Ghost - Yoongi 🏆
Geschrieben für den Wettbewerb "New Year, New You 2023" und dem Schreibvorschlag "Neubeginn".
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Da ist er wieder. Sitzt am Esszimmertisch, schürzt die Lippen und beobachtet mich wertend, wie ich das dritte Bier innerhalb kürzester Zeit in mich hineinstürze.
Wie so oft ignoriere ich ihn stoisch, was mit jedem Augenblick schwerer wird. Er ist ungeduldig, fängt an, sich mir aufzudrängen, so wie er es in den vergangenen zwei Wochen immer gemacht hat, seitdem er hier ist.
Mein Blick haftet unverwandt am Fernseher, der sinnlos vor sich hin flimmert. Schon seit mehreren Minuten habe ich den Anschluss an das geistlose Programm verloren. Aber es beschäftigt mich und bietet den Vorwand, meinen Besucher wie Luft zu behandeln.
Ein enttäuschtes Seufzen dringt zu mir herüber. Ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Bier.
„Willst du mich weiterhin ignorieren?"
Noch ein Schluck. Womöglich muss ich mir eine neue Flasche holen, wenn das so weitergeht ...
„Hey!"
Plötzlich steht er direkt vor mir, taucht aus dem Nichts auf. Ich verschlucke mich, spucke das Bier vor Schreck auf das halbe Sofa, auf das Parkett, auf meine Hose. Ich hasse es, wenn er das macht.
„Hör auf so zu tun, als wäre ich nicht da!" Seine Stimme dröhnt wütend, der leicht verzerrte Klang, der mir verdeutlicht, dass er in einer anderen Sphäre als ich feststeckt, schallt unangenehm in meinen Ohren. Ich verziehe mein Gesicht bei diesem Ton.
„Spinnst du?!", keife ich ihn empört an. Erst als mir der selbstgefällige Ausdruck in seinem Gesicht auffällt, merke ich, dass ich von meinem Vorhaben, ihn außer Acht zu lassen, abgekommen bin. Gut, dann besitzt er nun meine volle Aufmerksamkeit.
„Guck dir diese Sauerei an. Jetzt kann ich auch noch aufwischen!"
„Besser wäre es. Schadet sicher nicht, hier mal aufzuräumen", stichelt er mit einem leicht angewiderten Blick, den er durch meine Wohnung schweifen ließ.
Er hat vermutlich Recht. Seit zwei Wochen verschanze ich mich in der Wohnung und an Aufräumen habe ich keinen Gedanken verschwendet. Meine Putzfrau habe ich in den Urlaub geschickt, ich will niemanden sehen. Eine aufdringliche Gestalt, die ununterbrochen quasselt und mich nervt, reicht mir vollkommen.
„So hat es bei mir Zuhause nie ausgesehen. Meine Mina hat immer Ordnung gehalten...", schwärmt er mir vor.
„Deine Frau kann gerne herkommen und hier aufräumen." Ich bin es leid, dass er mir von ihr erzählt. Er vermisst sie schrecklich.
„Dafür müsstest du vor die Tür und mit ihr reden."
Mit einem großen Bogen schlurfe ich an ihm vorbei, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Das ist mir zwar bisher erst einmal passiert, aber ich habe mir geschworen, diese Erfahrung nicht zu wiederholen. Es fühlt sich wie der direkte Griff von Gevatter Tod persönlich an. Brauche ich nicht noch einmal. Die Erinnerung daran bereitet mir eine Gänsehaut.
Bei meinem nervigen Besucher handelt es sich um einen Geist. Einen recht aufdringlichen, der es nicht leiden kann, wenn man ihn wie Luft behandelt. Ginge mir an seiner Stelle sicher ähnlich, wenn es nur einen Menschen auf der Welt gäbe, der mich noch sehen könnte.
Zack- schon taucht er wieder vor mir auf, als ich nach einem Handtuch angele.
Zu Tode erschrocken verliere ich mein Gleichgewicht und plumpse unsanft auf meinen Allerwertesten. Ein Fluch kommt mir über die Lippen.
„Vielleicht war es schon ein Bierchen zu viel?", spottet er und erntet von mir einen bitterbösen Blick. Wohl eher ein Bier zu wenig, um diesen Plagegeist zu ertragen.
Ungehalten stapfe ich in mein Wohnzimmer zurück, schmeiße das Handtuch auf eine nasse Stelle und schubbere es mit dem Fuß kurz darüber.
Er zischt bei meinem halbherzigen Putzversuch, ich ignoriere ihn.
Schulterzuckend leere ich die angefangene Bierflasche. Ich stehe bereits, dann kann ich mir ebenso gut ein neues Bier holen. Es braucht ungefähr sieben Bier, damit mich dieses Herumgegeistere in Ruhe lässt. Damit ich es nicht mehr mitbekomme.
„Echt jetzt? Noch ein Bier? Du fängst aber nicht wie gestern an, oder?", beschwert sich mein unwillkommener Besucher.
Der Gedanke daran gefällt ihm nicht und ich traue meinen Augen nicht, als er tatsächlich seine Unterlippe vorschiebt und schmollt.
Ein Lachen löst sich aus meiner Brust. Es klingt eher hysterisch als belustigt. „Hör auf so zu tun, als ginge dich mein Leben etwas an", fauche ich ihn schließlich an und lasse ihn in der Küche stehen.
Es gibt keinen Windzug, kein Geräusch, da taucht er schon wieder vor mir auf und abermals erschrecke ich bis ins Mark.
„Ich finde schon, dass es mich etwas angeht, meinst du nicht?" Verflucht noch eins, seine Stimme nimmt erneut dieses hohe Kreischen an, es ist unerträglich. „Ich bin für dich gestorben. Warum warst du nicht auf meiner Beerdigung?"
„Jetzt mach da kein Drama draus...", versuche ich ihn zu beschwichtigen, jedoch bewirkt dieser geistreiche Kommentar von mir das Gegenteil.
„Ich habe immer gedacht, du seist ein Mensch mit Anstand, Min Yoongi. Dein Verhalten enttäuscht mich zutiefst. Dafür will ich nicht gestorben sein."
Nur ungern erinnere ich mich an den Unfall. Vielleicht wäre es mit mehr Alkohol in meinem Blut erträglicher...
„Der Scheinwerfer. Erinnerst du dich? Ich habe dich zur Seite gestoßen. Mich erwischte er."
Ich schüttle den Kopf, will dieser Erinnerungen keinen Einlass in meine Gedanken gewähren, doch es ist schon zu spät.
Neujahr. Ich auf der Bühne, der Scheinwerfer über mir. Generalprobe vor dem großen Konzert, es war kaum Publikum anwesend. Dafür viele Techniker und Beleuchter. Das laute Knacken über mir, als der Scheinwerfer abbricht. Der schmerzhafte Stoß in die Rippen, als Choi Minho, einer der Lichttechniker, den ich bis dahin nicht kannte und dessen Namen ich erst hinterher erfuhr, mich im letzten Moment zur Seite schubst, selbst unter dem tonnenschweren Ding zermatscht wird und -
„Hör auf damit!", brause ich auf, werfe die Bierflasche nach ihm, die allerdings ungehindert durch ihn hindurch fliegt und an der Wand zerschellt. Es hält ihn aber nicht davon ab, mich beleidigt anzusehen.
„So eine Scheiße! Jetzt guck dir das an!", echauffiere ich mich und gestikuliere wild auf das gute Bier, das einen hässlichen Fleck an der Wand hinterlässt und langsam auf den Boden tropft. Dabei erwische ich mit den Fingerspitzen scheinbar seinen Arm.
Eine grässliche Eiseskälte erfasst mich, breitet sich von meiner Hand über meinen Arm, bis in mein Herz aus. Keuchend falle ich auf die Knie, bibbernd - vor Kälte, vor Angst.
„Geh weg", flehe ich, besitze keine Kraft, um ihn noch länger anzufahren.
Zum ersten Mal seit zwei Wochen hört er auf mich und verschwindet lautlos.
Am Nachmittag kommt er wieder. Nicht einmal einen ganzen Tag lässt er mich in Ruhe.
„Yoongi", seufzt er. Ich starre auf den Fernseher, bereue es, mir vor ein paar Minuten keine neue Flasche Bier geholt zu haben. Jetzt aufzustehen und ihn erneut zu berühren, will ich lieber nicht riskieren, also bleibe ich sitzen.
„Du weißt, was ich von dir möchte."
Ja, ich weiß es und es ist bescheuert. Ganz sicher würde ich nicht bei seiner Frau an der Haustür auftauchen und ihr erzählen, dass ihr kürzlich verstorbener Mann sie sehr geliebt hat. Ich bin bereits bei einem Psychotherapeuten in Behandlung, in die Klapse will ich sicher nicht gesteckt werden.
Wenigstens habe ich so viel Geistesgegenwart besessen und meinem Arzt nichts von meinem ungebetenen Mitbewohner erzählt.
Reich und berühmt zu sein, bringt wenigstens den Vorteil, bereits bei einem passenden Arzt vorstellig zu sein. Ohne psychologische Hilfe hätte ich schon lange einpacken können.
Von meinem derzeitig rapide ansteigenden Gebrauch von Alkohol weiß er selbstverständlich nichts. Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren. Von dem Unfall am Silvesterabend hatte mein Arzt natürlich aus allen Zeitungen erfahren.
Mein Handy vibriert und leuchtet auf. Wahrscheinlich das Management oder einer meiner Bandkollegen, die mich aus der Wohnung locken wollen. Ich lass es leuchten und vibrieren.
Minho schiebt sich in mein Sichtfeld und automatisch weiche ich so tief in das Polster der Couch zurück, wie es mir möglich ist.
„Das ist deine Vorstellung von leben? Du weißt schon, wie unfair das ist? Wenn ich an deiner Stelle wäre-"
„Bist du aber nicht!", brause ich auf, springe über die Sofalehne und stakse in Richtung Küche davon, um mir Biernachschub zu holen. Zwei Flaschen klemme ich mir unter den Arm, eine öffne ich noch in der Küche und leere sie halb.
Ich höre Minho in der Tür abfällig mit der Zunge schnalzen, er macht mir aber gnädigerweise den Weg frei, als ich mich auf den Rückweg begebe, sodass ich ihn nicht berühre.
„Hast du keinen anderen, bei dem du spuken kannst? Geh deine Frau doch mal nerven!"
„Du bist der Einzige, der mich sehen kann, das weißt du. Und ich kann nicht weit weg von dir."
Deswegen hängt er an mir. Ich bin seine Verbindung zur sterblichen Welt, oder so. Ätzend.
„Yoongi, hör bitte auf zu trinken."
Ich ignoriere ihn.
„Wieso warst du nicht bei der Beerdigung?", horcht er mich weiter aus, als ich ihn anschweige.
Ich seufze, weil ich diese ganze Fragerei über habe.
Was will er hören? Dass ich jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, den Unfall vor mir sehe und ungeheure Schuldgefühle habe? Dass ich den Anblick seiner trauernden Familie nicht ertragen hätte oder die der Presse, die da gewesen wäre? Ich weiß selbst, dass es der Anstand geboten hätte, da aufzutauchen.
Auch diese Antwort bleibe ich ihm schuldig und er lässt mich für ein paar weitere Stunden in Ruhe.
„Bitte", fleht Minho am Abend weiter, „bitte geh zum Friedhof. Danach werde ich dich auch in Ruhe lassen. Ich muss dorthin."
„Warum?"
Er presst die Lippen aufeinander. „Ich spüre es einfach, dass ich dorthin muss."
„Versprichst du es? Du lässt mich wirklich in Ruhe, wenn wir zusammen zum Friedhof gehen?" Das ist durchaus eine Aussicht, für die ich aufstehen und die Wohnung verlassen würde. Ihn endlich los zu sein, mein Leben nur noch für mich zu haben, klingt paradiesisch.
Ich weiß selbst, dass ich undankbar bin. Minho hat mir das Leben gerettet und seines dabei gegeben. Ihn aber seit zwei Wochen ständig um mich zu haben, ihn dauernd zu sehen, lässt jede Dankbarkeit abflauen. Die Schuld frisst sich jedesmal, wenn ich ihn sehe, tiefer in meine Brust hinein. Ich ertrage es nicht mehr.
„Ja. Ich verspreche es dir."
Mühsam rapple ich mich auf, fahre mit den Händen durch meine Haare, die seit einiger Zeit kein Shampoo gesehen haben.
„Okay."
Mino blickt mich mit großen Augen an und verfolgt meine Bewegungen, die nun zielgerichtet, wenn auch - dank des Alkohols - leicht schwankend sind.
„Wir gehen zum Friedhof? Jetzt?", fragt er begeistert nach, ich nicke.
Ich schlurfe zum Kleiderschrank und suche mir eine Mütze heraus, die ich möglichst tief ins Gesicht ziehe. Ebenso wechsle ich meine Jogginghose gegen eine fleckenfreie Jeans. Draußen kann mich weiß Gott wer sehen, da muss ich halbwegs präsentabel sein.
Das Grab zu finden, ist keine große Herausforderung. Die durchsichtige Gestalt von Choi Minho wird von dieser Stelle angezogen, wie eine Motte vom Licht. Es ist schwerer, ihn hier im Freien im Dämmerlicht zu sehen und zu verfolgen, aber er hält in regelmäßigen Abständen inne und stellt sicher, dass ich noch hinter ihm bin. Das Licht von Laternen erhellt hin und wieder den Weg und lässt seine Gestalt zusätzlich flimmern.
Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann weiß ich, dass ich nicht hier sein möchte. Die Schuld, die sich in meiner Brust anstaut, je näher wir dem Grab kommen, ist erdrückend.
Ich hatte für Minho bei diesem Unfall nichts mehr tun können, aber ihm die letzte Ehre erweisen, das wäre möglich gewesen.
Das Grab ist zu frisch, die Beerdigung erst ein paar Stunden her. Es gibt keinen Grabstein und doch weiß ich, dass ich hier richtig bin. Die durchsichtig scheinende Präsenz neben mir, die ausnahmsweise einmal schweigt, sieht bekümmert auf den Flecken Erde hinab, auf dem mehrere Gestecke und Blumen liegen.
„Weißt du, wie seltsam das ist? Zu wissen, dass man selbst dort unten liegt?"
Nein, weiß ich natürlich nicht.
Schweigend sehe ich auf die Erde hinab, weiß nicht, was ich sagen soll. Ohnehin ist es hier beschwerlich, mit ihm zu reden. Ich bin der Einzige, der ihn sieht. Auch, wenn der Friedhof nicht überfüllt ist, ganz menschenleer ist er nicht.
„Ich glaube, ich habe es dir nie gesagt", murmle ich vor mich hin und richte eine Schleife bei den Gestecken, sodass man den Namen der Trauernden lesen kann, „aber... Danke."
Er flirrt dicht neben mir, sieht mir ins Gesicht, will etwas sagen, als seine Aufmerksamkeit von etwas abgelenkt wird, das hinter mir passiert.
Ich drehe mich um, bin überrascht, hier jemanden zu sehen. Im gleichen Moment realisiere ich, wie dumm ich bin, dass ich damit nicht gerechnet habe. Ich bin hier auf diesem Friedhof schließlich nicht alleine.
„Mina", haucht er unweit von mir und im nächsten Augenblick ist Minho von meiner Seite verschwunden und dicht neben der Frau, die sich mir nähert. Natürlich bemerkt sie nichts von ihm.
Unsere Blicke treffen sich. Ihrer ist müde und trübselig. Meiner leer und geistlos.
„Ich hätte nicht gedacht, Sie heute noch hier zu sehen. Nicht, nachdem Sie der Beerdigung ferngeblieben sind."
Ich seufze, beiße die Zähne zusammen. Das werde ich mir vermutlich noch öfter anhören können.
Der Vorwurf wiegt schwer in der Stille zwischen uns. Natürlich erkennt sie mich. Mein Gesicht war in jeder Zeitung. Sie weiß, wer ich bin.
„Ihr Mann war ein Held", presse ich hervor, sehe die flimmernde Gestalt dabei an, die dicht an seiner Frau umherschwirrt. Womöglich wundert sie sich, wieso ich nicht sie ansehe, sondern die Luft neben ihr. Wahrscheinlich denkt sie sich aber, dass mir als Künstler gewisse Eigenheiten zustehen. Bestimmt riecht sie den Alkohol an mir, auch wenn uns einige Schritte trennen.
„Es war ein tragischer Unfall." Ihr trauriger Blick wandert von mir zu dem Fleck am Boden, auf dem die Blumengestecke liegen und unter denen ihr Ehemann beerdigt wurde.
„Ja."
Verlegen scharre ich mit den Schuhen im Sand herum. Dieses Gespräch ist mir unangenehm. Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben.
„Sag es ihr", meldet sich Choi Minho. Zur Antwort schüttle ich mit dem Kopf, was seine Frau mitbekommt und mich fragend ansieht.
„Was ist?"
„Ich...", fange ich an zu stammeln und dann purzeln die ersten Worte aus meinem Mund, die mir in den Sinn kommen, „ich musste gerade daran denken, wie sehr er Sie geliebt hat. Er spricht- sprach", verbesserte ich mich schnell, „ständig von Ihnen. Es ist nicht fair, dass er so früh ging."
„Danke." Dieses Wort klingt seltsam entfernt und dünn. Als ich zu Minho sehe, weiß ich warum.
Seine ohnehin durchscheinende Gestalt ist fast vollkommen durchsichtig, löst sich immer weiter auf. Partikel steigen in die Höhe, szintillieren im Licht der Laterne. Er trennt sich von dieser Welt, hat seinen Frieden gefunden. Verlässt Mina. Mich.
Was war es, das ihn letztlich erlöste?
Fassungslos sehe ich bei diesem Schauspiel zu, brenne alles in meine Erinnerung ein. Schließlich bin ich der einzige Zeuge.
Danke Minho, dass du für mich da warst.
Es ist schön, dass er endlich weiterziehen kann.
„Sie haben ihn gekannt?", durchbricht Mina die Stille, in dem Moment, als der letzte schimmernde Partikel zu den Sternen aufsteigt.
Nun ja, nicht zu Lebzeiten, aber in den vergangenen beiden Wochen, hatte ich ihn ganz gut kennen gelernt ...
Lieber weiterreden, als eine Notlüge erfinden zu müssen.
„Er hat oft von Ihnen erzählt."
Sie wirkt nicht überzeugt.
„Sie... Sie nannten ihn liebevoll Drossel. Wegen seiner Vergangenheit als Alkoholiker... Er war Ihre Schnapsdrossel...", nuschle ich undeutlich.
Ihre Unterlippe zittert, Tränen steigen ihr in die Augen.
„Er hat Ihnen davon erzählt?"
Ich nicke. Ja, hatte er. Mehrmals. Damit ich endlich meinen Alkoholkonsum in den Griff bekomme. Meinen Kummer, meine Schuld nicht länger dadurch versuche zu ertränken. Ich habe keine Frau, die auf mich aufpasst und meine Freunde blocke ich erfolgreich seit zwei Wochen ab.
„Wie gesagt: Er erzählte viel über Sie."
Ein Lächeln erreicht ihre Lippen. Ihre Augen schimmern im Licht der Laterne und es erinnert mich auf eine schräge Art und Weise an das Flimmern von Minho, als er sich eben aufgelöst hat.
Sie scheint in meinem Blick etwas zu finden, dass sie überzeugt und einen Schritt auf mich zukommen lässt. Womöglich ist es der gleiche trostlose Ausdruck, der sich bei mir abzeichnet, den auch sie im Herzen trägt. Wir sind Leidensgenossen.
„Würden Sie... noch einen Kaffee mit mir trinken?", schlägt sie zögerlich vor. Als ich nicht gleich antworte, setzt sie hinterher: „Dort drüben gibt es ein nettes Café. Ich... würde mich freuen, wenn ich heute nicht ganz alleine wäre."
Ich weiß, dass es Minho recht gewesen wäre. Womöglich war das die ganze Zeit über sein Plan gewesen. Seine Frau braucht ebenso Gesellschaft wie ich. Und es ist ohnehin keine große Sache. Nur eine kleine Geste der Aufmerksamkeit.
Dass sie mich trotz allem jetzt bei sich haben will, lindert die Schuld, die ich in mir trage. Sie ist nicht ganz verschwunden, aber etwas wandelt sich. Es ist Hoffnung, stelle ich fest. Die Aussicht, aus diesem Loch des Kummers herauszuklettern. Womöglich zu zweit.
„Gern", antworte ich und gemeinsam stellen wir uns der Zukunft.
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