Adventswettbewerb-Teil 3

Hi, viel Spaß mit der neuen Kurzgeschichte! In dieser Woche hat Bienchen180804 die folgenden drei Wörter vorgegeben:

Vanillesoße, Apfelkuchen, Lichterketten

Weihnachtsfrieden

Als meine Mutter mir mitteilte, dass wir dieses Jahr den Weihnachtsbaum mit den Reisers kaufen würden, hatte ich gedacht, es würde der Horror. Seit vier Jahren war der Austausch zwischen der Familie von Mamas alter Schulkameradin und uns auf Postkarten zu Weihnachten verkommen. Manchmal zeigte Mama uns Fotos, die Katarina Reiser von sich, ihrem Mann und der Tochter aus Mallorca in den Status gestellt hatte und schlug vor, dass sie sie ja mal zum Kaffee einladen könnte, doch die Idee rückte immer wieder in den Hintergrund. Und ich war nicht traurig darum. Im Gegenteil. Diese Familie konnte ich einfach nicht leiden. Ich mag gemein klingen, aber meine Abneigung kam nicht von Ungefähr.

In der 2. Klasse hatte ich einen Schwimmkurs gemacht und Mama hatte mich noch dazu im Schwimmverein angemeldet. Mama war immer erpicht darauf gewesen, dass ich vernünftig schwimmen konnte. Und da Katarina und sie noch gut befreundet gewesen waren, weil wir nur ein paar Straßen auseinander wohnten, hatte Katarina auch ihre Tochter in den Kurs gesteckt. Antonia Reiser war ein halbes Jahr älter als ich, wir gingen auf unterschiedliche Schulen. Nur beim Schwimmen und wenn unsere Mütter sich trafen, sahen wir uns. Ich habe es gemocht, zu schwimmen, auch wenn es anstrengend war, die schier unendlichen Bahnen hinter mich zu bringen. Aber Antonia Reiser hatte es nicht gemocht. Sie lebte fürs Schwimmen.

Zum Aufwärmen waren immer 10 Bahnen zu schwimmen. Einige Male bin ich untergetaucht, um die Öde dieses Einschwimmens zu umgehen. Berauscht vom Sprudeln des vorbei platschenden Wassers merkte ich kaum, wie sich Antonia hinter mir immer weiter auf mich zu bewegte. Es war die letzte Bahn, die noch zu schwimmen war. Erneut holte ich Luft, um einige Schwimmzüge lang unterzutauchen. Dann glitt ich durchs Wasser und fühlte mich für ein paar Sekunden wie ein Delfin, die Luftbläschen, die sich um mich herum gebildet hatten, wirkten wie ein Schwarm Fische. Ich tätigte noch einen Schwimmzug und spürte, wie mir langsam der Atem ausging. Mir der oben wartenden Luft sicher, atmete ich ins Wasser aus und strebte die Wasseroberfläche an. Erst dann fiel mir der Schatten über mir auf. Antonia Reiser war über mir hergeschwommen, während ich unter der Wasseroberfläche war. Es war nur das einschwimmen, aber sie wollte die beste sein. Um jeden Preis. Panik stieg in mir auf. Meinen Herzschlag laut in den Ohren pochend schnappte ich nach Luft und atmete das Chlorwasser ein. Tränen traten mir in die Augen und ich verlor die Sicht. Ich kämpfte mit dem Reflex, erneut einzuatmen und dem langsam auftretenden Schwindel. Mit letzter Kraft strampelte ich mich an die Oberfläche und holte den tiefsten Atemzug meines Lebens. Weinend und zitternd erreichte ich den Beckenrand wo Antonia schon stand und ihre Haare auswrang, als wäre nicht gewesen. Ich kletterte mühselig aus dem Wasser und schrie hustend: "Du hättest mich fast umgebracht!" Ohne Vorwarnung ging ich auf die völlig überraschte Antonia los und zog sie an Armen und Haaren. Sie reagierte reflexartig und stieß mich weg. Ich landete auf den harten Fliesen, konnte sie aber noch mit mir ziehen. Schreiend und weinend schlugen und traten wir uns bis die Schwimmlehrerin uns nur mit Mühe auseinanderziehen konnte, wahrscheinlich aus Angst, wir könnten ins Wasser rollen und noch beide Ersaufen. Antonia sah mich wütend mit blutender Nase an, ich hielt mir mein aufgeschürftes Knie. Ich schrie noch: "Ich hasse dich!" als ich vorzeitig zum Duschen geschickt wurde. Seitdem haben wir nie wieder gesprochen. Wir waren einige Wochen später umgezogen.

Und jetzt saß ich im Auto, dessen Innenraum schon mit Decken für den nadeligen Tannenbaum ausgelegt war. Ich starrte aus dem Fenster nach draußen, wo schon wie üblich im Winter die Sonne unterging, und spürte... Angst. Ich schämte mich schon ein wenig für diese Überreaktion beim Schwimmen. Aber das war vor vier Jahren, also konnte sie mir ja kaum noch böse sein, oder? Mir fröstelte bei diesem Gedanken. Ich überlegte, einfach wegzurennen, sobald wir parken, aber wir waren jetzt schon eine halbe Stunde unterwegs und das mit dem Auto, also wäre ich kaum bis morgen zuhause. Wir bogen auf dem Tannenbaumhof ein, parkten auf der frostigen Wiese und machten uns auf den Weg in Richtung der in Reihen aufgestellten Tannenbäumen, in deren Mitte ein großes mit Lichterketten behängtes Zelt, aus dem es weihnachtlich nach Glühwein und Suppe roch. Mir wurde immer mulmiger, je näher wir diesem kamen. Ich war meine Möglichkeiten durchgegangen und Antonia aus dem Weg zu gehen. Wir würden ja nicht länger als eine Stunde bleiben. Als wir schließlich ins Zelt kamen, wusste ich, das mein Plan nicht aufgehen würde. Es war niemand da. Ich konnte nicht in der nicht vorhandenen Menge verschwinden. Mama lief sofort zu einem der fünf Tische, an dem schon die ganze Familie Reiser versammelt saß. Auch Antonia Reiser hatte sich zwischen ihren Eltern platzgenommen und hielt still eine Tasse Kinderpunsch in den behandschuhten Händen. Sie hatte sich verändert, mehr als ich es in vier Jahren getan hatte. Ihre Haare waren dunkler geworden und sie trug sie kürzer, aber ihre Gesichtszüge waren immer noch die selben. Einige Sekunden stand ich nur da und überlegte ein letztes Mal, wegzurennen, dann sah sie mir direkt in die Augen. Ich schaute sofort weg. Langsam ging ich zum Tisch und setzte mich unauffällig hin, nicht wissend, was ich mit meinen Händen tun sollte. Und es lief relativ entspannt. Ich aß Apfelkuchen und trank Kakao und dachte wirklich, wir würden danach einfach den Baum aussuchen und schleunigst fahren. Doch Mama hatte andere Pläne als ich und als ich einmal blinzelte war sie plötzlich weg. Panisch wendete ich meinen Kopf hin und her um sie zu finden, doch nur noch die zufallende Tür wies auf Mamas Fluchtweg hin. Papa und Georg Reiser saßen am anderen Ende des Tisches. Jetzt war ich ausgeliefert. Antonia saß mir schräg gegenüber und rückte wie eine gierige Schlange auf mich zu, bereit mich anzugreifen.

"Hi, Mira Schmidt", sagte sie.

"Hi... Antonia Reiser", sagte ich.

Sie sah kurz weg und ich spürte, dass sie es noch nicht vergessen hatte. Verdammt. Diesmal siegte wenigstens teilweise mein Fluchtinstinkt. Ich stotterte: „Ich hol mir noch schnell einen Teller Suppe." Schleunigst lief ich zum Buffet und nahm mir eine Suppenschüssel. Ich hatte zwar behauptet, „schnell" Suppe zu holen, schöpfte mir aber möglichst behutsam die Spargelsuppe in die Schale, die mich sowohl von der Konsistenz her als auch der Farbe wegen sehr an Vanillesoße erinnerte und die ich in diesem Moment so interessiert umrührte, als wäre es die wichtigste Suppe meines Lebens, nur um den Anschein zu erwecken, ich hätte etwas anderes zu tun, als ein Gespräch mit Antonia Reiser zu führen.

Vorsichtig schaute ich mich um. Antonia starrte auf ihre Fingernägel. Wenn sie damals nicht so überehrgeizig gewesen wäre, hätte ich mich auch anders verhalten. Es war nicht meine Schuld. Mein Herz sagte etwas anderes. Diese Antonia war kein bisschen so kämpferisch und verbissen wie damals. Aber ich kaute immer noch auf dem alten Knochen rum, ich war immer noch so stur. Es lag an mir, den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen. Ich biss mir auf die Lippe, kniff die Augen zu und hoffte, dass Antonia mich nicht gerade jetzt ansah und mich für verrückt erklären würde. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und ging mit klopfendem Herzen auf sie zu. Ich legte ein Lächeln auf meine Lippen und sprach sie an.

„Hey. Äh, eigentlich ist es mir ein bisschen unangenehm und ich möchte keine Akten Themen aufgreifen, aber..." Ich suchte nach Worten und hoffte insgeheim, Antonia würde meinen Gesprächsansatz übernehmen und weiterreden, aber sie sah mich nur an und wartete darauf, dass noch etwas kommen würde. Ich atmete durch und erzählte einfach darauf los. Die ganze Geschichte vom Tag, an dem wir das letzte Mal geredet hatten, bis mir irgendwann nichts mehr einfiel, was ich vergessen hatte ihr mitzuteilen und ich mich einfach mehrfach entschuldigte. Ich sah sie vorsichtig an und sie zeigte wirklich den Hauch eines Lächelns. Dann sagte sie: „Danke. Ging mir genau so." Sie stand auf und umarmte mich aus dem Nichts. Ich war etwas verdattert, legte aber ebenfalls meine Arme um ihre Schulter. Als sie mich wieder losließ und lächelte, spürte ich, dass ich diese Person, diese neue Antonia Reiser, doch sehr gut leiden konnte.

Das war meine Geschichte, vielleicht ein bisschen lang, ich hoffe, sie hat euch gefallen. Noch nicht Korrektur gelesen, ehrliche EHRLICHE Kritik ausdrücklich erwünscht!


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top