82. Splitterherz

No matter where I put my head, I'll wake up feeling sound again

Breathe, that's all you can

Tomorrow smells of less decay, the flowers greet this blooming fray

Be thankful, that's all you can

Oh, but don't, no, don't sink the boat

That you built, you built to keep afloat

-Flogging Molly, Float


Roxane schritt neben Nicolas de Oro durch die Straßen von Caldera. Die Hitze und der Lärm drückten auf ihre Ohren, nasses Fell, Stoffe und Leder schabten an ihr vorbei, während sie sich durch die unermüdlichen Massen drückten, doch es kümmerte sie nicht. Sie fühlte sich wie taub, während ihre Gedanken sich umeinander wanden wie wütende Schlangen.

Sie wusste nicht mehr, wie oft sie es bereut hatte, Morgaine vor Murnersshire zum Weitersegeln bewegt zu haben. Nichts als Unglück ist daraus entstanden. Nichts als Grauen und Schatten. Der Untergang der Kroneneinhorn, das Attentat... und... Energisch vertrieb sie den Namen des schönsten Mannes der Welt aus ihrem Kopf. Ich habe ein Geständnis von dem Bastard, ja. Aber zu welchen Preis? Wäre es nicht besser gewesen, ihn und seinen Drachen ziehen zu lassen, statt... Ihn zu verlieren? Sie bedauerte die Entscheidung, Madrid Yarrow, dessen Name in ihren Gedanken immer noch wie ein Schlag in den Magen war, verfolgt zuhaben. Sie bedauerte es, aus Amostown fortgegangen zu sein. Ich hätte weinen, leiden und mich verkriechen sollen, bis Marie mich wieder herausgeholt hätte. Und dann... die Welt hätte sich weitergedreht. Vielleicht hätte ich gedacht, dass die Welt endet, aber Marie... sie hätte mich gerettet. Sie vermisste ihre beste Freundin so sehr, dass es wehtat. Sie sehnte sich nach ihrer fröhlichen, unverwüstlichen Laune, ihren lauten Scherzen und ihren hoffnungslosen Versuchen, sie mit einem normalen Mann zu verkuppeln, so wie sie es nannte. Fair Johnny hätte ihr gefallen. Das Gesicht ihres Geliebten tauchte in ihrem Geist auf und ihr Herz schmerzte so sehr, dass sie am liebsten schreiend im Staub zusammengebrochen wäre, zwischen stampfenden Hufen, scharrenden Krallen und knirschenden Rädern.

Aber Marie ist weit weg. Ich habe mich nach Hause, nach Crusadia gesehnt... Doch was gibt es dort noch für mich? Benedict Gray, der die Dunkelwacht in den Bergen von Seneca für mich hält, dem Zuhause meiner Kindheit... Aber Lady Maura hat geschworen, mich umzubringen. Dafür, dass ich ausgerissen bin. Und ich denke nicht, dass Berge, eine Burgmauer und ein paar menschliche Soldaten sie aufhalten würden.

Plötzlich war sie wütend, dass Ben Gray sie stets von den Wölfen ferngehaltenhatte. Ich wäre Maura eine würdige Gegnerin, wenn nicht sogar ebenbürtig, und sie könnte mir nichts antun... Wenn Ben es mir erlaubt hätte, einen von ihnen zu werden. Ich könnte ihr die Kehle herausreißen, so wie sie es mit mir tun möchte. Im selben Moment ekelte sie sich vor sich selbst. Dazu wäre ich niemals fähig. Sie dachte an den stechenden metallischen Gestank von Blut und Tod, und biss angewidert die Zähne zusammen.

Überall ihren Gedanken lauerte die Trauer um Fair Johnny wie eine rote Wolke aus Schmerz. Nachdem ein winziger Brocken Blei ihrem Geliebten ein Ende gesetzt hatte, erschossen wie ein gewöhnlicher Verbrecher auf der Straße, hatte sie sich wie zerrissen gefühlt. Als hätte Madrid Yarrow ihr Herz aus ihrer Brust gezerrt, in winzige Fetzen zerschnitten und wie tausend stechende Rubinsplitter in ihre leere Brust gerieben, wo sie in ihrem Körper stecken blieben wie Dornen. Als hätte man die Hitze, die ihre Liebe gewesen war, durch brüllende Kälte ersetzt. Sie hatte nichts gefühlt, außer dem dumpfen und zugleich schreienden Verlust.

Die Welt, das strahlende, goldene Caldera, war zu einem einzigen Fleck aus Schatten zusammengesackt. Was auch immer Murdoch aus ihren wenigen Lebensmitteln zusammenkochte, schmeckte wie Asche. Sie konnte kaum zu schlafen, sobald sie die Augen schloss, sah sie erneut, wie das Blut Fair Johnnys Hemd durchnässte und das Leben seine Augen verließ. Seine blutigen Lippen formten erneut ihren Namen, und sie konnte nichts tun, weder wegsehen, noch seinen Tod verhindern. Alles wurde mitgerissen vom gefräßigen Atem der Trauer. Ihr Leben schien sinnlos ohne ihn an ihrer Seite, finster und trostlos. Der Tod hatte nach ihr gerufen. Vielleicht kann ich in den Höllen bei ihm sein... Oder in der Ewigen Jagd... wo auch immer er jetzt ist. Trotzdem hatte der Mut sie verlassen, sobald sie sah, wie sich das Dunkel der Nägel und Messer gegen die weiße Haut ihrer Unterarme abhob, und Murdoch hatte ihr die Spitzen stets grob aus den Händen gerissen.

Schließlich hatte Morgaine mit ihr gesprochen. Es waren harte, grausame Worte gewesen, voller Beleidigungen und grober Appelle, wieder zu den Lebenden zurückzukehren. „Reiß dich zusammen, Mädchen. Du bist nicht die einzige, die viel verloren hat", hatte sie mit rauer Stimme geendet, die Narbe in ihrem Gesicht verzog ihren Mund zu einem grotesken, spöttischen Lächeln.

Roxane blickte nur stumm zu Boden, während die Tränen über ihre Wangen liefen.

Morgaine schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, so fest, dass ihr Kopf zur Seite geschleudert wurde. Wie ein Windstoß schob der Schlag den roten Nebel beiseite und machte maßloser Empörung Platz. Wütend hob sie den Kopf, ihre strähnigen Haare blieben an ihrem feuchten Gesicht kleben. Sie soll meine Freundin sein? Warum schlägt sie mich dann so? Darf ich meinen Gefühlen nicht freien Lauf lassen? Ich habe meinen Geliebten verloren, es ist mein volles Recht... Dann erinnerte sie sich daran, was Morgaine genommen worden war, und senkte den Blick.

„Hast du dich jetzt wieder?", zischte die Kapitänin heiser. „Denn ich habe das gerade sehr ungern getan, und will es nicht wiederholen."

Roxane sah schuldbewusst auf und nickte.

„Gut. Denn ab sofort wirst du ebenfalls etwas für unser aller Überleben tun", hatte sie gesagt, und ihr befohlen, das Essen zu kochen. Roxane hatte sich an ihre kurze Zeit als Ben Heart unter Rockeys Befehl zurückerinnert, und servierte jeden Tag ein einfaches Gericht aus Fisch, Reis und ein wenig Gemüse. Es war nicht besonders gut, doch niemand beschwerte sich. Rockey hätte es wesentlich besser gekonnt. Doch er ist tot. Genauso wie... Sie schluckte. Jamie Blakk. Hastig hatte das Bild eines gutaussehenden Seemannes mit einer filigranen Tätowierung auf dem Oberarm aus ihrem Kopf vertrieben.

Ein Cerebra drängte sich zwischen sie und Nicolas, bevor die Menge sie wieder zueinander drückte. Nicolas schien ebenfalls tief in Gedanken versunken, ab und an warf er einen flehenden Blick in ihre Richtung, nur um sich sogleich abzuwenden, sobald ihre Augen sich begegneten.

Roxane dachte an das Angebot, das er ihr gemacht hatte. Nein, kein Angebot, eine inständige Bitte, mein Leben zu retten und dem Tod zu entkommen. Ich soll mit ihm kommen, mit ihm, der mir stets Avancen machte... Ist es nun ein letzter, lächerlicher Versuch, mich doch noch an ihn zu binden? Er würde mich heiraten... Niemals werde ich dieses Angebot annehmen. Oder... Welche Wahl habe ich, wenn ich mich weiter mit bittersüßen Tränen an den schönsten Mann der Welt erinnern möchte?

Die Menge spuckte sie und Nicolas auf die Docks. Gleißend weiß schien die Sonne auf die Gebäude hinter dem Fluss, löschte die Schatten aus den Häuserschluchten und brannte auf den orangefarbenen Tüchern, die gegen das flammende Licht zwischen die Mauern gespannt worden waren.

Das Flussschiff war verlassen, der Cerebra vor der Taverne nickte ihnen zu. „Master, Miss. Eure Freunde sind noch nicht zurück. Niemand betrat oder verließ das Schiff."

Nicolas lächelte, doch ohne einen Funken Freude oder Erleichterung. „Danke." Gefolgt von Roxane betrat er das Boot und verschwand im Schiffsbauch.

Roxane trat an den Bug, ließ sich im Schneidersitz neben dem Eimer mit dem dreckigen Wasser nieder und zog sich ihren Mantel wie ein Zelt über den Kopf, sodass ihre Augen im Schatten lagen und sie dennoch auf den geschäftigen Fluss hinausblicken konnte. Schon nach wenigen Augenblicken wurde es heiß unter ihrem roten Sonnenschutz, doch sie senkte das Kleidungsstück nicht. Stattdessen genoss sie die warme Brise, die über den Sabon strich. Dort draußen irgendwo sind Morgaine, Murdoch und Levasque, und kämpfen mit ihrer Arbeit, um die wenigen Shilling zusammenzusuchen, die uns für eine Fahrt in den Süden noch fehlen. Doch sie müssten nicht mehr arbeiten... Nicolas bleibt und geht ins Exil. Sie sah zurück zu der Treppe, die in den Laderaum führte. Und ich... Ich will weder mit ihm gehen, noch nach Süden zurück. Hier erwarten mich seine Avancen, und im Süden der Tod. Die Wahl sollte leicht sein... doch ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, auch nur ein freundliches Wort von ihm zu ertragen.

Schritte dröhnten hinter ihr auf den alten Planken, und Nicolas ließ sich schwer neben ihr nieder. Er hatte sich seiner Weste entledigt, die nach dem Marsch durch die Stadt in Schweiß und Dreck getränkt gewesen war. „Wir warten hier, bis Morgaine und die Andere nzurückkommen", sagte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. „Ich werde ihnen sagen, dass der König mich ins Exil bringen lassen wird. Eine weitere Reise durch den Staub und die Hitze, bis wir dort sind. Wo auch immer er mich haben möchte." Er schluckte, dann sah er sie an. „Willst du... nicht mit mir kommen? Willst du wirklich zurück in den Süden? Wo Maura..." Unfähig, den Satz zu Ende zu bringen, sah er auf den Fluss.

Roxane folgte einem Boot, das mit geblähten Segeln flussaufwärts fuhr, mit den Augen. Nach einem Moment schüttelte sie mit dem Kopf. „Ich wünschte... Ich könnte an einen ganz anderen Ort. In die Vereinigten Königreiche. Zu den Racheinseln. Wo auch immer ich frei bin", flüsterte sie schließlich. „Doch ich kann nicht. Morgaine könnte es, aber ich nicht. Ich kann es einfach nicht."

„Mit mir wärst du frei", sagte er sofort. „Ich würde dir keine Vorschriften machen. Ich... würde dir niemals zu nahe kommen, bevor du es auch willst." Sie starrte ihn an, und er senkte beschämt den Blick. „Das hätte ich nicht sagen sollen, verzeih mir. Aber bitte, geh nicht zurück zu den Wölfen."

„Warum willst du mich so unbedingt mit dir nehmen?" Sie wusste die Antwort längst, doch sie wollte es von ihm hören.

Er wagte es nicht, sie anzusehen. „Weil ich dich mag, Roxane. So sehr, dass ich nicht einmal die Vorstellung ertragen kann, was mit dir passieren würde, wenn Maura dich doch noch in ihre Klauen bekommt. Ich habe eine Möglichkeit, dich vor ihr zu retten, und es wäre unverzeihlich von mir, es nicht zu tun." Er sah kurz zu ihr, dann sah er wieder auf den Fluss hinaus. „So viele Leben sind wegen mir vergangen, und nun kann ich eins retten. Ich werde nicht zulassen, dass auch nur eine einzige weitere Person stirbt, weil ich nicht eingegriffen habe."

Ich verstehe, warum er nicht in die Bruderschaft passt. Warum er kein Teil von ihr sein kann. Scheu sah sie ihn an. Seine Narbe verunzierte sein Gesicht. Er ist nicht mehr der gierige kleine Lüstling, der mich am liebsten verschlungen hätte vor Begehren. Er hat gelernt, denke ich... Dass man nachdenken soll, bevor man etwas tut, erinnerte sie sich an Rustys wütenden Ausbruch, nachdem er von Morgaine verletzt worden war. Sie hatte in einigen klaren Minuten daran gedacht, wie leichtsinnig Nicolas' Freund war, dass er so kurz nach seiner Verletzung schon so schwer arbeitete. Und ich glaube, er weiß, dass er nicht auf mich zustürzen darf. Nach allem, was ich durchmachen muss...

„Warum... Warum wollt Ihr nicht mit mir mitgehen? In Sicherheit sein, auf Lebenszeit?", fragte Nicolas zögerlich.

„Das weißt du genau", wisperte sie. „Du hast schon einmal versucht, mich in dein Bett zu treiben, und ich weiß, jetzt, so kurz nach... Ich kann es nicht ertragen." Kurz stellte sie sich vor, wie es wäre, Nicolas zu küssen, seine Lippen auf ihren, während ihre Finger durch blonde statt durch schwarze Strähnen fuhren. Es fühlte sich an wie Verrat, und sie stieß das Bild aus ihren Gedanken.

Er schüttelte den Kopf. „Niemals werde ich dich zu etwas bringen, das du nicht möchtest. Ich schwöre es."

Sie wandte den Blick ab und spürte, wie Nicolas sich nicht von ihr abwandte. Schließlich erhob er sich und ging ans Heck des Schiffes. Beinahe erleichtert und doch ein wenig enttäuscht, als er ging, sah sie wieder zu den Booten. Bald kommt Morgaine zurück. Wenn die Sonne untergeht. Und dann... muss ich mich entschieden haben. Die Soldaten kommen zur dritten Stunde vor Mitternacht. Bis dahin kann ich darüber nachdenken, ob ich es schaffe, Nicolas zu ertragen. Sie konnte kaum sagen, warum sie sich so dagegen sträubte, mit ihm zu gehen. Doch sobald sie sich vorstellte, allein mit ihm am Ende der Welt zu leben, ohne, dass jemand ihn fernhielt von ihr und seinen stümperhaften Annäherungsversuchen Einhalt gebot, drehte sich ihrder Magen um. Ich wäre zu schwach, um es zu ertragen. Ich bräuchte einen Beschützer... Ich bräuchte... Sie zögerte, dann sprach sie den Namen aus. „Fair Johnny." Sofort fühlte sich ihr Brustkorb an, als presste jemand die rubinroten Splitter mit aller Macht in ihre Lungen, und sie schnappte leise nach Luft. Ich werde ihn vermissen, von heute an bis zu dem Tag, an dem ich sterbe. Will ich wirklich ein Leben, bei dem ich in jedem Moment das Gefühl habe, von Dornen in Fetzen gerissen zu werden? Oder ein einzelnes letztes Aufblitzen, bevor weiße Wölfe über mich herfallen? Doch es wäre ein Leben... Ein Leben, frei zu sein, zu atmen ohne den Schmerz des Ertrinkens in Schwärze, vielleicht nachts oder eines fernen Tages... Statt dem großen Nichts.

Die Sonne zog an ihrem höchsten Punkt vorbei, senkte sich orangefarben über der Wüste und schickte einen letzten heißen Kuss auf die Stadt hinab, bevor sie sich hinter den Dünen zu Ruhe legte. Sobald das wärmende Licht sich von dem Schiff zurückzog, stieg die Kühle des Flusses auf, und Roxane schlüpfte in ihren Mantel. Ein Boot nachdem anderen legte an den Stegen an, Seemänner strömten in die Tavernen und die fröhliche Musik der Cerebras schwoll an, verstärkt durch tausend singende Stimmen. Wieder so fröhlich sein wie sie, dachte Roxane bei dem Anblick zweier Cerebras, die Arm in Arm vor der Taverne standen und dröhnend das Lied mitsangen, ein schnelles und glückliches Lied über eine trunkene Reise ins Unbekannte. Ich könnte es sein. Wenn ich lebe. Ich muss mit Nicolas ins Exil gehen. Fair Johnny hätte nicht gewollt, dass ich mein Leben einfach wegwerfe. Madrid hätte es gewollt, er würde wollen, dass alle Frauen ihn vermissen und sich auf ewig grämen, bei der Vorstellung, ihn nie wieder zu sehen. Aber niemals Johnny. Er hätte mir befohlen, glücklich zu sein. Sie sah hinauf in den dunkelblauen Himmel, den die ersten Sterne wie Silberstaub durchsetzten, während sie sich daran machte. Die harte und kurze Zeit, die wir wahrhaftig miteinander verbracht hatten, als die, die wir wirklich sind, waren die besten Tage in meinem Leben. Voller Angst, Verzweiflung und Erschöpfung, aber wundervoll. Er wird immer in den Splittern meines Herzens leben. Es war schwer, sich selbst so aufzubauen, wie Marie es sonst mit ihr getan hätte, mit ihrer ewigen guten Laune. Es war, als müsste sie es allein schaffen, aus einem hungrigen Treibsand aus schwarzem Schlamm zu entkommen. Ich darf meine Seele nicht verrotten lassen unter der Dunkelheit der Trauer. Niemals. Ich muss Fair Johnnys wunderschöne Roxane bleiben, und wenn auch nur, dass ich weiß, dass er es gemocht hätte.

Schwere, müde Stiefel polterten auf den Planken des Flussschiffes. Morgaine summte rau und unmelodisch das Lied aus der Taverne mit, während Murdoch sich mit Rusty über das Geld unterhielt.

Die Kapitänin unterbrach ihren Gesang. „Los, bewegt euch, ihr faulen Seeratten! Wir haben hart geschuftet und sind hungrig wie die Kutschgäule!", bellte sie gut gelaunt.

Roxane erhob sich von ihrem Platz und sah, wie Nicolas es ihr gleichtat. „Morgaine, ich muss dir etwas sagen", begann er ernst.

„Was gibt es?", knurrte sie, und ihre gute Laune fiel von ihr ab.

„Ich gehe ins Exil", sagte Nicolas schlicht.

„Wohin?"

„Was tust du?", fragte Rusty entsetzt.

„Die Anführer werden mich töten, wenn ich nach Crusadia zurückkehre. Ich habe einen Antrag auf Exil gestellt, und werde irgendwo in Abisyala bleiben. Ihr müsst ohne mich fahren."

„Kann denn niemand für deine Sicherheit garantieren?" Rusty sah ihn verzweifelt an.

„Wer denn schon? Charles Mordred Salazar wird mein Nachfolger. Niemand wagt es, sich ihm zu widersetzen. Endlich ein Mann, der das Zafiro-Kartell führt, wie sie es wünschen. Skrupellos und ohne Gnade", sagte Nicolas bitter.

Morgaine trat einen harten Schritt auf ihn zu. „Und warum, bei allen Geistern, habe ich mir heute den gesamten Tag die Hornhaut von den Fingern gescheuert, wenn nicht, um dir einen verdammten Platz auf einem Schiff nach Süden zu kaufen?", fauchte sie. „Aber gut, dann können wir uns wenigstens noch etwas mehr Rum leisten. Und ich bin dich auf ewig los. Es hat mehr gute Seiten als schlechte." Schnaubend trat sie hinab in den Schiffsbauch.

Roxane folgte ihr und nahm Rusty die Fische ab, die er als Lohn erhalten hatte. Schweigend machte sie sich daran, sie zuzubereiten, während der junge Mann das Feuer in der Kombüse anfachte.

Sie hatte kaum alle Fische zerschnitten, als von oben die Stimme eines Mannes erklang. „Nicolas de Oro! Es ist nun alles in die Wege geleitet. Folgt uns."

Rusty ließ sein den Stock fallen, mit dem er im Feuer herumgestocherthatte, und lief die Treppe hinauf an Deck. Roxane spürte, wie die Splitter ihres Herzens einen Sprung machten. Ich muss mit ihm gehen. Ich kann es. Schnell legte sie das Messer neben die Fische, wischte sich die Hände an ihrem Mantel ab und sah sich zu den anderen um. „Ich gehe mit ihm", sagte sie schnell, bevor sie sich umentscheiden konnte.

„Oh, du sprichst." Morgaine, auf ihrem Lager gedöst hatte, setzte sich ruckartig auf. „Was tust du? Warum? Du kommst zurück nach Crusadia, zu deiner süßen fetten Freundin, und dein Leben ist wieder in Ordnung. Warum willst du jetzt mit ihm gehen?"

Roxanespürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. „Ich muss. MauraIthakea hat gedroht, mich zu töten, wenn ich wieder einen Fuß nachCrusadia setze. Marie ist tot, umgebracht von Maura. Es gibt nichts,was mich noch dort hält."

Morgaine starrte sie entgeistert an. „Und dann gehst du mit ihm mit. Mit ihm."

„Ich kann kaum woanders hin. Also muss ich es tun."

Murdoch fasste sich als erster. „Viel Glück, Miss. Lasst ihn nicht an Euch ran", brummte er und schlug ihr leicht auf die Schulter.

Morgaine schnaubte verächtlich. „Dann geh mit ihm. Halte dein Messerbereit. Und übe, deine Beine zusammenzupressen. Könnte dir helfen." Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Und falls er dich beherrschen will... Beherrsche ihn. Und wisse, dass du dafür nur drei Dinge brauchst." Sie erhob sich langsam, trat auf Roxane zu und musterte sie abfällig. „Er wird dir verfallen, so wie die Welt dir verfällt, Prinzessin. Leb wohl."

Roxane überlegte, ob sie die Kapitänin umarmen sollte, doch sie wusste, dass ihr es kaum gefallen würde. „Leb wohl, Morgaine. Danke für alles." Schnell drehte sie sich um, damit die Kapitänin nicht sah, wie sich wieder Tränen in ihre Augen drängten, und lief die Treppe hinauf.

Nicolas stand bereits auf den Docks, die Zügel eines Greifen in der Hand, Rusty neben ihm. Überrascht sah er auf, als Roxane ebenfalls an Ufer sprang. „Roxane! Du kommst also doch mit?", rief er erleichtert.

Roxane nickte mit zitternden Herzsplittern.

Der Soldat, der ihre Eskorte anführte, zwang seinen störrischen Greif, auf der Stelle zu bleiben. Tänzelnd kam er zur Ruhe. „Wer ist sie?"

„Meine Frau", sagte Nicolas, ohne zu zögern.

Roxane widerstand dem Drang, sich erstaunt zu ihm umzuwenden, und sah den Soldaten flehend an. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass auch Rusty einen überraschten Widerspruch unterdrückte.

Der Soldat betrachtete Roxane interessiert. „Steigt auf", entschloss er. „Dort, wo Ihr hingeht, ist auch Platz für einen zweiten Menschen. Ich werde den König informieren."

Nicolas umarmte Rusty kurz, dann schwang er sich auf den Rücken den Greifen. Roxane stieg hinter ihm auf. „Wohin gehen wir?", fragte sie.

„Nach Oriket. Eine Wüstenstadt, westlich von hier. Dort, wo der Sabon und der Kerr aus Meracon zusammenfließen", erklärte der Soldat beinahe ehrfürchtig.

Und wo die Bruderschaft mich niemals finden wird, so nahe an Caldera. Als Nicolas dem Greif die Sporen gab, warf sie einen letzten Blick zurück. Rusty stand vor dem Schiff und sah ihnen nach, Morgaine und Murdoch waren nirgends zu sehen. Als sie um eine Hausecke bogen, verschwand auch sein verzweifeltes Gesicht.

Während der Greif unter ihr durch die singenden, tanzenden Straßen stob, stellte sie sich vor, wie sie mit Fair Johnny in diesen Massen herumwirbeln würde. Er würde sie an der Hand nehmen und mit lauter Stimme die groben Zeilen der Seemannslieder mitsingen, während die Spielmänner von der See, der Freiheit und der Liebe erzählten. Jedes Mal, wenn sie von einer schönen Frau singen würden, würde er sie küssen, so wie er es immer getan hatte, voller Liebe und sanft wie der Wind auf ihrem Gesicht... Warm und eisig kalt zugleich fuhr ihr die Sehnsucht in den Körper. Es ist wie in der Geschichte der Traurigen Lady mit den Perlentränen...Die Grausame Mistress gab ihr alles, was sie sich je erträumte, und nahm ihr alles, was ihr lieb und teuer war, mit einem einzigen,trägen Schlag. Madrid Yarrows gereizte Miene erschien vor ihrem inneren Auge, wie er die Waffe auf Fair Johnnys Brust richtete. Wieder erbebten die Überreste ihres Herzens. Ich habe stets gehofft, ich und Fair Johnny wären ein Prinz und ein armes Mädchen, eine Prinzessin und ein gewöhnlicher Mann, wie in Iskiras Liebesgeschichten. Doch wir waren wohl doch der König und die Traurige Lady, der eine schreckliche Macht alles entriss. Und ich, ich bleibe zurück. Ich weine Perlentränen und werde reicher als die goldenen Drachen von Subat, reicher als der König und reicher als alle Kartelle zusammen. Doch nicht all mein Gold wird mir zurückbringen, was man mir nahm.

Dennochbleibt mir die Hoffnung.


~ ~ ~

Zu viel Drama. Can't handle. 

Sagt Bye bye zu Roxane, Nicolas, Morgaine und Co., Ladies and Gentlemen.

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