5. Türchen - Lovibia

enjoy the little things

Gehüllt in dicke Wintermäntel und Schals, schlenderten wir dicht nebeneinander durch die Fußgängerzone, die zu beiden Seiten von den kleinen Buden des Weihnachtsmarktes gesäumt war. Der Geruch von gebrannten Mandeln, Bratwürstchen und Glühwein hing in der Luft. Alles war bunt dekoriert und im Hintergrund spielten Weihnachtslieder. Der Wind bewegte die aufgehängten Girlanden aus Tannengrün und wirbelte die kleinen Schneeflocken durch die Luft. Dicht gedrängt hasteten die Leute von einem Geschäft zu nächsten, bunte Einkaufstaschen und Pakete in den Händen oder auf den Armen. Die halbe Stadt schien auf den Beinen zu sein und wir waren mittendrin.

„Willst du sie wirklich nicht anprobieren?"

Flüchtig streifte mein Blick das flauschige Etwas, welches Yoongi in den Händen hielt, ehe ich in sein Gesicht blickte. Skeptisch hob ich eine Augenbraue, als sich seine Lippen zu einem verschmitzten Lächeln verzogen.

„Was? Machst du dich gerade über mich lustig?" Gespielt beleidigt schob ich meine Unterlippe vor.

„Niemals", entgegnete Yoongi und stieß mich lachend mit der Schulter an. „Komm schon. Ich habe sie extra für dich gekauft."

„Sie würde mir doch sowieso nicht stehen."
„Ich stelle es mir niedlich vor." Abrupt blieb ich stehen und wartete, bis Yoongi sich nach zwei Schritten zu mir umdrehte. Ein paar Leute beschwerten sich lautstark, aber das ich ignorierte ich einfach. Mit großen Augen sah ich ihn an.

„Jiminie." Mein Herz machte einen kleinen Satz. Er sprach meinen Spitznamen so liebevoll aus, dass mein Widerstand dahinschmolz wie Schnee unter der Frühlingssonne.

„Tu es für mich, okay?" Für einen kurzen Moment lang überlegte ich, ob mir nicht doch noch eine Ausrede einfiel, aber innerlich wusste ich bereits, dass ich ihm keine Bitte abschlagen konnte.

Fast unmerklich nickte ich schließlich und ergab mich somit meinem Schicksal. Das Funkeln in Yoongis Augen irritierte mich, macht mich aber auch glücklich. Mit klopfendem Herzen betrachtete ich seine attraktiven Gesichtszüge, als er auf mich zutrat. Behutsam stülpte er mir die weiße, flauschige Mütze über den Kopf und zog sie über meine Ohren. Zärtlich strich er mir eine vorwitzige Strähne aus der Stirn, ehe er einen Schritt zurücktrat. Seine Augen wanderten über mein Gesicht, bevor er meinen Blick wieder erwiderte.

„Und?", fragte ich leise und räusperte mich verlegen.

„Niedlich." Ich lief rot an und wollte mir die Mütze vom Kopf ziehen, als Yoongi meine Hand einfing und sie festhielt.

„Nicht", murmelte er und lächelte mich warm an. „Hör auf dir Gedanken zu machen. Du siehst gut aus." Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als Yoongi seine Lippen auf meinen Mund drückte und meinen Protest erstickte. Sanft bewegte er seine Lippen, küsste mich vorsichtig, als hätte er Angst, dass ich sonst zerbreche. Als er sich von mir entfernte, öffnete ich meine Augen und schaute ihn benommen, aber glücklich an.

Keine Ahnung, wie lange wir so da standen. Ein paar Sekunden, Minuten. Vielleicht Stunden?

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als er meine Nasenspitze küsste.

„Wollen wir weiter?" Schweigend nickte ich und drückte seine Hand, die mir ein Gefühl von Geborgenheit gab.

„Weißt du, was den Tag noch schöner gemacht hätte?", ergriff ich nach einiger Zeit das Wort, während wir gemütlich über den Weihnachtsmarkt schlenderten. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Yoongi den Kopf schüttelte.

„Schnee."

„Mhm", stimmte Yoongi mir brummend zu. „Die paar Flocken sind wir wirklich nichts Besonderes."

„Letztes Jahr hat es so viel geschneit. Überall lag hoher Schnee und wenn die Sonne herauskam, hat alles geglitzert. So verdammt schön. Und jetzt? Alles grau, nass und kalt. Das macht mich echt depressiv." Missmutig trat ich in eine Pfütze und regte mich innerlich auf, als das Wasser meine Hosenbeine vollspritzte.

„Nächstes Jahr haben wir bestimmt mehr Glück", versuchte Yoongi mich aufzumuntern. „Kopf hoch, Jiminie." Schmollend schob ich meine Unterlippe vor.

„Aber es ist doch unser erstes gemeinsames Weihnachten."

„Und? Wir haben doch noch ganz viele Jahre vor uns." Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

„Stimmt schon, aber es wäre perfekt gewesen."

„Perfekt ist es doch schon", meinte Yoongi dann und ließ mit seinen Worten mein Herz höher schlagen. „Du und ich. Wir sind zusammen hier. Regen oder Schnee sind da völlig nebensächlich."

„Seit wann bist du so romantisch?", neckte ich Yoongi ein wenig. Er schnaubte belustigt.

„Schon immer", sagte er und warf mir einen wissenden Seitenblick zu. „Ich lasse nur viel lieber Taten für mich sprechen."

„Mhm", brummte ich und fügte dankbar hinzu: „Obwohl es dir schwer fällt, findest du immer die richtigen Worte." Statt einer Antwort drückte Yoongi meine Hand.

~ღ~

„Bin wieder da", rief ich in die stille, verlassen wirkende Wohnung und hörte aus der Küche ein erleichtertes „Willkommen zurück." Ich streifte meine Jacke ab, hängte sie sorgfältig an die Garderobe und schlüpfte aus meinen Schuhen. Meine Tasche landete in der Ecke, direkt neben dem Schuhregal.

„Du kannst dich schon mal ins Wohnzimmer setzen, ich bin sofort bei dir. "

„Ist gut", rief ich, durchquerte den kurzen Flur und erstarrte auf der Schwelle zum Wohnzimmer. Erstaunt klappte mir der Mund auf. Der Raum war mit unzähligen Lichterketten geschmückt, es brannten Kerzen und der niedrige Tisch vor der Couch war mit einer dunkelroten Decke sowie Besteck, Tellern und Gläsern gedeckt. Neben dem Fernseher stand ein kleiner Tannenbaum, geschmückt mit bunten Kugeln und Lametta.

„Gefällt es dir?", flüsterte Yoongi mir ins Ohr, und sein warmer Atem jagte mir einen Schauer über den Rücken.

„Wow", entkam es mir sprachlos.

„Mit dieser Reaktion habe ich gerechnet." Warm lächelte Yoongi mich an, als er neben mich trat und einen Arm um meine Taille legte. Sanft zog er mich an sich und hauchte mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange.

Plötzlich hielt er mir eine kleine Schneekugel vor die Nase. Verständnislos sah ich zwischen ihr und Yoongis Gesicht hin und her.

„Ich kann das Wetter leider nicht ändern", sagte er und schüttelte die Kugel. Fasziniert sah ich dabei zu, wie der glitzernde Schnee herumwirbelte und sich über den Mini-Eiffelturm legte. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus, als mir klar wurde, was Yoongi mir damit sagen wollte.

„Danke", murmelte ich und nahm die Schneekugel entgegen. Vorsichtig, als könnte sie gleich zerbrechen, drehte ich sie hin und her. „Du hast dir gemerkt, dass ich irgendwann mal nach Paris möchte." Verlegen kratzte Yoongi sich am Hinterkopf.

„Ja, äh, wenn es dir zu kitschig i-"

„Ist es nicht", unterbrach ich ihn und lächelte ihn entschuldigend an. „Lass uns nächstes Jahr in Paris Urlaub machen, okay? Vielleicht im Winter?" Verträumt betrachtete ich die Schneekugel ein weiteres Mal, bis ich Yoongi leise lachen hörte.

„Alles was du willst, Jiminie. Ganz viel Schnee, Lichterketten und kitschige Weihnachtslieder. Solange es dich glücklich macht."

„Du machst mich glücklich." Yoongi errötete, wobei nicht nur seine Wangen ein Rotschimmer überzog, sondern auch seine Ohren.

„Äh, wollen wir uns setzen?" Yoongi waren meine Worte offensichtlich unangenehm, weswegen ich nur schweigend nickte.

~ღ~

Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte ich mich zurück und trank einen Schluck Glühwein, den Yoongi selbst gemacht hatte. Danach legte ich die Hände um die Tasse und genoss für eine Weile die Wärme und das Aroma.

„Womit habe ich das alles verdient?", durchbrach ich die Stille zwischen uns und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, bis ich bei Yoongi hängenblieb. Seine dunklen Augen nahmen mich gefangen und sandten einen Schauer meinen Rücken hinunter.

„Du warst in den letzten Tagen immer so niedergeschlagen", sagte er leise und zupfte die Decke zurecht, die er über unseren Beinen ausgebreitet hatte. „Deswegen wollte ich dir eine kleine Freude machen."

„Das ist dir gelungen", meinte ich und trank einen weiteren Schluck Glühwein. „Ich fühle mich schlecht, weil ich nichts für dich habe." Nachdenklich fuhr ich mit dem Finger den Tassenrand entlang und lächelte verlegen, als ich Yoongis nächste Worte vernahm.

„Musst du nicht. Dein Lächeln ist Belohnung genug."

„War es in den letzten Tagen wirklich so schlimm?", fragte ich leise. Mir entging die Veränderung nicht, die sich plötzlich in Yoongis Gesicht abspielte.

„Es ist nicht schlimm, eher auffällig. Du schläfst viel mehr und länger als sonst, bist antriebslos, wirkst gedankenverloren und ich dich gekehrt." Schnaufend stieß ich die Luft aus.

„Nicht schlimm, huh?"

„Ist es wirklich nicht. Die dunkle Jahreszeit fühlt sich für jeden anders an. Wenn der Tag grau und eintönig ist, bin ich auch nicht besonders motiviert."

„Und warum musst du dann nicht motiviert werden?"

„Ich schlafe länger."

„Tust du doch sowieso", meinte ich und streckte ihm neckend die Zunge heraus. Grinsend zuckte Yoongi mit den Schultern, bevor sein Gesichtsausdruck wieder ernst wurde.

„Du kannst immer mit mir reden, ja? Egal worüber du nachdenkst oder was dich beschäftigt. Ich bin immer für dich da", sagte er und drehte seinen Oberkörper leicht in meine Richtung.

Vorsichtig nahm er mir die Tasse aus der Hand, stellte sie beiseite und schloss seine Hände sanft um meine Finger. Sein Atem ging schneller und sein Blick huschte zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her, als er sich langsam zu mir lehnte.

Ich schloss instinktiv meine Augen und spürte, noch bevor er seine Lippen auf meine legte, ein Kribbeln. Es war wie ein elektrischer Schlag, der meinen ganzen Körper durchfuhr. Getrieben von den Schmetterlingen, die durch meinen Bauch flatterten, umarmte ich ihn und zog ihn näher. Er schmeckte nach dem Glühwein, den wir getrunken hatten.

Nur widerwillig löste ich mich von seinen Lippen, als Yoongi den Kuss beendete. Behutsam lehnte er die Stirn an meine, während sein Atem sachte über meine Wange strich.

„Danke", wisperte ich und öffnete blinzelnd die Augen, als ich mich zurücklehnte. Verwundert neigte Yoongi den Kopf.

„Wofür bedankst du dich?"

„Für den Tag, das Essen, den Glühwein, das Geschenk", zählte ich auf und machte eine allumfassende Handbewegung. „Ich danke di-" Ich verstummte, als er mich plötzlich in seine Arme zog und küsste. Viel zu schnell löste er sich von mir, dass ich ihn enttäuscht ansah. Ein Schmunzeln zeigte sich um Yoongis Mund.

„Es ist okay", sagte er und legte dann fragend den Kopf schief: „Worauf hast du noch Lust?" Mit gerunzelter Stirn dachte ich kurz nach.

„Können wir einen Weihnachtsfilm gucken?" Sofort setzte ich meinen zuckersüßesten Blick auf und erntete ein Augenrollen von Yoongi.

„Ja, aber dann hören wir uns keine Weihnachtslieder mehr an."

Last Christmas, i gave you my heart", sang ich neckend und kicherte leise, als Yoongi angesäuert das Gesicht verzog.

„Dein Herz behalte ich", sagte er dann mit einem Lächeln, das die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder flattern ließ. „Auf das Lied kann ich aber getrost verzichten", fügte er hinzu und griff nach der Fernbedienung, die auf dem niedrigen Tisch lag. Er schaltete den Fernseher an und zappte durch die Programme, bis er bei einem Film hängen blieb.

„Der Polarexpress?", fragte er, woraufhin ich zustimmend nickte. Yoongi legte die Fernbedienung wieder auf den Tisch und hob dann einladend den Arm. Mit einem zufriedenen Seufzen kuschelte ich mich an seinen Körper. Zärtlich streichelte er mir über meine Haare, bevor er mir einen sanften Kuss auf meinen Scheitel gab.

Ich liebte solche Momente.

In Yoongis Armen fühlte ich mich geborgen, sicher und geliebt. Mit ihm an meiner Seite würde ich mich nicht von der dunklen Jahreszeit überwältigen lassen.

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Hey ihr Lieben :)
Vielen Dank, dass ich bei diesem wunderbaren Projekt mitmachen durfte. Es ist wirklich eine kleine Ehre. Ich wünsche euch eine besinnliche Zeit. Bleibt gesund.

Viele, liebe Grüße

Lovibia ♥

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In unserem nächsten Türchen erwartet euch:

Seokjins hasst sein Leben. Es ist stagnierend und unspektakulär und nichts, was er tut, will ihm gelingen. Er ist unbegabt – in allem – und in etwa so aufregend wie ein zehnstündiger Vortrag über Tapeten. Und das Schlimmste? Es wird sich nie etwas daran ändern. Zumindest glaubt Seokjin das, bis er dann eines nachts, auf einer süffigen Weihnachtsparty, einen jungen Mann hinter einem gelb bedruckten Duschvorhang findet und mit ihm über den Geist der Weihnacht spricht. (Kookuck)

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