4 - Meister & Schüler

Eine Woche später: Heute trainierten wir in gewohnter Umgebung – dem gemieteten Raum eines Tanzstudios. Wir übten unsere bisherigen Choreographien, überlegten uns jedoch auch schon weitere Tanzposen für unsere neueste Choreo. Gerade hatten wir den Tanz beendet und standen keuchend im Raum verteilt, als es plötzlich an der Tür klopfte. Als ich den Blick an den Spiegeln vorbei zur Tür gleiten ließ, erkannte ich unseren Besucher: J-Hope. Als auch die anderen ihn entdeckten, verbeugte er sich respektvoll zur Begrüßung. „Hi zusammen. Wie läuft's?" Meine Kameraden liefen ihm augenblicklich entgegen, nur ich zögerte etwas und schloss ganz langsam hinter ihnen auf. Nachdem J-Hope einem nach dem anderen die Hand gereicht hatte, war ich an der Reihe. Er hielt inne und begann mich aufmerksam zu beobachten, als ich zögerlich vor ihm zum Stehen kam. „Ich denke, wir holen uns mal einen Eiskaffee, was meint ihr?", raunte Elli und schon eilten ihr alle nach und ließen J-Hope und mich allein zurück.

Verlegen blickte ich zu Boden auf meine Füße. „Hallo...", murmelte ich, doch es kam keine Antwort. Erst als ich den Blick hob, begegnete ich seinem nachdenklichen Blick, der auf mir ruhte. „Es...hmhm...", unterbrach ich mich und räusperte mich, als mir vor Aufregung die Stimme wegbrach. „Es tut mir leid, dass ich dich neulich einfach so hab stehen lassen. Ich war sehr über mich selbst verärgert... ich...ich bin Kyla." Zaghaft streckte ich meine Hand zur Begrüßung aus. „Kannst du mir verzeihen?" Das ich diesen Satz rausbrachte, machte mich in diesem Moment ungemein stolz auf mich selbst. Auf J-Hopes Gesicht bahnte sich ein versöhnliches Lächeln seinen Weg an die Oberfläche.

Als er den Handschlag erwiderte, durchfuhr mich unerwartet eine seichte Welle der Erleichterung. „Ach, mach dir mal darüber keine Gedanken mehr. Vergeben und vergessen. Lass uns neu anfangen. Hi, ich bin J-Hope, aber meine Freunde nennen mich auch Hoseok.", erwiderte er und als sich unsere Hände berührten, spürte ich die sonnige Wärme, die von ihm ausging. Nach dem Händedruck strich ich mir verlegen eine Strähne hinters Ohr. „Arbeitest du schon an deinem nächsten Solo?", fragte er interessiert und ich versuchte die Beklommenheit, die mich zu überkommen drohte, abzuschütteln und straffte die Schultern. „Naja, nach meinem letzten Solo versuche ich immer noch, etwas Coolness und Würde zurückzuerlangen." Das brachte ihn kurz zum Lachen, bevor er wieder ernst wurde. „Kyla, cool war dein Auftritt auf alle Fälle." Als ich ungläubig den Blick hob, nickte er mir aufmunternd zu. „Wirklich. Du hast großes Talent. Das sage ich nicht zu jedem." Ich lächelte zaghaft. „Danke. Es tut gut, das zu hören... Was ist mit dir? Wo hast du so tanzen gelernt? Das war sehr beeindruckend." „Aaach...", erwiderte er daraufhin und machte eine bescheidene Gestik. „Ich tanze und rappe bereits seit einigen Jahren zusammen mit den Jungs. Davor war ich auch schon im Streetdance aktiv. Man könnte also sagen, dass ich schon mein halbes Leben lang tanze." Neugier erwachte in mir und ohne es zu merken, kam ich ihm ein Stück näher. „Das klingt faszinierend." „Es ist schon lustig, sich neue Moves auszudenken und sie dann mit den anderen zu teilen. Hhmmm, manchmal allerdings ist es auch etwas kräftezehrend."

Und so verwickelten wir uns langsam aber sicher ein Gespräch, bei dem wir allmählich miteinander warm wurden und uns kennen lernten. Als meine Gruppe vom Eiskaffee trinken zurückkehrte, fanden sie Hoseok und mich bereits tanzend im Raum vor, wo er mir geduldig ein paar seiner Bewegungsabläufe beibrachte. Hoseok und ich tauschten am Tagesende die Nummern, um uns für weitere Trainingseinheiten verabreden zu können. Auch die Idee einer gemeinsamen Choreographie wurden von Ed und Elli angestoßen, meinen anderen Teamkollegen unterstützt und schließlich von Hoseok und mir zugestimmt. Am Abend fiel ich müde ins Bett, froh darüber, mir einen Ruck gegeben und meinen Stolz überwunden zu haben.


Zwei Wochen später: Täglich trainierten Hoseok und ich im Anschluss an das Training der YT-KEEZ im Studio bis spät abends. Zweimal hatte er bislang seine Band, die Bangtan Boys, mitgebracht und dann hatten alle zusammen getanzt. Gemeinsam gaben Hoseok und die Jungs sogar eine private Vorstellung einer ihrer Songs und das war äußerst beeindruckend. Mit offenen Mündern hatten meine Gruppe und ich an der Spiegelseite des Raumes gesessen und staunend zugesehen. Die Bangtan Boys waren schon eine sehr angenehme Gesellschaft und ich ertappte mich dabei, wie ich mir wünschte, im Finale gegen sie zu tanzen, anstatt gegen irgendeine fremde Gruppe. Denn im Falle des Scheiterns hätte ich lieber jemanden gewinnen sehen, für den ich mich dann trotzdem freuen konnte.

Die Choreographie für das neue Tanzduett schritt von Tag zu Tag immer besser voran. Mit Hoseok zu tanzen war einfach der Wahnsinn und eine große Ehre. Er war ein so geduldiger Lehrer, dem immer wieder neue Ideen für die nächsten Bewegungsabläufe einfielen, die er mir dann wiederum beibrachte. Doch auch meine Ideen wurden nahtlos in die neue Choreo mit eingewebt. Hin und wieder entschieden wir uns dafür, die Choreo abzuändern, wenn wir bemerkten, dass andere Tanzfiguren an der jeweiligen Stelle besser harmonierten, als die ursprünglichen. Bald war die Choreo fertig auf die Beine gestellt und wieder mussten wir nichts weiter tun, als sie immer und immer wieder zu üben.

Nach anderthalb Monaten harten Trainings und schmerzenden Muskeln am Abend, schafften sowohl die Bangtan Boys, als auch die YT-KEEZ es schließlich ins Viertelfinale. Die Freude war übermäßig. Noch am selben Abend trafen sich beide Gruppen in einem Restaurant und stießen gemeinsam darauf an, dass wir alle es unter 100 Tanzgruppen soweit geschafft hatten. Als unsere Gläser beim Anstoßen sanft klirrten, blickten Hoseok und ich uns tief in die Augen. Der Moment, indem ich ihn im sanften Lichterschein auf dem Sitzplatz neben mir ansah, veränderte etwas in mir und ich konnte spüren, dass auch er diese Veränderung wahrnahm. Die Vertrautheit zwischen uns ging bereits so weit, dass wir vom selben Löffel hätten essen können – etwas, was ich sonst bei niemandem den ich kannte, durchgehen hätte lassen. Es fühlte sich natürlich und vertraut an, wenn Hoseok gegen 17 Uhr das Studio betrat und meine Teammitglieder uns viel Spaß beim Training wünschten, bevor sie uns zurückließen. Dann hämmerte mein Herz aufgeregt, wenn Hoseok in meine Nähe kam, um eventuelle falsche Körperhaltungen bei mir zu korrigieren. Einmal erwischte ich mich sogar dabei, dass ich absichtlich in eine falsche Position fiel, nur damit er zu mir kam und die Position mit sanften Händen korrigierte. Zunehmend trafen wir uns nach dem Training noch auf einen Proteinshake oder schlenderten im nahegelegenen Park umher.


Im Halbfinale flogen die YT-Keez gegen die ‚Monsters' aus dem Wettbewerb, doch die Enttäuschung währte nur von kurzer Dauer. Nun feuerten wir alle die Bangtan Boys an, die sich gegen die ‚Blue Moons' behaupteten. Regelmäßig besuchte ich ihre Trainingseinheiten in ihrem Studio und trainierte nach ihrer Session weiter mit Hoseok. Immer noch arbeiteten wir an der Perfektion unseres Duetts. Hoseok bestand darauf, dass wir das Duett im Finale vorführen sollten und auch die anderen Mitglieder waren seiner Meinung.


Am Abend vor dem Finale liefen Hoseok und ich vor unserem Training am Abend zielsicher in Richtung Spätkauf. Leuchtende Straßenlaternen säumten unseren Weg dorthin. Fröstelnd zog ich die Jacke enger um mich und blickte in die hell erleuchteten Fenster der Wohnhäuser. Da Weihnachten nicht mehr weit entfernt war, strahlten an einigen Fenstern sogar Lichterketten und andere Festtagsbeleuchtungen. Neben mir fröstelte Hobi. „Brr, ich kann es jetzt schon wieder kaum erwarten, bis der Frühling kommt." Ich lachte, nahm meine Mütze vom Kopf und zog sie ihm über. „Was lässt du auch deine Wintersachen im Studio zurück?" Im Gehen stupste er mich sanft von der Seite an, bevor er antwortete. „Es ist doch nur ein kurzer Weg..." Doch aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie seine Hände rasch die Mütze über seine hochroten Ohren zogen und lächelte. „Wenn du das sagst..." „Jap!", beeilte er sich zu sagen. Wir schlenderten zum Spätkauf rein und besorgten uns jeder je einen Liter Wasser und ich nahm noch einen kleinen Muffin für später mit. Als wir aus dem Laden wieder hinausliefen, beeilten wir uns, so schnell wie möglich zurück zum Studio zu gelangen.


Als wir das Studio betraten, war bereits in den anderen Sälen kein Licht mehr. Wir waren Mutterseelenallein in dem Gebäudekomplex der Mang-Studios. Nachdem wir uns etwas aufgewärmt und gedehnt hatten, begannen wir unser Duett zu proben. Dafür joggte Hoseok zur Spiegelfront, während ich ihm mit meinen Augen folgte und gleichzeitig die Startposition einnahm. „Bereit?", rief mir Hoseok über die Schulter zu. „Schon längst.", antwortete ich und mein amüsierter Tonfall ließ seinen Kopf zu mir herumfahren und mich verwundert ansehen. „Was ist?", fragte ich nun doch etwas verunsichert, da er sonst nichts sagte und ich nicht in der Lage war, seine Gedanken zu lesen. „Warte mal...", murmelte er nachdenklich und lief zu mir, um die Startfigur eingehender zu beobachten. „Hmm...", machte er dann, als er hinter mir stand und meine Nackenhärchen stellten sich auf. „Hoseok, was schwebt dir durch den Kopf?" „Ach nichts...", antwortete er schnell und schritt wieder zum Rekorder und drückte auf die Playtaste. Dann stellte er sich wieder hinter mich. „Wirklich! Es ist nichts.", beeilte er sich zu sagen als er merkte, dass ich mich schon umdrehen wollte, und ich beschloss den Blick nach vorne ausgerichtet zu lassen.

„We're now going to progress to some steps which are a bit more difficult..." Augenblicklich umfassten Hoseok's Hände meine Taille. „Ready, set, and begin" Bebend pulsierte mein Brustkorb vor, während meine von J-Hopes Händen geführte Hüfte einen halben Kreis nach hinten beschrieb und dabei gefährlich nah an seinem Schritt vorbei schwang. In einem Mix aus HipHop, Pop und Streetdance tanzten wir umeinander herum und aneinander vorbei – komplett aufeinander eingespielt. Das beinahe tägliche Training hatte geholfen, uns in vollkommenden Einklang zu bringen und durch Hoseoks Erfahrung war es leichter von ihm zu lernen, als ich es ursprünglich für möglich gehalten hätte. Während der Choreo gab es immer wieder kleinere Cooldowns, in denen Hoseok und ich uns gefährlich nahekamen. Immer dann spürte ich das Kribbeln in meinem Bauch und das Verlangen danach, mit meinen Händen durch sein Haar zu fahren. Ich beherrschte mich und tanzte weiter.

Doch dann näherten wir uns dem heiklen Part der Choreo – dem Part, bei dem ich ihm zugewandt war und er mich sicher an der Hüfte zu sich heranzog, damit ich meinen Oberkörper wie für eine Brücke nach hinten biegen konnte, bevor ich mich anschließend daran wieder hochzog. Durch unsere Jogginghosen fühlte ich in dem Moment, in dem ich mit meinem Oberkörper am weitesten nach hinten runter gebogen war die natürliche, leichte Beule in seiner Hose. Die Stelle zwischen meinen Beinen begann zu pulsieren. Schnell versuchte ich mich wieder zu konzentrieren und ließ mich in die Musik fallen.

Als sie endete, standen J-Hope und ich uns jedoch keuchend gegenüber und blickten uns tief in die Augen, während sich unsere Handflächen schwebend in der Luft berührten. Wie bei einer Paralyse, war ich in diesem Augenblick einfach nur unfähig mich zu bewegen. Hoseoks Atem kitzelte auf meinen Wangen und Lippen und ich registrierte, wie er seinen Kopf ein wenig hinab senkte. Dann spürte ich den blütenzarten Kuss seiner weichen Lippen auf meinen.

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