Neues Leben, Neues Glück - Yoonmin
Frohes Neues Jahr ♡
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"Yoongi!", begrüßt mich Jimin erfreut.
"Hey." Ich bin abgekämpft und müde, als ich mich auf sein Bett fallen lasse.
"Was ist los? Du siehst in letzter Zeit ziemlich fertig aus."
"Bin ich auch. Hab dir doch erzählt, dass ich noch einen Job angenommen hab."
"Ja. Ist der so schlimm?"
"Es geht schon. Aber ich geh jetzt Doppelschichten." Dadurch kann ich Jimin noch seltener sehen, aber mein Geld reicht sowieso vorne und hinten nicht. Nicht für meinen eigenen Lebensunterhalt und erst recht nicht für das, was ich gerne tun würde. Mit dem weiteren Job kann ich es mir vielleicht irgendwann leisten.
"Warum? Du übernimmst dich noch. Ich mach mir Sorgen um dich."
"Ich schaff das schon. Ich brauch halt Geld."
"Dann solltest du es nicht bei mir ausgeben."
"Aber ich will Zeit mit dir verbringen."
Er schnippt mir gegen den Kopf. "Das ist dämlich." Dann streicht er nachdenklich mit der Hand über meine Brust. "Wie darf ich dich denn heute entspannen?"
"Wie wär's mit deiner Anwesenheit?"
"Komm schon. Dafür bezahlst du doch."
"Ich bezahle dafür, Zeit mit dir zu verbringen."
"Du bist ein Idiot, Yoongi", kichert er. Er hat Recht. Ich bin ein hoffnungslos verliebter romantischer Idiot.
Es ist nicht mehr viel Zeit übrig, nachdem er mir einen runtergeholt hat. Meiner Meinung nach muss es nicht immer irgendetwas mit Sex sein, wenn wir uns sehen. Doch er meint, er will wenigstens etwas für sein Geld tun, damit ich nicht umsonst hier war. Dabei ist er mir schon genug.
Als er nachher neben mir liegt und sich an meine Brust kuschelt, sage ich ihm, was ich schon lange denke: "Ich liebe dich."
"Kann gar nicht sein."
"Ist aber so."
"Ich weiß nichtmal, was Liebe ist."
"Ich kann es dir zeigen. Vertraust du mir?"
Nach seinem Nicken nehme ich sein Gesicht in meine Hände.
"Schließ die Augen."
Zögernd tut er es. Sanft fahre ich mit den Fingern die Konturen seines Gesichts entlang. Er ist so wunderschön. Ängstlich zuckt er zurück, als ich kurz seine Lippen berühre, lässt die Augen aber immer noch geschlossen. Ihn darf nie jemand küssen und weil ich sein Vertrauen nicht ausnutzen will, mache ich es auch nicht. Ich berühre ihn nur zärtlich und hauche dann einen Kuss auf sein Haar. Schon ist die Zeit um und ich muss gehen. Der nächste Kunde wartet bereits auf ihn.
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Die halbe Stunde, die ich gerade so bezahlen konnte, ist fast vorbei, und bisher haben wir nur gekuschelt. Jimin erschrickt, als die Klingel ertönt. Sie zeigt an, wann die Zeit um ist. Wenn man dann nicht rechtzeitig verschwindet, wird die Tür aufgebrochen und man wird gewaltsam rausgezerrt.
Jimin schaut mich unglücklich an.
"Sei nicht traurig. Ich bin so bald so wie möglich wieder bei dir."
Er schüttelt den Kopf. "Du solltest dein Geld zurückfordern. Nein warte. Das wird nichts bringen. Ich gebe es dir beim nächsten Mal zurück, ich kann dich ja nicht davon abhalten wieder herzukommen."
"Warum willst du es zurückzahlen?", frage ich verständnislos.
"Weil du jetzt gar nicht das bekommen hast, was du bezahlt hast."
"Hör auf sowas Dummes zu sagen."
"Aber... wir haben doch nur gekuschelt, und du hast-"
"Ich konnte dir nahe sein. Jimin. Ich liebe dich. Alles was ich will, ist ein Leben mit dir, und solange das nicht geht, komme ich hierher. Es kann dir egal sein, für welche Leistungen ich bezahle."
Ende der Diskussion. Er hat auch keine Chance mehr, zu widersprechen, da bereits jemand klopft. Ich muss dringend verschwinden, um Jimin keinen Ärger zu machen und haste nach einem Luftkuss aus der Tür. Davor steht ein grimmig guckender Handlanger, dem man ansieht, dass es ihm in den Fingern juckt, seine Fäuste sprechen zu lassen. Eilig begebe ich mich zu Jeongyeon an den Tresen. Ich bin einer der Wenigen, die ihren wahren Namen kennen. Bei Jimin ist es genauso. Den nennen sonst alle nur Babyboy 7.
"Hey. Ist bei Jimin noch was frei?", frage ich sie leise.
"Ja, sogar jetzt gleich", antwortet sie, als sie im 'Gästebuch' nachschaut. Ich checke mein Portemonnaie und kalkuliere kurz, was ich mir leisten kann. Nichts. Eigentlich brauche ich noch Geld für die Rückfahrt und für Essen. Dann laufe ich eben und schnorre mal wieder bei Namjoon, als würde ich ihm nicht schon mehr als genug schulden. Mein letztes Geld reicht trotzdem nicht einmal für einen Handjob.
Jeongyeon hält mir etwas unter die Nase - Geld. Es ist wirklich nur ganz wenig, aber es ist exakt der Betrag, der mir noch fehlt. Ich hab gar nicht bemerkt, dass sie mit in mein Portemonnaie geschaut hat.
"Ich leg dir das aus", meint sie und trägt mich bei Jimin ein. "Du musst es mir nicht zurückgeben. Ich mach das für Jimin. Du tust ihm gut."
"Dankeschön!", sage ich gerührt. Jeongyeon lächelt wohlwollend und macht eine Handbewegung, um mich wegzuschicken. Schnurstracks gehe ich zurück zu Jimin und klopfe. Mit seinem antrainierten neutralen Gesichtsausdruck macht er auf.
Sein Pokerface verwandelt sich in ein ungläubiges Lächeln, sobald er aufblickt. "Yoongi!"
"Hey. Wir haben noch eine Viertelstunde mehr Zeit zum Kuscheln."
Es wird mehr als Kuscheln, weil er unbedingt wiedergutmachen will, dass er die halbe Stunde davor vertrödelt und verkuschelt hat.
Eine Sekunde, nachdem sein Orgasmus vorüber ist, klingelt es.
"Oh scheiße!", entfährt es ihm schuldbewusst. "Jetzt bist du gar nicht fertig!"
"Na und?"
"Ich bin so schlecht in meinem Job! Warum darf ich überhaupt hier wohnen??"
"Ich konnte dich doch verwöhnen, oder?"
"Ja, aber-"
"Das ist alles, was für mich zählt."
Fix ziehe ich mich an und verabschiede ihn an der Tür. "Es war wie immer wunderschön mit dir. Ich liebe dich, Jimin."
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"Yoongi", begrüßt er mich wie immer. "Sag mir, was du möchtest. Du musst heut auch nichts extra bezahlen, ich mach alles was du willst."
"Wie kommt es denn dazu?"
"Wir haben heut Jubiläum. Vor genau einem Jahr warst du das erste Mal bei mir, und weil du was Besonderes bist, mach ich heut alles, was du willst!"
"Lass dich von mir verführen!"
Brav legt er sich aufs Bett. Ich ziehe meine Hose aus und steige über ihn. "Darf ich dich anfassen?"
"Ja."
"Darf ich deinen Hals anknabbern?"
"Ja."
"Darf ich..."
"Ja", antwortet er, bevor ich ausgeredet habe.
Unterm Ohrläppchen fange ich an und ziehe eine Spur aus Küssen über seinen Hals. Langsam öffne ich sein abgetragenes Hemd und mache auf seiner Brust weiter. Normalerweise zieht er sich nie obenrum aus, aber heute darf ich ihn sogar dort anfassen. Seine Haut ist voller Narben, wo seine Mutter früher ihre Zigaretten auf ihm ausgedrückt hat, bevor sie an einer Überdosis gestorben ist und Jimin mit nur neun Jahren auf der Straße gelebt hat. Mit fünfzehn ist er dann von Bordell zu Bordell gereicht worden. Das hat er mir erzählt, aber ansehen oder gar anfassen durfte ich die Narben nie.
Er hat mir vor einiger Zeit auch gesagt, dass er sich hässlich findet, nicht nur wegen der Narben, und sich deswegen immer nur von hinten nehmen lässt. Aus demselben Grund behält er immer sein Oberteil an. Den Kerlen, die ihn besuchen, ist das egal, weil die meisten davon eh lieber ein Mädchen hätten, aber weibliche Prostituierte allgemein mehr Kohle verlangen.
Ich küsse jede einzelne Narbe, weil er für mich trotzdem der schönste Mann der Welt ist, und registriere besorgt einige neue blaue Flecke. Sanft küsse ich auch die. Bei jedem einzelnen Kuss zuckt er zusammen, hält mich aber nicht auf. Jimin weiß doch, dass ich ihm nie etwas antun würde. Er kann mir vertrauen. Ich bin der Einzige, der ihn so liebevoll anfasst. Die anderen vergehen sich nur an ihm, einige schlagen ihn sogar. Wenigstens hat ihn noch keiner umgebracht, auch wenn ich mir darüber ständig Sorgen mache. Im Laufe des Jahres sind nicht wenige seiner Kollegen hier umgekommen.
Schließlich bin ich in seiner Unterhose angekommen und lasse meine Finger darin auf Wanderschaft gehen. "Willst du das wirklich?", frage ich ihn.
"Es ist schön mit dir. Du bist der Einzige, den ich spüren will. Bitte mach weiter."
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"Manchmal...", fängt Jimin an.
"Mh?", mache ich. Die Augen habe ich geschlossen und halte ihn entspannt im Arm.
"Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn wir uns normal kennengelernt hätten. In einem schönen Café oder so..."
"Manchmal wünschte ich, ich könnte dich einfach in ein schönes Café mitnehmen."
Leider geht das nicht. Er darf nicht raus. Tagein, tagaus empfängt er hier fremde Männer und muss sämtliche Verdienste an seinen Boss abgeben, allerdings darf er Trinkgeld annehmen. Beziehungen sind verboten und theoretisch sowie praktisch auch nicht möglich.
Die einzige Angestellte, die das Lokal verlassen darf, ist Jeongyeon. Offiziell ist das hier eine Bar, die jedoch so gut wie nie ein normaler Kunde betritt. Jeongyeon kümmert sich um die Termine und die Schlägertypen am Ende des Ganges kümmern sich darum, dass die Kunden die Zimmer rechtzeitig verlassen und keine der Nutten umbringen. In letzterem sind sie wirklich nicht gut.
"In einem anderen Leben vielleicht", seufzt Jimin und steht auf, weil die Klingel losgeht. Ebenso seufzend ziehe ich mich an und drehe mich an der Tür nochmal um.
"Ich liebe dich, Jimin."
Er ist mir gefolgt und steht direkt hinter mir. "Yoongi." Schüchtern lächelt er mich an. Langsam lehnt er sich zu mir.
Dann küsst er mich.
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"Ist das okay, wenn ich dir kein Trinkgeld mehr gebe? Ich muss sparen."
"Okay", sagt Jimin nur - emotionslos wie immer. Doch an seinen härter werdenden Augen und seinem schneller werden Herzen merke ich, dass er aufgebracht ist. Er macht sich immer Sorgen, dass ich zu viel Geld an ihn verschwende. Außerdem versucht er zu verheimlichen, dass er traurig ist, wenn wir uns eine Weile nicht sehen, damit ich keine Schuldgefühle bekomme und wieder mehr ausgebe, als ich mir leisten kann.
"Es tut mir leid", erwidere ich. Das mache ich nicht zum Spaß. Ich habe noch Großes vor und wenn alles so funktioniert, wie ich es mir erhoffe, kann ich ihn endlich aus diesem Dreckloch hier rausholen. Noch kann ich es ihm aber nicht verraten, das wär zu gefährlich für ihn. Je weniger er weiß, desto besser. Außerdem will ich ihm die Überraschung nicht verderben - zumal ich nicht weiß, ob es überhaupt klappen wird.
"Mach dir keine Gedanken darum. 70 Prozent davon musste ich sowieso immer abgeben."
"Was, echt? Wieso hast du mir das nicht gesagt?" Dann hätte ich es sein gelassen und diese 70 Prozent von Anfang an sinnvoller ausgegeben - zum Beispiel für mehr Zeit mit ihm.
Er zuckt nur die Schultern. Zärtlich streichle über sein Gesicht. Dann ertönt das Klingeln. Die Zeit ist um.
"Bis zum nächsten Mal, Jiminie", flüstere ich und bekomme einen Kuss.
"Du bist wirklich der Allersüßeste."
"Nein, das bist du schon. Ich liebe dich."
"Süß von dir, dass du das immer sagst. Aber mich liebt niemand, ich bin nur eine wertlose Schlampe", sagt er und lächelt dabei sein falsches Lächeln. Ich finde es erschreckend, wie starr er diese Sätze runterrattert, die all diese Arschlöcher ihm eintrichtern. "Bis zum nächsten Mal, Yoongi."
Das nächste Mal wird alles verändern.
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Yoo Jiahn
Die Jungs stehen bereit. Und du?
Min Yoongi
Bereit.
Ich geh jetzt rein
"Hallo Yoongi", begrüßt mich Jeongyeon an der Bar. "Geh gleich durch. Jimin freut sich schon auf dich."
Weil sie mich so gut kennt, muss ich nicht extra warten, bis ich auf Waffen und Drogen durchgecheckt werde und sie meinen Termin überprüft hat. Nickend gehe ich an ihr vorbei. Heut habe ich nicht so freundliche Worte für sie, weil ich so aufgeregt bin. Ihr wird nichts passieren, aber es könnte sein, dass sie hinterher unter Schock steht. Ich bin froh darüber, dass sie abgesehen von dem Barjob ein normales Leben hat, auch wenn sie ebenso schlecht über die Runden kommt wie ich. Aber sie ist nicht auf den Laden hier angewiesen, sie wird einen anderen und besseren Job finden, da bin ich mir sicher.
Ich gehe durch den schmalen Gang zu Jimins Zimmer und klopfe. Erfreut macht er mir auf und küsst mich sofort. "Was möchtest du heute, Yoongi-Schatz?", schnurrt er in mein Ohr.
"S-setz dich einfach", erwidere ich nervös und löse seine Arme von meinem Nacken.
"Was ist los? Du machst mir jetzt aber keinen Heiratsantrag?", scherzt er und kichert niedlich.
"Nein." Noch nicht. Irgendwann vielleicht.
Von draußen hört man ein gedämpftes Kreischen. Jimin will alarmiert aufspringen, doch ich halte ihn auf. "Jeongyeon! Yoongi, lass los! Was passiert da?"
"Ihr passiert nichts, versprochen."
Kurz darauf fallen Schüsse. Noch mehr Geschrei. Ich halte ihm die Ohren zu. Jimin schüttelt heftig den Kopf und reißt sich los. Hastig stürze ich hinterher und versperre ihm den Weg zur Tür.
"Yoongi, was... sag mir was los ist", verlangt er mit tonloser Stimme.
"Erst, wenn es vorbei ist."
"Yoongi! Was hast du getan?"
"Bleib ruhig." Bevor er losschreien kann, halte ich ihm den Mund zu.
Was ich getan habe? Ich habe meine Beziehungen spielen lassen. Yoo Jiahn, der Kumpel von Namjoons Cousin, ist Junior-Einsatzleiter bei der Polizei. Mit ihm zusammen haben wir den Plan ausgeheckt, dieses illegale Bordell auszuheben. Er kassiert eine Prämie, dafür behält er darüber Stillschweigen, dass ich hier eventuell Kunde war. Nach seinem Wissen hab ich mich nur in einen Prostituierten verliebt, ich hab ihm nicht direkt unter die Nase gerieben, dass ich hier regelmäßig ein- und ausgehe und mir ständig dieses Elend ansehen muss. Ich konnte nicht anders - ich musste einfach handeln.
Erst letzte Woche sind wieder zwei von Jimins Kollegen gestorben, weil sie an gestörte Perverse geraten sind. Außerdem gibt es Gerüchte, dass der Bordellbesitzer auch im Drogenhandel tätig ist. Für die Polizei sind es also zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Wichtigste für mich dabei: ich darf Jimin retten.
Es ist eine Win-Win-Win-Situation: für die Polizei, für mich, für Jimin. Wir gehen alle als Gewinner, außer der Bordellbesitzer. Er wird dieses Lokal nicht als freier Mann verlassen.
Als die Geräusche leiser werden, lasse ich Jimin schließlich los, der es inzwischen aufgegeben hat sich zu wehren. Angespannt öffnet er die Tür. In dem Moment kommt ein Trupp Polizisten aus einem Büro. Sie schleifen einen wütend schreienden Handlanger von Jimins Boss hinter sich her. Nun ist es nur noch sein ehemaliger Boss.
Nachdem auch noch zwei andere Kerle abgeführt wurden, kommt Yoo Jiahn auf mich zu. "Ihr könnt gehen. Zwei Personen sind im Schusswechsel umgekommen, darunter der Besitzer dieser Einrichtung. Auf unserer Seite gibt es nur leicht Verletzte."
"Das klingt doch super", finde ich.
"Das darf nicht wahr sein", entfährt es Jimin, der davonstürmen will.
Der Einsatzleiter hält ihn auf. "Ich muss Sie bitten, das restliche Gelände nicht zu betreten. Die Kollegen von der Spurensicherung waren noch nicht da."
Jimin schluckt und schüttelt dann den Kopf. Ich will ihn nach draußen ziehen, doch er weigert sich.
"Entweder Sie gehen jetzt oder ich muss Sie abführen, aber das wollen wir alle nicht. Verschwindet einfach, bevor die Presse oder mein Vorgesetzter hier auftauchen", meint der junge Polizist.
Endlich bewegt sich Jimin vom Fleck. "Hast du alles?", frage ich ihn.
Er nickt. "Ich hab keine wichtigen Besitztümer, außer das was ich gerade eh in der Tasche hab."
"Gut." Ich will seine Hand nehmen, doch er zieht sie weg und stapft schnurstracks nach draußen. Er ist sauer und ich verstehe nicht, warum. Meterweit läuft er vorneweg.
"Jimin. Sagst du mir was los ist?", frage ich einige Häuserblöcke entfernt.
"Was soll schon los sein, außer dass du alles kaputt gemacht hast!", ruft er und bleibt endlich stehen.
"Wieso kaputt gemacht? Ich hab dich verdammt nochmal gerettet! Du hast selber gesagt, wie sehr du diese Hölle dort hasst."
"Du führst dich hier als Held auf, dabei hast du keine Ahnung von meinem Leben! Wegen dir hab ich meinen Job verloren! Mein Zuhause!"
"Das war nicht dein Zuhause, Jimin."
"Es war mein Dach über dem Kopf und die Kollegen waren okay. Es ist mehr Zuhause, als ich jemals im Leben hatte."
"Du kannst bei mir ein viel besseres Zuhause haben..."
"Erwartest du echt, dass ich mit dir mitgehe? Um deine persönliche Hure zu werden? Du bist doch genauso scheíße wie alle anderen."
Jedes einzelne seiner Worte verletzt mich tief. Ich wollte nie wie die anderen seiner Freier sein. Anders als ihnen liegt Jimin mir wirklich am Herzen. "Du hast doch gesagt, du vertraust mir. War das alles gelogen?"
"Absolut alles. Ich lüge den ganzen Tag. Das ist mein verdammter Job."
"Ist es aber jetzt nicht mehr, also hör auf, mich anzulügen!"
"Ja, und DU bist schuld daran! DU hast alles kaputt gemacht!"
"Ich wollte nur-"
"Lass mich in Ruhe! Lass mich einfach auf der Straße verrecken!"
Ich glaube, in dem Zustand bringt es nichts, mit ihm zu reden. Wir sollten uns beide erst beruhigen, weil wir uns sonst nur weiter anschreien. Aber wenn ich jetzt gehe, sehe ich ihn nie wieder.
"Jimin. Bitte komm mit. Schlaf bei mir. BEI, nicht MIT, okay? Bitte gib mir eine Chance dir zu beweisen, dass ich eben nicht so wie alle anderen bin, obwohl du das eigentlich längst wissen solltest. Erinnerst du dich, wie oft ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe? Ich habe dich niemals angelogen."
Statt zu antworten weint er weiter. Er lässt sich auf die Bordsteinkante sinken und lässt seinen Tränen freien Lauf. Wortlos setze ich mich neben ihn und warte. Ich warte, bis er bereit ist auf mich zuzugehen. Wenn es sein muss, warte ich den ganzen Abend und die ganze Nacht hier und stehe ihm bei. Aber es wird kalt. Hoffentlich verkühlt Jimin sich nichts.
"Yoongi", sagt er nach einer Ewigkeit - so leise, dass ich es fast überhöre. "Wo sind die anderen?"
"Die Handlanger deines Bosses wurden verhaftet. Jeongyeon brauchen sie für die Zeugenaussage. Und deine acht übrig gebliebenen Kollegen auch, aber die dürfen danach gehen, niemand von den neun wird festgenommen."
Nachdenklich nickt er. "Was ist mit mir?"
"Falls du möchtest, kannst du auch gegen deinen Boss und seine Handlanger aussagen. Und du kannst bei mir übernachten. Ohne Verpflichtungen. Wenn du mich morgen immer noch hasst, kannst du gern gehen."
"Ich hasse dich nicht."
"Gut." Ich stehe auf und reiche ihm meine Hand, die er zögerlich ergreift.
Auf dem Weg zu mir sagt er kein Wort. Weil der Kumpel von Namjoons Cousin mit seinen Kollegen und den verhafteten Leuten schon abgezogen ist, haben wir keine Mitfahrgelegenheit und müssen die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen. Zu Fuß würde es zwei Stunden dauern.
Jimin fühlt sich in der Bahn sichtlich unwohl, doch ich halte ihn im Arm und schirme ihn von den Fremden ab, wodurch er sich zumindest ein bisschen entspannt. Unsicher blickt er sich immer wieder um, als hätte er Angst, dass alle ihn anstarren und ihm ansehen, welchen Job er hatte und welche Scheíße er im Leben durchgemacht hat.
Vor meiner Wohnungstür räuspere ich mich. Eigentlich hatte ich das anders geplant, aber er hat mir sehr deutlich gesagt, dass er mir nicht vertraut, also werde ich das mit der Augenbinde sein lassen. "Wär das ok, wenn du kurz die Augen zumachst?"
"Hast du nicht aufgeräumt? Das stört mich nicht."
"Doch. Extra für dich. Aber ich hab eine mehr oder weniger kleine Überraschung für dich."
Skeptisch sieht er mich an und macht dann zögerlich die Augen zu. Ich schließe auf und schiebe ihn sanft durch die Tür.
"Nicht lunschen", flüstere ich ihm ins Ohr und kann mich nicht davon abhalten, ihm ein Küsschen auf die Wange zu hauchen. Er zuckt zusammen. Ich unterdrücke ein Seufzen und lege vorsichtig eine Hand auf seine Augen. Wie gerne möchte ich ihn liebevoll berühren und ihm zeigen, dass er mir wirklich alles bedeutet!
Mit der anderen Hand führe ich ihn zu einer ganz bestimmten Zimmertür. Aus Angst hinzufallen, klammert er sich an meine Arme. Ich würde ihn niemals fallen lassen. In seinem Zimmer angekommen nehme ich meine Hände von seinen Augen. "Das ist dein Trinkgeld, Jimin. Ich hab für dich gespart, weil ich die bescheuerte Hoffnung hatte, du würdest vielleicht dein Leben mit mir verbringen wollen..."
Erschüttert dreht er sich zu mir um. "Das... das... bitte was?"
"Das ist das dein Zimmer... ich wollte dir eine anständige Bleibe bieten."
"Das hättest du nicht machen sollen. Ich bin es doch gar nicht wert."
"Für mich bist du es wert."
"Ich bin nur eine dreckige Schla-"
"Hör auf, diese dummen Sätze zu sagen. Das sind alles Lügen, die in deinem neuen Leben nichts zu suchen haben."
Jimin nickt und blickt wieder seine Möbel an. "Aber.. aber.. wie soll ich denn die Miete zahlen? Das ist doch alles so teuer! Soll ich..." Unsicher fällt sein Blick auf meinen Schritt. Ich schüttele den Kopf. Wenn es in dieser Wohnung jemals Sex gibt, dann nur, wenn er das freiwillig will.
"Nicht so. Was denkst du, warum du ein eigenes Bett hast? Dafür hab ich übrigens kein Geld ausgegeben, das ist das alte von meinem Bruder, aber die Matratze ist frisch und neu. Und wenn du Miete zahlen willst, dann von richtigem Geld, von einem ordentlichen Job. Wir finden sicher irgendetwas für dich, das dir liegt." Mein Bekannter Jin sucht wieder Aushilfen für sein Restaurant, seit das schwule Kellnerpärchen vor Kurzem nach Malaysia gezogen ist. Das wäre zumindest ein Anfang, und wenn Kellnern nichts für Jimin ist, suchen wir etwas anderes.
"Mich will doch kei-"
"Was haben wir über diese Sätze abgemacht?", erinnere ich ihn sanft, aber bestimmt.
"Gehören hier nicht hin", flüstert Jimin lächelnd. Es ist ein echtes Lächeln, das seine Augen erreicht. Das ist das erste vollkommen aufrichtige Lächeln, das ich jemals von ihm sehe - aber lange nicht das letzte.
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