch einen Satz dazu, was ihn mit den anderen Figuren verbindet. Und vergegenwärtige dir bitte, dass auch Charaktere, die gerade nicht anwesend sind, trotzdem Teil des Lebens deiner Protagonisten sind. Es reicht nicht, dass Itaro "verzweifelt" versucht, seinen Vater mit auf die Flucht zu nehmen ("Vater, nein!" - "Du musst mich zurücklassen. Ich pass schon auf mich auf." - "Nein, das geht nicht!" - "Du musst!" - "Itaro komm mit" - "Okay"; Überspitzt, aber viel länger war die Stelle auch nicht), sondern vielleicht widmest du diesem Umstand auch mal danach ein oder zwei Gedanken. Aber irgendwie kommt da tagelang ... nix, außer lustige Lagerfeuer-Campatmosphäre und dann die nächste Quest.
Ich mein, wie soll da auch eine Beziehung zu den Figuren aufgebaut werden? Kaum eine Aktion wird wirklich ausführlich beschrieben, was teilweise so weit geht, dass es dann nur heißt "Sie gingen nach Formation C aus dem Training vor", wobei ich keinen Schimmer habe, was Formation C aus dem Training ist und du mir nicht einmal eine Ahnung davon vermittelst. Kaum ein Dialog geht über mehr als drei Wortwechsel hinaus, es wird alles bloß angerissen oder langweilig schnell gelöst. Man kann nirgends verweilen oder sich auf irgendetwas einlassen, weil wenn man gerade begriffen hat, worum es geht oder was da die Hintergründe sein könnten, geht es schon wieder weiter. Wie soll da Atmosphäre aufkommen? Wie soll man da Zuneigung oder Abneigung gegen Charaktere entwickeln?
Der erste halbwegs längere Dialog ist in Kapitel sieben, als Lina ihren Wunsch verteidigt, vom restlichen Geld Kleidung kaufen zu müssen, weil "Ich brauche das halt, ich bin eine Frau" und Baki sie ein wenig aufzieht, sie ihm dafür eine verbrät und der Rest darüber lacht. Ich mein, es vermittelt mir nicht das sympatischste Bild der Gruppe, aber immerhin mal ein Bild! Abschließend dann der vielleicht nett gemeinte Hinweis "Sie neckten sich oftmals. Baki war der Spaßvogel der Gruppe und stellt das regelmäßig unter Beweis." Ich verfolge die Gruppe jetzt seit mehreren Tagen. Für einen Hinweis zu spät und vor allem viel zu plump. Aber, das muss ich dir lassen, dass Baki Essen sehr zugetan ist und seine Freunde auch mal verbal aufzieht, nicht sonderlich belastbar, aber eher die Marke "Herzensgut" ist, ja, das kam sogar im Text durch. Insofern sind die zwei Sätze schlichtweg unnötig - und so sollte das auch sein.
Ich will gar nicht behaupten: Langer Text = besserer Text, aber wie schon gesagt fehlen in den Schlüsselmomenten, in denen Entscheidungen gefällt und Grundsteine gelegt werden, schlichtweg die Details auf fast allen Ebenen.
Dass Clayk ein Rätsel mit sieben Siegeln ist, habe ich bei der Handlung ja schon angedeutet, denn mir erschließt sich einfach nicht, was Clayk nun kann oder nicht. Wieso folgen ihm irgendwelche Elfen? Sind das noch Kumpels von früher oder hat er ihnen irgendwas versprochen? Sind es in Ungnade gefallene Elfen, die sich zu ihm aufgemacht haben? Immer wieder heißt es, er wäre nur eine Hülle, nur ein körperloses Ding mit pupillenlosen Augen (was mehr Beschreibung ist, als ich jemals von anderen Figuren bekommen habe), aber was für eine Gefahr ist er nun wirklich? Ich erlebe ihn einfach nur als fies und gemein. Typischer Bösewicht eben. Verscheucht worden, weil er nen miesen Charakter hatte, nun beleidigt und sowieso angefressen, weil er seinen Körper (wegen eigenem Verschulden) verloren hat und deshalb will er das Land unterjochen. Aber was genau? Will er seinen Bruder dafür so lange wie möglich bluten lassen? Will er das Volk, das ihn verraten und verlassen hat, bezahlen lassen? Oder will er einfach nur ganz stumpf die Weltherrschaft? Wie so oft: Ich verstehe es nicht wirklich. Weder was er will, noch wie er gedenkt, das zu erreichen. Das wäre ja okay, wenn es nicht Szenen gäbe, die aus seiner Sicht beschrieben wären. Spätestens dann will ich kein riesiges Fragezeichen mehr im Kopf haben.
Und dann sind da noch Kureijin ... Ich mein, klar er und Clayk sind ultimativ böse. Clayk lässt Adrian seinen eigenen Sohn köpfen und Kureijin experimentiert mit dem Schattengen an den Elfen der eroberten Kaiserstadt, bevorzugt an Kindern, die dann qualvoll ihren Eltern entrissen werden, um dann später zu sterben. Natürlich müssen es Kinder sein, denn was sonst gibt es grausameres? (Immerhin, es gibt eine Erklärung: Bei ihnen funktioniert die Mutation besonders gut.) Und alles muss ganz schaurig sein, und Kureijin muss Spaß daran haben und über seinen ach so bösen Pläne fiese Bösewichtmonologe halten. Ein verkanntes, natürlich entstelltes Genie! Ich versuche ja Schlagwörter wo es geht zu vermeiden, aber die zwei sind Clowns. Comic-Reliefs. Ich kann sie schlichtweg nicht ernst nehmen. Es wirkt alles so verkrampft und zwanghaft böse, teils dann sogar inkonsistent, wenn es zu Kureijin erst heißt, es interessiere ihn einen Dreck, dass seine Kreaturen abgemetzelt werden, dann aber ist er wütend und will, dass sein "Jüngster" gerächt wird. Ja was denn nun, um Himmels Willen?!
Und wieso foltert er seine Versuchsobjekte grausam? Im ersten Anlauf wird was von entstellten Leichen gesagt, später injiziert er ihnen 'nur' das Schattengen, woraufhin sie zu Staub zerfallen. Klar, nicht angenehm, aber unter grausamer Folter hab ich mir etwas anderes vorgestellt. Und vor allem habe ich mich gefragt: WOZU!? Vermutlich wirklich nur, um extrem-super-mega-fies-gemein rüberzukommen.
Clayk will seine Macht zurück und Rache an seinem Bruder, Kureijin soll ein eiskalter Wissenschaftler sein, den die Mutation des Schattengens extrem fasziniert, weshalb er sich über jegliche Moral erhaben fühlt. Das hätte man super umsetzen können! Aber spätestens dieser abgedrehte, unorganisierte, völlig irrational handelnde Wissenschaftler, der auch mal seine Assistenten abschlachtet, der sich verhält wie ein Fünfjähriger, der seinen Willen nicht bekommt, ist einfach sowas von drüber. Das kauft dir niemand mehr ab. Schon gar nicht als Horror. Als Parodie vielleicht. Oder als ultimativ megaböser Bösewicht im Disney Channel.
Im Anime Eureka Seven gibt es einen Charakter, der vom Wesen her sogar ähnlich ist. Anemone ist auch extrem impulsiv, kann es gar nicht haben, ihren Willen nicht zu bekommen, trotzdem intelligent und vor allem sehr mächtig. Aber genau weil sie so unkontrollierbar ist, ist sie jemandem unterstellt, der diese Auswüchse lenken kann und sie hat eben keine Führungsaufgaben, sondern ist das, was sie ist: Eine gefährliche Waffe in den Händen ihrer Regierung. Sie ist sich dessen nicht so genau bewusst, weil sie schlichtweg gefallen will, aber da passt es einfach. Die Reaktionen des Umfelds, ihre Art und trotzdem knallt es da manchmal und dann müssen Machtkämpfe ausgetragen werden.
Bei dir hingegen lässt man Kurejin einfach machen, er macht ab und an mal auf ominöse Weise irgendwelche Entdeckungen, killt ein paar seiner Assitenten (also andere Schattenelfen), bettelt gelegentlich um Experimentiernachschub, den er dann auch bekommt, während Clayk nach und nach den Rest des eroberten Kontinents abschlachten lässt, was taktisch einfach sowas von extrem Unklug ist, weil er mal eben jegliche Wirtschaft damit lahmlegt. Wird er schon merken, sobald er hungern muss. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Haufen Raufbolde und Sprücheklopfer es geschafft haben soll, eine gesamte Zivilisation in Asgath am Leben zu erhalten. Denen fehlt jegliche Weitsicht, jegliches Kalkül. Die sind viel zu beschäftigt damit, böse und gemein zu sein.
Später entschuldigt er sich dann dafür, meint, man habe sich auf dem falschen Fuß kennengelernt und baut das Land wieder auf. Eine echt verdrehtes Verständnis von Zuckerbrot und Peitsche und völlig willkürlich in meinen Augen.
Wilkür triffts ganz gut ... Er hetzt seine obersten Leute durch die Gegend, nur um eine kurze Ansprache zu halten und ihnen einen neuen Rang zu verpassen. Warum die übrigens so lange brauchen, obwohl sie eigentlich durch die Schatten reisen können, weiß ich auch nicht. Neben den Schattenjägern und dem Jägerchor (Spezialeinheit), gibt es also jetzt auch noch Blutjäger, wo ich mich fragte, wozu? Du bist gerde mal in Kapitel sieben als das passiert und schon da ist dir das Jägerchor nicht mehr gefährlich genug? Anfangs waren die Schattenjäger allgemein die Krone der kämpferischen Schöpfung, kaum zu bezwingen. Kaum ein paar Tage später sind die bloß noch unwichtige Lakaie. Eskaliert schnell bei dir.
Dann noch etwas mehr Allgemeines, weniger auf einzelne Charaktere bezogen: Ich kann bei deinen Namen kein Schema erkennen. Manche sind dem Japanischen entnommen oder daran angelehnt (Kurejin, Baki, Itaro), andere wiederum aus dem Deutschen (Adrian, Thomas - was ein epischer Name für einen Schattenelfen ...), andere aus ganz anderen Gefilden oder erdacht (Clayk, Seard, Selwen). Es wirkt dadurch ziemlich zusammengewürfelt. Auf behindthenames.com gibt es auch Namensgeneratoren für Fantasywesen. Davon kann man sich ganz gut inspieren lassen. Man muss die Namen ja nicht 1:1 übernehmen, aber wenn man keine Lust hat, eine neue Sprache mit eigener Lautmelodie zu erfinden - und ich verstehe jeden, der daran keinen Spaß hat - eine gute Möglichkeit, sich ein wenig Inspiration zu holen. Und wenn ihr die Namen von bestehenden ableitet oder 1:1 übernehmt, dann würde ich vorschlagen, dass ihr euch auf eine Region beschränkt. Dann fällt es weniger auf.
Man merkt es vielleicht, aber ich hatte echt Schwierigkeiten, mich da irgendwo ansatzweise zu identifizieren oder Verständnis aufzubringen. Für keine der beiden Seiten ist mir das so wirklich gelungen, obwohl du nach hinten hin immer besser wirst. Es liest sich, als würdest du selbst erst ganz zaghaft ein Gefühl für deine Figuren entwickeln, aber es wird mit jedem Kapitel ein bisschen besser, wenn auch nicht perfekt. Du solltest also unbedingt dranbleiben, weil ein Lerneffekt ist ja schon sichtbar, nur aktuell ist es halt noch nicht so recht das Gelbe vom Ei. Man muss dazu aber auch sagen, dass es extrem schwer ist, immer alle Aspekte im Blick zu haben. Dass das nicht sofort im ersten Anlauf gelingt und auch nicht im zweiten ist keine Schande.
S C H R E I B S T I L
Ausdruck
Dieser Punkt tat mir besonders weh, denn, obwohl teilweise Sätze drin waren, die - für sich alleinstehend - wirklich beeindruckend waren (Mein ganz ernstgemeinter Favorit: "Der Pinsel des Todes nutzte die Umgebung als Leinwand."), ist der stilistische Gesamteindruck leider eher mager. Das liegt nicht daran, dass du es nicht versucht hättest, viel eher daran, dass du zu viel gewollt hast. Man merkt dir an, dass du um eine Sprache bemüht bist, die einem altertümlichen Setting gerecht wird. Leider ist bemühen hier das korrekte Wort, denn spätestens alle drei Sätze finde ich endweder Rechtschreibfehler (dazu kommen wir später), Worwiederholungen oder vollkommen verdrehte Formulierungen. Besonders Letzteres fällt mir immer und immer wieder vor die Füße.
Bei den Formulierungen gibt es zwei Kategorien. Nummer eins ist weniger gravierend, reißt aber trotzdem aus deinem Zielsprachsetting. Wir haben syntaktisch korrektes Zeug, das so aus einem Märchen stammen könnte, wie: "So manches Sternenbild gab sich zu erkennen." Also schon etwas umständlich, altbacken, aber ich nehme an, so hättest du es gern, weil es einfach zum Flair deines Settings passt. Dagegen: Keine Einwände. Meine favorisierte Sprechweise ist es nicht, aber es ist ja auch nicht mein Buch.
Aber wenn du es so machen willst, haben Wörter wie "Deal" oder "sprinten", die ganz eindeutig eben ganz und gar nicht altbacken, sondern modern sind, absolut nichts verloren! Auch Ausrufe wie "Wow", oder Begriffe wie "Bombe" und "Explosion" kamen mir erstmal merkwürdig vor. Wow gehört da auch nicht hin, da Granaten und Bomben aber zum bekannten Asenal der Assassinen gehören, sag ich nichts dagegen, aber Itaro, Norfier, Lina und Baki verfallen auf der Reihe durchaus öfter in moderne Alltagssprache ("bekannt in der Szene", "Gangster", "Input", "Wir treten dir gehörig in den Arsch, Dreckskerl!", "geiles Stück" und dergleichen). Dein Erzähler ebenso. Und genau das ist das Problem, wenn ihr ein Sprachlevel anstrebt, das eben nicht der modernen Altagssprache entspricht: Ihr müsst es aufrecht erhalten und das geht eben verdammt schwer von der Hand, weil ihr euch quasi permanent verstellen müsst. Überleg dir also gut, ob du das wirklich willst und wenn ja, sei dir das mit jedem Satz, den du schreibst, bewusst.
Andere Formulierungen sind nicht einfach nur sprachgebrauchtechnisches Gulasch, sondern verschwurbelt, unnötig kompliziert oder ergeben schlichtweg keinen Sinn. Um Beispiele für den vorherigen Abschnitt zu finden musste ich tatsächlich mal fünf Minuten suchen. Für diesen Punkt hier kann ich an eine beliebige Stelle in deinem Text springen und finde auf der Bildschirmseite garantiert mindestens ein Beispiel. Hier der Beweis: "Mitten im Flug betrat [der Adler] das todgeweihte Gebiet." Und auf derselben Seite: "Ich will nicht wissen, wie viel Leben hier verendet ist." Gut, ob Leben verenden kann und man das als eher metaphorische Äußerunge gelten lassen kann, stelle ich gern zur Diskussion, aber man betritt Räume fußläufig. Ja, es gibt die taktische Formulierung, in ein Gebiet einzutreten, was dann auch auf die Luft- und Raumfahrt ausgeweitet wird, aber ob man sich für einen Fantasy-Roman sprachlich orientieren sollte, wenn eben nicht von Flugzeugen die Rede ist, wage ich zu beweifeln.
Ganz witzig fand ich noch: "Das Verlangen, alles auf der Welt unter seine Fittiche zu bringen [...]" Ich nehme stark an, du meinst, dass Clayk alles in seine Gewalt bringen will, unter seine Knute, Fuchtel, was auch immer. Etwas unter die Fittiche nehmen, bedeutet, sich darum zu kümmern. Nicht im Mafia-Sinne, sondern wie ein Lehrmeister, ein Pate oder so. Aber rührend, dass er sein erobertes Land umsorgen will. Kommt nur nicht rüber, in der Art, wie er es behandelt.
"Unerwartet des nächtlichen Besuchs, zückte Itaro einen Dolch und tappte zur Tür." Das war dann doch eher atmosphärezerstörend. Itaro ist unerwartet? Was ist er denn unerwartet? Falls Germanisten anwesend sind, nehmt mir den Satz mal bitte auseinander. Würd mich überraschen, wenn das so tatsächlich als korrekt durchgeht. Beim Lesen hat es sich wie rückwärts essen angefühlt. Ich meine, ja, unerwartet bezieht sich auf den nächtlichen Besuch, aber es ist ja keine Gefühlslage. Der Besuch ist unerwartet, das Subjekt des Satzes aber ist Itaro. Man könnte, wenn man es ganz unbedingt hochgestochen über hyperkompliziert haben will, schreiben "Ob des unerwarteten Besuchs zu später Stunde überrascht, zückte Itaro einen Dolch und [...]", aber ich empfehle da eher "Vom unerwarteten Besuch überrascht zückte Itaro einen Dolch [...]". Entstellt auch keinen Text und man verstehts besser.
Und nimm Herrgott das Tappte da raus! Tappsen tun kleine Kinder. Erwachsene - und auch Jugendliche - die sich mit gezücktem Dolch einer Tür nähern, schleichen, pierschen, nähern sich leise. Aber sie tappen nicht! Höchstens in eine Falle. In dem Fall eine Stil-Falle.
Wo wir bei zu verdrehten Sätzen sind: Das Ganze geht auch mit Synonymen. "Seard las die kurze Aneinanderreihung von Wörtern und erkannte Clayks Handschrift wieder."
Die Aneinanderreihung von Wörtern beschreibt hier eine Botschaft. Auf Papier. Abwertend darf man etwas ruhig so bezeichnen, aber aus deinem Text geht keine Wertung hervor, sondern es sieht so aus, als habest du bloß eine Wiederholung vermeiden wollen und zu diesem verzweifelten Konstrukt gegriffen, das diese Botschaft dann jetzt halt wirken lässt, als hätte ein Betrunkener hilflos Wörter aufs versiegelte Papier gekotzt. Ich bezweifel, dass das dein Ziel war. Wenn euch kein Synonym einfällt, es sich nicht umschreiben lässt und man es nicht weglassen kann - dann nimmt man eben die Wiederholung in Kauf. Man stirbt da nicht von. Auch Lektoren nicht. Aber bei Synonym-Umschreibungen wie "die mit Trinkwasser angereicherte Grube" für BRUNNEN, da laufe ich beim Lesen vor empörtem Nach-Luft-Schnappen schon Gefahr, zu hyperventilieren.
Zudem wäre das kein Satz, den ich mit der sehr unspezifischen Konjunktion Und verbinden würde, wie du es oft tust. Für Aufzählungen oder auch gleichzeitige Handlungen kann man Und schon nehmen. Manchmal auch für andere Nebensatzarten, aber hier folgt das eine aus dem anderen und durch das Und drückst du es auf dieselbe Ebene. Es plätschert so dahin. Du könntest die Sätze problemlos trennen ("Seard las die kurze Aneinander von Wörtern. Clayks Handschrift erkannte er sofort wieder." o. ä.) oder dich tatsächlich in einem Satz drauf beziehen, woran genau er die Handschrift wiedererkennt. Wär so ein schnuckeliges Detail, von wegen Tiefe und so. ("Die Wörter waren geradezu mit der Feder ins Papier geschnitten worden, ihre Bögen hektisch, jedoch keinesfalls krakelig. Vom ersten Moment an erkannte Seard die Handschrift seines Bruders.") Man kann solche Momente wunderbar nutzen, um zu zeigen, wie gut Seard beispielsweise seinen Bruder kennt und wie frisch die Erinnerungen an ihn sind.
Um noch einmal auf die Wiederholungen zurückzukommen: Manchmal zuckt man doch ein wenig getroffen zusammen: "Ihr Vater [...] lag im Sterben [...]. Er verstarb zwei friedliche Tage nach der Machtübergabe im Schlaf." Oder auch: "Die Wunde reihte sich zu den Schnittwunden."
Im ersten Beispiel ist es keine 1:1 Wiederholung, aber der Wortursprung ist derselbe. Und es ist völlig unnötig. "Zwei Tage nach der Machtübernahme schlief er friedlich ein." Im Zweifel recht euphemistisch, aber vermutlich das, was du sagen wolltest. Oder war gemeint "Es blieben ihm zwei Tage, die es ihm vergönnt war, den Frieden im Land zu genießen."? Was willst du nun mit den friedlichen Tagen sagen? Schlichtweg nur die Info, dass es keine Kriege in den zwei Tagen gab?
Sowas findet man ziemlich oft bei dir. Gerade in Kampfszenen wird dein Vokabular sehr klein, was die Beschreibungen dann sehr bausatzartig klingen lässt. Gleichzeitig neigst du in solchen Szenen dann dazu, immer denselben Satzaufbau zu verwenden. Meist "<Person> <Handlung>", was diesen Effekt noch weiter unterstützt.
Die Frage, "Was will der Autor mir damit sagen?", hab ich mir des Öfteren gestellt. Der erste Teilsatz aus dem obigen Beispiel lautet: "[...] lag im Sterben, unfähig sein Amt weiterzuführen." Ja. Den letzten Teilsatz hätte es nun echt nicht gebraucht. Es gibt sehr wenige Leute, die, während sie im Sterben liegen, noch in der Lage sind, ihr Amt oder ihren Job auszuführen. Marathon ist da die ganz große Ausnahme.
"Da die neunen Kaiser von ihrem Charakter ungleichen Idealen nacheiferten, gab es im Laufe ihrer Zeit steigende Uneinigkeiten." Steigend ist hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das Adjektiv, das du suchst. Temperaturen steigen. Werte steigen. Eben so Statistik-Zahlengedöns. Uneinigkeiten, Unzufriedenheiten, eben das ganze gefühlte Zeug, kann zunehmen, wachsen, Leute können sich hineinsteigern. Besonders unglücklich finde ich aber die Formulierung "von ihrem Charakter ungleichen Idealen". Das klingt ein bisschen nach "vong Charakter her". "Da die neuen Kaiser sowohl ungleichen Charakters waren, sowie widerläufigen Idealen nacheiferten [...]" hätte ich da schöner gefunden. Da hätte ich auch auf Anhieb verstanden, was du von mir willst.
"Da sich viele Ritter im Krieg mit den Menschen abschlachteten, blieb Seard nur ein kleiner Teil des Heeres." Hier hoffe ich, dass ich es falsch verstanden habe, denn stehen tut da eigentlich, dass sich die Ritter im Kampf gegen die Menschen selbst, also durch die eigene Hand, abgeschlachtet haben. Gemeint hast du wahrscheinlich: "Da viele Ritter im Krieg gegen die Menschen abgeschlachtet worden waren [...]", ansonsten spräche das nicht für die Führung durch Seard. Wenn ganze Einheiten den Freitod mit dem eigenen Schwert wählen, sollte man die eigenen Führungskompetenzen schnellstmöglich überdenken, optimieren, oder dem Job jemand anderem überlassen.
"Die Elfen verwandelten sich wie ihr Urgestein, dessen Kräfte bleiben einmalig. Manche hielten der Finsternis nicht gegen und mutierten zu Schattenwesen. Bestien, die nicht in Realität gehörten." Wie ihr Urgestein? Hielten der Finsternis nicht gegen? Nicht in Realität gehören? Ich hab das Ganze mal für mich als "Clayks Gefolgsleute verwandelten sich nach seinem Vorbild, ohne dass auch nur einer an seine Kraft heranreichte. Manche hielten der Finsternis nicht stand und mutierten zu Schattenwesen. Bestien, fern jeder Vorstellungskraft." übersetzt.
Kann sein, dass du das damit sagen wolltest, aber es stellte mich doch vor eine Herausforderung. Gut lesbar ist leider anders, wenn man alle drei bis fünf Sätze über sowas stolpert. Auch das bessert sich nach hinten hin, kommt aber immer wieder vor. Zwei, drei Fehlerchen pro Kapitel durch Umstellen von Sätzen, da sag ich gar nichts. Das passiert mir auch immer wieder. Letztens wurd ich wieder auf etwas hingewiesen, so ich sogar etwas schmunzeln musste. "gestricher Morgen" statt "gestriger Morgen". Aber in der Masse ist es einfach anstrengend.
Ein letzter Punkt sind die Absätze in deinem Text. Gut ist, dass du Zeilenumbrüche machst. Absätze sind Szenenwechseln vorbehalten, was okay ist - aber auf Wattpad nicht zum Kommentieren einläd. Inlinekommentare können nur je Absatz gemacht werden. Es lohnt sich also, die Zeilenumbrüche für dieses Medium in Absätze umzuwandeln - auch, weil es durch den größeren Zeilenabstand aufgeräumter aussieht. Textwände sind wenig einladend.
Meistens achtest du darauf, dann Absätze zu machen, wenn die handelnde/sprechende Person wechselt. Das wiederum hilft, sich in deinem Text zurecht zu finden. Großer Pluspunkt.
Ich gebe auch gerne zu, dass das Finden von Fehlern in eigenen Texten eine große Herausforderung ist, aber was auf jeden Fall hilft, ist Texte laut zu lesen. Ja, es klingt doof, viele reden sich damit raus, dass sie ihre eigene Stimme nicht mögen, aber wenn man solche Sätze wie die oben dargestellten laut von sich gibt, fällt es auf! Die andere Möglichkeit ist, dass du dir jemanden holst, der deinen Text gegenliest und dir mitteilt, wo noch Nachholbedarf ist. Such dir jemanden mit starken Nerven, denn er wird einen Batzen an Arbeit haben. Ich kann dir jedenfalls versprechen, dass sich die Arbeit für dich lohnen wird. Man lernt aus Fehlern eine Menge und je mehr man sich mit ihnen befasst, desto seltener passieren sie einem.
Bisher wirkt es auf mich, als hättest du große Pläne, auch einen großen Wortschatz, aber noch wenig Übung in dessen Anwendung, insbesondere was Formulierungen anbelangt, die altertümlich wirken. Das ist absolut nicht mein Gebiet, da ich mir niemals einfallen lassen würde, alt klingende Texte zu schreiben (ich kann das nämlich nicht), aber von denen, die es ganz gut hinbekommen, habe ich gehört, dass es helfen soll, mal richtig alte Texte zu nehmen und zu lesen. Leg sie dir zur Not daneben und nutz sie erstmal als Grundlage, wandel sie für deine Zwecke ab und irgendwann entwickelt man dann ein Gefühl dafür. Dann fällt es auch leichter, eigene Konstrukte auf dieselbe Weise zu bauen. Ist keine Schande. Unsere Spezies lernt Tag aus Tag ein durch Abgucken, Nachmachen und Weiterentwickeln. Warum also wichtige Schritte überspringen und in vermeidbare Widrigkeiten laufen?
Orthografie
Alle Fehlertypen, die ich gefunden habe, habe ich in deinem Text an anderer Stelle korrekt umgesetzt gefunden. Daher gehe ich davon aus, dass du grunsätzlich schon dazu imstande bist, die Regeln der Rechtschreibung anzuwenden. Beim Durchgehen deines Textes hast du allerdings einiges übersehen. Auch hier gilt: Das Finden von Fehlern im eigenen Text ist eine besondere Herausforderung. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Fehler am Ende doch in Grenzen halten sollten.
Sowas wie "Die neunen Kaiser" kann mal passieren, obwohl "Boden und wende" (statt Wände) schon echt weh tat. Tippfehler, kennt man. Auch dass mal ein Leerzeichen nach einem Punkt oder der Punkt selbst fehlt oder es "die Rodan Familie" statt "die Rodan-Familie" heißt, geschenkt. Da du meist auch die wörtliche Rede korrekt auszeichnest, übersehe ich auch mal so Ausreißer wie "'Was?', sofort schoss Itaro ein Gedanke durch den Kopf.". Das hält sich auch alles in Grenzen, für Wattpad ein akzeptables Niveau.
Wo ich aber anfing mit den Zähnen zu knischren, war deine Zeichensetzung, die mal gut, dann wieder eher subobtimal war (Stichwort Infinitivsätze, aber auch das abschließende Komma von eingeschobenen Relativsätzen), deine Groß/Kleinschreibung (Nominalisierung und teils simple Subjekte wie "Sein weg führte nach Süden") und - und das insbesondere - die grammatikalische Zeit.
Deine gewählte Erzählzeit ist die Vergangenheit. Das Präteritum. Also "Vor ihm erwuchs eine Blume aus der Erde." So hast du zu schreiben, was so gerade in deiner Geschichte passiert. Auch allgemeingültige Dinge werden dann im Präteritum verfasst! Nicht im Präsens. Auch, wenn es in unserer Realität genauso gilt, heißt es dann "Die Schwerkraft war allgemein dafür verantwortlich, dass lose Dinge die Nähe zum nächstgelegenen Boden suchten."
Dinge dagegen, die im Vorfeld passiert sind, werden nicht im Präteritum, sondern dem Plusquamperfekt geschrieben. Der sogenannten Vorvergangenheit. Liest sich dann so: "Gestern hatte noch die Sonne geschienen."
Jetzt zu deinem Text: "Schläftig schaute er aus deinem Fenster seines Gemachs. Die Augen werden schwerer, Müdigkeit steigt auf, trotzdem schläft er nicht ein. Stunden vergingen."
Da bist du plötzlich in der Gegenwart (Präsens). Korrekt wäre gewesen: "Die Augen wurden müde, Müdigkeit stieg [in ihm] auf, trotzdem schlief er nicht ein." Wirklich schön wäre gewesen "Seine Lider wurden schwer, Müdigkeit stieg in ihm auf, aber trotzdem schlief er nicht ein.", aber wengistens die korrekte Zeit wäre ein echt verdammt guter Anfang.
Genauso hier: "Itaro kämpfe sich auf die Beine. So tief schlief er seit längerem nicht."
Wobei das schon ein bisschen witzig war. Er kämpft sich auf die Beine, während er (da selbe Zeit), so gut schläft wie lange nicht mehr. Ich glaube, schlafwandelnde Protagonisten hatten wir noch nicht. Aber vermutlich meintest du eher: "So gut wie in dieser Nacht hatte er seit längerem nicht geschlafen."
Auch wenn du Dinge erzählst, die in der Vergangenheit lagen ... "Zuvor herrschte ein bereits ein enges Vertrauen und Bündnis zwischen den Familien." Nein, es heißt: "Zuvor hatte bereits ein enges Vertrauen und Bündnis zwischen den Familien geherrscht."
Dann gibt es immer mal wieder Präsenseinschübe, die mich anfangs völlig ratlos gemacht haben. "Hoffentlich ist Adrian nichts passiert." Es ist keine wörtliche Rede, im Originaltext nicht abweichend formatiert, und nachdem ich das fünfte Mal drüber gestolpert war, habe ich die kühne Vermutung angestellt, dass es sich um Gedanken handelt.
Auktoriale Erzähler können in mehrere Köpfe gucken. Der Personale immer nur in einen je Perspektive. Wenn es immer nur eine Sicht ist, die du erzählst, kannst du es einfach nur anders formatieren, z. B. kursiv. Das ist so die etablierteste Form hier auf Wattpad. Ebenso korrekt wäre es, die Sätze dann in einfache Anführungszeichen zu setzen. Du kannst aber auch, und dann geht das sogar mit mehreren Gedankensträngen beim auktorialen Erzähler, schreiben: "Hoffentlich ist Adrian nichts passiert, dachte Itaro." Auch das: Völlig korrekt.
Die letzte Möglichkeit wäre, es indirekt zu formulieren. "Itaro hoffte inständig, dass ihrem Retter kein Leid geschah/geschehen war."
Und manchmal rutschst du auch ganz unverhofft einfach so ins Präsens. "Ohne zu wissen, welche Karten ihm entgegenkommen, wich ihm ein Siegerlächeln über die Lippen." Diese Zeit bitte lediglich in wörtlicher Rede oder aber Gedanken nutzen. Sonst ist die tabu für dich. Es sei denn, du schreibst deinen kompletten Erzähltext um. Da aber der überwiegende Teil im Präteritum steht, würd ich dir das nicht empfehlen.
"Kaum eines gleicht dem Nächsten, sie sind Unikate in jeglicher Hinsicht." Das war so ein Ding, da saß ich ratlos vor. Ist das nun ein Gedanke von Senshiro? Das wäre uneindeutig und verwirrend, aber nicht falsch. Hast du es wegen der Allgemeingültigkeit aus Versehen im Präsens geschrieben? Dann wäre es grammatikalisch an der Stelle falsch, da es wie der Erzähltext auch im Präteritum verfasst werden müsste.
"Es bedarf nicht seiner Aufmerksamkeit." oder "Die Leute erzählen einem niemals etwas freiwillig, es sei denn, sie werden für ihre Informationen ausschweifend entlohnt oder stehen unter Todesangst." dagegen sind eindeutige Tempuspatzer.
Mehr ein Hinweis ist dagegen der Punkt, dass deine Figuren, wenn sie vergangenes berichten, witzigerweise fast durchgängig das Präteritum verwenden. Geläufiger wäre das Perfekt. Also nicht "Nachdem die Wachen das Schloss gestürmt hatten, ging ich in den Keller." sondern "[...] bin ich in den Keller gegangen" oder (noch umgangssprachlicher) "Die Wachen haben das Schloss gestürmt, da bin ich in den Keller gelaufen." Diese Sache mit "Texte laut lesen" ist besonders bei Dialogen sehr hilfreich.
Letzter Punkt, der nicht oft vorkam, war das Ausschreiben von Zahlen. "Herz 7 und Kreuz 9." Ja, auch wenn auf den Karten die Zahlen stehen, wird es im Text ausgeschrieben.
Ich könnte jetzt schreiben, dass es von diesen Punkten abgesehen, ein flüssiger Text ist, aber insbesondere die Zeitsprünge haben mich beim Lesen doch sehr behindert. Nicht so massiv wie die verschrobenen Formulierungen, aber in Kombination war es doch ein eher anstrengend zu lesender Text, der eine zusätzliche Barriere war, die das Eintauchen verhinderte. Im Gesamten zwar eher eine kleinere Baustelle, aber trotzdem immer noch die Basis eines jeden Textes. Da bitte mehr Sorgfalt an den Tag legen.
S C H L U S S W O R T
Das Werk hat viel versprochen, ich habe mich sogar ein klein wenig darauf gefreut, aber trotz tiefgreifender Überarbeitung komme ich leider zu dem Schluss, dass da noch eine Menge Arbeit vor dir liegt. Inhaltlich ist es eine gute Leistung, auch der schieren Länge zolle ich an der Stelle meinen Respekt, aber es liest sich wie Tolkien auf Speed. Extrem ruhelos. Es sind (wenige) wunderbare Ansätze drin, aber du nimmst dir nicht die Zeit, sie vernünftig auszuarbeiten. Hinter dieser Skizze steckt viel, viel mehr, du hast es bloß nicht aufgeschrieben. Ich glaub, dir fehlt da noch ein bisschen das Verständnis, was es bedeutet, dass der Leser nur das weiß, was du aufschreibst. Das klingt total simpel, ist es aber nicht. Es ist ein richtiger Schritt für jemanden, der Geschichten schreibt, das Ausmaß dieser Aussage zu begreifen. Denn viele Menschen haben tolle Geschichten in ihren Köpfen, aber es ist ein himmelweiter Unterschied, ob die Geschichte nur in meinem Kopf ist, oder ob ich es schaffe, sie so zu erzählen, dass sie genauso großartig in anderen Köpfen zum Leben erwacht. Die Ideen hast du. Jetzt musst du dich nur noch fragen, ob du dir die nötige Zeit für sie nehmen willst.
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