2 - Drei Monate zuvor... (Vergangenheit)

Jetzt war ich schon einen Monat Praktikantin bei Big Hit Entertainment, aber irgendwie hatte ich mir von meinen Aufgaben hier mehr erwartet. Was genau? Nun ja...vielleicht etwas, das mehr mit Musik zu tun hatte und weniger damit, als billige Putzkraft, Kaffee-Bringdienst oder Meeting-Vorbereitungsdame eingesetzt zu werden!

Ich hatte mir erhofft, mich vielleicht mal mit dem ein oder anderen Künstler austauschen zu können, aber das würde wahrscheinlich ein Traum bleiben. Ich befand mich im 3. Semester meines Musikstudiums und hatte von meinem Praktikumsplatz eigentlich erwartet, einen Einblick in die Entwicklung von Musik zu bekommen und gewisse Grundlagen, die es hierbei zu beachten gab, zu lernen und zu verstehen. Ich selbst sang für mein Leben gern und hatte sogar schon den ein oder anderen Song geschrieben. Allerdings fehlte mir das richtige Equipment für die Vertonung dieser Songs.

An diesem Nachmittag liefen mein Praktikantenkollege Kai und ich einen Meetingraum nach dem anderen ab, sowie auch verschiedene Aufnahmestudios, um den Müll zu kehren und die Räume zu säubern. „Ich bin hier um zu lernen und nicht, um den Leuten ihren Mist hinterher zu räumen!", beschwerte ich mich gerade und warf lustlos das Papier eines Snicker-Riegels in die Mülltüte. Kai hielt für einen Moment beim Besenkehren inne und zog theatralisch die Augenbrauen hoch. „Nicht?!" Ich lachte kurz auf, bevor es sich dann in ein Seufzen verwandelte. „Hast du deinen Mentor denn schonmal darauf angesprochen?", fragte er und ich nickte niedergeschlagen. „Er sagt, er habe alles im Griff und brauche mich nicht weiter." Mitleidig sah Kai mich an. „Das ist frustrierend. Mit meinem habe ich da noch Glück gehabt. Er zeigt mir hin und wieder etwas, wenn es seine Zeit erlaubt." Blitzartig fuhr ich zu ihm rum. „Was echt?!" Er zuckte mit den Schultern. „Ja. Ich habe am Anfang auch nichts anderes gemacht, als das hier. Aber dann hat es mir irgendwann gereicht und ich habe ihm erklärt, warum ich hier bin."

Wir verließen gerade den Meetingraum und näherten uns der nächsten Tür – sie führte in eines der Aufnahmestudios der arbeitenden Idols. Wir drehten den Schlüssel und betraten das Reich eines Musikers – ein kleiner fensterloser Raum mit einem riesigen Mischpult vor einer Scheibe, hinter der man den Aufnahmeraum vorfand. „Hmmm...", summte ich und blickte dabei sehnsüchtig zum Mikro. In dem Moment schien Kai ein Geistesblitz zu durchfahren. Ruckartig schnappte er mich bei den Schultern, drehte mich um und sah mich ernst an. „Was?", fragte ich. Mir war etwas unwohl unter seinem beinah wahnsinnigen Blick. „Ich könnte dir zeigen, wie man die Mikroaufnahmen bedient." Ich riss überrascht die Augen auf. „Was, wirklich?" Eifrig nickte er. Dann ließ er mich abrupt los und eilte zur Tür, durch die er kurz den Flur hinunter spähte, bevor er sie leise ins Schloss fallen ließ. Aufgeregt wischte ich mit meinen Handflächen über meine Oberschenkel. „Oh mein Gott, das dürfen wir doch nicht... oder? Was ist, wenn wir hier etwas kaputt machen? Ich meine...das hier ist der Arbeitsplatz von jemanden...was ist, wenn wir versehentlich etwas überschreiben? Was ist, wenn wir..." „So voilà, der PC ist oben.", unterbrach mich Kai, der sich offensichtlich nicht so viel Gedanken über seine Handlungen machte, wie ich. Augenblicklich waren meine Bedenken fortgepustet und hatten der blanken Neugier Platz gemacht. „Oh wow. So viele Buttons." „Spannend, oder?", fragte er und drehte sich kurz mit begeistertem Gesichtsausdruck zu mir um. Dann begann er mir, sein erlangtes Wissen weiterzugeben. Interessiert und gefesselt sog ich die Informationen in mich auf.

„...und schließlich drückst du dann nur noch auf ‚Aufnahme' und gehst rüber in den Aufnahmeraum.", schloss Kai seinen Einführungskurs. „Das ist ja gar nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt habe.", stellte ich verwundert fest, was Kai kichern ließ. Dann erhob er sich von dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte. „So...ich sollte weitermachen..." Verwirrt sah ich ihn an. „Du meinst wohl eher: wir sollten weitermachen." Er schüttelte den Kopf und ich verstand gar nichts mehr. „Ich komm nicht mit...was?" Wie ein Elternteil, dass Geduld für sein Kind aufbringt, verdrehte Kai die Augen. „Na ich dachte, du möchtest hier vielleicht etwas aufnehmen." Hektisch sah ich mich in der Hoffnung um, dass niemand außer uns zwei diesen Satz gehört hatte. „Was? Bist du verrückt?", raunte ich flüsternd und sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Er zwinkerte. „Schon möglich." Als er bemerkte, wie ich ihn weiter anstarrte, seufzte er. „Komm schon Zoey. Kein Arsch ist mehr hier. Wir haben das Gebäude sowieso für uns. Warum nicht auch mal ein bisschen Spaß haben? Du hast selbst letztens gesagt, dass es dich reizen würde, hier mal etwas aufzunehmen. Also komm schon. Es wird keiner erfahren. Meine Lippen sind versiegelt." Sehnsüchtig wanderte mein Blick zum Mikrofon im Aufnahmeraum. Sollte ich? Oder sollte ich nicht? Irgendwo hatte Kai schon recht – es war sowieso keiner außer uns beiden mehr hier. „Okay...ich tu's!", entschloss ich mich und blickte zum Mischpult. „Cool, dann viel Erfolg Zoey!", rief Kai mir im Gehen zu und schloss die Tür hinter sich. Jetzt war ich allein. Aufgeregt führte ich einen kleinen Vorfreude-Tanz auf und pustete laut aus. Dann setzte ich mich eilig an das Pult und bereitete alles Notwendige für eine Neuaufnahme vor, mit der ich wohlgemerkt nicht eine andere Aufnahme überschrieb. Dann flitzte ich aufgeregt hinüber in den Aufnahmeraum.

Die ersten paar Male klang ich durch die Aufregung noch etwas wackelig, aber langsam kehrte die Ruhe ein, die mich beim Singen früher oder später immer wieder einholte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Legte meine ganzen Emotionen in die Melodien und lebte den Text. Es war ein so befreiendes Gefühl, die Seele in den Song fließen zu lassen und als ich – immer noch mit geschlossenen Augen – den Song beendete, stahl sich ein befreites Lächeln auf mein Gesicht. Als ich die Augen öffnete und zurück in die Realität eintauchte, erschrak ich allerdings augenblicklich und versteifte. Vor dem Mischpult stand plötzlich jemand, der nicht Kai war. Nein. Diese Person war keine geringere als Suga von BTS.


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