Kapitel 23

Eomer's Sicht

Ich traute meinen Augen nicht, als ich meine geliebte Lorana über den Gang schweben sah- direkt in die Arme eines anderen Mannes am Altar.

Panisch schrie ich: „Lorana – Nein!" um sie aufzuhalten.

Sofort blieb sie stehen und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Eilig lief ich auf sie zu, gerade rechtzeitig um sie aufzufangen, als ihre Beine nachgaben. Ich hielt sie im Arm und meine Gefühle übermannten mich. Ich musste sie küssen ... nach so langer Zeit endlich wieder ihre Wärme spüren.

„Eomer?" fragte sie mich ungläubig, während sie wieder festen Boden unter ihren Füßen fand.

Sie schien erst langsam zu begreifen, dass ich wahrhaftig vor ihr stand. Plötzlich küsste sie mich so stürmisch, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Der Kuss war leidenschaftlich und voller Liebe, die umstehenden Menschen applaudierten sogar.

„Lorana, ich störe euch nur ungern, aber die Zeremonie beginnt." sprach der Fremde.

Sie nickte, stellte sich am Altar auf und ordnete ihre Kleider. „Komm zu mir." forderte sie mich auf, reichte mir ihre Hand und bugsierte mich an ihrer Seite. Ich verstand nicht so richtig, was hier vorging.

Ich fürchtete, dass sie diesen Mann heiraten würde, doch dem war wohl nicht so. Eine Frau, ganz in weiß schritt den Gang hinunter und steuerte auf dem Bräutigam zu. Meine Liebste musste mir den fragenden Blick ansehen. Dicht an mein Ohr flüsterte sie: „Bard II. ist mein Halbbruder. Talua, die Frau die er heiratet ist meine Freundin, sie hat mich aufgelesen vor Thal und bei ihrer Familie untergebracht."

Der Fels um mein Herz zerbröselte augenblicklich. Ich hätte es sogar verstanden, wenn sie einen anderen Mann geheiratet hätte, der für sie und das Kind gesorgt hätte. Doch das dem nicht so war, zeigte mir, dass sie auf mich wartete und nicht aufgab. Aufrecht und stolz stellte ich mich hinter ihr und hielt sie fest in meinen Armen. Diese Frau werde ich nie wieder loslassen. Unser Kind war sehr unruhig in ihrem Bauch, was Lorana sicher anstrengte, genoss ich in vollen Zügen. Ich war nahezu glücklich, dass sie noch nicht entbunden hatte. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange, bis sie es zur Welt bringen würde.

Ich musste still sein und die Zeremonie über ausharren – so kreisten meine Gedanken. Arrian hatte mich bis zu den Toren geleitet. Der Abschied fiel kurz aus, denn sie wollte so schnell wie nur möglich zu ihrer Schwester zurückkehren – ob sie inzwischen bei ihr war? Hatte Lenya überlebt? Ich hoffte es um Legolas willen. Nichts ist grausamer, als nach dem Krieg nach Hause zu kehren und seine geliebte Frau beerdigen zu müssen.

Nun stand ich hier, nicht wissend, was sich bei Lorana ereignete, aber wissend, dass sich unsere Gefühle zueinander nicht geändert hatten. Immerhin wusste ich, dass sie einen echten Bruder hatte ... nun diese Rolle durfte meinetwegen von jemand anderen eingenommen werden ... solange ich das nicht mehr für sie war.

Schräg hinter mir stand eine Frau, festlich gekleidet – sicher die Mutter der Braut, die permanent schluchzte. Lorana nahm ihr Hand und drückte sie fest. Die Frau könnte ohne weiteres ihre Mutter sein. Hatte sie vielleicht mehr Familienangehörige gefunden als ihren Bruder? Wollte sie vielleicht lieber hier bei ihrer gefundenen Familie bleiben, statt an meiner Seite als Königin über Rohan zu herrschen?

Lorana hatte Freudentränen in den Augen, als das frisch vermählte Paar sich küsste und der Jubel ausbrach. Die schwangere Frau in meinen Armen drehte sich zu mir um und lächelte mich überglücklich an. „Bist du echt oder spielt mein Verstand einen Streich mit mir?"

Liebevoll strich ich über ihr Gesicht und setzte zu einem zärtlichen Kuss an. Der Kloß in meinem Hals verhinderte, dass ich auch nur ein Wort herausbrachte. Im Moment waren Worte nicht notwendig, einzig uns zu haben – lebendig gegenüberstehend, war mehr wert als es ein Wort je zum Ausdruck gebracht hätte.

Hoffentlich wird sie mich heiraten und ich hätte dann noch bis zum Rest meines Lebens Zeit, ihr mit Worten zu sagen, wie viel sie mir bedeutete.

Freudestrahlend kam die Braut auf uns zu. Wir gratulierten der neuen Königin und bei der Gelegenheit stellte Lorana mich ihr vor.

„Eomer ... ich habe schon so viel von Euch gehört! Es ist mir eine Freunde, Euch kennenzulernen und zu sehen, dass ihr wohlauf seid! Ihr seid ein wahrer Held!"

König Bard II gesellte sich ebenfalls zu uns und empfing die beglückwünschende Umarmung seiner Schwester. Mit kräftigem Händedruck stellte er sich mir persönlich vor: „Bard II., König von Thal - sehr erfreut Eomer." Ich grüßte ihn förmlich, ließ es mir aber nicht nehmen, ihn zu korrigieren: „König Eomer von Rohan."

Mit offenen Mündern starrten mich alle Beteiligten an. Sicher hatte ich Lorana damit sehr überrumpelte und ihr schonungslos den Tod von Theoden offenbart, doch Bard sollte wissen, auf wen seine Schwester sich einließ. Es verfehlte seine Wirkung nicht, was mir sein anerkennendes Nicken bewies.

Lorana sah mich angsterfüllt an. „Eowyn?" flüsterte sie. Es tat mir leid, dass sie sich so sorgte. Zärtlich umarmte ich sie. „Ihr geht es gut. Sie übernimmt die Regierung, bis wir heimkehren und den Thron übernehmen." bestimmte ich. Die Reaktionen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Doch einzig Lorana's war von Bedeutung. Seeliges Lächeln zierte ihr Gesicht und sie schmiegte sich enger an meine Brust, während Bard aufgebrachte wirkte. Seine frisch gebackenen Frau beruhigte ihn und verwies darauf in ein paar Tagen darüber zu sprechen.

Das Brautpaar widmete sich der Feier und Lorana und ich uns dem Essen. Mein Magen knurrte, seit Tagen bekam ich kein Fleisch mehr zwischen die Zähne. Verfluchte Elben, die das ganze Grünzeug einer ausgewogenen Mahlzeit vorzogen. Ich schlang mit Genuss das gute Essen in mich hinein. Es entging mir nicht, dass man mich schon anstarrte. Nicht nur mein ausgeprägter Genuss sorgte für Aufsehen sondern auch mein Auftreten. Ich sah nicht wie die andern Gäste – aus dem Ei gepellt aus... natürlich – ich kam sozusagen direkt vom Schlachtfeld.

Meine schöne Lorana störte sich nicht daran. Sie berichtete mir alles, wie ich sie darum bat. Trotz der Erschöpfung und Müdigkeit siegte meine Neugier aber auch mein Wunsch nach körperlicher Nähe.

Die Wochen die sie hier verbrachte waren scheinbar sehr ereignisreich, doch sie wurde zum Glück gut aufgenommen. Gesättigt und auf dem neuesten Stand wurde der Drang nach ihrer Nähe größer. Vor allem nach der endgültigen Bestätigung, dass wir keine Geschwister - ja noch nicht einmal Blutsverwandt waren.

„Eomer erzähl mir alles!" bat sie mich. Mit meinem charmantesten Lächeln überredete ich sie mit mir ihre Gemächer aufzusuchen. Sie bat eine Zofe mir ein Bad fertig zu machen und nutzte die Zeit, um sich von dem Brautpaar gebührend zu verabschieden.

Bard nahm mich zur Seite: „Eomer, mir ist bewusst, dass ihr nach so langer Zeit sicher Bedürfnisse habt... doch ihr solltet wissen, dass Lorana's Schwangerschaft bisher nicht unkompliziert verlief... . Die Geburt wird schwierig und wir können uns glücklich schätzen, dass die Königin unter dem Berge auch eine talentierte Heilerin ist, die Lorana ihre Hilfe anbot. Ich hoffe ihr seht selbst die Notwendigkeit der Enthaltsamkeit!"

Ich nickte nur zur Bestätigung. Ausgerechnet das hatte mir Lorana verschwiegen – typisch. Doch allein der Gedanke wieder bei ihr zu sein, genügte mir. Ich liebte sie wahrhaftig und würde alles für sie tun – auch auf unbestimmte Zeit enthaltsam sein.

„Bard! Hör auf ihm Angst zu machen!" fuhr seine Schwester ihn an. Keiner von uns hatte sie kommen hören. Ich hielt sie auf. „Schon gut! Lorana ich liebe dich um deinetwillen und nicht wegen unserer blühenden körperlichen Lust! Dein Wohlbefinden und das unseres Kindes steht über Allem! Zeit für Zweisamkeit werden wir noch genug haben." sagte ich versöhnlich und küsste sie. Ihre Gesichtszüge wurden lieblicher und sie ließ sich darauf ein. Schwungvoll nahm ich sie auf dem Arm und trug sie vom Schauplatz, was sie zum Lachen brachte. Sie wies mir den Weg und so gelangte ich zu ihrem Zimmer, wo ein dampfendes Bad auf mich wartete.

Ich musste nichts sagen, wie selbstverständlich half sie mir beim ausziehen. Sie ließ sich Zeit, streichelte meinen geschundenen Körper und küsste jede Narbe. „Mein geliebter Hauptmann, als ich das letzte Mal dich so sah, zierten deutlich weniger Narben deinen Körper. Ich ahne was du durchmachen musstest und mir grault es vor deinem Bericht...." Ich küsste ihre Stirn.

„Ich nehme Rücksicht und werde nicht auf das Grausame eingehen... Es reicht wenn einer von uns den Krieg erlebt hat Lorana." Ich verstand nur zu Gut, dass sie ihr Gemüt in ihrem Zustand nicht belasten wollte... doch es hätte mir sicher gut getan, mir alles von der Seele zu reden. Als könnte sie Gedanken lesen antwortete sie prompt: „ Nein Eomer, ich will alles Wissen! Alles was dir widerfuhr, alles was du tatest... nur dann können wir gemeinsam mit der Vergangenheit abschließen!"

Ich ließ mein Körper in das heiße Wasser gleiten. Das Wort „Alles" hallte immer wieder in meinem Kopf. Mein Herz wurde schwer, denn ich würde ihr beichten müssen, dass eine fremde Frau mich mit ihrem Mund befriedigte ...auch wenn ich das schnell beendete, so konnte ich diese Tatsache nicht gänzlich leugnen.

„Du hast alles was du in den letzten Monaten erlebtest mit mir geteilt?" Fragte ich sie direkt. Schmunzelnd setzte sie sich auf den Wannenrand und erzählte, was sie ihrer Freundin Talua über den Beischlaf beibrachte anhand der Erzählung von unseren Erfahrungen. „Ich weiß, das gehört sich nicht... doch von dir zu berichten hielt die Erinnerung an dir so .... lebendig. Du warst dann nicht nur in meinem Kopf sondern mir so nah... verzeih das ich dich in diese peinliche Lage brachte."

Ich lachte und strich über ihren Arm. „Da gibt es nichts zu verzeihen. Lass uns morgen über meine Erlebnisse unterhalten... der Tag heute war ereignisreich und lang. Du musst dich ausruhen!"

Lorana setzte sich hinter mich und massierte meine Schultern, was für eine Wohltat. „Bard hatte recht, die Schwangerschaft machte mir das ein oder andere Mal zu schaffen. Doch mit Bettruhe konnte ich mich immer wieder auskurieren. Königin Lyrann ist eine Halbelbin und in den Heilkünsten bewandert. Sie befürchtet, dass die Geburt nicht einfach wird, weil das Kind sehr groß ist. Doch jetzt wo du wieder da bist, habe ich keine Angst mehr davor." Ich küsste ihre Hände und zog sie zu mir hinunter: „ich liebe dich so sehr!"

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