4 - I love you Seoul
Ich brauchte vier Tage, ehe ich es schaffte mich wieder bei ihm zu melden. Die Nachricht war zwar kurz, doch dem Spruch Herz über Kopf folgend entschied ich, dass ich Namjoon trotz der Umstände unbedingt wiedersehen wollte und ihn vermisste, obwohl wir uns nicht einmal richtig kannten. Namjoon hatte postwendend geantwortet und sich abermals entschuldigt, dass er mir ein solches Dilemma mit dem Verschweigen seiner Identität auferlegt hatte.
Doch gerade, als wir uns verabredet hatten, musste er das Treffen aufgrund eines kurzfristigen Bandtermins auch schon wieder absagen und ließ mich enttäuscht vor meinem Handydisplay zurück.
Ich beschloss auf eigene Faust loszuziehen und ein paar der von ihm vorgeschlagenen Orte zu besuchen. Ich erkundete einige Museen und Galerien, jedoch auch einige Parks und Restaurants in den verschiedensten Ecken von Seoul. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat ich schließlich auch Hybe Insight und besorgte Pia ihren Merch. Dabei achtete mein Herz-Ich sorgsam darauf, nicht zu viel Fanartikel von Namjoon zu kaufen. Bei dem Gedanken daran, wie viele Mädchen Fanzeugs von Namjoon in ihren Zimmern haben mussten, stach die Eifersucht kurzzeitig in mein Herz und ich versuchte krampfhaft, sie wieder abzuschütteln. Doch leichter gesagt, als getan. Zurück im Hotel beschloss ich – trotz aller Risiken - mich mit den Gesichtern der Band etwas vertraut zu machen...erfolglos. Namjoon war der Einzige, den ich klar aus der Gruppe herausfiltern konnte. Namjoon und dann noch das Gesicht von dem einen, der laut Google den Namen J-Hope trug.
Ich bekam gar nicht mit, wie meine Zeit in Seoul dahinrann, doch drei weitere Tage später, klingelte mein Handy plötzlich am Abend, als ich Wein schlürfend und alleine in meiner Hotel-Suite am Fenster stand - den Bademantel gemütlich und warm um mich gewickelt. Namjoons Name leuchtete mir auf dem Handydisplay entgegen, während er darauf wartete, dass ich seinen Video-Call annahm. Als ich den grünen Button betätigte, bemühte ich mich um einen nüchternen, neutralen Gesichtsausdruck. „Hi.", sagte ich und winkte lässig in die Kamera – naja, zumindest versuchte ich es. Er lachte kurz auf, wobei seine Grübchen zum Vorschein kamen und mein Herz höherschlagen ließen. „Hallo Bonnie.", grüßte er zurück und lächelte dann zerknirscht. „Es tut mir so leid, dass ich unsere Termine verschieben musste." Theatralisch verdrehte ich die Augen. „Schon okay. Ich weiß ja – du hast viel zu tun, planen, organisieren und so weiter." Erleichterung wich seinen angespannten Gesichtszügen. „Danke für dein Verständnis, aber in Ordnung ist es trotzdem nicht." Ich betrachtete das dunkle Rot des Weins, zuckte dann nur mit den Schultern und führte mein Weinglas wieder an meine Lippen.
„Bonnie...", begann er, wobei ein verräterischer Unterton in seiner Stimme eine leichte Unsicherheit nicht verbergen konnte – wie süß. Ich blickte reserviert in die Kamera meines Handys, während ich den Wein in meinem Mund herunterschluckte und hob abwartend die Augenbrauen. Er lachte verlegen auf, bevor er sich räusperte. „ah...ich wollte dich fragen, ob du für morgen Spätnachmittag vielleicht schon etwas vorhattest und falls nicht...wollte ich dich fragen, ob du...mit mir ausgehen möchtest." Mein Herz setzte einen Moment aus und in meinem Kopf wiederholte ich die Worte, um sie durch den Alkohol-Nebel erst richtig begreifen zu können. „Du meinst...ein Date?", hakte ich nach, wobei ich grüblerisch die Stirn in Falten legte. „Ja", antwortete er gerade heraus und ohne Umschweife. Ich nahm einen weiteren großen Schluck aus meinem Glas, während ich in mich ging, um meine Gefühle zu erforschen.
Wir waren zwar wieder dabei, uns locker und ungezwungen zu texten, aber wir hatten uns von Angesicht zu Angesicht das erste und letzte Mal am Tag des Radunfalls gesehen. Zudem war morgen mein letzter Tag in Seoul, bevor ich den Flieger zurück nach Hause nehmen musste. In meinem Magen flatterten die blauen Himmelsfalter in beschwingter Vorfreude an den Gedanken an Namjoon mit ihren Flügeln – zum Start bereit. Mein Herz verstärkte seine Kontraktionen und ließ meine Pulsfrequenz etwas weiter nach oben schnellen. Meine Hände wurden leicht zittrig und in meinem Kopf ging es nur: Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, OH MEIN GOTT!!! JETZT SAG JA, DU PUTE!!!
Meine Augen zuckten zurück zum Display, von dem aus mir Namjoon abwartend entgegenblickte. „Okay.", antwortete ich ihm und versuchte dabei möglichst keine Gefühle preiszugeben. Dem Schönling wollte ich es nicht so einfach machen. Leichtes Spiel hätte er bestimmt genug, wenn er es nur wollte.
Ein breites Grinsen, das die Grübchen um Vorschein brachte, erschien auf seinem Gesicht und er atmete hörbar aus. „Gut. Ich hole dich morgen gegen 16 Uhr ab." Sein Tonfall klang nach dem Ende des Gesprächs und leichte Panik packte mich. „Halt, was machen wir denn?" Meine Hände krallten sich um mein Handy, während Namjoon belustigt zu lachen begann. „Warum willst du das wissen?" Meine Augen huschten zu Boden und ich konnte nicht verhindern, dass die Hitze in meine Wangen stieg. „Ich... nun...ich weiß nicht, was ich anziehen soll." Jetzt lachte er aus vollem Herzen. Als er die Hand vor den Mund hob, erstickten die Laute und wichen einem tiefen Luftholen, bevor er wieder in die Kamera blickte. „Keine Sorge, Bonnie. Jeans und T-Shirt reichen völlig. Hmm...und vielleicht verzichtest du auf Schuhe mit Absatz." Ich gab ihm noch die Adresse meines Hotels und dann verabschiedeten wir uns auch schon.
Mein benebelter Verstand, den ich sorgfältig zu betäuben versucht hatte – um nicht länger über aufkeimende Gefühle für eine gewisse Person nachdenken zu müssen – meldete sich aus der letzten Ecke meines Kopfes:
Verkackt hast Du, Bonnie. Jetzt stiehlt er Dir ganz Dein Herz. Denk dran, du musst übermorgen wieder zurück. Es macht keinen Sinn, jetzt hier etwas aufzubauen, ihr lebt sowieso in unterschiedlichen Welten. „Halt die Klappe.", grummelte ich, um meine Gedanken zum Schweigen zu bringen und machte mich dann zum Schlafen gehen fertig. Der Alkohol ließ mich augenblicklich in einen tiefen Schlaf ohne Träume hinübergleiten.
Da mir nicht die übliche Kleidungsauswahl wie zu Hause zur Verfügung stand, entschied ich mich für meine hellblaue Skinny-Jeans, einen weißen Hoodie und meine farblich zur Hose passende Jeans-Jacke. Die oberen Wimpern hatte ich– wie üblich – mit schwarzem Mascara betont und meine Lippen mit einem kirsch- färbenden Labello zum schimmern gebracht. Die vorderen Strähnen meiner langen, glatten Haare band ich mit einem kleinen Haargummi seitlich nach hinten weg, sodass mein Scheitel immer noch in der rechten Kopfmitte zu sehen war. Perlmutt schimmernde Sternohrstecker zierten meine Ohrläppchen und durchschimmernder, zartrosa Nagellack brachte meine Fingernägel – die ich an diesem Mittag noch mühsam gefeilt hatte – zum Glänzen.
Ich hatte gerade noch ein frisches und leichtes Parfum aufgetragen und den Inhalt meiner kleinen Handtasche geprüft, als auch schon mein Handy klingelte. Mit klopfendem Herzen nahm ich ab. „Ja?" „Hi, ich stehe jetzt vor deinem Hotel.", hörte ich seine warme, tiefe Stimme durch den Hörer klingen und atmete scharf ein bevor ich antworten konnte. „Okay, ich bin sofort unten." Mehr als einmal befahl ich mir, nicht zum Fahrstuhl zu rennen, sondern in angemessenem Tempo zu gehen. Doch es fiel mir ungemein schwer, mich zu bremsen und zurückzuhalten. Die Aufregung vor dem kurz bevorstehenden Date, konnte ich nicht länger leugnen. Mein Magen schlug Purzelbäume vor Freude und mein Schritt war federnd – es ging einfach nicht anders. Ich erreichte die Lobby und erkannte draußen durch die große Glastür Namjoon, der mit den Händen in den Jackentaschen lässig an einem Gehwegpfeiler lehnte. Auch er trug helle Jeanstöne, jedoch war sein T-Shirt, dass er unter seiner offenen Jacke trug, schwarz. Seine schwarzen Haare fielen ohne ersichtlichen Aufwand locker um den Scheitel und seine Augen blickten auf seine Hände, die er nun ineinander verschränkt hielt.
Als ich die Tür aufstieß und nach draußen trat, sah er auf und fand direkt meinen Blick. Er stieß sich vom Pfeiler ab und kam mir entgegen geschlendert. „Hi." „Hi." Als wir voreinander stehen blieben, war ich mir unsicher, wie ich ihn begrüßen sollte. Alles in mir wollte ihn in eine Umarmung ziehen, doch mein Verstand flüsterte mir ein, dass das für das zweite Treffen vielleicht noch zu früh war. Auf der anderen Seite, hatten wir uns aber auch schon seit über einer Woche geschrieben. In dem Glauben, eine für uns diplomatische Lösung gefunden zu haben, beugte ich mich vor und hauchte ihm zur Begrüßung je links und rechts einen Luftkuss auf die Wangen. Ein wenig überrumpelt erwiderte er sie, bevor wir wieder auseinanderwichen und leicht verloren auf dem Gehweg verharrten.
Die Sekunden vergingen und gerade als ich verlegen zum Reden ansetzen wollte, holte auch Namjoon Luft. „Also...", sprachen wir synchron und lachten dann beide nervös. Mit einem verschmitzten Lächeln gestikulierte Namjoon in meine Richtung „Bitte, du zuerst." Ich blickte kurz zu Boden und betete inständig, dass er mein aufgeregt pochendes Herz nicht hören konnte. „Danke, okay. Also ich wollte eigentlich nur fragen ob das Outfit für das passt, was du mit mir geplant hast." Bei meinen Worten was du mit mir geplant hast sah ich für den Bruchteil einer Sekunde einen Schatten über sein Gesicht huschen, seine Augen blitzschnell meinen Körper mustern und die Zunge rasch über die Unterlippe lecken. Mir wurde heiß. Namjoon trat einen kleinen Schritt zurück und fiel in eine theatralisch nachdenkliche Pose. „Hmm...schwer zu sagen..." Irgendetwas in meinem Blick brachte ihn aus seinem Schauspiel, denn er lachte tief und kehlig auf – was mir einen Schauer durch den Körper jagte – und schüttelte dann den Kopf. „Alles gut. Die Kombination steht dir sehr gut, finde ich." Skeptisch kniff ich die Augen leicht zusammen und neigte den Kopf. „Nein, im Ernst. Du siehst mir sehr gut, so wie du aussiehst.", setzte er nach und mein Kopf begann, sich Szenen im zweideutigen Sinn darüber auszumalen, wie sehr ich ihm wohl gefallen mochte. Schnell räusperte ich mich und setzte mein offenstes Lächeln auf. „Okay, vielen Dank. So...wohin gehen wir?"
Er navigierte uns zu Fuß in ein Restaurant, das Korean-Barbecue anbot. Während des Essens tauten wir dann auch nach der anfänglichen Befangenheit auf und begannen wieder über Gott und die Welt zu reden. Er fütterte mich manchmal mit kleinen Häppchen von seinen Stäbchen, wenn mir meine mal wieder durch die Finger glitten und machte sich hin und wieder sogar einen Spaß daraus, mir den Happen vor der Nase wegzuziehen, wenn ich diesen entgegennehmen wollte. Ich sorgte beim Einschenken des Sojus für zu viel Schwung, wodurch ein kleiner Schwall hiervon auf Namjoons Hose landete. Je weiter dieser Nachmittag fortschritt, desto unbeschwerter und ausgelassener wurden wir. Namjoon dippte mit mariniertem Fleisch an meine Nasenspitze, ehe er mich fütterte und ich rückte irgendwann an den Platz neben ihn, um ihm beim Kleckern besonders nahe sein zu können. Am Ende bestand er darauf, die Rechnung zu zahlen und wir verließen lachend Arm in Arm das Lokal, als hätten wir es bislang immer so gemacht.
Nach dem Restaurant folgte ein Spaziergang, der uns zum Seoul Forest Park führte. Obwohl sich über unseren Köpfen immer dichtere graue Wolken zusammenzogen, milderte das unsere Unternehmungslust nicht im Geringsten. Wir liefen an einem Mann vorbei, der unterwegs Rosen verkaufte. Namjoon registrierte meinen flüchtigen Blick auf die Blumen und kaufte dem Mann dann eine ab, die er mir im Anschluss charmant überreichte. Wir gelangten an einen See, an dem wir uns auf einer Parkbank niederließen.
Seufzend lehnte ich mich an Namjoons Schulter und schnupperte zum wahrscheinlich 100sten Mal an der Rose. „Ich weiß, es ist zwar Klischeehaft, aber Rosen sind meine Lieblingsblumen. Besonders rote, wie diese hier." „Ist es nicht egal, ob du ein Klischee bedienst oder nicht? Du magst sie bzw. dir gefallen rote Rosen und das ist auch gut so. Punkt aus Ende." Ich lächelte und spürte, wie er seinen Arm wie selbstverständlich um mich legte und über meinen Oberarm zu streicheln begann. Ich schloss die Augen und genoss den Moment. „Ich könnte gerade für immer hier sitzen bleiben. Es ist so schön hier." „Wenn du das jetzt schon sagst, musst du mal unbedingt im Frühling hierherkommen. Dann steht der ganze Park in voller Blüte.", murmelte er ganz nah an meinem Ohr und jagte mir somit ungewollt einen wohligen Schauer über den Rücken. „Frierst Du?" Besorgt rückte er ein Stück von mir ab und betrachtete mich. „Der Herbst kann schon manchmal unangenehm sein. Möchtest du meine Jacke?" Ich schlug die Augen für einen Moment nieder und grinste in mich hinein. „Es geht mir gut Namjoon. Das Frösteln eben hatte einen ... anderen Grund." Ein wissender Blick trat in sein Gesicht und seine Züge entspannten sich, bevor er wieder heranrückte. „Verstehe."
Für einen Augenblick sagte keiner etwas. Im Park um uns herum war alles still. „Ich mag den Herbst eigentlich ganz gerne – kalt und ungemütlich hin oder her.", nahm ich den Faden wieder auf und spürte, wie Namjoon den Kopf zu mir herumdrehte. „Ach ja?" „Hmm. Die Wälder wirken wie verzaubert...", mit einer Geste umfasste ich die leuchtenden gelben und roten Baumkronen um uns herum. „...an grauen Tagen, macht man es sich mit einem Tee oder einer Heißen Schokolade und einem guten Buch an einem Platz am Fenster gemütlich..." Jetzt kuschelte ich mich ein wenig enger an ihn. „...und mit dem richtigen Menschen kuschelt man sich einfach zusammen und genießt die Zweisamkeit." Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass ihn diese Worte lächeln ließen.
Sein Arm umschloss mich fester und plötzlich legte er seine freie Hand unter mein Kinn und drückte es langsam nach oben, bis sich unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander befanden. „Was auch immer du da gerade mit mir machst...", begann er und seine Stimme war ganz dunkel und rau. „...hör nicht damit auf." Langsam neigten wir uns einander zu. Als seine Lippen hauchzart über meine kitzelten – es war noch kein Kuss – erklang über unseren Köpfen dunkler Donner und es begann zu nieseln. Wir fuhren ein kleines Stück auseinander und blinzelten in den Himmel. „Soll ich dich zurück ins Hotel bringen?", fragte er, ließ den Himmel jedoch nicht aus den Augen. „Bitte.", hauchte ich leise zurück. Langsam lösten wir uns voneinander, standen von der Bank auf und machten uns Händchen haltend zurück auf den Weg ins Hotel. Mein Herz schlug weiter rasend und bebend in meiner Brust, während ich Namjoon immer wieder aus den Augenwinkeln einen Seitenblick zuwarf.
„Da vorne ist es.", sprach Namjoon, als uns nur noch knapp 200 Meter von dem Eingang des Hotels trennten. Ich blickte auf unsere ineinander verschlungenen Hände. „Wehe, du verabschiedest dich jetzt schon.", mahnte ich und brachte ihn damit zum Schmunzeln. „Ich würde es nicht wagen.", gab er in gespielt ehrfürchtigen Ton zurück. „Dein Glück." Ich kicherte. „Aber mal aus Interesse...", während sein Blick zu Boden glitt, bahnte sich ein verschmitztes Grinsen seinen Weg an die Oberfläche. „Was willst Du dagegen machen, wenn ich es doch mache?", fragte er dann und ich knuffte ihm in die Seite. Lachend begannen wir herumzualbern – die Menschen um uns herum ignorierend. „Vorsicht, meine schöne Rose!", rief ich, als sie zwischen die Fronten unserer kleinen Rangelei geriet. Wir blieben stehen und hielten inne, während wir einander in die Augen blickten. „Danke für diesen wunderschönen letzten Nachmittag, Namjoon." Verlegen strich ich mir eine gelöste Haarsträhne hinters Ohr und lächelte, während ich die Augen niederschlug. „Ich danke dir dafür, dass du mich nochmal sehen wolltest nach allem.", kam es ernst zurück und schnell suchten meine Augen seinen Blick. „Warum sollte ich das nicht wollen würden?", fragte ich verdutzt. Er verdrehte leicht die Augen – so, als wäre der Grund dafür offensichtlich. „Naja...du weißt schon. Die Tatsache, dass ich...im Musikbusiness arbeite.", murmelte er und begann unsere Hände zu betrachten. Auf einmal wirkte er verunsichert. Ohne nachzudenken legte ich meine Hand an seine Wange und wartete darauf, dass er mich wieder ansah. Unsere Blicke trafen sich. „Zugegeben, ich habe mit mir gerungen, ob ich das kann, Namjoon. Aber dann habe ich an unseren Zusammenstoß gedacht und wie gut wir uns noch am selben Tag verstanden haben. Hmm, wobei deine Bitte mir anfangs schon sehr suspekt vorkam..." Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, während er belustigt schnaubte, mir jedoch weiterhin in die Augen sah. „Ich bin froh und dankbar, dass ich zuerst den Menschen hinter der Idol-Maske kennenlernen durfte. Und nach dem heutigen Tag..." Ich seufzte tief und blickte dabei vielleicht einen kleinen Moment zu lange auf seine Lippen. „...nach dem heutigen Tag wird es mir besonders schwer fallen nach Hause zu fliegen. Du hast mich berührt, Namjoon. Und es macht mir zwar ein wenig Angst in Anbetracht der kurzen Zeit, aber du machst etwas mit mir..." Ich löste unsere verschlungenen Hände und legte sie behutsam an seine starke Brust – auf Herzhöhe – und beendete den Satz: „...genau hier."
Seine Augen weiteten sich für eine Millisekunde. Dann legte er seine Hand über meine, direkt über seinem stark pochenden Herzen und hielt sie fest. Die andere Hand legte sich in meinen Nacken und langsam beugte er sich zu mir herunter. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und reckte mich ihm entgegen. Und dann trafen sich unsere Lippen. Zaghaft und vorsichtig, als könnte ich mich jeden Moment umdrehen und davonrennen erkundeten seine Lippen meine. Mein Daumen strich sacht über seine Wange. Der Kuss war süß und seine Lippen warm und weich.
Dann brach der Platzregen los und wir rannten die letzten Meter unter das Vordach meines Hotels, wo wir stehen blieben und uns wieder tief in die Augen blickten. Schließlich war es Namjoon, der sich sowohl als Erster von uns beiden regte, als auch das Wort ergriff. „Ich denke, du musst nun hoch und deine Sachen packen, oder?", der niedergeschlagene Ton in seiner Stimme versetzte mir einen Stich. „Möchtest du nicht noch mit hochkommen?", fragte ich und versuchte dabei nicht allzu erbärmlich auszusehen. „Nicht dieses Mal.", entgegnete er und ich hörte Bedauern in seiner Stimme. „Warum?", wollte ich wissen. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Glaub mir, ich würde gerne, aber dass, was ich am liebsten mit dir da oben anstellen würde...ist...zu früh." Meine Wangen wurden feuerrot bei dem Gedanken an mögliche Szenarien der Zweisamkeit mit Namjoon in meiner Hotelsuite. Das Glühen breitete sich über mein ganzes Gesicht bis in die Ohren aus und mein Herz raste. Doch ich verstand den Beweggrund und mein Verstand pflichtete ihm bei. Es war zu früh, es war gerade mal das zweite Treffen – ob nun dazwischen Zeit vergangen war, sei mal so dahingestellt. So richtig kennen tat ich ihn eigentlich immer noch nicht. Namjoon hatte recht. Ich seufzte „Verstehe." Seine Hand hob mein Kinn an und ich blickte zu ihm auf. „Bald.", versprach er. Dann küsste er mich zum Abschied und ich blickte ihm nach, bis er im strömenden Monsunregen hinter der nächsten Gebäudeecke verschwand.
Später am Abend erhielt ich noch eine Nachricht von ihm:
Namjoon: Ich vermisse Dich, ist das verrückt?
Und während die Sehnsucht in Kombination mit dem Abschied von Seoul mich übermahnte, tippte ich meine Antwort: Nicht verrückter als ich...ich vermisse Dich auch.
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