S. 7
10.06.2020
Es ist nun eine ganze Weile her. Ehrlicherweise dachte ich sogar, es würde noch etwas mehr Zeit vergehen, bevor ich die Möglichkeit hätte, um in das Buch zu schreiben. Oder sollte ich besser sagen... Bevor ich die Mut hätte? Seit dem Zwischenfall im Einkaufszentrum und Kino's Wut, da bestand ich absichtlich nicht mehr darauf, alleine zu sein. Ich blieb vor lauter Angst nur noch in seiner Nähe. Gut... Das blieb ich für gewöhnlich auch immer. Aber dieses Mal war es anders. Ich versuchte ihm zu zeigen, dass seine Wut nicht nötig gewesen war. Sein Geburtstag kam daher gelegen... Ich hatte absichtlich das violette Kleid getragen, dass er an mir liebte. Ich trug meine Haare nur für ihn offen und ich schminkte mich sogar. Kino küsste mich an dem Tag auf den Mund, was ich zuließ. Ich hätte alles zugelassen, um ihn zu besänftigen. Aber Kino verlangte nicht mehr. Er war die letzte Zeit sehr beschäftigt, weshalb er viel aus dem Haus ging. Das war gut gewesen, denn nur so blieb ich unauffällig genug und konnte meine Tarnung wahren. Er lobte mich den letzten Monat sehr viel. So, wie er es fast nie tat. Ich bekam endlich das Gefühl, dass er sich von dem Tag beruhigte. Ja, nach einem Monat konnte er sich beruhigen. Nicht vorher. Bei Kino dauerte die Wut gerne mal eine ganze Weile an, bevor er die Ruhe finden konnte. Für seine Verhältnisse war das sogar schon zu früh. Zudem erschien es mir wie eine Überraschung, dass niemand anderes dafür leiden musste oder... Sterben musste. Seine Wut bekam nicht wirklich jemand ab. Dafür war ich mehr als dankbar. Denn jede schlechte Tat wäre meine Schuld gewesen. Ich wäre die Verantwortliche. Aber ein Glück musste ich die Schuld bei mir nicht suchen. Es war alles gut... Nun ja... Wie bereits erwähnt, verging ein Monat.
S. 8
In diesem Monat hatte nicht nur Kino Geburtstag, sondern auch ich. Die Angaben hatte ich so zumindest von ihm. Ich wusste schließlich nicht, wann ich geboren wurde... Während Kino's Geburtstage groß gefeiert wurden, feierten wir meine ganz klein. Ich durfte immer Kuchen essen, wenn ich Geburtstag hatte. Auch bekam ich ein Geschenk von ihm. Das kam selten vor. Geschenke zu kriegen... Aus diesem Grunde freute ich mich jedes Mal, wenn ich eines bekam. Ich freute mich wirklich. Aus Herzen. Ich verspürte Freude, so schwer das auch zu glauben war. Aber Kino gab sich mit den Geschenken immer viel Mühe. Letztes Jahr bekam ich einen eigenen Kleiderschrank. Dieses Jahr? Dieses Jahr schenkte mir Kino eine kleine Kiste, gefüllt mit eine Vielzahl an Schmuck. Ich bekam Ohrringe, Armbänder und Ketten. Ringe, sowie Fussketten waren auch dabei. Sie gehörten alle mir, sagte er. Ich durfte sie tragen, wann und wie ich es wollte. Er würde sich über jedes Teil an mir freuen. Ich gab zu. Noch nie erfreute mich ein Geschenk so sehr, wie das. Den Schmuck... Ich hatte neben dem Buch und meiner Kleidung etwas, dass mir gehörte. Etwas, dass ich meins nennen durfte. Etwas, wo mir Kino nichts erlauben musste. Es war meins. Mein Eigentum! Heute trage ich eine silberne Fußkette und silberne Armbänder. Eventuell würde ich mir auch silberne Ohrringe anlegen. Mal sehen, wie sie an mir aussehen würden. Kino hatte einen großen Spiegel im Zimmer stehen, worin ich das beobachten könnte. In solchen Momenten, an denen ich über seine Taten lächeln musste, weil ich mich freute, fragte ich mich erneut... Durfte ich das eigentlich? Sollte ich lächeln? Sollte ich ihm dankbar sein? Ich durfte nämlich nicht vergessen, wer das war. Wer er war. Kino... Er tat den Menschen weh. Er nahm ihnen etwas weg. Er war nicht gut zu ihnen... Nur... Weil ich Golden war, bedeutete das nicht, dass er mir niemals weh tun könnte.
S. 9
Eines Tages... Da würde mein Zeitpunkt kommen. Der Zeitpunkt, an dem er keine Gnade mehr mit mir haben würde. Die Geschenke... Die durften mir deshalb nichts bedeuten. Ich durfte ihm nicht trauen... Wie sagte Kino nämlich so schön?
„Jede Märchengeschichte beruht auf eine Horrorgeschichte, so merke dir. Hinter allem, was gut erscheint, hinter all dem steckt das Böse..."
Ich beobachtete, wie Kino ein Buch las. Ein Buch, dass recht dick war. Er hatte bereits eine ganze Stunde ruhig dagesessen und gelesen. In dieser einen Stunde schaffte er schon fast die Hälfte vom Buch zu lesen. Kino war ein schneller Leser gewesen. Ich hingegen... Las total langsam. Oft saßen wir zusammen und er las mir etwas vor oder andersrum. Da fiel mir auf, dass er schneller war als ich. Deutlich schneller. Er liebte die Welt der Bücher aber auch und verschlang ein Roman nach dem anderen. Das Genre war ihm dabei egal. Seine Buchwand sagte dementsprechend alles. Kinos Nebenzimmer könnte eine Bibliothek darstellen, dabei übertrieb ich nicht. Er hatte da jede Art von Buch stehen, denn wie gesagt. Er liebte die Welt der Bücher. Deshalb war es ihm so wichtig, dass ich das Lesen lernte. Er wollte, dass ich auch lesen konnte, wofür ich ihm noch immer dankbar war. Ich verstand seine Leidenschaft zu den Büchern nämlich. Die Welt, die dabei kreiert werden konnte, das war besonders. Die eigene Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen und mitzufiebern... Das waren Gefühle, die nicht zu ersetzen waren. Jede Geschichte brachte gewisse Lehren mit sich. Das sagte er mir einst. Wo er doch recht hatte... Es gab nicht ein Buch, aus dem ich nichts lernen konnte. Keines, dass meine Intelligenz und mein Sprachvermögen nicht stärkte. Keines, dass meine Kreativität oder Fantasie nicht förderte. Leise seufzte ich. Vielleicht sollte ich auch etwas lesen. Schlussendlich hatte ich noch einige seiner Buchempfehlungen vor mir. Gerade wollte ich mich erheben, entschied mich aber dann doch liegen zu bleiben, weil es an der Zimmertür von Kino klopfte. Er drehte das Buch in seinen Händen um, als er den Kopf anhob. Sein Blick fiel auf mich. Kurz hielt er inne, bevor seine Schultern sackten.
„Bitte?", rief er abwartend.
Im nächsten Moment wurde wieder gegen die Tür geklopft.
„Mach die verdammte Tür auf, Hyunggu"
Das war die Stimme von Mister Kang, Kino's Vater, der seinen Sohn bei seinem richtigen Namen ansprach. Der Vater, den Kino bewusst versuchte zu meiden.
„Wir müssen reden!", fuhr er fort.
Kino schnaufte auf, als er das Buch zuschlug. Er legte es auf sein Kissen, worauf er wieder zu mir sah.
„Rühr dich nicht vom Fleck.", befahl er.
Im nächsten Moment stand er auf den Beinen. In seinem Gesicht konnte ich die schlechte Laune sehen, die sich anbahnte. Er hasste es mit seinem Vater zu sprechen und ich wusste auch, weshalb. Dennoch beschloss er mit ihm zu reden. Mit einem kalten Gesichtsausdruck öffnete er die Tür seines Zimmers, nur um sie hinter sich wieder zuzuziehen. Sobald er das Zimmer verließ, ahnte ich es. Er würde nun eine Weile wegbleiben, weil es immer so war, wenn sein Vater sich mit ihm unterhalten wollte. Ich erhob mich damit und schritt auf das kleinere Bett im Zimmer zu. Ich kniete mich runter, um unter das Bett zu fassen. In die Lücke, in der ich das Buch versteckte, in das ich regelmäßiger versuchte rein zu schreiben. Das Buch, welches Kino mir schenkte. Und... Während ich Kino und seinen Vater brüllen hörte, schlug ich die 10te Seite auf. Die Seite, in die ich nun reinschreiben wollte...
———
Das war mal wieder ein ruhigeres Kapitel. Ich habe nicht wirklich was dazu zu sagen, somit...
Aber! Wenn ihr etwas zu sagen habt; dann fühlt euch frei und redet bzw. schreibt!
Ansonsten... 👋🏼
In love, N 🥰
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