5 - Endloses warten
Bereits am Sonntagmorgen fühlte sich mein Herz an, als bestünde es aus Blei. Wie hatte ich nur zulassen können, dass mir Jungkook derartig in kürzester Zeit den Kopf verdrehte?! Bislang habe ich BTS einfach nur symphatisch gefunden...und jetzt...jetzt hatte ich den Salat! Ich quälte mich aus dem Bett, durchquerte mein Wohnzimmer in meine Decke eingewickelt und stellte mich auf den Balkon, um mich von der kühlen Morgenluft beleben zu lassen. Während ich so dastand und ein Vogelpärchen, dass auf einem Baum nistete, betrachtete, fragte ich mich, ob Jungkook bereits in Seoul gelandet war. Gleichzeitig war ich etwas irritiert und die vergangenen zwei Tage fühlten sich immer noch wie ein surrealer Traum an. Ein sehr schöner Traum, der zu schön gewesen wäre um wahr zu sein. Ich schlurfte wieder in die Wohnung, machte mir einen Kaffee und beschloss Lina anzurufen...
„Ihr habt WAS?!", kreischte sie mir ins Ohr, als ich ihr von gestern erzählte. Ich lag auf der Couch und nestelte an meinen Haarspitzen herum. „Uns geküsst, ja.", wiederholte ich, spürte augenblicklich die Schmetterlinge bei der Erinnerung daran und fuhr mit meinen eigenen Fingerspitzen über die Lippen. „Oh mein Gott!", rief Lina am anderen Ende der Leitung. „Nicht nur, dass wir einfach mal den Abend mit einer K-Pop-Band verbracht haben, du hast dir sogar gleich noch einen von ihnen gekrallt!" „Linaaaaa...", mahnte ich sie. Doch in ihrer Aufregung bekam sie das nicht einmal mit. „Du Herzensbrecherin!" Ich seufzte und sah auf meine Füße, die ich gegen die Wand gelehnt hatte. „Wohl eher umgekehrt. Immerhin hat er mir einen Drink spendiert..." „Hat er sich denn schon gemeldet?", unterbrach sie mich. Es war, als würde sie sich wie eine Reporterin nur die wichtigsten Hauptinformationen für eine gute Story herauspicken. „Nein, aber er ist auch bestimmt noch unterwegs...Lina, bist du noch da?"
Es war verdächtig still geworden auf der anderen Seite. Doch dann hörte ich ein Lebenszeichen. „Ach wie schade. Du musst mich unbedingt auf dem Laufenden halten, ja?" Ich versprach es ihr. Kurz darauf musste sie auflegen, weil ihre Mutter sie auf der anderen Leitung anrief. Ich verbrachte den restlichen Tag damit, meine Tasche von Freitag endlich auszuräumen, ein wenig in meinem Buch zu lesen und mir ein paar Musikvideos auf Youtube anzuschauen, die alle samt BTS beinhalteten. Wieder meldete sich die ungläubige Stimme in mir, dass Jungkook mich tatsächlich geküsst hatte. Die Szenen vom Kettenkarussel, Riesenrad und von dem Bartresen und dem Kuss an der Bushaltestelle spielten immer wieder in meinem Kopf Endlosschleife. Um mich zu vergewissern, dass all dies nicht doch ein Traum gewesen war, zückte ich mein Handy und starrte auf seinen Namen, den ich mir zusammen mit seiner Nummer eingespeichert hatte. Drei Wochen hatte JK gesagt...na das konnte jetzt dauern...
Mittwoch, 1. Woche: Pling! Eine Nachricht von IHM! Das wurde ja auch mal Zeit! Mit jedem Tag, der verging, wurde ich ungeduldiger und hibbeliger. Auf die Idee mich selbst mal zu melden? Tse, nö, dafür war ich dann doch zu stolz! Außerdem hatte ich mittlerweile gelesen, dass es besser war, wenn Mann sich zuerst meldete. Denn zeigt man den Männern die kalte Schulter, löst das wohl eine Art Jagdinstinkt aus. Ha, ich habe gewonnen – dachte ich, als ich mein Handy entsperrte, WhatsApp öffnete und in unseren Chatverlauf eintauchte:
JK: Ich mag keine Mikrowellen!
...was? Verwirrt starrte ich auf das Display ehe ich antworten konnte.
Ich: Ähm, Gesundheit?
JK: Ich dachte mir, dass du das wissen solltest.
Ich: aaaajaaaa... natürlich...Ich mag übrigens auch keine Pizza.
JK: Im Ernst jetzt?!
Ich: Nein, im Kevin.
JK: xD
Ich: Gut, ich sehe wir verstehen uns.
Mein Lächeln reichte von einem Ohr zum anderen.
„Quynn?", brachte mein Chef mich zurück in das Meeting, indem ich mich gerade eigentlich befand. „Hm?" Mein Handy verschwand im Bruchteil einer Sekunde unter dem Tisch. „Ich bat Sie eben dem Kunden zu erklären, wie wir die Lieferkette planen.", half er mir freundlicher Weise nochmal auf die Sprünge. „Oh, ja, natürlich..." Ich straffte die Schultern, stand von meinem Platz auf und lief zur Präsentationsfläche nach vorne.
Freitag, 1. Woche: Ich hatte mir gerade einen Ofenkäse mit Brezeln genehmigt und saß nun aufgeregt mit einem Glas Rotwein vor meinem Laptop. Die Bluse hatte ich auf eventuelle Fettflecken überprüft und meine Blase vorsorglich gelehrt. Nervös warf ich einen Blick auf die Uhr:
16:57 Uhr.
Ich beschloss doch nochmal ins Bad zu flitzen und zu prüfen, ob mir nicht noch irgendetwas vom Tag zwischen den Zähnen hing. Die Antwort darauf war: Nein.
Also zurück vor den Laptop!
16:58 Uhr ... nein halt! 16:59Uhr!
Ich überlegte doch noch einen anderen Platz, als den vor der Couch einzunehmen...und setzte mich auf die Couch. Kameraeinstellung prüfen: Sah ich von hier aus irgendwie unvorteilhaft aus?
Gerade, als ich verschiedene Sitzpositionen durchprobierte kam der Anruf, auf den ich schon seit Mittwoch hin gefiebert hatte. Rasch klickte ich auf „Anruf annehmen" und schon war ich im Skype-Call mit JK. Er trug ein zu großes schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt und seine Haare standen in alle Richtungen ab, so als wäre er sich mehrmals mit der Hand durch die Haare gefahren. Etwas erschöpft wirkte er auch. Kein Wunder, bei ihm war es jetzt Mitternacht. Das brachte mich augenblicklich auf den Song Zero o'clock. „Hi du.", grüßte ich in die Kamera und winkte flüchtig. Ein müdes Lächeln erschien auf seinem schönen Mund. „Selber hi." Aufgeregt fuhr ich mir mit der Hand durchs Haar. „Sie sehen gut aus. Genau wie du.", beruhigte er mich augenblicklich. Ich merkte meine Wangen kurz vor Wärme aufglühen und warf mir die Haare über die Schulter. „Danke."
Nachdem wir uns beide wie zwei verknallte Vollidioten angegrinst hatten, hielt ich die Stille nicht mehr aus. „Es tut gut dich zu sehen. Wie geht's dir? Was macht Seoul? Probt ihr schon die nächsten Choreo's?" Bei der Flut an Sätzen stockte er kurz und blinzelte mehrfach. Ich konnte förmlich die Zahnräder in deinem Kopf rattern hören. „Mir geht's gut...und noch besser geht es mir, seit ich in dein Gesicht sehen kann, danke der Nachfrage. Was Seoul macht?" Erst als er sich aufrappelte und den Laptop mitnahm registrierte ich, dass er bereits im Bett gelegen bzw. gesessen hatte. Er trug seinen Laptop zum Fenster, drehte mich zum Fenster um und schaltete das Licht im Raum aus. Ich konnte entfernt die Skyline der beleuchteten Stadt erkennen. Dieser Anblick musste in Reallife einfach der Wahnsinn sein. „Oh mein Gott! Sag mir, dass du da noch eine Veranda vor dem Fenster hast!", rief ich begeistert. Das Licht ging an und er drehte den Laptop wieder so, dass ich ihn sehen konnte. „Was glaubst du denn?", fragte er neckisch und ließ seine gepiercte Augenbraue dabei kurz hüpfen. Mein Grinsen glich dem eines Honigkuchenpferdes. Sein Blick richtete sich nachdenklich kurz auf etwas, dass sich hinter der Kamera befand.
„Kommt Dir die Zeit seit Samstagabend auch so schleichend vor?" Ich schnaubte verächtlich und verdrehte gespielt die Augen, während ich die Hand auf meine Brust legte. „Was? Mir? Wo denkst du hin?! Pff, tss...das ich nicht lache!" Seine Antwort war ein schelmisches Grinsen und das erneute Heben der gepiercten Augenbraue. „Und ob die Zeit kriecht!", platzte ich schließlich hervor. „Was glaubst du wie ich am Mittwoch abgegangen bin, als ich ein Lebenszeichen von dir erhalten habe?!" Er lachte und ließ den Kopf dabei in das Kissen hinter ihm fallen. „Du hättest dich ja wohl genauso zuerst melden können.", konterte er dann amüsiert. Ich verzog den Mund und schüttelte den Kopf wie eine Sechsjährige. „Nö, niemals. Das hätte bedeutet, dass ich mich viel zu sehr von Dir abhängig mache. Du siehst, ich habe meine Prinzipien." „Ahja, verstehe ich total.", gluckste er bevor sein Gesicht wieder einen ruhigeren Ausdruck annahm. „Moment!", rief ich und hob den Zeigefinger, bevor er auch nur Luft holen konnte, um etwas zu sagen. Fragend blinzelte er in die Kamera. Mahnend schüttelte ich meine Hand in seine Richtung. „Du hast dich doch nicht geprügelt, um den Laptop hier benutzen zu können, oder?" Schon war es wieder um seine ernste Miene geschehen und ich freute mich darüber, ihm einfach nur beim Lachen zuzusehen. Als er sich langsam wieder einbekommen hatte, lächelte er mich befreit an. „Danke, das habe ich gebraucht... und nein, ich musste mich nicht wieder prügeln. Weißt du, ich verdiene jetzt mein eigenes Geld, womit ich mir eigenständig Sachen kaufen kann, auf die ich Bock habe." Ich riss gespielt die Augen auf. „Nicht. Dein. Ernst?!" Während er mit den Schultern zuckte, glitt sein Blick kurz weg vom Bildschirm in die Ferne und dann wieder zurück. Dann seufzte er. „Ich wünschte du wärst hier bei mir...", murmelte er. Bildete ich mir das nur ein oder bekam er wirklich einen Akzent, wenn er müde war? Meine Hand fuhr auf dem Bildschirm über seine Wange. „Das wünschte ich auch. Sind es wirklich noch zwei Wochen, bis du wieder hier in der Stadt bist?" Er verzog den Mund und nickte. „Jep. Hast Du die Zeit schon gut verplant?" Ich setzte schon zur Antwort an, als Jungkook plötzlich erschrocken zusammenzuckte und im nächsten Moment Jimin sein Gesicht Kopfüber in die Kamera hielt.
„Hi Quynn!" Zur Antwort winkte ich beklommen. „Heyyy...." Jimins Schopf verschwand wieder aus dem Bild und er sagte irgendetwas auf Koreanisch, woraufhin Jungkook mit einem Kissen nach ihm warf. Dreckig hallte Jimins Lachen im Hintergrund ehe man die Tür sich schließen hörte. Kopfschüttelnd widmete sich JK wieder unserem Gespräch. „Also, äh, wo waren wir?" „Bei der Frage, was ich so die nächsten zwei Wochen noch anstelle, bis wir uns wiedersehen.", entgegnete ich und legte den Kopf schief. Nachdenklich stützte ich meinen Kopf auf meiner Hand ab. „Hmmm, vielleicht gehe ich noch shoppen und besorge etwas hübsches, dass ich für dich anziehe..." Als ich seinen hoffnungsvollen Blick bemerkte, breitete sich auf meinem Gesicht ein diabolisches Lächeln aus. „Ich dachte an ein Hasenkostüm. So ein sexy Ganzkörperanzug, unter dem man so richtig abschwitzt, verstehst du?" Er sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Dann prustete er los. „Na da bin ich aber mal gespannt, wie dir das stehen wird.", gluckste er. Ich hingegen hob herausfordernd eine Augenbraue „Halt dich nicht zurück."
Ich bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Erst als er gähnte und ich zusehen konnte, wie seine Augen immer kleiner wurden, warf ich einen Blick auf die Uhr. „Ich glaube, ich lasse dich mal schlafen. Du siehst ganz schön fertig aus.", stellte ich schließlich fest. Müde lächelte er mich an. „Ich kann es kaum erwarten dich wieder zu sehen Q." Das zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. „Geht mir bei Dir genauso. Schlaf gut." Abermals ein müdes Lächeln. Dann warf er einen Luftkuss in die Kamera und weg war er auch schon. Ich klappte meinen Laptop zu und beschloss den Abend mit einem Buch im Bett ausklingen zu lassen.
Dienstag, 2. Woche: Pling! Ich befand mich gerade auf dem Weg zur Arbeit und saß in der Bahn. Eilig kramte ich mein Handy aus der Tasche.
JK: Wenn mich nicht alles täuscht, ist es bei dir Morgens.
Ich: Wow, Sherlock Holmes hat wieder zugeschlagen :P
JK: ...Touché... ich habe den Zeitunterschied gegoogelt. :D
Ich: Hehe :P
JK: Hör auf mir die Zunge rauszustrecken.
Ich grinste breit bevor ich antwortete:
Ich: Waaaas willst du tuuuun?
Es dauerte einen kleinen Moment. Dann schickte er mir ein GIF, in dem mich der Teufel angrinste.
Ich: Okay, jetzt habe ich Angst.
JK: Muhahaha
Ich saß auf heißen Kohlen. Noch über eine Woche war es hin. Was machte ich bloß in dieser Zeit abgesehen von meiner Arbeit?! Seufzend ließ ich den Kopf nach hinten fallen und stieß mich dabei prompt am Fenster der Bahn. Die Frau gegenüber grinste daraufhin in sich hinein. Na toll, dachte ich. Das gibt ne Beule...
Donnerstag, 3. Woche: Gott sei Dank war die Beule wieder verheilt. Es wäre so peinlich gewesen JK zu berichten, dass ich sie mir nicht in einem epischen Kampf um einen Kuchen eingefangen, sondern sie mir selbst beigebracht hatte. Ich hatte außerdem das Versprechen, ein Outfit für unser Wiedersehen zu besorgen wahrgemacht. Das Outfit lag schon auf dem Stuhl bei mir Zuhause zum Anziehen bereit. Jungkook hatte mir geschrieben, dass er morgen Nachmittag am Flughafen landen würde. Gemeinsam hatten wir geplant, uns eine richtig fette Pizza zu bestellen, einen Haufen Süßigkeiten zu kaufen und es uns bei mir auf der Couch mit Filmen so richtig gemütlich zu machen. Ich bestand darauf, ihm meine liebsten Disney-Filme zu präsentieren und er hatte mit einem augenverdrehenden und dann einem lächelnden Smiley geantwortet.
Ich befand mich gerade auf dem Heimweg von der Arbeit – es war heute später geworden, damit ich morgen früh Feierabend machen konnte, um Jungkook mit Auto vom Flughafen abzuholen. Als ich um 20 Uhr meine Wohnungstür aufschloss, begrüßte mich die Dunkelheit. Ich betätigte den Lichtschalter, machte mir dann in der Küche etwas zu futtern und begann dann, die Wohnung für den Morgigen Tag aufzuräumen und vorzubereiten. Lina meldete sich nochmal bei mir und fragte, ob alles bei mir in Ordnung war. Wir telefonierten noch bis um Mitternacht, bevor ich mich dann von ihr verabschiedete, um hoffentlich wenigstens ein wenig Schlaf zu bekommen, bevor ich ihn morgen wiedersehen würde...
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