Kapitel 12

Lorana's Sicht

Nach einem Moment Stille, wo man eine Nadel fallen hätte hören können, brach Tumult aus.

Stimmen forderten meinen Tod, andere bezeugten meine Unschuld. Es ging sogar soweit, dass ein Handgemenge ausbrach.

Mitten in den Unruhen, packte eine Hand mein Handgelenk und zog mich aus der Meute. Ich erkannte Niema und folgte ihr ohne weiteres. Sie lief eilig mit mir in den Stall zu einem Pferd, dass Eowyn gerade sattelte.

„Lorana, du musst fort, man wird dich sonst hängen!" schluchzte sie herzergreifend. Ratlos stieg ich auf das Pferd. Eowyn reichte mir ein Schwert und Umhang. „Wohin?" fragte ich panisch.

Die alte Frau trat an mich heran und sprach beschwichtigend: „Reitet nach Thal! Dort seid ihr geboren! Dort bekommst du die Antworten, die du brauchst! Eowyn und Eomer sind nicht deine leiblichen Ge ...." Sie sackte zusammen – ein Pfeil steckte in ihren Rücken. Ich hielt Eowyn meine Hand hin. „Komm mit mir!" forderte ich sie auf. Die Schildmaid nahm sie und gab mir einen Kuss darauf. „Ich kann nicht! Ich bleibe hier! Reite Lorana! Ich liebe dich egal ob du meine leibliche Schwester bist oder nicht! FLIEH!" schrie sie und zückte ihr Schwert. Sie kämpfte mir den Weg frei uns so konnte ich in gestreckten Galopp durch die Gassen Edoras den Ausgang erreichen.

Ich ließ mein Pferd noch laufen, bevor ich das Tempo verlangsamte und mich einmal umsah. Niemand war mir gefolgt. Ich war alleine. Alleine musste ich nun also zu Zeiten des Krieges einen Weg nach Thal bahnen, um dort in Sicherheit zu sein und Gewissheit zu erlangen. Für einen Moment kam mir der Gedanke stattdessen nach Eomer zu suchen, um ihn die frohe Botschaft mitzuteilen, dass wir keine Geschwister waren ... doch wo sollte ich anfangen? Er könnte überall und nirgendwo auf Mittelerde sein.

Mein Pferd hieß Rasputin – ein Hengst, der Eomer gehörte. Er ritt damals mit Feuerfuß davon.

Nun ritt ich davon, unerfahren, schwanger, mit einem Schwert bewaffnet in ein unbekanntes Abenteuer.

Ich fand den Weg heraus, der wahrlich lang und beschwerlich war. Thal war recht nah am Düsterwald, wo man mich vor einiger Zeit heilte und ich Legolas zum ersten Mal traf. Der Gedanke an meinem lieben Freund erwärmte mein Herz. Wir verstanden uns ausgezeichnet und er war mir sehr wichtig. Ich fühlte mich einfach gut in seiner Gegenwart, in seinen Armen, in seinen sanften und liebevollen Küssen.

Doch ich konnte ihn nicht besuchen, er schloss sich der Ringgemeinschaft an und erlebte wahrscheinlich gefährlichere Abenteuer, als ich auf meinem Weg. Hoffentlich würden Eomer und er siegreich, lebend und unverletzt den Krieg überstehen.

Die Sonne kam immer weniger hervor, die Kälte in den Landen war immer mehr zu spüren, das Böse gewann an Macht.

Nachdem ich den Anduin überquerte fingen meine Probleme erst so richtig an. Vorher waren meine Probleme geringfügiger. Ich musste lediglich zusehen, mich ernähren zu können und schlief auf den Bäumen.

Doch im kargen Wilderland hatte ich diese Möglichkeit nicht. Ebenso wenig konnte ich mich bei drohender Gefahr im Dickicht verstecken. Den ein oder anderen Kampf um mein Überleben musste ich führen, was mir immer mehr Narben bescherte. Eomer wäre stolz auf mich gewesen – sein Training war nicht umsonst. Im Gegenteil, es hielt mich am Leben. Bei dem Gedanken an ihm rannen Tränen meine Wange hinab. Ich vermisste ihn so sehr, dass es schmerzte. Endlich war es kein Gesetzesverstoß mehr ihn zu lieben und dennoch konnte ich ihm nicht nah sein. Was würde er zu meiner Schwangerschaft sagen und dazu, dass er Vater wird? Würde er sich freuen? Wird er den Krieg überleben? Wird er nach mir suchen? Werden wir je wieder vereint sein? So viele kreisende Gedanken in meinen Kopf bereiteten mir Kummer und Schmerzen.

Der Düsterwald war gefährlich, vermutlich noch gefährlicher als vor dem Krieg, also mied ich diesen und ritt immer am Rand entlang. Es gab kaum noch Dörfer die ich auf meinem Weg durchkreuzte und so kam es, dass ich tagelang keine Menschenseele traf.

Immer weiter gen Norden gelangte ich endlich an einem Fluss, dessen Name ich nicht kannte, doch er war groß genug, um in einem See zu münden. Wenn ich die abgebrannte Seestadt fand, war der Weg nach Thal, eine Stadt, die unmittelbar vor den Toren Erebor's lag, nicht mehr weit.

Dennoch verbrachte ich weitere 10 Tage in der Wildnis, bevor ich den besagten Hinweis fand. Meine Befürchtungen, mich verirrt zu haben, wurden mit jedem Tag größer und so fiel mir ein Stein vom Herzen.

Ein schauriges Bild bot sich mir, als ich das spiegelglatte, nahezu schwarze Wasser mit den herausragenden abgebrannten Trümmern sah.

„So schön und so grausam zugleich." sagte eine sanfte Stimme hinter mir.

Vor Schreck fuhr ich mit meinem Schwert herum, bereit mich zu verteidigen. Ich ließ es prompt wieder sinken, als ich eine junge Frau – ungefähr in meinem Alter ausmachte.

„Verzeiht, ich wollte Euch nicht erschrecken. Ihr solltet nicht alleine reisen, das ist gefährlich, vor allem in Eurem Zustand."

Ich führte das Schwert wieder zurück. „ Wer seid Ihr und woher kommt ihr?"

„Wie heißt du?" fragte ich die junge Frau überrascht.

Sie schmunzelte, als hätte sie diese Frage vorhersehen können. „ Talua" sagte sie schlicht. Erwartungsvoll sah sie mich an. Natürlich war es nur höflich ihr auch meinen Namen zu nennen. „Freut mich Talua, ich bin Lorana aus Rohan." Nun sah sie mich mit großen Augen an.

„Ich bin mir sicher, dass ist eine interessante Geschichte, warum eine Adlige aus Rohan in diesem Zustand und zu diesen schweren Zeiten alleine sich auf dem weiten Weg von Rohan bis hierher wagt ... und überhaupt, wo wollt ihr hin?"

Ich stieg vom Pferd und reichte meiner neuen Bekanntschaft die Hand.

„Lorana"

Sie erwiderte die Begrüßung und griff danach. „Wohin führt dein Weg?" fragte ich bevor ich mit meiner Erzählung begann.

„Ich bin auf dem Heimweg nach Thal. Ich komme gerade vom König Thranduil – neue Verhandlungen ... Vater wird stolz sein, dass ich unsere Interessen erfolgreich durchgesetzt habe... aber was plapper ich da – nun erzähl schon deine Geschichte."

Schmunzelnd setzte ich mich in Bewegung. „Ich möchte auch nach Thal ... jetzt weißt du schon mal wohin mich mein Weg führt."

Wir lachten beide darüber und ich begann nahezu von ganz vorne meine Lebensgeschichte zu erzählen. Talua strahlte so eine Vertrauenswürdigkeit aus, dass ich ihr sogar von der Liebelei mit meinem vermeintlichen Bruder erzählte.

Wir hatten eine ordentliche Wegstrecke zurückgelegt, als ich am Ende meiner Geschichte ankam. Talua hatte mich die ganze Zeit reden lassen, ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen. Dafür sprudelte es jetzt nur aus ihr heraus.

„Oh mein Gott du kennst den Prinzen Legolas?! Ist er nicht einfach umwerfend?! Und ihr habt euch sogar geküsst ... was würde ich darum geben seine weichen Lippen nur einmal zu spüren ..." schwärmte sie.

Die Innigkeit mit Legolas bedeutete mir zwar etwas aber bei weitem nicht so viel wie mit Eomer. Ich würde alles darum geben, nur noch einmal in seinen Armen zu liegen, seine Lippen auf meinen zu spüren .... Seine Hand auf meinen Bauch, wo unser Kind heranwuchs...

„Von wem ist der Wurm?" riss mich Talua aus dem Gedanken.

„Von Eomer."

„Eomer, der nicht dein leiblicher Bruder sein soll?" fasste sie zusammen.

„Genau. Niema sagte das bevor sie von einem Pfeil niedergestreckt wurde, weil sie mir bei der Flucht half. Sie riet mir nach Thal zu reiten – dort fände ich wohl meine Antworten, dort sei ich geboren. Meine Geschwister sind in Hochborn einer Stadt in Rohan geboren. Meine Eltern hatten soweit ich weiß in Thal nie etwas zu schaffen ... das ist alles sehr merkwürdig. Ich hoffe auf Antworten in euren Archiven. Denn wenn Niema recht hat und Eomer nicht mein Bruder ist, haben wir kein Verbrechen begangen und können in Frieden mit unserer kleinen Familie leben – das ist alles was ich will Talua... kein Elbenprinzen, keine Reichtümer oder Titel ... ich will einfach nur ihn!"

Meiner Begleitung stand das Wasser in den Augen. Sie umarmte mich stürmisch und ließ mich auch eine Weile nicht mehr los. Nach so langer Zeit der Einsamkeit tat es so unendlich gut, sich jemanden anvertrauen zu können. Auch der Körperkontakt von einer Person, die ich noch nicht allzu lange kannte war trotz allem eine Wohltat für meine Seele.

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