9. Türchen - SweetRaspberryxXx


Einen wunderschönen 09. Dezember <3

Ich bin überglücklich Teil dieses Projekts zu sein und einer meiner Ideen endlich Leben einzuhauchen :)

Hoffentlich habt ihr genauso viel Spaß daran wie ich und Taelirium! Denn die Liebe hat mich unterstützt und mit mir ein Projekt begonnen, an dem wir nun gemeinsam arbeiten. Dafür danke ich ihr ganz herzlich, dass sie mich und die Geschichte so sehr bereichert <3

In diesem Sinne: viel Spaß beim Lesen!
SweetRaspberryxXx

  

WINTER FALLS.
  

Kennt ihr das? Hattet ihr jemals diese rosarote Brille auf, von der sie alle sprachen? Habt ihr jemals diese Leichtigkeit gespürt, euch in Träumereien versponnen, die Schmetterlinge im Bauch umherflattern gespürt? Und dieses Gefühl zu lieben und das besondere Gefühl, wenn diese Liebe erwidert wird?

Yoongi kannte diese Dinge nicht. Natürlich hatte er schon mal geliebt. Keine Frage.
Doch war das alles andere als das, was man ihm über die Liebe gelehrt oder erzählt hatte.

Keine Liebe, die sein Leben in allen Regenbogenfarben erstrahlen ließ.
Keine Träumereien, die ihm Glück bescherten, wenn er sich in ihnen verfing.
Keine Schmetterlinge im Bauch, die für ein angenehmes Kribbeln und für seichtes Rosa auf seinen Wangen sorgten.

Stattdessen fiel die Wahl seines Herzens auf den einzigen Menschen, der ihm am nächsten und gleichzeitig am entferntesten war. Seinen besten Freund.

Die Liebe zu ihm war unermesslich groß und viel zu schwer für Yoongis kleines Herz, das er nur schwer zu öffnen vermochte. Trotzdem hatte sein bester Freund es geschafft den Spalt ein wenig weiter aufzuschieben als alle anderen, die es versuchten. Und eben jenes kleine Stück war ausschlaggebend dafür, dass Yoongis zerbrechliches Herz mit unbekannten Gefühlen geflutet wurde. Unaufhaltsam, unkontrolliert und ohne jegliche Rücksicht, drängte sich das Gefühl von Liebe in die kleinsten Ecken und überschwemmte es regelrecht. Das Schlimmste daran: sein bester Freund musste es nicht einmal versuchen. Es passierte von allein.

Viele von euch fragen sich vermutlich, ob es eine Art „Happy End“ gab… - es gab keines.
Sein bester Freund hat vor Kurzem geheiratet. Eine Frau.
Eine Liebe zum Scheitern verurteilt.

Yoongi hat ganze 3 Jahre lang verzweifelt versucht gegen diese Gefühlswucht gegenanzukämpfen, aber sobald er sich Schwert und Schild schnappte und mutig dem Monster in seinem Inneren entgegentrat, schlug es ihn mit einem Mal nieder, ohne Anstrengung und kostete ihn ein weiteres Stück seines Herzens.
Mittlerweile war es so stark zerbrochen, dass es einem gigantischen Puzzle glich. Nur ein winziger Teil war noch unversehrt und damit es noch etwas zu retten gab, wollte er aktiv etwas dafür tun, um sein Herz zu schützen und die Liebe, die noch in ihm übrig war, vielleicht einem Menschen zu schenken, der es eher verdient hatte.
Oder zumindest alles zu tun, um sich ein wenig von dem Schmerz abzulenken…
  

⊱ ────── ⋅❅⋅ ───── ⊰
  

Wieder war ein Tag verstrichen. Ein Tag wie jeder andere, an dem Yoongi an seinem Schreibtisch saß, die Füße auf der dunkelbraunen Holzplatte abgelegt und sich den Kopf über einen seiner Aufträge zerbrach. Immerhin hing seine Existenz daran.
Vor ein paar Monaten kam er das erste Mal in die Misere, dass er seine Miete nicht rechtzeitig bezahlen konnte. Sein Vermieter hätte ihn am liebsten direkt wieder vor die Tür gesetzt, weil er ohnehin nie aus seiner Wohnung kam und sein Verhalten recht seltsam auf ihn wirkte, aber er drückte nochmal ein Auge zu, weil Yoongi ihm für die Unannehmlichkeiten einen Aufschlag zahlte. Der letzte Auftrag war so verdammt gut vergütet worden, dass er sich damit quasi gerade noch den Arsch retten konnte. Glück gehabt, denn generell gab der Dezember kaum etwas an Arbeit her und er konnte sich glücklich schätzen, dass er einige Aufträge ergattern konnte.

Er seufzte. „Warum mache ich das überhaupt noch..?“

Gähnend streckte sich Yoongi und strich sich durch sein zerzaustes Haar. Da er sich während seiner Nachtschicht immer wieder an den Haaren zog, wenn er mit seinen geschriebenen Worten unzufrieden war, wollte er nicht wissen, wie er gerade aussah. Vermutlich schlimmer als sonst.
Langsam nahm der Schwarzhaarige seine Füße vom Schreibtisch und erhob seine müden Knochen. Die vielen Nächte, die er durcharbeitete, um irgendwen zufriedenzustellen, zehrten an ihm und allmählich erreichte auch er seine Grenzen.

Mit schweren Schritten ging er zu seiner Küchenzeile, die nur wenige Meter entfernt war von seinem Wohnzimmer, in dem der Schreibtisch stand. Allgemein war seine Wohnung recht klein. Eine Ein-Zimmer-Wohnung, um genau zu sein. Doch das reichte ihm.

Sein Bett war eine dunkelgraue Schlafcouch mitten im Raum, der gleichzeitig als Wohn- sowie Schlafzimmer diente. Ein kleiner Glastisch sowie ein einfarbiger Teppich über dem braunen Linoleum darunter, waren neben dem kleinen Esstisch mit zwei Stühlen, dem Schreibtisch inklusive Stuhl und seiner Kommode die einzigen Möbel im großen Raum.
Seine Küche war nebenan und bestand aus einer kleinen Reihe von Schränken. Sowohl den Kühlschrank, die Herd-Ofen-Kombination, die zwei Unterschränke, als auch den winzigen Hängeschrank hatte er günstig bei einem Bekannten ergattert. Schön war es nicht, dafür hatte er einiges von seinem schwer verdienten Geld gespart.
Generell war Yoongis Wohnung schlicht eingerichtet und in grau bis braune Farbtöne gehüllt. Er hatte es nicht so mit knalligen Farben oder Dekoration. Vor allem nicht seit der Hochzeit seines besten Freundes.

Während Yoongi darüber nachdachte, ob er den Auftrag, der ihm so zu schaffen machte, einfach aufgeben und sich nach einem anderen umsehen sollte, drückte er den Knopf seiner Espressomaschine. Völlig abwesend beobachtete er wie das schwarze Morgenelexier, gefolgt von der heißen Milch, in seinem Kaffeebecher landete.
Er nahm seinen Cappuccino, lehnte sich mit dem Rücken gegen seinen Kühlschrank und trank einen Schluck. Angenehme Wärme verbreitete sich in seinem Inneren und Yoongi merkte mit jedem weiteren Schluck Kaffee, dass er allmählich wacher wurde.

Als er den halben Becher geleert hatte, begab er sich samt Getränk wieder an seinen Laptop, der mittlerweile in den Standby-Modus übergegangen war. Wenig elegant ließ sich Yoongi wieder auf seinem Schreibtischstuhl nieder und exte den Rest seines Cappuccinos.

„Andere gehen raus, haben Spaß, erleben etwas… Und was tue ich hier?“, murrte Yoongi, „Ich schreibe jeden Scheißdreck für ein kleines Taschengeld. Zum kotzen…“

Angewidert von sich selbst, verzog er sein Gesicht. Er konnte einfach nicht glauben, dass das alles war, was das Leben für ihn bereithielt. Eine gescheiterte Liebe und einen mies bezahlten Job? Das konnte es noch nicht gewesen sein.

„Was ist das denn schon wieder?“, fragte sich Yoongi und kratzte sich am Hinterkopf.

Seine Augen wanderten über das Display seines Laptops und entdeckten ein kleines Icon eines Programms, das er sich definitiv nicht selbst heruntergeladen hatte. Das kleine Bild sah aus wie für ein Disney-Spiel, farbenfroh mit einem Herzchen und Glitzerelementen. Yoongi war felsenfest davon überzeugt, dass dieses Teil da vorher noch nicht war. Wie zur verfickten Hölle kam dieses dämliche Scheißding auf seinen Desktop?!
Für einen kurzen Moment wusste Yoongi nicht, ob er einfach am Computer eingeschlafen war und träumte, ... aber er war doch die ganze Nacht wach. Er hatte keine Sekunde geschlafen und sich ab und an die Beine vertreten, um gegen das Müdigkeitsgefühl gegenanzukämpfen.

Kopfschüttelnd klickt Yoongi mit Rechtsklick auf das kitschige Symbol und wie von Zauberhand öffnete sich eine Nachricht auf seinem Bildschirm.

„Vielen Dank für Ihre Registrierung!“

„Verdammte sch-“, unterbrach sich Yoongi selbst.

Für was hatte er sich bitte registriert? Er wollte das Programm DEINSTALLIEREN!

Ehe Yoongi einen erneuten Start des Löschens in Angriff nehmen konnte, ploppte ein neues Fenster auf. Mit großen Augen starrte er auf sein Display und dachte ernsthaft, er hätte den Verstand verloren. Er sah auf ein Dating-Profil. SEIN Dating-Profil.

„Was zur Hölle soll die Scheiße?“

Verzweifelt versuchte Yoongi das Programm zu stoppen, aber es ließ sich einfach nicht schließen. Ganze 35 Minuten vergeudete er mit dem Versuch das Pop-Up-Fenster zu schließen, doch egal was er auch tat, es half alles nichts.

Seufzend gab sich der Schwarzhaarige geschlagen und dachte sich, wenn er das Dating-Zeug nicht schließen konnte (warum auch immer), würde er eben ein bisschen durchscrollen, was für Personen sich auf diesem Portal herumtrieben. Natürlich nicht die beste Idee, weil keiner wusste woher dieser Mist kam, aber andererseits hielt Yoongi das einfach für einen schlechten Scherz.
  

Verwirrt blieb Yoongis Mauszeiger auf dem Namen Jack Frost stehen. Alle Namen, die hier verwendet wurden, waren Namen von berühmten Märchen-Figuren aus aller Welt – aber warum nannten sie sich so?

„Ich muss träumen. Eindeutig“, seufzte Yoongi und schloss seine Augen.

Er atmete tief durch, sah wieder auf das Profil des Winterjungen und dachte für einen Moment darüber nach, dass das ein Zeichen sein könnte. Ein Zeichen, um sich endlich von seinem besten Freund zu lösen und neue Erfahrungen zu machen. Aber ausgerechnet auf dieser Plattform? Eine magisch-kitschige Version von Tinder, oder wie auch immer das hieß. Eine Seite voller Freaks, die sich nach Märchen-Charakteren benannt hatten?

„Aschenputtel, ha“, lachte er trocken als er das Bild eines jungen Mannes mit zwei Zöpfen sah, „Wie ungewöhnlich passend und unpassend zugleich…“

Ehe sich Yoongi versah, landete er einige Sekunden später wieder auf dem Profil von Jack Frost. Warum? Das wusste er auch nicht. Und warum er auf den Like-Button klickte? Das wusste er ebenso wenig.
Doch vielleicht lag es einfach daran, dass Weihnachten kurz vor der Tür lag und er sich wohl ein paar Träumereien erlauben konnte, ehe er aufwachen und sich dem Alltag wieder ergeben müsste.

“It’s a match!”

Yoongi
Hey Winterboy, kannst du mir vielleicht erklären, wo ich hier gelandet bin?

Jack Frost
Im besten Moment deines Lebens?:)

Yoongi
Na, da ist aber jemand ganz schön keck unterwegs heute, was?

Jack Frost
Heute? Wir kennen uns doch gar nicht.

Jack Frost
Leider, wohlgemerkt.

Yoongi
Wie soll man auch ein Mythos persönlich kennenlernen?

Jack Frost
Ganz einfach. Anschreiben. Aber das haben wir ja jetzt.
Also, erzähl mal. Wie bist du denn auf mein Profil gestoßen? ;D

Yoongi
Tja, wie ich da wohl gelandet bin. Das frage ich mich allerdings auch und irgendwie bin ich dann hier gelandet.

Jack Frost
Das weißt du nicht? Man landet hier nicht zufällig.

Yoongi
Sag das mal dem Programm, dass sich selbstständig auf meinem Laptop installiert und mich hier angemeldet hat.

Jack Frost
HAH! Jetzt weiß ich es!

Yoongi
Dann mal her mit der Erklärung.

Jack Frost
Schicksal!! :D Wir sollten uns einfach begegnen!

Yoongi
Natürlich. ‘n bisschen Netflix and chill in deinem Iglu, oder was?

Jack Frost
Iglu? Wie bist du denn drauf?
Außerdem dachte ich eher an was anderes als Netflix...

Yoongi
Du bist doch “der Grund für das, was wir Winter nennen”. Kennst du dein eigenes Profil nicht? Junge...

Jack Frost
Natürlich kenne ich das :(
Aber deswegen wohne ich doch nicht in einem Iglu. Naja, nicht direkt. Ich finde, die Bezeichnung Schloss passt da viel eher. Willst du es dir mal anschauen kommen? ;D

Yoongi
Schloss..? Vor allem: wie komme ich bitte in dein magisches Winterwunderland?

Jack Frost
Ach, ich hol dich einfach ab. Wirst sehen, das wird ein Spaß!

Yoongi
Oh, da bin ich aber gespannt. Aber lass mich noch meinen Kaffee austrinken. Der ist noch heiß.

Jack Frost
Ich bin auch heiß ;)

Yoongi
Also bisher war der Winter für mich immer eher kalt. Oder brennt dir der Kopf? Wie ne Kerze? :D

Jack Frost
haaaaahaaaaa
du wirst schon noch sehen, was ich damit meine. Son Profilbild ist ja nun mal nicht besonders aussagekräftig.

Yoongi
Gerade frage ich mich ernsthaft, warum ich dieses Gespräch überhaupt noch führe. Immerhin träume ich. Denke ich… Aber wenn du der Meinung bist, dass du mich abholen willst, dann bitte. Finde mich.

Jack Frost
Also erstens: Schicksal, schon vergessen? Du kannst gar nicht anders, als mit mir zu schreiben. 
Und zweitens: Mach mal deine Tür auf bitte.

Yoongi
wtf. Warte…
  

Stumm schloss Yoongi seinen Laptop und fuhr sich durch die Haare. Sollte er wirklich aufstehen und nachsehen, ob ein lebendiges Mythos vor seiner Tür stand? Und wenn ja, was sollte er machen, wenn er wirklich da stand? Traum hin oder her. Es wäre schräg.

“Was soll’s…”, grummelte der Schwarzhaarige und erhob sich erneut von seinem Schreibtischstuhl, um sich auf den Weg zur Haustür zu begeben.

Als er dort angekommen war, wollte er sofort die Türklinke herunterdrücken. Doch kurz bevor seine Finger das Metall berührten, hielt er kurz inne und traute seinen Augen nicht. Sanft-blasse Eiskristalle zierten ein kleines Stück des glänzenden Silbers, umhüllt von seichtem Dampf der Kälte, die hinter dieser Tür zu warten schien. 

“Okay, das ist einfach nur ein Traum, Yoongi”, sagte er zu sich selbst und zog die Augenbrauen hoch, “Einfach nur ein Traum. Du musst nur die Tür öffnen…”

Leichter gesagt als getan. Er stand noch immer wie angewurzelt vor der Haustür und starrte auf die kleinen Eiskristalle, die sich langsam vermehrten.
Langsam atmete er ein und wieder aus, ehe er sich dann letztlich doch überwand, die Klinke herunterdrückte und die Tür mit Schwung öffnete.

Kalter Wind kam ihm entgegen und einzelne, verloren gegangene Schneeflocken flogen mit ihm herein. Inmitten dieser seltsam schönen Schneepracht in seinem Hausflur stand ein junger Mann mit weißen Haaren, in denen sich einige der Flocken hinein verirrt hatten.
Yoongi wusste nicht was er sagen oder tun sollte. Mit leicht geöffnetem Mund starrte er den Fremden vor seiner Wohnung an und beobachtete dessen Haar, das sich langsam, ganz langsam, in ein tiefes Schwarz verfärbte und die Kälte mit sich nahm.

Jack Frost verzichtete auf eine anständige Begrüßung. Stattdessen setze er ein freches Grinsen auf, verbeugte sich flüchtig und musterte den Mann vor sich eingehend.

“Cooler Effekt, oder?”, fragte er und deutete auf seine Haare.

Yoongi schien immer noch nicht antworten zu können. Stattdessen starrte er ihn an, als habe er gerade einen Geist gesehen. So langsam wurde es Jack unangenehm so angeglotzt zu werden, daher ging er einen Schritt auf den anderen zu und deutete mit einem Nicken zu dessen Wohnung.

“Möchtest du mich auch reinbitten, oder sollen wir die ganze Zeit voreinander stehen und uns anstarren?”

Endlich erhielt er eine Antwort, nur leider nicht die, die Jack sich erhofft hatte. Yoongi schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Einfach so. Ungläubig blinzelte Jack einige Male, bis er sich aus seiner Schockstarre befreien konnte. Erneut wollte er an die Tür klopfen, doch noch im selben Moment wurde sie wieder von Yoongi geöffnet. Er sah immer noch genervt und verwirrt zugleich aus - sein Gesichtsausdruck hatte sich also nicht verändert.

“Was genau soll das werden? Ist das so’n seltsames Begrüßungsspiel von dir oder sowas? Find’s ziemlich unhöflich. Bei uns bittet man die Gäste herein und schlägt ihnen nicht einfach die Tür vor der Nase wieder zu.” 

“Dir ist schon klar, dass du quasi nicht existierst außerhalb dieses Traums? Ich meine, klar… Krasse Effekte auf jeden Fall. Sehr real und so. Aber darf ein normaler Mensch sich heutzutage nicht mehr über den personifizierten Winter vor seiner scheiß Haustür wundern?”, betonte Yoongi seine Frage besonders.

“Wenn du das so sagst… Aber ich finde mich schon ziemlich real.”
Jack hob seine Arme, um seine Aussage zu unterstreichen und legte den Kopf leicht schief.

“So real, wie es ein Traum eben sein kann”, entgegnete Yoongi, “Ich dachte, dass du mich zu einem Date abholst? Wo ist denn dein magisches Portal oder bist du doch mit einer gigantischen Schneeeule hergeflogen?”

“Verdammt witzig. Was haben wir nicht gelacht…”
“Also ich finde mich schon ziemlich witzig.”

Schulterzuckend wandte sich der Schwarzhaarige von seinem Besucher ab und ging zu seiner Garderobe. Zurück an der Tür angekommen, war er eingehüllt in Stiefel, dicker Jacke, Schal und Mütze.

Der Winterjunge verzog verwirrt das Gesicht: “Wo willst du denn hin?”
“Na, ich dachte du führst mich aus.”
“Ja, aber doch nicht in die Antarktis.”
“Wohin denn dann?”
“Also, ich dachte, wir fangen erstmal langsam an und gehen hier ein bisschen in den Park spazieren oder so. Wir können aber auch gerne direkt zu mir, wenn du es so eilig hast, dir einen abzufrieren.” 

“Park klingt gut”, antwortete Yoongi leise. Er vertraute dem Winterjungen nicht. Oder sollte er besser sagen: Er traute seinem Traum nicht? Denn was bitteschön sollte es sonst sein, wenn nicht ein richtig abgedrehter Traum? Vielleicht sollte er sich morgen, sobald er wieder wach geworden war, Gedanken machen, ob der Traum ihm etwas sagen wollte. Dass er sich mal ernsthaft nach jemandem umsieht. Nicht unbedingt nach magischen Märchenjungen, eher etwas Greifbareres. 

“Na also. Geht doch.” Jack grinste triumphierend. Yoongi gefiel das gar nicht, aber nun gut. Er hatte sich jetzt dazu entschieden, mit ihm mitzugehen, also zog er das jetzt auch durch. Es war ein Traum, wiederholte er in Gedanken. Nur ein Traum. Was sollte schon passieren?

Nachdem Yoongi sich fest vorgenommen hatte das magische Date durchzuziehen, hatte er sich etwas schlichtere Kleidung übergeworfen, ehe sie langsam Richtung Park gingen. Die dicke Jacke wich einem hellbraunen Parka und die Stiefel seinen schwarzen Winterboots, die er nur an “guten” Tagen trug. Den Schal behielt er allerdings um, da die Temperaturen alles andere als mild waren und er keine Lust hatte sich eine Erkältung einzufangen, auch wenn er sonst nicht so empfindlich war. Außerdem wusste er ebenso wenig, ob der Schneetyp, der ruhig vor sich hin grinste als sie am Park ankamen, ihn nicht doch in die Antarktis entführte.

Ein bisschen bereute er seine Entscheidung jedoch, als sie immer weiter Richtung Park gingen. Eisige Luft wehte ihnen ins Gesicht, begleitet von immer zahlreicheren Schneeflocken. Jack schien das logischerweise nichts auszumachen, aber Yoongi mochte es gar nicht, wie der kräftige Wind den Schnee in sein Gesicht peitschte. Hoffentlich braute sich da gerade nicht ein Schneesturm zusammen. Vielleicht hätte er doch besser die winterfestere Kleidung anbehalten. Es war doch offensichtlich. Er datete gerade Jack Frost, so verrückt es auch klang, und der war nun mal dafür bekannt überall für Kälte und Chaos zu sorgen, wo er auftauchte. Zum Beispiel für einen Schneesturm mitten in Daegu.
Wenn Yoongi genauer darüber nachdachte, klang es total bescheuert.

“Und jetzt?”, fragte er stumpf, zog seinen Schal etwas höher, damit er zumindest ein bisschen geschützt war vor dem eisigen Wind und steckte seine Hände in seine Jackentaschen. 
“Jetzt, denke ich…”

Jack pausierte seinen begonnenen Satz und legte einen Arm um den skeptischen Yoongi. Eigentlich wollte dieser einen Schritt zurück gehen, bevor das passierte, aber sein Date war eindeutig flinker als er.

“Ich denke, du könntest eine Abkühlung vertragen.”
“Eine Ab-”

Weiter kam Yoongi nicht, denn als Jack etwas Abstand zu ihm gewonnen hatte, streckte er seine Hand aus und wie von Zauberhand schimmerte das Haar des Winterjungen für eine Sekunde in strahlendem Weiß. Als es wieder der Schwärze wich, war ein kleiner Haufen Schnee auf seiner Handfläche zu sehen, den er ruckzuck in Yoongis Nacken versenkte.

“DU KLEINER…! ARGH!”
“Ich kleiner…? Was?”, hinterfragte Jack mit einem schelmischen Grinsen.

Er konnte förmlich sehen, wie Yoongis Geduld überstrapaziert wurde, aber genau das war es, was dem Winterjungen so eine Freude bereitete. Yoongi versuchte sich zusammenzureißen, sein Blick verfinsterte sich dennoch. Er wollte dem anderen heimzahlen, dass er ihm ohne Vorwarnung die Ladung Schnee in den Nacken gesteckt hatte. Das war definitiv zu viel des Guten. Der Schnee schmolz sofort und rann in kleinen Tropfen Yoongis Rücken runter. Für einen Traum fühlte sich das verdammt real an, wie auch immer das sein konnte. Es war eklig. Einfach nur extrem eklig. 
Ohne auf seine Frage zu antworten, sprintete Yoongi los und versuchte Jack zu fangen, aber das gestaltete sich schwieriger als er zunächst angenommen hatte. Jedes Mal, wenn er ihm gerade nah genug war, um ihn zumindest am Ärmel zu packen, huschte der Winterjunge wieder davon. Scheiß Dreck. Wieso war er so schnell? Das Schlimmste an der Sache war, dass dieser verdammte Frostjunge auch noch seinen Spaß daran hatte. Das war kein DATE, das war der reinste KINDERGARTEN. 

“Wenn ich dich gleich kriege, dann bist du sowas von erledigt”, knurrte Yoongi, doch Jack zeigte sich auch davon völlig unbeeindruckt. Yoongi musste nachdenken, planen. Irgendwie musste er es doch hinkriegen, dass er ihn rechtzeitig einholte, bevor er wieder auswich, nur leider wollte ihm nichts einfallen.

Angestrengt jagte Yoongi dem anderen hinterher, die Arme beim Laufen fast ununterbrochen ausgestreckt, in der Hoffnung, dass er eine Sekunde der Unaufmerksamkeit Jacks nutzen konnte, um diesen endlich in seine Finger zu bekommen.
Und tatsächlich. Nach weiteren vier Versuchen ihn zu schnappen, bekam Yoongi das, was er wollte. Zumindest teilweise. Er hätte halt nicht damit gerechnet, dass er dem anderen quasi in die Arme fiel.
Unbeholfen umklammerte Yoongi sein Gegenüber, der weniger überrascht wirkte als er selbst. Nun standen sie da. Jack mit breitem Grinsen über das ganze Gesicht und Yoongi, der sich gerade so auf den Beinen halten konnte. Doch lange hielt sein ohnehin schon mangelndes Gleichgewicht nicht, denn im nächsten Moment fühlte er, wie seine Füße langsam wegrutschten.
Hilflos hielt sich Yoongi noch immer am Winterjungen fest, der kurze Zeit später mit ihm zusammen im kalten Schnee landete, als er endgültig seinen Halt verlor.

“Darf ich fragen, was das wird?”, fragte Jack und deutete auf Yoongi, der mehr oder weniger mit seinem Kopf auf dessen Brust lag.

Unangenehm, dachte sich Yoongi und wollte sich eigentlich aus seiner misslichen Lage befreien. Doch als er versuchte aufzustehen, rutschte seine Hand weg, mit der er sich abstützte und mit einem Mal fand er sein Gesicht wenige Millimeter vor Jacks wieder, das ihm nun eindeutig zu nahe war. Viel zu nah.
Trotz der Umstände war es ihm in dem Moment nicht möglich sich von Jacks Blick loszureißen und er hatte das Gefühl in einen Schneesturm einzutauchen, der ihn mit jeder Sekunde mehr zu verschlingen vermochte. 

Auch Jack schien im ersten Moment von ihrer plötzlichen Nähe irritiert zu sein und verlor sich in dem langanhaltenden Blickkontakt, ohne etwas zu sagen. Allerdings fing er sich wesentlich schneller als Yoongi, denn der irritierte Gesichtsausdruck wich einem frechen Grinsen.
"Du fackelst echt nicht lange, hm?", fragte er kess, hob zeitgleich seine Hand und legte sie vorsichtig auf der Wange des anderen ab. 

Als er realisierte, was Jack vorhatte, kam er schlagartig wieder zur Besinnung und brachte mehr Abstand zwischen ihre Gesichter. Wieder stützte er sich mit den Händen ab, diesmal jedoch wesentlich bedachter, damit er nicht nochmal wegrutschte. Jack schmollte, als Yoongi es schaffte, sich aufzusetzen. 

"Das hättest du wohl gerne", konterte Yoongi sichtlich überfordert, während er die Spuren des Schnees von seiner Jacke abklopfte. "Kann ja nicht ahnen, dass du plötzlich einfach stehen bleibst."

Auch Jack richtete sich langsam wieder auf.
"Hmm… aber sonst hättest du mich doch nie gefangen", antwortete er und Yoongi beschlich das Gefühl, dass es pure Absicht des anderen war, dass sie im Schnee gelandet waren. Zumindest würde er es dem Frostjungen zutrauen, so wie dieser sich bislang aufgeführt hatte. Denn mal ehrlich, wirklich viel Einfühlungsvermögen besaß der andere nicht. Dafür schien er verdammt viele Flausen im Kopf zu haben. Gerade war er sich nicht mehr so sicher, ob er nicht besser einen der anderen Märchenjungen angeschrieben hätte. 

"Vielleicht doch", widersprach Yoongi selbstbewusst. 
"Glaub ich eher weniger. Du bist ganz schön lahm." 

Langsam reichte es Yoongi. Dieses Date war von vornherein eine dumme Idee gewesen, aber es wurde mit jeder weiteren Minute schlimmer. Auch wenn er zugeben musste, dass das freche Lächeln des Winterjungen eine gewisse Faszination auf ihn ausübte. Er war hin- und hergerissen und überlegte angestrengt, ob er dieses Date noch weiterführen wollte, oder ob er es an dieser Stelle nicht besser frühzeitig beendete. 

“Dir ist schon klar, dass jeder an diesem Punkt das Date ganz einfach abbrechen würde, oder?”
“Aber wieso? Hast du keinen Spaß?” Jack war sichtlich irritiert.
“Keine Ahnung, was du unter Spaß verstehst, aber sehe ich etwa danach aus als würde mich dein Verhalten in irgendeiner Art und Weise amüsieren? Nein. Danach sehe ich sicher nicht aus”, schnaufte Yoongi genervt.

Er war kurz davor. So kurz davor, dass er sich einfach umdrehte und wieder nach Hause ging. Doch etwas in seinem Inneren hinderte ihn daran und rief ihm ins Gedächtnis, dass es sich um einen beschissenen Traum handelte. Sehr real, aber definitiv nicht echt. Also machte er Jack ein Angebot und gab ihm damit eine weitere Chance.

“Sag mir, Jack Frost. Warum sollte ich dieses Date mit dir fortführen?”, fragte Yoongi, “Nenn’ mir einen guten Grund und ich gehe nicht.”
“Ich… Äh…”

Jack wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Natürlich wollte er nicht, dass Yoongi verschwand. Er wartete so lange darauf, dass ihm jemand Gesellschaft leistete und mit ihm durch den Schnee tobte. Allerdings verirrte sich schon seit Ewigkeiten keiner mehr in diese Welt.
Gerade als er seine Frage beantwortete, wandte sich Yoongi ab und setzte zum Gehen an.

“Warte!”, rief der Winterjunge und griff nach dem Ärmel des anderen, hielt ihn somit zurück und hoffte, dass die Chance auf Antwort noch nicht vertan war.
“Was denn?” Yoongi war eindeutig genervt. Entweder erhielt er jetzt einen Grund oder er ging.

“Es tut mir leid…”, begann Jack schmollend und suchte immer noch nach den richtigen Worten, “Aber ich kann dir nicht den perfekten Grund nennen, wegen dem du bleiben würdest. Deshalb bin ich einfach ehrlich. Ich bin hier sehr einsam geworden, so selten wie jemand Interesse an mir zeigt. Und wenn doch, dann endet es in reinstem Chaos.”

“Gut”, meinte Yoongi schulterzuckend, “Ich bleibe.”
“Was? Warum?”
“Du hast dich entschuldigt. Du warst ehrlich. Reicht mir.” Schließlich war das sowieso nur ein Traum, dachte sich Yoongi.

"Okay", kam es etwas zögerlich von Jack. Er hatte wirklich nicht daran geglaubt, dass seine Worte den anderen tatsächlich überzeugen würden. Er freute sich. Natürlich tat er das, denn immerhin bekam er durch Yoongi die Chance seinem tristen Alltag endlich mal wieder eine nette Abwechslung zu bescheren. Auch, wenn das nicht der einzige Grund war. Auf eine seltsame Art und Weise mochte er Yoongi und wie genervt oder irritiert er zeitweise dreinschaute. 

"Allerdings erwarte ich von dir, dass du ein bisschen weniger…" Yoongi rieb mit seinen Fingern nachdenklich seine Schläfe, während er nach dem passenden Ausdruck suchte. "Weniger aufgedreht bist, wenn du verstehst."

Jack blinzelte verwirrt. Er hatte keine Ahnung, was genau Yoongi jetzt von ihm erwartete. Dafür war sein letztes Date, oder generell sein letzter richtiger Kontakt zu Menschen, viel zu lange her. Was machte man auf einem Date, wenn nicht im Schnee rumtollen? 

"Ich probier's. Aber dann sag mir bitte mal, was genau du jetzt für unser weiteres Date geplant hast. Ich meine, du scheinst sehr genaue Vorstellungen zu haben." 

Witzig. Da gab es doch anscheinend wirklich jemanden, der in diesem ganzen Datingkram noch unbeholfener war als Yoongi. Es entlockte ihm ein Schmunzeln. "Keine Ahnung. Ich bin jetzt auch nicht unbedingt der Vollprofi, was Dates angeht. Irgendwas Ruhigeres vielleicht?" 

"Was Ruhiges", wiederholte Jack nachdenklich. Das war nun wirklich nicht das, was er gut drauf hatte. "Du meinst, sowas wie Kaffeetrinken oder so?" 

“Zum Beispiel”, antwortete Yoongi, “Oder wir gehen einfach wirklich wie geplant erstmal ein Stück spazieren.”

Wieder wanderte der Gedanke durch seinen Kopf, dass dies alles ein Traum sein musste und warum dann nicht über seine Grenzen hinauswachsen? Sollte ja ganz einfach sein, dachte er sich zumindest, bis er sein Vorhaben umsetzen wollte, welches sich soeben in seinen Kopf geschlichen hatte.
Verzweifelt versuchte er seine Hand aus seiner Jackentasche zu nehmen, aber sein Körper weigerte sich immens gegen das, was er vorhatte. Schließlich wollte er gerade etwas tun, was so gar nicht seiner Art entsprach. Etwas, was seine Komfortzone weit überschritt.

“Komm mal näher…”, murmelte Yoongi in seinen Schal und weigerte sich Jack bei seiner Bitte anzusehen.

Dieser war ziemlich verwirrt und auch wenn er nicht wusste, was Yoongi vorhatte, ging er zwei kleine Schritte auf ihn zu.

“Näher.” Dieses Mal wartete Yoongi nicht mal eine Reaktion des Winterjungen ab, sondern griff sich einfach dessen Ärmel, zog ihn noch einen weiteren Schritt heran, sodass sie Schulter an Schulter nebeneinander standen und atmete einmal tief durch.
Langsam ballte er seine Hand zu einer Faust, ehe er seine Finger mit aller Kraft wieder versuchte zu entspannen und sich Jacks Hand schnappte, die er samt der seinen in seiner Jackentasche verschwinden ließ.
Yoongis verdammtes Herz schlug ihm bis zum Hals, nicht aufgrund romantischer Nähe, sondern wegen diesem unangenehmen Gefühl etwas zu tun, was er sich unter keinen Umständen hätte vorstellen können. Ein Spaziergang im Schnee und Händchenhalten in der Jackentasche. Bah, war das kitschig.

“Jetzt komm”, versuchte er schnell die seltsame Stimmung zu erdrücken, in dem sie sich einfach dem Spaziergang widmen würden, doch Yoongi konnte es einfach nicht lassen und starrte Jack plötzlich von der Seite an, als diesem irgendwie der Gedanke kam, dass dessen Hand gar nicht so kalt war, wie er erwartet hätte.

"Bist gar nicht so kalt, wie ich dachte", brummte Yoongi in seinen Schal und erntete dafür ein süßes, fast schon verlegenes Lächeln von Jack. 

"Na, was dachtest du denn? Dass ich 24/7 kalt wie Eis bin?" 
"Schon, ja…", gab er zu. Das traf es ziemlich genau. Für sein Verständnis passte es nicht zusammen, dass der Frostjunge sich anfühlte wie ein ganz normaler Junge. 

Jack holte tief Luft und blickte grübelnd zum Himmel, an dem vereinzelt dunkle Wolken zu sehen waren. "Ich kanns kontrollieren", erklärte er knapp. Yoongis Aufmerksamkeit hatte er durch diese Bemerkung sicher. 
"Wie?", hinterfragte er und hoffte inständig, dass Jack das etwas genauer ausführen würde. So, dass es auch jemand wie Yoongi verstand. 

"Ist eigentlich ganz einfach. Ich muss mich halt dafür konzentrieren und mir bildlich vorstellen, was genau ich herzaubern möchte. Wie den Schnee vorhin, zum Beispiel. Immer, wenn ich mich auf meine Kräfte einlasse, fühlt es sich an als würde eine Tür in mir aufgehen. Keine Ahnung, wie ich das besser beschreiben soll. Dann verfärben sich meine Haare, das hast du ja schon mitbekommen. Naja, und dann stelle ich mir zum Beispiel vor, dass die dunklen Wolken weiterziehen." 

Jack schaute ein weiteres Mal hoch zum Himmel, Yoongi folgte seinem Blick. Er erkannte die dunklen Wolken und sah, wie sie plötzlich schneller vorbeizogen als die anderen. Einen flüchtigen Blick zur Seite später, verstand er auch warum. Jack hatte seine Augen geschlossen. Die weißen Strähnen blitzten noch ganz wenig durch, bis sie wieder vollständig schwarz wurden. Im selben Moment spürte Yoongi noch etwas. Seine Hand fühlte sich urplötzlich an, als habe er sie in den Gefrierschrank gesteckt. Er wollte sie schon zurückziehen, aber da wich die Kälte wieder. 

"Und dann werd ich für einen Moment auch kalt. Aber das ist immer nur ganz kurz. Danach bin ich wieder normal." 

"Normal", wiederholte Yoongi leise, "normal finde ich das jetzt nicht. Aber ich glaub, ich weiß, was du meinst." 
War Yoongi überfordert von diesem Date? Ja, ein ganz klares Ja. Jack hatte wirklich magische Zauberkräfte und obwohl es nur ein Traum war, fühlte es sich so verdammt echt an. Eins musste man ihm ja lassen. Träumen konnte er. Schade nur, dass er damit kein Geld verdienen konnte.

"Du findest das gruselig, oder? Die meisten finden das gruselig. Ich glaub, so lange wie du hat es noch keiner ausgehalten. Die meisten wären spätestens jetzt schreiend davongelaufen."

Bedacht darauf die richtigen Worte zu wählen, antwortete Yoongi: “Ich bin nicht die meisten. Mit mir hält es auch so ziemlich kaum einer aus.”

Yoongi spürte wie sich etwas in seiner Magengegend zusammenzog, als seine Gedanken zu seinem besten Freund wechselten. Oder ehemals besten Freund? Er wusste es nicht, aber was ihm klar geworden war, war der Wunsch von Distanz. Zumindest bis sich sein Herz vollständig erholt hatte. Bis dahin hatte er noch einen langen Weg vor sich, der mit Sicherheit nur so von schweren Steinen übersät war, die er erstmal beiseite schieben musste. Vielleicht war dieser Traum ein guter Anfang seine Gedanken zu ordnen und von dem Menschen zu lösen, der absolut nicht sein Happy End zu sein schien. Vielleicht war Jack Frost der Anfang eines heilenden Traumes für seine Seele und den Rest seines Herzens, den er sich bewahrt hatte.

“Also ich finde dich eigentlich ganz okay”, bemerkte Jack.
“Wow, danke”, lachte Yoongi, “Wie unerwartet.”
“Du findest mich ja auch nicht so furchtbar. Immerhin bist du derjenige, der immer noch meine Hand umklammert.”

In dieser Sekunde wurde Yoongi klar, dass er immer noch die Hand des Winterjungen hielt. Er wusste nicht, was er antworten sollte und schwieg stattdessen; den Blick auf seine Jackentasche gerichtet, in der sie immer noch ihre Hände miteinander verschränkten.

“Wollen wir nun spazierengehen oder wolltest du mir einfach näher kommen?”, fragte Jack frech und riss Yoongi damit aus seiner Starre, “Nun komm schon!”

Ohne ein Wort mitreden zu können, wurde Yoongi auch schon mitgezogen und hatte gar keine andere Wahl mehr als ihm zu folgen. Er hatte nichts dagegen, denn was auch immer es war… Etwas an Jack Frosts Wesen faszinierte ihn. Ein einsamer Junge. Etwas anders als die anderen und deshalb allein gelassen von der Welt. Genau wie Yoongi selbst. Schon ziemlich traurig, dachte sich Yoongi und versuchte weiterhin Schritt zu halten, ohne dass sich ihre Hände lösten.

"Toll… Und jetzt? Ich hab keine Ahnung mehr, wo wir hier sind", grummelte Yoongi, als Jack plötzlich abrupt stehen blieb.

Er erkannte außer einer weißen Winterlandschaft nicht viel. Höchstens ein paar Häuser, die sich in der Ferne aneinanderreihten und schon fast einem Mini-Gebirge glichen. Jack hatte ihn tatsächlich aus dem Zentrum in die Pampa geführt, was auch nicht schwer war, wenn man am Rande Daegus wohnte. Es war aber auch möglich, dass er vor lauter Schnee einfach nur nicht mehr erkannte, wo sie genau waren. Wann bitte hatte sich dieser Schneesturm angebahnt? Es schien ihm, als wäre das Wetter von jetzt auf gleich umgeschwungen. Vor ein paar Minuten war das Wetter noch auszuhalten gewesen, aber jetzt erkannte er seine eigene Hand vor Augen nicht mehr; geschweige denn den Teil seiner Heimat, in dem sie sich befanden.
Wenn sie noch lange hier stehen bleiben würden, wären sie gleich völlig eingeschneit und Yoongis letztes Stündlein hätte geschlagen. Eilig klammerte er sich daher an das einzige, das er gerade noch erreichen konnte. Jacks Hand in seiner Jackentasche. Auf keinen Fall wollte er ihn jetzt verlieren, denn dann wäre er völlig aufgeschmissen gewesen.

“Gefällt es dir nicht?” 
“Ähh… NEIN? Wir werden gerade total eingeschneit, wenn dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Und ich hab jetzt eher weniger Lust darauf, hier lebendig unter Schnee begraben zu werden.”
“Ich dachte, dir würde es gefallen zu sehen, was ich kann. Schließlich ist es ja das, was mich letztendlich ausmacht…”

Jack seufzte. Yoongi wusste, dass das etwas zu bedeuten hatte und fragte skeptisch: “Was hast du jetzt vor?”
"Siehst du gleich."

Jacks Stimme klang abgehakt, beinahe so, als würde Yoongi sich jeden Moment auf eine unvorhersehbare Wendung gefasst machen dürfen. Jack zog seine Hand weg und kurz erfasste Yoongi Panik, die aber nur von kurzer Dauer war. Der Sturm begann sich augenblicklich zu legen, als Jack seine Hand losgelassen hatte. Erleichtert atmete Yoongi durch. Wenigstens konnte er jetzt wieder etwas erkennen und realisierte, dass sie sich lediglich am Rande des Parks befanden. Sehr weit am Rand, aber immer noch nicht allzu weit weg von seiner Wohnung, wenn er vorhätte wegzulaufen.
Verwundert schaute er zu dem Winterjungen, als er wahrnahm, dass dieser just in diesem Moment konzentriert die Augen schloss. Er ging davon aus, dass er jetzt wieder seine magischen Kräfte einsetzte und wollte die Chance nutzen, um den Farbwechsel seiner Haare ganz genau zu beobachten. Die Schwärze wurde zunächst nur etwas stumpf, als wäre man mit Schmirgelpapier drüber gegangen. Dann verloren sie ihre Farbe. Es erinnerte Yoongi daran, wie Farbe auf Papier verläuft, wenn man ausversehen Wasser drüber schüttet. Dann erstrahlten sie in einem sehr hellen Blond. Wirklich ein cooler Effekt, dachte Yoongi, und betrachtete den Frostjungen stillschweigend.

Kleine Eiskristalle bildeten sich auf dessen Händen und verliehen ihnen etwas Anmutiges, bis der Wind sie aufwirbelte. Immer zahlreicher flogen die kleinen Flöckchen um Jack. Yoongi konnte nicht fassen, wie wunderschön es aussah. Die Schneeflocken tanzten um Jack herum, als seien sie in ihn verliebt, als wäre Jack der alleinige Grund ihrer Existenz. Streng genommen war es auch so, zumindest wenn man an Märchen und Mythologien glaubte.

Dann wurde um Yoongi herum alles weiß. Geblendet von der Helligkeit, kniff er die Augen zu und verdeckte sie, indem er seinen Unterarm schützend vor sie hielt. Ein seltsames Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus und er wusste nicht, wie er das zuordnen sollte. Es war ganz bestimmt keine Verliebtheit, auch keine Aufregung oder das beklemmende Gefühl, wenn er an seinen besten Freund dachte. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gemeint, dass es Höhenangst am nächsten kam. Aber sie standen doch auf dem Boden. 

Erst als Yoongi sich traute, die Augen wieder zu öffnen, wusste er, was es war. Wie auch immer das passieren konnte. Plötzlich standen sie auf einem riesigen Berg aus Schnee und Eis. 

Zunächst war sich Yoongi nicht sicher, ob er einfach laut losschreien sollte, aber sein Erstaunen über Jacks Kräfte war so immens, dass er einfach nur ein leises “Wow” über seine Lippen brachte und fasziniert in die weiße Ferne sah. Selbst für einen Traum war das ein gewaltiges Wunder, denn Yoongi glaubte nicht, dass seine reine Vorstellungskraft dafür verantwortlich war.

“Beeindruckt?”, fragte Jack stolz und wartete auf ein Lob.
“Ja, sehr sogar… Ich weiß nicht mal, was ich dazu sagen soll, aber deine Kräfte sind wirklich beeindruckend.”

Jack freute sich über die Worte des anderen. Es machte ihm Hoffnung, dass Yoongi so positiv reagierte. Immerhin hätte es auch sein können, dass er ausrastet oder vor Schreck den Berg runterrollte; wobei er ihn dann natürlich gerettet hätte. Keine Frage.
Doch Yoongi stand mit Augen voller Faszination neben ihm und staunte über die Schönheit der schneebedeckten Berge, die sich über eine weite Fläche erstreckten und an das Meer erinnerten, während die Höhenunterschiede der Bergspitzen das Bild von Wellen hervorriefen. Wellen, die bis weit oben in den klaren Himmel reichten.

“Sag mal, Jack”, meinte Yoongi.
“Ja? Was denn?”
“Was hast du jetzt vor? Ich meine… Schön, dass du mir einen Berg zeigst, der wirklich schön ist, aber was wolltest du hier oben?”

Jack blinzelte einige Male verwirrt. “Ähhh”, verließ es wenig geistreich seinen Mund. “Keine Ahnung. Also, wenn ich ehrlich bin, hab ich nichts genaues vorgehabt. Ich bin nur voll gerne hier. Weil es schön ist.” Er bezweifelte, dass Yoongi diese Antwort reichte, aber das war nun mal die Wahrheit. Mehr konnte er dazu nicht sagen. 

“Okay. Cool”, murmelte Yoongi, weil auch er keine Idee hatte, was er darauf jetzt noch sagen sollte. “Cool, cool, cool.”
Sie beide sahen sich einen Moment an und Yoongi beschlich das Gefühl, dass ein Date nicht katastrophaler laufen konnte. Was sollte man auch machen, wenn man plötzlich auf einem zugeschneiten Monsterberg stand? Natürlich war er ein paar mögliche Szenarien durchgegangen, wie ein Treffen ablaufen würde, als er auf Jacks Profil geklickt hatte, eine Bergwanderung war aber bestimmt nicht dabei gewesen.

Langsam drehte sich Yoongi um und versuchte sich die Umgebung genauer anzusehen. Vor ihnen erstreckte sich zumindest ein Meer aus Bergen mit Tannen, die sich auf dem steilen Weg nach unten aneinanderreihten und teilweise so dicht beieinander standen, dass man nicht zwischen ihnen hindurchsehen konnte.
Und hinter ihnen war eine weiße Wand aus Schnee und dickem Eis. Vermutlich ein Vorsprung nahe des Gipfels, denn so wenig Platz wie sie hier auf der Stelle hatten, ehe es in die Tiefe ging, deutete es darauf hin. So wie es aussah, waren sie gezwungen, dass Jack sie zurück beförderte. Yoongi wollte ihn gerade dazu auffordern, sie wieder zurück zu bringen, als Jack ihm zuvor kam und sich einfach auf den Schnee plumpsen ließ. Yoongi traute seinen Augen nicht.

“Äh, was wird das jetzt?”
“Ich sitze?”
“Das seh’ ich?”
“Warum fragst du dann?”
Yoongi holte tief Luft und versuchte den anderen nicht sofort anzuschreien. Ruhig bleiben, auch wenn er innerlich tobte. Das bekam er doch sonst auch immer ganz gut hin.
“Ich meinte, was du jetzt vorhast, während du im Schnee rumsitzt? Was erwartest du jetzt?”
“Setz dich zu mir und wir können einfach reden? Also ich glaube, bei Dates versucht man doch möglichst viel über den anderen herauszufinden, oder nicht?”

“Das schon”, sagte Yoongi zögerlich. Eigentlich hatte er schon genug von Jack Frost kennen gelernt, wenn er das recht überlegte. Die beiden passten so überhaupt nicht zusammen, auch wenn er es bei dem guten Aussehen des Frostjungen schon ein bisschen traurig fand.

“Also gut”, gab er klein bei und setzte sich mit angewidertem Gesicht auf den kalten Schnee. Warum hatte er nochmal seine Jacken ausgetauscht? Er hätte diesen doofen Antarktis-Mantel besser anbehalten, dann würde er sich jetzt wenigstens nicht den Hintern abfrieren. “Was willst du wissen, Winterjunge?”

Jack verzog grübelnd das Gesicht. “Hm. Wie wärs mit… Hattest du schon mal ne Beziehung mit einem Mann? Oder ist die Frage zu persönlich für ein erstes Date? Oder abgedroschen? Vielleicht erzählst du besser einfach, was dir gerade in den Sinn kommt.” 

“Ob das zu persönlich ist für das erste Date? Hm, ja dezent. Aber wirklich viel zu erzählen gibt es über mich nicht. Ich verbringe die meiste Zeit zuhause in meiner kleinen Wohnung und sitze vor meinem Laptop, an dem ich schlecht bezahlte Autoren-Aufträge abarbeite, um meine Miete zahlen zu können. Nichts Spektakuläres.”

"Cool. Was schreibst du dann so? So richtige Bücher??" 

“Nein, keine Bücher. Eher Werbetexte, Beschreibungen, Zeitungsartikel und den ganzen unnötigen Scheiß eben, den keiner machen will.”

"Oh, nicht so cool. Aber hey, ich meine, du hast immerhin ‘nen guten Job. Meine 'Arbeit' besteht darin, in den verschiedenen Ländern für Schnee zu sorgen. Und das einzige, was ich immer zu hören bekomme ist: Och nööö, schon wieder Schneeschippen, schon wieder Auto freikratzen, muss das jetzt sein!? Alle sind immer nur am meckern. Dabei sehen sie gar nicht, wie schön der Winter sein kann."

“Guter Job. Ha, guter Witz. Aber um an den Rest anzuknüpfen: nicht jeder mag den Winter. Ich persönlich bin auch eher der Fan von milden Temperaturen, aber was das Feeling in der Jahreszeit angeht, wenn der Schnee anfängt zu fallen, ist das schon schön anzusehen. Ich beobachte gern die Schneeflocken, die vor meinem Fenster zu Boden fallen. Es sieht wirklich schick aus, wie sie durch das Licht der Straßenlaternen tanzen.”

“Na, wenigstens kannst du dich noch ein bisschen für den Winter begeistern”, murmelte Jack knapp, ehe er leise seufzte. Er hatte sich erhofft, dass das Gespräch eine etwas fröhlichere Richtung einschlägt. Stattdessen saßen sie zusammen wie zwei Trauerklöße auf Durchreise. 
“Anderes Thema”, sprach Jack unelegant, “Hast du ‘ne Lieblingsfarbe?” 

Yoongi stockte. Hatte er ihn gerade ernsthaft nach seiner Lieblingsfarbe gefragt? War er wieder in den Kindergarten-Modus verfallen? Er erinnerte sich nicht daran, wann ihn das letzte Mal jemand so etwas wissen wollte. Aber natürlich ließ er sich nichts anmerken, um Jack nicht zu sehr auf die Füße zu treten.
“Hm… Lieblingsfarbe? Grün, denke ich. Hast du eine?”

"Klar. Weiß. Ist doch irgendwie logisch, oder?" 

“Jetzt hätte ich natürlich mit etwas Spektakulärerem gerechnet”, lachte Yoongi und vergrub sein Gesicht weiter in seinem Schal, da ihm durch die Kälte allmählich das Gesicht wehtat, “Aber ja, irgendwie logisch. Und irgendwie passt die Farbe auch zu deiner Art.”

“Okay? Ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kompliment war, oder eine Beleidigung.” 

“Schon etwas unhöflich zum Teil von einer Beleidigung auszugehen”, lacht Yoongi erneut, “Das war ganz sicher nicht so gemeint.”

“‘Tschuldige. Aber ich hab nicht das Gefühl, dass du besonders glücklich bist mit unserem Date. Aber ich freu mich natürlich, wenn du das positiv gemeint hast."

“Glücklich bin ich gerade sowieso nicht wirklich, aber das ist eine andere Geschichte und viel zu deep für ein Date. Es tut mir ehrlich leid, falls ich deine Zeit verschwenden sollte und du dir das anders vorgestellt hast.” Schon irgendwie witzig, dass Yoongi das zu einer Figur in seinem Traum sagte, wenn es ihm doch egal sein könnte, was er tat. Trotzdem verfiel er seinen negativen Gedanken ein Stück weit und schloss seine Augen für einen kurzen Moment.
“Ich finde, dass ich genug einer Höhe von mehreren hundert Metern ausgesetzt war. Wärst du so nett und platzierst uns wieder… Ich weiß nicht… weiter unten?”

Jack entging nicht, wie niedergeschlagen Yoongi plötzlich wirkte. Das hatte er ganz bestimmt nicht gewollt und verzweifelt überlegte er, wie er den anderen jetzt am geschicktesten wieder auf andere Gedanken beziehungsweise zum Lächeln brachte.

“Weiter nach unten…?” Kaum hatte Jack seine Frage ausgesprochen, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. SCHLITTENFAHREN! Das war’s! Jeder mochte Schlittenfahren. Zumindest hoffte Jack, dass es so war. Und dann hatte Yoongi auch keine Möglichkeit mehr, seinen trübsinnigen Gedanken nachzuhängen. 

Jetzt lag es an ihm seine Idee umzusetzen. Verzweifelt versuchte sich Jack einen Schlitten aus Eis vorzustellen. Nicht so zerbrechlich wie ein Eiszapfen, sondern kräftig genug, um Yoongi zu tragen. Er wollte ihn unbedingt aufmuntern, weshalb er all seine Kraft auf seinen Wunsch konzentrierte. 

"Was machst du da?", fragte Yoongi verwirrt und sah das Haar des Winterjungen weiß aufblitzen, ehe es dem üblichen Farbton wich. "Was zur Hölle…" 

"Tadaaa!" Jack klatschte begeistert in die Hände und präsentierte sein Meisterwerk von Schlitten. Voller Stolz und Tatendrang schnappte er sich Yoongis Ärmel und zog ihn zum eisigen Gefährt. Mit einem geschickten Handgriff und etwas Kraft, setzte der Frostjunge seine Begleitung auf den Schlitten und wartete auf dessen Reaktion, die weniger begeistert klang als er gedacht hätte. 

"Und jetzt?", fragte Yoongi und sah in Jacks freudestrahlendes Gesicht. Wie konnte er sich nur so sehr über diesen Schlitten freuen? Und was zum Teufel sollte er jetzt damit anfangen?

"Jetzt fährst du Schlitten!" 
“Schlittenfahren? Was hast du-”

Weiter kam Yoongi nicht, denn in der nächsten Sekunde spürte er Jacks Hände im Rücken, die ihm einen kräftigen Stoß versetzten. Zunächst realisierte er die Situation nicht ganz, klammerte sich einfach vorne an den Streben aus Eis fest, hielt den Atem an und begann dann innerlich zu schreien, als er endlich bemerkte, dass er geradewegs auf die Front aus Nadelbäumen zuraste.
Sein Herz setzte einen Schlag aus als er an einem gerade so vorbei gekommen war. Erst in diesem Moment wurde ihm klar, dass es kein Zurück gab. Er war auf dem Weg in sein scheiß Verderben. Ganz sicher.

Eilig schickte Yoongi einige Stoßgebete gen Himmel, als er auf die nächste Tanne zuraste. 
"JACK DU VERDAMMTER, KLEINER…. HILF MIR GEFÄLLIGST!", schrie er und verstärkte seinen Griff um die Streben, wohlwissend, dass ihn das auch nicht retten würde. Es waren bestimmt keine zehn Sekunden mehr, bis er mit dem tödlichen Zusammenstoß rechnen konnte.

"Scheiße man, ich bin zu jung zum Sterben!", fluchte er und verabschiedete sich von seinem Leben. Fest kniff er die Augen zusammen und hielt seinen Atem an. Dann wurde alles weiß um ihn herum. Sein Ende. Niemals hätte er damit gerechnet, dass es so früh und so unerwartet eintreffen würde. 

Wie der Himmel wohl aussah? Er war doch im Himmel, oder? Warum sonst sollte er die extreme Helligkeit durch die geschlossenen Augen wahrnehmen können? 
In einer mutigen Sekunde traute er sich, die Augen wieder zu öffnen und stutzte. Wie in Zeitlupe drang die Erkenntnis in sein Bewusstsein. Nein, er hatte sich geirrt. Das war nicht der Himmel. So gar nicht.

Das war der BESCHISSENE Park, in dem sie vorher noch spazieren waren.
Vollkommen überfordert mit der Situation, wurde Yoongi ganz langsam bewusst, dass Jack ihn mit einem Portal oder seiner Magie wieder hierher befördert haben musste.
Erleichtert atmete Yoongi tief durch, während er ein weiteres Mal seine Augen schloss und versuchte seinen Herzschlag irgendwie wieder in den Normalmodus zu versetzen. Er konnte einfach nicht glauben, dass Jack ihn so einer Gefahr aussetzte. Nur wenige Sekunden später und es wäre ganz einfach vorbei gewesen. Auch wenn das ein Traum war, wollte Yoongi in diesem viel zu realen Wirrwarr nicht herausfinden wie es wäre, wenn er sterben würde. Unter gar keinen Umständen.

“Und?”, tauchte Jack plötzlich neben ihm auf. “Konnte ich dich aufmuntern?”
“Aufmuntern?”, erhob Yoongi sofort die Stimme, weshalb der Winterjunge kurz zusammenzuckte und verwirrt drein blickte. War sein Versuch gescheitert?
Yoongi musste sich wirklich konzentrieren, damit er nicht an die Decke ging. Er wollte förmlich explodieren; versuchte es aber unter Kontrolle zu behalten.

“AUFMUNTERN?”, wiederholte er laut. “IST DAS DEIN SCHEIß ERNST? Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?! WOLLTEST DU MICH ETWA UMBRINGEN??!!? Verdammte scheiße, ich hatte noch nie so sehr Angst um mein Leben wie eben gerade!”

Yoongis Stimme war so kräftig, dass Jack in sch zusammensackte. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern blickte er eingeschüchtert zu Yoongi. "Umbringen? Ich… ich wollte dich wirklich nur aufmuntern. Du hast auf einmal so niedergeschlagen ausgesehen. Und Schlittenfahren mag doch jeder, also, zumindest dachte ich das bis gerade." 

"Aber doch nicht, wenn man einem Höllenberg runtersaust und man dabei Tannen ausweichen muss, bevor sie einen in seine menschlichen Einzelteile zerlegen!" 

"Tut… mir Leid", kam es so leise von Jack, dass Yoongi ganz genau hinhören musste, um es überhaupt zu verstehen. Was er aber ohne jegliche Anstrengung verstand, war die Tatsache, dass Jack seinen Fehler tatsächlich einzusehen schien. So bedröppelt wie dieser gerade drein schaute, tat es Yoongi fast schon leid, wie er ihn angeschrien hatte.
“Ich wollte dir wirklich keinen Schaden zufügen…”, schob der Winterjunge noch hinterher, “Aber du sahst plötzlich so bedrückt aus, dass ich etwas tun wollte… Es tut mir ehrlich leid.”

“War halt echt ‘ne Scheißidee von dir. Du hättest auch einfach mit mir reden können. Oder nachfragen können."
"Du hast wahrscheinlich recht. Wäre wohl besser gewesen…" 
"Das wäre es”, betonte Yoongi noch einmal und atmete tief durch, ehe er fortsetzte. “Aber ich glaube dir. Ich frage mich bloß, wie du auf die Idee gekommen bist, dass es mir gefallen könnte fast zu sterben? Ich meine… hättest du mir wenigstens erzählt, was du vorhast, oder dass du mich rettest, ehe ich selbst zu Kleinholz werde, wäre es eventuell nicht eine ganz so furchtbare Lebenserfahrung geworden. Aber BITTE… Bitte mach sowas nie wieder. Unter keinen Umständen. Mit niemandem. Du musst erstmal nachdenken, bevor du handelst und da spricht gerade der Experte zu dir.”

“Ja… Ich weiß auch nicht… Irgendwie bin ich anscheinend zu impulsiv? Sagt man das so?”
“Du bist ganz einfach eine recht kindliche Persönlichkeit.”
“Ich bin aber kein Kind mehr!”, erwiderte Jack und schnaubte.
“Das habe ich auch nicht gesagt”, meinte Yoongi schmunzelnd. “Aber du verhältst dich in einigen Situationen wie eines. Das mit dem nicht nachdenken und impulsiv sein, zum Beispiel. Also ohne über Konsequenzen nachzudenken.”

Jack wich einen Schritt zurück und seufzte, ehe sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen ausbreitete. Die beiden hingen einen Moment ihren Gedanken nach, bis Jack sich schließlich wieder traute das Wort zu ergreifen.

“Vielleicht hast du Recht und ich sollte wirklich etwas an mir ändern, wenn ich will, dass das nächste Date besser ausgeht.”

Hatte Yoongi was verpasst? Er hatte ihm damit nicht direkt eine Abfuhr erteilen wollen, sondern wollte ihm nur klarmachen, dass es einige Situationen erforderten, dass man vorher nachdachte. Er traute sich kaum seine Frage zu stellen, und trotzdem kam sie ihm stockend über die Lippen. “Inwiefern besser ausgeht?”

Jack lächelte schmal. “Naja, ich glaube kaum, dass du dich auf ein zweites Date mit mir einlassen würdest, oder?”

Fuck, das war eine schwere Frage. Yoongi fühlte sich mit einem Male total schuldig. Heute Mittag hatte er noch darüber nachgedacht, wie trostlos sein Leben doch war und dass es bis aus seiner zum Scheitern verurteilte Liebe zu seinem besten Freund und dem miesen Job nichts in seinem Leben gab. Er hatte sich nach etwas Spektakulärem gesehnt, wollte rausgehen und etwas erleben, so wie die anderen Menschen um ihn herum. Streng genommen hatte er genau das bekommen, auch wenn es für seinen Geschmack schon etwas ZU spektakulär war. Dass es ihn dennoch nicht glücklich machte, und ihn nicht so ausfüllte wie er sich erhofft hatte, wurde ihm erst just in diesem Moment richtig bewusst.

"Hör mal Jack", startete er vorsichtig und griff nach seiner Hand. "Es liegt gar nicht daran, dass ich dich nicht leiden kann. Und es war ja auch nicht alles schlecht heute. Wir hatten auch unsere schönen Momente." Yoongi holte tief Luft und machte eine kurze Pause, bis er sich die nächsten Worte zurechtgelegt hatte.
"Trotzdem glaube ich nicht, dass es funktionieren würde, weißt du?" 

Yoongi tat es weh, in die traurigen Augen des Winterjungen zu blicken. Warum war das nur so schwer? Er wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, auch wenn Jack sich heute einige Male daneben benommen hatte. Er mochte ihn. Irgendwie. Er hatte es genossen, beim Spazierengehen seine Hand zu halten (auch wenn es ihm ein bisschen peinlich war, sich das einzugestehen). Es hatte sich gut angefühlt, jemandem näher zu sein. Seitdem er sich in seinen besten Freund verliebt hatte, war er keinem mehr so nahe gewesen wie heute. Stattdessen sperrte er sich in seiner kleinen Wohnung ein...

Yoongi fragte sich, weshalb er sich nicht auf das Ganze richtig einlassen konnte. Wenn das ein Traum war, dann wollte er ihm vielleicht etwas sagen? Aus irgendeinem Grund, musste er hier ja gelandet sein. Oder sollte der Traum beziehungsweise Jack seine Gedanken in die richtige Richtung schubsen? Vielleicht musste er sich erstmal mit seinem unglücklichen Herzen auseinandersetzen und ihm Zeit geben zum Regenerieren, bevor er sich auf den nächsten einlassen konnte? Es war ja schön und gut, dass er das letzte verbliebene Bruchstück seines Herzens irgendwie hatte retten wollen, aber war es wirklich das worauf es ankam? Oder war es vielmehr die Einsicht, dass er die Verantwortung für ein erfülltes Leben nicht von jemand anderem abhängig machen konnte, weil er in erster Linie allein dafür verantwortlich war? 

Wenn das stimmte, dann hatte Jack von Anfang an keine Chance gehabt. Dann lag es wirklich nicht an ihm, sondern an Yoongi. 

“Um ehrlich zu sein”, begann er Jack zu erzählen, “habe ich gerade einfach keine Kraft, um mich auf jemanden einzulassen. Also mach dir keinen allzu großen Kopf, okay?”
“Ich versteh schon, was du sagen willst. Es liegt nicht an mir, sondern an dir. Aber das Ergebnis ist doch dasselbe, oder nicht? Ein zweites Date wird’s nicht geben.”
“Nein, nicht mit mir. Aber ich bin mir ganz sicher, dass du jemanden finden wirst, mit dem du auch mehr als zwei Dates haben wirst. Du musst nur lernen, dich manchmal zurückzuhalten, in dich zu gehen und versuchen mit deinem Gefühl herauszufinden, was dein Gegenüber wirklich braucht. Denn nicht jeder mag Schlittenfahren.” 

Yoongi lachte leise in seinen Schal hinein. Den Satz konnte er sich nicht verkneifen.

“Und wie stelle ich das an?”, fragte Jack hilflos.
“Naja, dein Grundgedanke war nicht verkehrt. Vielleicht probierst du es beim nächsten mal mit milderen Methoden als dein Date einen Berg hinabzustoßen? Mit Reden zum Beispiel?”
“Du machst dich nur über mich lustig!”
“Teils, teils”, grinste Yoongi den Winterjungen an, “Es macht halt unfassbar viel Spaß. Aber jetzt mal im Ernst… Wenn du nicht weißt, wie du mit jemandem umzugehen hast, dann ist meistens der Weg zum Ziel einfach zu fragen, was man tun kann. Natürlich wird es Menschen geben, die der Illusion innewohnen, dass man immer alles wissen muss, aber das gilt nicht für den Normalfall. Jeder hat einen Mund zum Reden und ich bin der Meinung, dass man auf die Frage, was man denn gerade bräuchte oder tun könnte, auch vernünftig antworten kann. So sammelst du auch Erfahrungen und kannst mit Sicherheit nach einiger Zeit gedankenlesen, jetzt mal krass übertrieben gesagt.”

“Also denkst du wirklich, dass ich das schaffen kann?” Mit großen, runden Augen sah Jack den anderen an und war kurz davor mit dem Schmollen loszulegen, als Yoongi dessen Hand losließ, seine eigene auf Jacks Kopf legte und durch seine Haare strich.
“Natürlich schaffst du das”, lächelte er ihn an, auch wenn es eigentlich gar nicht seiner Art entsprach, aber Jack wirkte so verloren, dass er nicht anders konnte.

Als Yoongi seine Hand von Jacks Kopf entfernte, ballte der Winterjunge seine Hände zu Fäusten und erwiderte voller Überzeugung: “GUT! Wenn wir uns irgendwann wiedersehen sollten. Irgendwann. Egal wann… dann werde ich wissen, wovon du gesprochen hast. Ich verspreche dir, dass du es noch bereuen wirst, dass du mich nicht wiedersehen wolltest.”

Normalerweise würde Yoongi nicht auf die Idee kommen so ein Wort in seine Gedanken zu lassen, aber Jacks Antwort, so voller Stolz und Enthusiasmus, war schon niedlich. Ein bisschen jedenfalls. Ein ganz kleines Bisschen… Vielleicht.

“Also gut”, antwortete Yoongi mit einem frechen Grinsen auf den Lippen, “Wenn wir uns - wann auch immer - wiedersehen, dann werden wir uns beide gegenseitig davon überzeugen, wie der jeweils andere sich verändert hat. Und bis dahin werden wir beide an uns arbeiten. Ich glaube, wenn das das Resümee eines ersten Dates ist, dann war es gar nicht so verkehrt sich darauf einzulassen, oder?”

“Wenn du es so sagst, klingt es schon fast wieder wie ein gelungenes Date”, erwiderte Jack. “Ich freue mich auf den Tag, an dem ich dir zeigen kann, dass ich mehr bin als Winterchaos und Schneegestöber oder der mit den coolen Farbwechsel-Effekten seiner Haare.”
 
Und das war es. Yoongis erster Versuch jemanden zu daten, wenn auch nur in den Landen seiner Träume, nachdem sein Herz an einem Menschen zerbrochen war, der es gar nicht verdient hatte. Zumindest war es das, was Yoongi mittlerweile darüber dachte.
Und auch wenn das Treffen mit Jack Frost nicht unbedingt als Happy End bezeichnet werden konnte, fühlte er sich doch ein klein wenig besser, als er wieder zurück in seiner Wohnung ankam, sich auf seiner Couch niederließ und erschöpft vom Drama seine Augen schloss.

SweetRaspberryxXx

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In unserem nächsten Türchen erwartet euch:

"Jin liebt das Einkunstlaufen und Yoongi liebt niemanden. Mal sehen was passiert, wenn diese beiden Gegensätze aufeinander treffen - und dann auch noch ausgerechnet auf der Eisfläche..." (UndercoverK)

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