Kapitel 20

Lorana's Sicht

Endlich schaffte ich es mit aller Macht die Augen aufzubekommen und auch zu halten. Grau-blaue Augen starrten in meine. Ich erschrak etwas über die Nähe und überlegte, wer das sein könnte. Als das Gesicht sich etwas weiter entfernte, erkannte ich den neuen König Bard II. Bemüht der Etikette zu entsprechen, rappelte ich mich auf. „Nein bleib liegen!" sagte er freundlich. Dankbar lächelte ich ihn an, denn es fiel mir im Moment sehr schwer mich aufzurichten. „Wie fühlst du dich?" erkundigte mein Besucher sich. Ich sah an mir hinab zu meiner größer gewordenen Kugel von Bauch. Vorsichtig legte ich die Hand drauf – sofort begann das Kind sich zu bewegen. Dieses mal war es ein vertrautes Gefühl und so schmunzelt ich vor mir hin. „Den Umständen ganz gut würde ich sagen. Ich weiß gar nicht so recht ... was geschah mit mir?" Der König erhob sich und schien nach Worten zu suchen. „Lorana, du musst mir genau zuhören! Vorweg gesagt, deinem Kind geht es gut. Die Königin Lyrann vermutet, dass es ein strammer Bursche wird ... wohl ganz nach seinem Vater. Die Geburt wird dich vor neuen Herausforderungen stellen." Er hielt inne, kam an meinem Bett zurück, setzte sich und nahm meine Hand – auf die Art und Weise, wie man es tat, wenn man der Überbringer schlechter Neuigkeiten war. Angespannt sah ich ihn an, unsicher ob ich die Nachricht wirklich hören wollte oder eher nicht. „Sag mir was du zu sagen hast Bard." Bat ich ihn freundlich, da er nicht so recht mit der Sprache rausrücken wollte.

„Lyrann musste deinen Bauch frei machen, um dich zu untersuchen .... Dabei ist uns ein Muttermal aufgefallen ..." immer noch verwirrt, was mir Bard sagen wollte, fragte ich gezielter nach: „Warum sprichst du das Mal an?"

Der König erhob sich und zog bedächtig sein Hemd hoch, so dass ich seinen durchtrainierten Bauch sehen konnte. Ich vergaß zu atmen, als ich einen dunklen Fleck auf seiner Haut sah, der haargenau so aussah, wie meiner und sich zudem an der selben Stelle befand. „Was hat das zu bedeuten?" fragte ich mit trockener Kehle.

„Du bist meine Schwester." brachte er heraus und setzte sich wieder neben mich. Er wirkte erleichtert, diese Worte nun ausgesprochen zu haben. „Bist du dir da ganz sicher? So ein Mal ist kein Beweis dafür." Einsichtig nickte er und erklärte sich weiter. „Nachdem mir Talua deine Geschichte nochmals ausführlich berichtete, recherchierte ich in unseren Archiven. Ich fand tatsächlich einen Eintrag, wo dein Name erwähnt wurde ... und der deiner Mutter aber nicht der deines Vaters. Meine Mutter klärte mich letztendlich auf... Wir haben den gleichen Vater. Er hatte eine Liebelei mit deiner Mutter, bevor er meine heiratete. Deine Mutter hieß im übrigen Alora .... Doch er war bereits König als du gezeugt wurdest und so schickte er deine Mutter mit dir schweren Herzens hinfort, kurz nachdem du geboren wurdest. Er hatte in der Zwischenzeit meine Mutter geehelicht und sie war zum Zeitpunkt deiner Geburt mit mir schwanger."

Diese Nachricht fühlte sich unglaublich erdrückend an. Wieder einmal gehörte ich nirgendwo so richtig hin.

„Brand suchte sich deinen Namen höchstpersönlich aus. Weißt du denn was er bedeutet?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Lorana bedeutet - die Siegerin."

Stille – ich konnte nicht reden, zu viel arbeitete in meinem Kopf.

„Du hast ihm viel bedeutet Lorana. Er musste diese Entscheidung aus politischen Gründen treffen ... deine Mutter und dich fort zu schicken. Hätte er dich anerkannt, wäre die Heirat mit mir in Gefahr gewesen und die Allianz zwischen unseren Ländern vermutlich nicht zustande gekommen." Sprach jemand leise im hinteren Teil des Raums. Die Königsmutter trat ins Licht und offenbarte ihr Antlitz. Gutmütig lächelte sie mich an. Ich war nicht in der Lage ein Wort zu sagen.

Sanft strich sie ihrem Sohn über die Wange, woraufhin er ihr sofort den Platz frei machte.

„Du bist eine Hochgeborene - Lorana und ich würde mich freuen, wenn du hier bei uns bleibst, an der Seite deines Bruders."

Tränen rannen mir die Wange hinab. „Ich gehöre hier nicht her. Ich gehöre nirgendwo hin ... . Das Kind ist von Eomer ... wenn er es nicht bereits ist ... Thronfolger von Rohan. Dort wird es aufwachsen, so wie ich... . Ich danke Euch für euer Angebot." Lehnte ich höflich ab.

„Nun du wirst bis zur Geburt des Kindes bei uns verweilen müssen... vielleicht wachsen wir als Familie zusammen und du überlegst es dir nochmal. Die Menschen in Thal mögen dich und du würdest die Herrschaft deines Bruders stärken." mit diesen Worten verabschiedet sich die Königin.

„Danke für Eure Fürsorge Majestät." sagte ich noch freundlich und meinte das auch so.

„Du gehörst zur Familie Lorana ... nenn mich Malea. Du musst dich nicht dafür bedanken! Es tut mir sehr leid, dass du für Dinge Einbußen musstest, mit denen du nichts zu tun hattest und letztendlich die Leidtragende warst! Ruh dich aus, dann lasse ich deine Freundin und scheinbar auch meine Schwiegertochter zu dir." Das letzte sagte sie mit einer Spur Unmut in der Stimme. Mit fragenden Gesicht sah ich Bard an.

„Wir werden heiraten." sagte er freudestrahlend.

Mein Mund stand vor Überraschung offen, doch ich bereitete meine Arm aus und umarmte ihn freudig.

„Mutter hat recht, du solltest dich ausruhen."

Eifrig schüttelte ich den Kopf. „Ich möchte mehr hören von unserem Vater ..."

Bard der nun mein Bruder in gewisser Weise war, tat mir den Gefallen und berichtete ausführlich von seinem Leben als Prinz von Thal. Im Gegenzug erzählte ich ihm von meinem Leben an der Seite von Eomer und Eowyn als vermeintliches Waisenkind. Um so mehr ich von mir preis gab, um so mehr sah ich den Ausdruck des Bedauerns in seinem Blick.

„Ich hatte so eine schöne Kindheit an der Seite unseres Vaters ... und du ... in Rohan mit einem kranken König ... in einem hinterwäldlerischen Land ... das tut mir so leid."

Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn. „Rohan und Edoras ist meine Heimat ... ich liebe dieses Königreich! Eben so sehr liebe ich Eomer, der glücklicherweise nicht mein Bruder ist! Versteh mich nicht falsch Bard aber ich werde sobald ich kann aufbrechen – zurück in meine Heimat und zu den Mann den ich liebe." Besänftigend strich mir mein Bruder über den Kopf. „Ich wollte dich nicht beleidigen Lorana! Ich möchte das du bis zur Geburt deines Kindes hier bleibst! Lyrann – die Königin unter dem Berge ist zur Zeit die beste Heilerin und sie hat ihre Hilfe angeboten bei deiner Geburt. Sie fürchtet, dass sie schwierig werden könnte ... . Sei mein Gast und lass uns besser kennenlernen. Du bist nun die Königsschwester und die Brautjungfer von Talua. Ich hoffe dein Zustand lässt es zu, an der Hochzeit teilzunehmen."

Brand hatte eine sehr direkte Art und posaunte heraus, was ihm durch den Kopf lief. Doch auch ich war nicht auf dem Mund gefallen und ließ mir schon gar nicht meine Heimat schlecht reden.

Versöhnlich wechselten wir noch einige nette Worte und unterhielten uns über die bevorstehende Hochzeit.

Mir wurde ein Tee gereicht der meine Müdigkeit verstärkte und mich während des Gesprächs friedlich einschlafen ließ.

Ich schlief wirklich gut, doch meine Träume waren wirr und irritierend. Ich träumte unter anderem vom Kind – es war ein Junge, der Eomer wie aus dem Gesicht geschnitten aussah. Ich nannte ihn wie den Vater von Eomer ... Eomund.

Meine Freundin Talua weckte mich sanft. „Lorana – komm, ich muss dir was zeigen..."

Sie nahm meine Hand und zog mich vorsichtig aus dem Bett. Hand in Hand gingen wir zum Fenster. Mein Atem stockte als ich den pechschwarzen Himmel sah. „Sag mir, dass es gerade mitten in der Nacht ist..." flüsterte ich flehend. Meine Freundin hielt mich fest umarmt. „Nein – es ist mitten am Tag... siehst du die zusammenbrauenden Wolken ... ich glaube es ist gleich soweit... Die letzte Schlacht um Mittelerde."

Tränen rannen mein Gesicht hinab. Die zukünftige Königin wischte sie mir weg. „Du bist nicht allein Lorana – ich bleibe an deiner Seite ... dein Bruder ist bei dir... du bist nicht allein!"

Dankbar gab ich ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß ...!"

Brand betrat mit seiner Mutter Malea mein Zimmer. Dass ihnen Sorgenfalten im Gesicht standen, wäre untertrieben.

„König Thorin und Königin Lyrann brachen eilig auf, sie wollten in ihrem Königreich sein, wenn die entscheidende Stunde geschlagen hat."

Malea trat an mich heran, sah mich mit einer Mischung aus Mitleid und Fürsorge an.

„Kommt mit - die Familie versammelt sich in der Königshalle. Bard – du wirst zum Volk sprechen und wir alle werden deinen Rücken stärken."

Man kleidete mich geschwind in prächtige Gewänder, ebenso wie Talua. Gemeinsam schritten wir durch die langen Flure zur Thronhalle. Die riesigen Flügeltüren zum Balkon wurden geöffnet und Brand schritt majestätisch und sicher hinaus in die Dunkelheit. Talua stand links von ihm, seine Mutter und ich rechts.

„Bürger von Thal...."

Er legte eine Pause ein und sah zum Himmel hinauf.

„Ich weiß, die Dunkelheit vermag nichts Gutes verheißen... doch das Böse siegt nur dann, wenn wir die Hoffnung aufgeben! Ich gebe sie nicht auf! Mein Vater starb, doch meine verloren geglaubte Schwester trat in mein Leben und die Frau die ich liebe, will mich heiraten! Ich bin sicher – jeder von euch hat etwas worauf er hoffen kann – so wie ich es tue. Bürger von Thal – wir halten zusammen, wir hoffen zusammen auf den Untergang der Finsternis! Wir hoffen auf die Menschen des Westens, auf die Elben und Zwerge, die Sauron die Stirn bieten! Wir hoffen auf den Ringträger – dass er Mittelerde ..., uns von der Finsternis befreit."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top