S. 4

Ich lag in dem großen Bett, dass ihm gehörte. In dem Riesen King Size Bett, dass selbst für zwei Personen viel zu groß war. Es gehörte Kino. Er ließ mich aber gerne darin schlafen, direkt neben sich. Als ich ihn einst fragte, warum er mich als einzige neben sich schlafen ließ, sagte er mir, ich sei die einzige, dessen Nähe er ertrug. Das war für mich nicht Antwort genug gewesen, nur beließ ich es dabei. Ich schlief mit ihm in einem Zimmer, seit ich hier war, bei Kino... Ich wusste gar nicht, wie es war, wenn ich alleine schlief. Das kannte ich nicht. Ich war immer bei ihm. Immer mit ihm. Immer in seiner Nähe. Genauso, wie jetzt... Er lag neben mir, wobei er seinen Arm um mich legte. Mein Kopf lehnte an seiner Brust, wodurch ich seinen Herzschlag hören konnte. In solchen Momenten glaubte ich daran, dass er wirklich ein Herz besaß und lebte. Aber sobald ich mich von ihm entfernte... In seine Augen sah... Glaubte ich das nicht mehr. Ich konnte dann nicht mehr glauben, dass er lebte. Dafür tat er viel zu schreckliche Dinge... Dinge, die Menschen mit einem Herzen und Gewissen nicht tun konnten. Er war nicht der, der er gerade behauptete zu sein... Außer diesen vier Wänden... Erkannte ich ihn nicht wieder. Es kam mir vor, als wäre ein anderer Mensch. Ein Mensch, der dem, der neben mir lag, nicht ähnelte. Dem, der so neben mir lag und an meinem Haar roch. Der sanft über meine Schulter strich. Der sich zu mir runter beugte, um meine Stirn zu küssen. Der meine freie Schulter zu küssen anfing. Mein Gesicht... Das war er nicht, nein. Deshalb vertraute ich ihm nicht. Ich traute Kino nicht eine einzige Sekunde. In einem Moment konnte er nämlich ein Monster sein und im nächsten war er plötzlich liebesbedürftig. Es kam mir vor, als würden zwei verschiedene Menschen in ihm leben. Der eine, der bösartig war und der andere, in dem das gute schlummerte.

„Du bist so schön, Golden", seufzte er.

Die feuchten Küsse, die er verteilte, nahmen kein Ende. Von meinem Gesicht abgelassen, drehte er mich so, dass er an meinem Hals rankommen konnte. Ich ließ ihn machen. Niemals würde ich daran denken, ihn abzustoßen. Niemals, nein... Er küsste meinem Hals entlang, wofür er sich aufstützte. Seine Hände stützte er dabei neben meinem Kopf ab. Ich gab zu, dass ich die Berührungen und Küsse an meinem Hals mochte. Aber auch nur diese Art der Annäherung. Sie war nämlich zärtlich und gab mir für einen Moment das Gefühl von Sicherheit, bevor ich realisierte, wer das über mir eigentlich war...

„Bitte", hob er seinen Kopf an, um mich anzusehen.

Seine Augen funkelten durch die Dunkelheit.

„Lass mich dich glücklich machen, indem du mich fühlst, Golden...", bat er mich.

Seine Stimme nahm eine Tonlage an, die ich nur zu Ohren bekam, wenn es darum ging, mich zu bitten, ihn ranzulassen. Ihn an meine verbotenen Zonen ranzulassen... Wozu, fragte ich mich. Wofür? Damit er mir weh tun konnte, so, wie er den anderen immer weh tat? Damit ich schrie, wie es die anderen taten? Nein. Nein, ich konnte das nicht...

„Kino... Ich möchte noch nicht...", biss ich mir auf die Unterlippe.

Aus Angst davor, was seine Reaktion sein könnte. Seine Hand ruhte auf meinem Arm. Diesen entfernte er vorsichtig, was mich schlucken ließ. Überraschenderweise reagierte Kino jedoch ruhig. Das kam nicht oft vor...

„Und das werde ich wohl respektieren müssen. Aber auch nur, weil du's bist."

Das sagte er, worauf er sich wieder neben mich fallen ließ. Ich spürte, wie verkrampft ich bis eben war, bevor ich mich mit einem Mal lockerte. Wie immer, wenn er von mir abließ...

„Danke...", flüsterte ich, was er mit einem Nicken erwiderte. 

Ich schätzte das. Ich schätzte, dass Kino mir die freie Wahl ließ. Das tat er von vornherein. Natürlich war er grob und er ließ mir nicht in allem meinen freien Willen. Doch, was den Sex anging... Da wartete er auf meine Bestätigung. Solang die nicht kam, würde er mich nicht bedrängen und weiter machen. Ich war froh darüber. Froh, dass er das Gefühl hatte, er brauchte unbedingt eine Bestätigung von mir. Ich wusste zwar nicht, warum... Aber den Grund brauchte ich nicht zu wissen. Wirklich nicht. Ich hatte außerdem Angst ihn zu fragen. Angst davor, ihn auf merkwürdige Gedanken zu bringen, weshalb ich es lieber beließ.

„Golden?"

Ich sah zu ihm, sobald er meinen Kosenamen sprach. Einen richtigen Namen, den besaß ich ja nicht. Ich beobachtete sein Seitenprofil. Er selbst sah zur Decke hinauf.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch, an dem ich dir versucht habe zu erklären, dass du, obwohl du's nicht beabsichtigst, Dinge mit mir und meinem Körper anstellst?", fuhr er fragend fort.

„Ja...", erinnerte ich mich.

Wieso fragte er, ob ich mich daran erinnerte? Ein Gefühl sagte mir, das würde er mir gleich erklären, was er dann auch tat.

„Okay. Heute hast du das wieder getan. Ist dir klar, was das heißt?"

Ich konnte sehen, wie er sich über seine vollen Lippen leckte. Selbstverständlich wusste ich, was das bedeutete. Ich wusste alles, was Kino mir einst erzählte oder erklärte. Ich vergaß gar nichts. Dafür fürchtete ich mich viel zu sehr vor ihm, um mir das zu erlauben.

„Soll ich im kleinen Bett schlafen?", fragte ich neugierig und er schob die Decke etwas von sich.

„Sollst du.", bestätigte er mir.

Ich nickte. Schräg gegenüber vom King Size Bett, da befand sich ein kleineres und schmaleres Bett. Darin schlief ich, als ich jünger war. Kino hatte es extra für mich in sein Zimmer bringen lassen. Sobald ich achtzehn wurde, ließ er mich nicht mehr darin schlafen. Ich schlief da nur noch drinnen, wenn er es verlangte, wie heute. Somit erhob ich mich, um auf das Bett zuzugehen. Ohne weiteres legte ich mich rein. Es war keineswegs ungewohnt darin zu liegen. Ganz im Gegenteil. Ich hatte es vermisst. Sobald ich mich zudeckte, drehte ich den Kopf in seine Richtung. Obwohl es dunkel war, konnte ich sehen, dass die Decke im Bereich seines Beckens Abstand, weil seine Hände sich in der Gegend aufhielten. Ich wusste nicht, was er tat und weshalb ich dafür jedes Mal wegsollte, aber es sah merkwürdig aus. Im Endeffekt war es auch nicht wichtig, weil es mich nicht betraf. Die Augen geschlossen, versuchte ich meine Gedanken ruhig zu stellen. Das funktionierte ein Glück früh genug, weshalb ich relativ früh in das Land der Träume fiel...


29.03.2020

Meine Aufgabe heute war es, die Ordner von Kino auszusortieren, um unwichtige und wichtige Papiere voneinander zu trennen. Die Art von Arbeit machte ich in regelmäßigen Monatsabständen. Kino hatte mir früh beigebracht, was Buchstaben waren. Er lehrte mich das Lesen und das Schreiben, wofür ich ihm dankbar war. Ansonsten hätte ich viel zu viele gute Bücher verpasst. Ich hätte verpasst in das kleine Buch schreiben zu können. Aber neben dem Lesen und Schreiben, da lernte ich nicht wirklich etwas, was positiv für mich sein könnte. Ich lernte dennoch, ja, aber nur negatives. Ich lernte, was Gewalt bedeutete. Hass und... Kaltherzigkeit. Ich begegnete dem Blut, der aus Wut vergossen wurde. Ich durfte es durch Kino lernen, denn... An Kino's Händen klebte das Blut von unschuldigen Menschen, worüber ich nicht hinweg sehen konnte. Er fragte sich, wieso ich ihn nicht direkt an mich ranließ? Ich konnte nicht, genau deshalb. Ich wusste, was er getan hatte. Wen er tötete. Wen er verletzte. Wen er vergewaltigte. Da halfen seine sanften Berührungen auch nicht. Ich sah in ihnen nämlich nur die Aggressivität, zu der sie imstande waren. Ich konnte keine Liebe in ihnen erkennen oder die Zärtlichkeit, die die Nähe zwischen einem Mann und eine Frau mit sich bringen sollte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich ihn nicht, nein. Nur könnte ich ihm das so niemals sagen. Kino wartete schon Jahre auf mich. Jahre! Wenn er wüsste, dass all meine Aufschiebungen und Versprechungen gelogen waren, würde er... Ja. Ich wusste nicht genau, was er dann würde. Bloß wäre es nichts gutes. Absolut nichts gutes. Er würde mich sicherlich verletzen, wie er die anderen ständig verletzte. Er würde mich schlagen. Ins Gesicht. Er würde nach Geräten greifen, die mir weh tun könnten. Er würde mich zu Dingen zwingen, die ich mir nicht einmal erträumen hätte können. Er würde mich zerstören... Und dieser Gedanke? Der ließ mich zittern. Deshalb schwieg ich ständig und hörte brav auf ihn. Aus Angst...

S. 5

Manchmal wusste ich nicht, was ich für ihn empfand. War es Hass? Hass... Wut? Liebe? Abhängigkeit? Denn... Weg... Weg wollte ich nicht von ihm. Nein. Ich konnte nicht weg. Wohin sollte ich? Zu seinem Vater? Der würde mich nach Stunden vermutlich töten. Sollte ich zu seiner Mutter? Sie würde mich verunstalten, so, wie sie jede Frau verunstaltete. Was war mit seinem Bruder? Der? Der würde mich definitiv vergewaltigen. Er hätte keinen Segen mit mir. Somit konnte ich sagen, dass Kino die einzig gute Option gewesen war. Andere kannte ich schließlich nicht. Ich wünschte mir aber, dass ich das täte. Ich wünschte, ich würde mehrere Menschen kennen, zu denen ich konnte. Aber ich konnte nicht... Ich war alleine. Alleine und eingesperrt. Eingesperrt bei Kino... Hier, bei ihm... Hier würde ich nie ein Ende finden. Leider...

———

Ja... Wir lernen Kino gerade von seiner „guten" Seite kennen. Oder? Irgendwie war er noch ganz lieb. Mal sehen, ob sich das noch ändert 🤷‍♀️- fragte sie ganz offensichtlich, hust hust.

Wie auch immer!

In love, N 🥰

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