Belagerung
Der zweite Teil der Nordmänner-Geschichte von FleurDeCel
Es hat eine Weile gebraucht, bis ich mich an die Fortsetzung der Geschichte um Aveline und Rurik gewagt habe - zu starken Groll hegte ich auf Rurik, den Grobian. Nun aber ist es geschehen: Ich habe das Buch gelesen. Nachdem meine Tränen versiegt sind und ich wieder einigermaßen klaren Verstandes bin, kann ich aufschreiben, was ich davon halte.
Die Geschichte
Nahtlos knüpft Band zwei an Band eins an. Es ist empfehlenswert, den ersten Band gelesen zu haben, bevor man sich an den zweiten macht, denn viele Andeutungen verlangen Vorwissen. Man wird das Handeln und Sprechen Avelines nicht im Detail nachvollziehen können, ohne den ersten Band gelesen zu haben.
Aveline ist auf dem Heimweg, zurück ins Frankenreich. Sie ist verletzt, verwirrt und auf sich gestellt, vertraut niemandem außer sich selbst. Dies macht sie einerseits verwundbar, andererseits aber auch stärker. Je näher sie ihrer Heimat kommt, desto resoluter und kämpferischer wird sie.
Unterdessen rüsten sich die Wikinger zu einem neuen Feldzug gegen das schwächelnde Frankenreich, welches in vier kleine Gebiete gespalten wurde. Ragnar Sigurdson, der Jarl von Nordjütland, sinnt auf Rache und will mit seinen Kriegern und Schiffen bis Paris vorstoßen.
Die Wege der ehemaligen Heilerin der Wikinger und ihrem Gebieter werden sich erneut kreuzen, dieses Mal allerdings in ihrer Heimat, mit ihren Regeln und ihrer Stärke. Ob das genügt, um eine Horde wilder Nordmänner aufzuhalten, erfährt man in der Geschichte.
Die Personen
Lucca, der fränkische Sklave, erhält auch in diesem Buch eine wichtige Rolle. Er soll als Übersetzer walten, wenn der Jarl mit dem Frankenkönig spricht. Es kommt jedoch nie dazu.
Aveline entwickelt sich im zweiten Buch weiter. Nach einem Zwischentief steigt sie phönixgleich viel stärker als je zuvor auf und nimmt ihr Leben in die eigenen Hände. Sehr gut gezeichnet, glaubwürdig und sehr lebensecht. Man fühlt und leidet mit ihr - man leidet oft.
Rurik - wurde im ersten Band niedergestochen und diverse Rückblenden in Avelines Erinnerung weisen darauf hin. Sollte er das überlebt haben, so hätte er daraus bestimmt eine gehörige Portion an Lebenserfahrung lernen können.
Faralda - eine fränkische Hure. Ihre Bodenständigkeit und ihr sehr düsterer, derber Humor machen sie zu einer liebenswerten Person. Sie erfüllt eine wichtige Aufgabe in der Geschichte.
Die fränkische Königin Irmentrud wird sehr sympathisch dargestellt, selbstsicher und deutlich stärker als ihr Mann, der König. Ihr Auftreten sorgt für Schmunzeln und wirkt wie erfrischende Zitronenspritzer auf einem schmackhaften Fischmenue aus der wilden Nordsee.
Kritik
Der berühmte "Rote Faden" einer jeden Geschichte ist hier besonders geschickt verwoben worden. Immer wieder taucht er auf, wie sein namsgebender Vorläufer im Stoff. Nie verliert man ihn, findet sich immer zurecht und sucht nach ihm, wenn er mal etwas in den Hintergrund gerät.
Fleurmäßig läuft im Kopf das Kino ab. Der Streifen fesselt mich an meinen Sessel, ich kann kaum aufstehen und Popcorn essen ist nicht. Die Geschichte ist zu spannend - keine leichte Abendunterhaltung. Wiederum sind die Beschreibungen sehr detailliert und wirken echt. Dabei werden verschiedene Sinne angesprochen und ich kann als Leserin die Welt sehen, hören und riechen. An einigen Stellen sogar spüren und schmecken. Die Autorin schafft das scheinbar mühelos und sehr elegant.
Einige wenige Stellen auf Avelines Wanderung wirken leicht langgezogen, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. In einem gründlichen Lektorat hätte ich sehr wenig Arbeit. Die Geschichte ist in sich stimmig und auf hohem Level sehr unterhaltsam.
Sprachlich gibt es ebenfalls sehr wenig anzumerken. Die Dialoge wirken echt, personenbezogen. Dass Aveline mürrisch oder verträumt ist, scheint mit ihrer Vorgeschichte nachvollziehbar. Einige Patzer bei Pronomen oder Fällen sind mir ins Auge gestochen, nicht weiter der Rede wert.
Dass man ganz nebenbei zudem viele Dinge über die damalige Zeit lernen kann, ist bloß noch der Kakao auf dem Milchschaum. Wenn ich die Geschichte weglege, den letzten Schluck genossen habe, lehne ich mich zurück und wische mir glücklich grinsend den Schaumbart von der Oberlippe.
Für mich sind diese zwei Bücher definitiv ein Gesamtwerk, das ich gedruckt im Regal haben möchte.
Worte an FleurDeCel
Eigentlich gibt es auch hier nur ein Wort, das ich sagen sollte: Danke. Es ist sehr bemerkenswert, wie talentiert du an eine derartige Geschichte herangehst. Fast hat man das Gefühl, du seist aus jener Zeit zu uns gereist und berichtest aus eigener Erfahrung.
Wenn ich daran denke, dass diese beiden Bücher deine Erstlinge waren - Wow! Wo geht das noch hin, frage ich mich. Aber eigentlich ist das irrelevant; Hauptsache ist, ich bin dabei! Und das werde ich sein - definitiv!
Du bist die große, junge Autorin der heutigen Welt, die mich auf Reisen mitnimmt und mich in fremde Welten, echte oder erfundene, entführt. Ich werde dich immer wieder sehr gerne begleiten.
Deine Lesende
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