81. Alles endet

You smell the rain, and as you walk the final dirt

Pictures of the crime are past, but not forgotten in this world

See the valley turn to darkness on your way

The only friend you have is standing at the gallow's end

-Volbeat, The Hangman's Body Count


Mit einem Tritt in den Rücken stieß der Soldat den Cerebra in die kleine Gefängniszelle. Er stolperte, fing sich und wollte wieder hinausstürmen, doch der Soldat grinste nur und drehte den Schlüssel im Schloss um. Ein letztes gehässiges Grinsen, und er stolzierte durch die Reihen der Zellen hindurch wieder zu der Treppe, die aus dem Verlies des Königs hinauf in die morgendliche Wüstensonne führte, die durch eine kleine, vergitterte Öffnung mehrere Meter über ihren Köpfen in Ravans Zelle schien.

„Verfluchter Hurensohn! Elender Hundeficker!", bellte der Cerebra dem Soldaten hinterher und warf sich gegen die Gitterstäbe, doch er sah nicht einmal zurück.

Das ist also meine neue Gesellschaft. Ein unflätiger Straßengesetzloser. Ravan erhob sich von der schmalen Liege, die ihm als Bett diente, trat zu seiner eigenen Zellentür und lehnte sich gegen das Gitter. Seine Fußfesseln klirrten. Besser als gar keine Gesellschaft ist er auf jeden Fall.

Er hatte vergessen, wie lange er schon in seiner Zelle weilte, doch er wusste, seit seiner Gefangennahme in Diavolo Pueblo waren mehrere Wochen vergangen. Er war hoch über dem abisyalischen Meer erwacht, gefesselt und geknebelt, während Sekander Castillos Sturmdrache mit atemberaubender Geschwindigkeit Meile um Meile bis nach Caldera zurückgelegt hatte. Er hatte ruhig und mit brummenden Schädel hinter dem Prinzen gelegen, unfähig, sich unter den Riemen zu rühren, die ihn auf dem Drachenrücken hielten. Schließlich hatten sie Caldera erreicht, wo er in eine Zelle unter der Festung gebrachtworden war, nur mit dem stets nervtötend gut gelaunten Kerkermeister als Gesellschaft, der ihm zwei widerwärtige Mahlzeiten am Tag servierte. Ravan hatte sich verwandelt, um sie in sich hineinzuwürgen, und keinen Gedanken daran verschwendet, was sich in der bräunlichen, brackigen Brühe verbarg. Zunächst hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich als Wolf den Weg freizukämpfen, so wie er es im Weißen Fort getan hatte, doch er ahnte, dass sein Tod dann nicht allzu schön ausfallen würde. Gespickt mit Kugeln, Bolzen und Pfeilen, oder lieber ein schöner, sauberer Genickbruch durch den Strick? Eine einfache Wahl. Seine Wunde an seinem Arm behinderte ihn zusätzlich. Zwar hatte ein Soldat die Kugel herausgeschnitten, reichlich Alkohol darüber gegossen und verbunden, dennoch pochte sie jedes Mal, wenn er seinen Arm bewegte.

Gelangweilt beobachtete Ravan den neuen Gefangenen, wie er an den Gitterstäben rüttelte und über alle Soldaten, ihre Mütter und den König fluchte. Er geht mir jetzt schon auf die Nerven. Den Geistern sei Dank, dass ich nur noch wenige Stunden hier verweilen muss. „Und was hast du angestellt?", fragte beiläufig. Hoffentlich hört er dann endlich auf zu schreien.

Der Cerebra sah sich so abrupt nach ihm um, dass es schien, als bemerkte er Ravan erst jetzt. Seine feindselige Haltung wich wütender Resignation. „Der Sohn einer pockennarbigen Hure", er wies vage in Richtung der Treppe, „hat mich dabei erwischt, wie ich versucht habe, ein paar Männer auf dem Plundermarkt auszunehmen. Es war nichts Schlimmes!" Wieder trat er gegen die Gitterstäbe.

Ravan schloss für einen Moment die Augen und biss die Zähne zusammen. Ein gewöhnlicher Dieb. Wie reizend. Sind ihnen die hochkarätigen Verbrecher ausgegangen? „Und was passiert jetzt mit dir?"

Angst flackerte in den Augen des Mannes auf, und Ravan erkannte, dass er kaum mehr als ein Junge war. „Wahrscheinlich... verliere ich einen Finger. Oder eine Hand." Er sah auf seine Hände hinab, als könnte er sich kaum vorstellen, sich von ihnen zu trennen. Langsam sah er wieder auf. „Was hast du gemacht? So weit weg von den Königreichen?"

„Ich habe versucht, den König umzubringen. Heute stehe ich dafür vor Gericht", sagte Ravan trocken.

Der Dieb riss die Augen auf. „Du bist der Mann, von dem die Stadt redet? Bei allen achtzehn Höllen. Niemand glaubt mir, dass ich dich gesehen habe! Stimmt es, dass du dich in einen gigantischen Menschenwolf verwandeln kannst?"

„Glaub, was du glauben willst. Heute Abend oder morgen früh hänge ich sowieso, und meine Füße hören auf zu zucken, bevor die Sonne den Zenit erreicht." Ravan ließ sich auf dem kalten, mit dreckigem Stroh übersätem Boden nieder. Warum bekomme ich ein Verfahren, wenn meine Strafe so oder so feststeht? Warum hänge ich nicht sofort, wie dieser armselige Dieb seine Gliedmaßen verliert, sobald sie Zeit für ihn finden? Verstehe einer die Könige. Nun, wahrscheinlich wollen sie feststellen, ob ich den alten Alonzo und meinen geliebten Bruder auch wirklich getötet habe. De Oro wird da sein, ich bin mir sicher... Ein schöner Kampf. Ich gegen den Herrscher des größten Reiches der Welt und den Ausbund an Ehre und Gerechtigkeit.

Der Dieb sah ihn mit unverminderter Begeisterung an. „Es muss nicht sein, dass du stirbst. Du wirst vom König selbst verurteilt?"

Ravan zuckte mit den Schultern. „Ich glaube kaum, dass irgendein Berater sich meiner annehmen wird. Schließlich habe ich versucht, den großen Palaimon Castillo zu töten."

Der Dieb grinste. „Dann kann es sein, dass du überlebst. Einer der Diebesherren der Stadt wurde einmal vom König verurteilt. Wegen Mord an über hundert Cerebras, und er wurde nur nach Valur geschickt. Niemand hat ihn seitdem wiedergesehen, doch er ist noch am Leben. Seine Befehle finden immer noch ihren Weg hierher."

Nach Valur. Wo mein Kartell mich sogar wieder herausholen könnte... Aber die Geschäfte von Valur gehören den Wildfires. Und so, wie ich Maura kenne, wird sie keinen Finger für mich rühren. Ravan bedachte den Dieb mit einem skeptischen Blick. „Warum?"

Der Junge zuckte mit den Schultern. „Es heißt, der König verachtet die Todesstrafe. Der Lord Kommandant versucht immer wieder, ihn dazu zu bewegen, alle Gefangenen einfach zu töten, aber er schafft es nie. So schwer die Verbrechen sind, die man begeht, er unterschreibt nur selten eine Hinrichtung. Seine Berater, die für die kleineren Verbrechen zuständig sind, sind natürlich viel schneller mit der Feder, aber Palaimon nicht." Er beugte sich vor. „Es heißt, er weint vor jeder Hinrichtung", raunte er.

Ravan hob skeptisch die Augenbrauen. Nun denn, so steht die Wahl zwischen langsamen, schwelenden Verrotten in einer schwarzen Festung innerhalb eines Vulkans, so nahe an der Lavaoberfläche, dass mein Fell zu Asche verbrennt, oder dem glatten Halsbruch. Seltsam, meine Wahl ist immer noch die gleiche. „Ich weiß nicht, ob ich Valur dem Strick vorziehe."

Der Dieb zuckte mit den Schultern. „Ich habe einmal gehört, dass jedes Leben besser ist als der Tod."

Ich kenne eine Menge Leute, die dir das Gegenteil erzählen würden, wenn sie denn noch lebten.

Die Königswache ersparte ihm eine Antwort. Zu acht, in schweren Kettenhemden und goldenen Überwürfen, schritten sie auf die Zelle zu. Der Vorderste winkte zwei Männer zu sich und befahl den anderen, ihre Musketen auf Ravan zu richten.

Fünf schwarze Mündungen blickten ihm entgegen, und der Lykaner lächelte schicksalsergeben. „Einen wunderbaren guten Tag, die Herren", grüßte er sie süffisant. „Ihr wollt mich nun vor Euren Herrn schleppen wie ein Stück erlegtes Wild?"

Er hatte eine warnende Erwiderung erwartet, doch der Anführer der Gruppe erwies sich als mit ebenso guter Laune gesegnet wie der Kerkermeister. „Genau so, Darnovey. Nur dürft Ihr den ganzen Tag auf einem kleinen Holzpodest stehen, und hoffen, dass jemand für Euch ein gutes Wort einlegt, statt in der Küche zu schmoren."

„Die Küche wäre mir lieber", sagte Ravan gespielt leidend.

„Nun", der Soldat öffnete die Tür und winkte die beiden Männer hinein, die ihm die Arme mit Handschellen hinter den Rücken fesselten. „Das könnt Ihr Euch leider nicht aussuchen."

Sie zerrten Ravan aus der Zelle, der Dieb warf ihm einen letzten aufmunternden Blick zu, und sie machten sich auf den schier endlosen Weg durch die Korridore, Treppenaufgänge und Säle, vorbei an Dienern, Soldaten, Wachmännern, Höflingen und kichernden Damen, die das Gespann mit unverhohlenem Interesse beäugten. Vor einem gewaltigen, zweiflügeligem Tor, bewacht von einem Trupp Wachen, blieben sie stehen.

Ein nervöser, schwitzender Herold stand davor und trat schwer atmend voneinem Huf auf den anderen. „Bei allen Höllen, was hat das so lange gedauert? Alle Herrschaften sind schon dort! Sogar die Prinzessin! Sie warten nur auf euch!" Tadelnd sah er die Männer an.

Der Anführer der Soldaten schnaubte. „Regt Euch ab. Wir haben alle Zeit der Welt, solange der König nicht dort ist."

Der Herold nickte so heftig, dass Schweißtropfen in alle Richtungen flogen. „Es wird nicht mehr lange dauern. Hinein mit ihm!" Er schlug mit seinem Stock gegen das Tor, und jemand öffnete es von innen. „Meine Damen, meine Herren! Der Angeklagte, Ravan Bane Darnovey!", dröhnte er, und die Wachen stießen Ravan voran.

Zwei Tribünen waren aufgebaut worden, und bildeten in gebührendem Abstand ein Halbrund um den noch leeren Thron. Am untersten Rand der rechten Tribüne waren zwei Pulte aufgebaut, und zwei Cerebras, ein Mann und eine schlanke Frau, spitzten ihre Federn vor gewaltigen, ledergebundenen Büchern. In der Mitte, vor dem Thron, standen zwei hölzerne Podeste, an einem von ihnen war ein Ring aus Stahl befestigt. Mein neuer Platz.

Sie ketteten ihn fest, zwei der Wachen postierten sich mit präsentierten Gewehren hinter ihm. Ravan konnte die Spitzen der Bajonette beinahe im Rücken spüren. Desinteressiert betrachtete er die Menschen und Cerebras auf den Tribünen, in murmelnde Gespräche vertieft. Die üblichen hübsch gekleideten Höflinge. Er suchte die Menge nach Sekander Castillo oder dem Mann namens Lemorey ab, der ihn gefangen genommen hatte, doch er fand keinen von ihnen. Nicht, dass ich sie auseinander halten könnte. Wenn man den Dieb aus den Zellen und Lemorey in die gleiche Kleidung stecken würde, wären sie in meinen Augen gleich. Doch die Menschen erkannte er sofort. Keine Menschen. Wölfe im Menschengewand. Die schöne Maura. Der versoffene Sal. Mackerel, der ohne seinen Dolch direkt unglücklich aussieht, so nachlässig gekleidet wie immer. Immerhin, sein Vater ist nicht hier. Morrisome Fury, das Lächeln so schmierig wie eh und je. Der dreimal verfluchte De Oro, er sieht so aus, als würde er sich gleich in die Hosen pissen vor Angst, so wie er da zwischen den Crusaders und den Falconys sitzt. Und die junge Dame in ihrem schmutzigen Mantel, zwischen de Oro und dem dürren Danzig, der sich schon seine schmalen Lippen leckt, oh, es ist doch tatsächlich Miss Blackheart. Welch ein Segen für müde Augen. Er zwinkerte der Tribüne zu und deutete eine Verbeugung an.

Maura beugte sich ein wenig vor und lächelte ihm zu. Sodass ich ein letzten Mal das Gefühl habe, in den Abgrund zwischen ihren Brüsten zu fallen. Oh, vielen Dank. Mackerel würdigte ihn keines Blickes. Salvatore prostete ihn mit seinem Flachmann zu, und Ravan verging beinahe vor Neid bei dem Gedanken an den Hochprozentigen, den Falcony in seiner Flasche herumzutragen pflegte. Vielleicht als Henkersmahl. Eine Flasche von Sal Falconys mysteriösem Schnaps. De Oro sah ihm streng entgegen, während über Blackhearts Gesicht nichts als Angst flackerte. Ich frage mich wirklich, was sie hier tut. Und warum sie aussieht, als hätte das Meer sie gefressen und danach wieder ausgespien.

Für einen Moment überlegte er, ob er ein wenig mit ihnen plaudern sollte, doch er besann sich eines besseren. Wie fröhlich man im Angesicht des Verderbens ist. Sobald alles verloren ist, kann nichts mehr schief gehen, das wird es sein. Wieder fühlte er sich an Imarad erinnert. Nur, dass diesmal keine rothaarige Gräfin weit und breit zu sehen ist... Dennoch, mein unrühmliches Schicksal erwartet mich, ich bin bereits in die Schatten gefallen, und nun schwebe ich fröhlich abwärts und warte darauf, dass der Aufprall mein Genick bricht. Er spürte ein vages Gefühl der Panik, ein vibrierendes Zittern in seiner Magengegend, doch es ertrank beinahe in seiner sorglosen Langeweile. Ich könnte Mackerel ins Gesicht schlagen, denn was soll mir jetzt noch passieren? Valur, der Strick, das Beil, Stanraers Zähne, der Todwird mich finden, egal, was jetzt noch geschieht. Der Gedanke war weder beruhigend noch tragisch. Eher ein schicksalsergebenes Zusehen.

Der Herold klopfte mit seinem Stab auf den Boden. „Erhebt und verneigt euch, vor Palaimon Marcegal Verieux Nicodemus Castillo, dem Ersten Seines Namens, König von Abisyala und Herr der sieben Länder des Ewigen Gefechts!", brüllte er, und die Gesellschaft erhob sich mit raschelnden Gewändern. Die Damen knicksten, während die Männer, so gut es auf den engen Tribünen ging, auf ein Knie niedergingen.

Ravan kniete ebenfalls nieder, bevor einer der Männer ihm den Gewehrkolben in den Rücken rammen konnte. Beinahe fiel er, als die Ketten an seinen Armen rissen, und ein pochender Schmerz fuhr durch seinen Arm. Oh, diese verfluchten Ketten. Wenn einer der Wölfe mir in den Rücken springt, bin ich schutzlos.

Palaimon Castillo nahm seinen Platz ein, sein langer purpurner Mantel legte sich wie eine Decke auf den Thron. Ravan konnte nur ahnen, wie warm es unter dem schweren, pelzbesetzten Samt sein musste. „Erhebt Euch", wies er den Hofstaat an, und Lykaner wie Cerebras setzten sich wieder. „Wir sind heute hier, um Ravan Bane Darnovey anzuklagen, wegen versuchtem Mord an meiner Person, Mord an sechs Adeligen in Imarad, versuchtem Mord an Arthur Held von Reaves, Entführung von Herzog Darius Omeric Hermanus von Ranon, Mord an der Besatzung der Leviathan in Lichtenturm, Befreiung eines Hochverräters aus dem Weißen Fort von Isvangar, sowie Mordes an Dante Thomas Darnovey und Alonzo de Oro. Allein hier für ist die Todesstrafe angebracht." Zustimmendes Gemurmel erhob sich von der Tribüne. „Ich bitte nun Nicolas de Oro, Ankläger und Zeuge, in den Zeugenstand."

Ich wusste nicht einmal, dass Held es überlebt hat. Von seinen Freunden habe ich genau zwei getötet, den Rest hat Bastard erledigt. Was für eine Schande, dass wir nicht gemeinsam hängen. Stattdessen hat er mich im Stich gelassen. Ebenso wie Raybeau. Oder sie sind beide tot. Oh, und es ist ein Wunder, dass Hermanus doch wieder gefunden wurde. Und ich wäre kaum so dumm und ermorde die Crew meines eigenen Schiffes. De Oro, ich werde ihnen allen sagen, was du getan hast...

„Nicolas de Oro, Anführer des Zafiro-Kartells von Crystal!", rief der Herold.

De Oro erhob sich mit strengem Gesicht und trat auf das zweite Podest. Mit lauten, präzisen Sätzen berichtete er von seinem Verdacht über Dante, über seinen Vater, über die Sitzung des Rates der Bruderschaft, Ravans Plan, wie Maura, Sal und Mackerel Ravans Plan zugestimmt hatten und wie er Ravan bis in den Norden verfolgt hatte.

Nach ihm kamen die Anführer, nacheinander Sal, Mackerel und Maura, die gelangweilt und hölzern einen offensichtlich einstudierten Vortrag hielten und De Oros Theorien bestätigten. Maura warf ein paar neue Anklagepunkte ein, die in Crusadia weder sie noch einen anderen Lykaner gestört hätten, doch der König nahm sie aufmerksam zur Kenntnis.

Ravan hörte ihnen kaum zu. Unbeteiligt lehnte er an dem brusthohen hölzernen Geländer, das das Pult zum König hin begrenzte und starrte aus den hohen Fenstern, hinter denen Greifenreiter umherflogen und die Stadt ihrem Tagewerk nachging, unbehelligt von den Geschehnissen in der Festung. Beinahe war er versucht, etwas zu singen, oder sich doch noch mit den Lykanern zu unterhalten, so ermüdend war die Verhandlung. Wenn ihr die Worte überspringen, und mir einfach sagen könntet, dass ich auf ewig verdammt bin? Schließlich entschied er sich dafür, ein überlegenes Grinsen aufzusetzen und den König anzustarren. Sein unwohler Gesichtsausdruck war es wert, selbst wenn ihm nach kurzer Zeit die Wangen schmerzten.

Schließlich erhob sich der König. „Noch jemand, der Verbrechen von Ravan Bane Darnovey bezeugen möchte?"

Schweigen. Dann erhob sich jemand hinter Ravan. „Ich werde aussagen."

Ravans Herz machte einen entsetzten Sprung, und er war mit einem Mal hellwach. Das Grinsen rutschte von seinem Gesicht, und er widerstand dem Drang, sich entsetzt umzusehen. Oh, Götter und Geister. Verdammt, verdammt, verdammt. Grausame Mistress, hilf mir.

Ein letzter Schritt, und Morrisome Fury betrat das zweite Podest. Er verneigte sich tief. „Eure Majestät."

Ravan sah aus dem Augenwinkel, wie der Drachenreiter einen Seitenblick auf ihn warf, doch er richtete den Blick starr geradeaus, auf den schwarzen Marmorgreif, der mit seinem Zwilling den Thron einrahmte.Wenn er auch nur ein einziges Wort über unsere Abmachung verliert, bin ich verloren.

Sein Herzschlag beschleunigte vor diebischer Freude, als ihm etwas einfiel. Doch er auch...

Fury trug zwar immer noch seine Drachenreiteruniform, doch ohne seinen Mantel. „Als Darnovey nach Norden aufbrach, ernannte er mich als seinen Stellvertreter, da er seine eigenen Leute als nicht vertrauenswürdig genug erachtete. Ich wachte über seine Geschäfte, doch das ist es nicht, was ich hier berichten möchte. Es sind die Verbrechen, die er mir befahl zu vollbringen." Er sah um Mitgefühl heischend in die Runde, doch nicht einer verzog die Miene. „Ich half ihm, Will Danzig zu töten. Und ich ließ Tori Angel verschwinden. Ich tötete Faron Slayer für ihn, damit seine Schwester an die Spitze des Slayer-Clans aufsteigen konnte. Genauso wie Haytham Cavendish, Striva Marlohé, Hayako Banzai, Anthony Rubin und unzählige andere... All jene, die sich Darnoveys Geschäften in den Weg stellten. Am Ende half ich, einen Mann in das Anwesen der De Oros einzuschmuggeln und so den Weg zu Alonzo de Oros Tod zu ebnen." Reuevoll sah er zu Boden. „Ich bedauere meine Taten zutiefst, und möchte nichts weiter, als den Mann, der mich so schändlichst ausnutzte, seiner gerechten Strafe zuführen."

Die Hälfte derjenigen, die du aufgezählt hast, habe ich nicht einmal umbringen lassen. Das war offensichtlich allein dein Werk, oder das der anderen Anführer. Du doppelzüngiger Hurensohn. Ravan warf einen Blick zu Nicolas de Oro, der mit neu entflammtem Hass auf den Drachenreiter und auf den Angeklagten hinabsah.

Doch wer sich vor Zorn bebend erhob, war nicht er, sondern Maura Ithakea. „Euer Majestät, darf ich sprechen?"

„Bitte, Lady Maura." Der König gab ihr mit einer Handbewegung die Erlaubnis.

„Morrisome Fury", ihre Stimme peitschte wütend durch den Saal, „Ihr seid hiermit verbannt, aus Crusadia und seinen Einflussgebieten. Ich enthebe Euch eures Titels als Drachenreiter und Erbe der Ländereien des Fury-Clans. All Euer Besitz fällt an das Haus Ithakea. Jeder Mann und jede Frau darf Euch töten, ohne eine Strafe zu erfahren. Ihr wart ein Mann unter meinen Befehlen, unter meinem Schutz, doch Ihr habt eure Position ausgenutzt und mich verraten."

Oh, Maura wird verraten. Welch eine hässliche Neuigkeit.

Fury grinste schmierig, ohne einen einzige Funken Unsicherheit. „Lady Maura, Ihr könnt und werdet mich nicht entlassen. Ich bin der beste Drachenreiter..."

Maura ließ ihn nicht ausreden. „Verbannt, Fury! Bis an Euer Lebensende! Selbst wenn Ihr mein Sohn und Erbe wärt, ich würde Euch an die Racheinseln verkaufen und von den Plantagenbesitzern im Süden vergewaltigen lassen, bis Ihr sterbt!", schrie sie. Weißes Fell flackerte über ihre Haut, und Ravan sah, wie Palaimon Castillo sich unwohl in seinen Thron drückte. Die Männer hinter Ravan packten ihre Waffen fester.

Fury starrte seine ehemalige Anführerin panisch an, die Selbstsicherheit rutschte von seinem Gesicht. „Mylady...", flüsterte er schwankend, „ich bin..."

„Ihr seid der Ausbund des Verrats, und ich bin nicht gewillt, Euch länger in meiner Nähe zu haben! Wenn Ihr mir noch einmal unter die Augen tretet, reiße ich Euch das Herz heraus!", fauchte sie.

Fury zuckte zurück und trat dann langsam wieder auf die Tribüne zu. Feindseligkeit schlug ihm wie eine Faust entgegen, so sehr, dass Ravan es beinahe riechen konnte. Oh, dieser Hurensohn. Vielen Dank, Lady Maura. Morgen liegt er tot im Rinnstein, und alles, was er je getan hat, ist Vergangenheit.

Der König erhob sich, bemüht, die verstörten Cerebras zu beruhigen. „Möchte noch jemand eine Anklage vorbringen?"

Betroffenes Schweigen von den Cerebras und eisige Stille von den Lykanern.

„Dann erteile ich dem Angeklagten Ravan Bane Darnovey das Wort. Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen?"

Ravan grinste und sah schicksalsergeben in die Runde. „Ich nehme an, egal, was ich nun sage, nichts ändert etwas an meiner Strafe. Ich bekenne mich schuldig, an allen vorgebrachten Verbrechen, sollte ich sie nun begangen haben oder nicht, denn eines, nämlich versuchter Mord an Euch, Euer Majestät, habe ich tatsächlich begangen, und das reicht für alle Höllen der Welt aus. Außerdem gebe ich voller Stolz zu, meinen Bruder getötet zu haben, denn er war ein Arschloch und stand mir im Weg. Er hat es nicht anders verdient." Von den Rängen der Cerebras erhob sich empörtes Raunen. „Dennoch, eine Anschuldigung möchte ich vehement von mir weisen. Ich habe die Mannschaft der Leviathan nicht getötet. Das Schiff stand unter dem Befehl meines besten Kapitäns, Stanis Raybeau, es hat mich bis nach Lichtenturm getragen und hätte mich auch zurückgebracht, wenn die Mannschaft nicht niedergemetzelt worden wäre und der Hafenmeister es nicht zum Schutz gegen Seuchen verbrennen hätte müssen. Niemals wäre ich so dumm gewesen und hätte Raybeaus liebstes Spielzeug zerstört. Außerdem war ich zu dieser Zeit auf dem Weg nach Isvangar, um Komarov zu befreien. Solltet Ihr für das Massaker von Lichtenturm den Schuldigen suchen, so seht zu Eurem Kronzeugen." Die Blicke wandten sich zu De Oro, der sichtlich die Zähne zusammenbiss und sich unter den hunderten Augen wand. Blackheart neben ihm starrte auf den Marmorboden. Ich frage mich nur, was sie hier tat. Sie hat nicht ein Wort von sich gegeben. Vielleicht etwas fürs Auge?

„Herzlichen Glückwunsch, De Oro", hörte Ravan Sal raunen, Worte voller Sarkasmus, „nun seid Ihr ein wahrer Lykaner. Wie es sich für einen von uns geziemt." Sein hustendes Lachen hallte zwischen den Säulen wider.

De Oro senkte den Blick. Ravan lächelte ihm aufmunternd zu. Du willst nicht so sein wie wir, wie die Bruderschaft. Tiere, ohne Gewissen und Menschlichkeit. Das sagtest du zu mir, und brachtest in Lichtenturm meine Crew um. Ich habe dir einen tiefen Fall gewünscht, Nicolas, und du hast ihn bekommen. Zwar hast du mich ins Verderben gestoßen, doch ich konnte dich mitreißen.

Der König streifte De Oro mit einem fragenden Blick, doch sprach ihn nicht an. „Ravan Bane Darnovey", donnerte er, „ich, Palaimon Castillo, König von Abisyala, verurteile Euch hiermit zu einer Haftstrafe im subatischen Gefängnis Valur, wo Ihr Eure schändlichen Taten bereuen und leiden sollt, bis Eure Götter Eurer Seele gnädig sind und Euch erlösen!"

Oh, das klang aber nicht nach einem Mann, der vor jeder Hinrichtung Tränen vergießt. Ganz der fähige Herrscher, so wie ich den Mann kenne, den ich töten wollte. Ravan verneigte sich. „Ich nehme Eure gnädige Strafe an, Eure Majestät."

Castillo sah kurz streng auf ihn hinab, als wollte er sicher sein, dass er seine Aussage auch ernst meinte, und ließ den Blick über die Versammelten schweifen. „Gibt es noch etwas, das besprochen werden muss?"

Nicolas de Oro erhob sich und fingerte mit zitternden Händen an den Knöpfen seiner Weste. „Ich ersuche hiermit um Exil in Eurem Königreich. In meiner Heimat fürchte ich um Leib und Leben, weswegen ich nicht dorthin zurückkehren kann."

Der König schien nicht im geringsten überrascht. „Gewährt. Lady Valerijah, lasst ein Gesuch um Exil für Nicolas de Oro aufsetzen und in meine Gemächer bringen." Die Schreiberin ließ ihre Feder über das Papier huschen. „Hiermit ist die Verhandlung beendet! Wachen, führt Darnovey ins Verlies zurück! Bringt ihn in die Dunkelzellen!" Die Soldaten traten an Ravan heran, lösten ihn von dem Podest und richteten erneut ihre Waffen auf ihn.

Der Hofstaat erhob sich und kniete nieder, als der König den Saal verließ. Lykaner und Cerebras gingen gemächlich zu den gewaltigen Türflügeln.

Die Soldaten warteten, bis auch der Letzte den Thronsaal verlassen hatte, dann stießen sie Ravan voran, den Weg zurück, den er gekommen war. Nun, ich bin um kein Stück schlauer. De Oro entzieht sich der Bruderschaft, wie er es hätte tun sollen, bevor er versuchte, mich aufzuhalten und mich verriet. Nun, Männer von seinem Schlag sind überall besser aufgehoben, wo die Bruderschaft nicht ist.

Und ich? Ich werde die Sonne nie wieder sehen. Nur noch das glühende Rot von Valur. Ein letzter Sonnenstrahl, dann ein glatter Genickbruch, statt buchstäblich im Feuer der Hölle zu schmoren... es scheint fast wie ein erstrebenswerter Traum.


~ ~ ~

Zwei Worte: Ravan Sass.

Wieder einmal hat Wattpad mir ein paar Leerzeichen gestohlen. Bitte untertänigst um Verzeihung.  Nächste Woche wird es wahrscheinlich kein Update geben, denn ich fahre in ein Land ohne WLAN. Einen schönen Tag euch!

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