77. Verzweifelte Hoffnung
I feel the pressure is building in me
My stomach's sick, it's getting harder to breathe
I hear the screaming, I feel the disease
There's blood in the air, and there is death on the breeze
- In This Moment, Comanche
Unruhig schlich Ravan auf dem Wehrgang des Forts von Diavolo Pueblo umher. Wo bleiben sie? Sie müssten längst hier sein. Der einzige Grund, warum Bastard, Komarov und Raybau nicht schon längst wieder zurück sein sollten, war zu schrecklich, um es sich einzugestehen. Streng hatte Ravan sich jeglichen Gedanken an sein Scheitern verboten. Ich weiß genau, dass die Cerebras nicht dumm sind. Wenn Palaimon Castillo überlebt hat, sind sie mir auf den Fersen. Er weiß genau, wie er Geheimnisse erfährt. Sogar ohne, dass er jemanden dafür verletzen müsste. Er müsste nur die Rhymers... Hastig schüttelte er den Gedanken ab. Wenn ich noch länger daran denke, werde ich wahnsinnig.
Er hatte kaum schlafen können, seit er mit der Windschnitter in Diavolo Pueblo angelegt hatte, so sehr quälten ihn seine Gedanken. Ramun Fustat, ein Sirea mit dem dürren Körperbau und dem gefleckten Fell eines Geparden und den schlanken, doch brüchigen Hörnern eines Dracon, hatte ihn empfangen und in das baufällige Fort eingeladen, das sich die Festung von Diavolo Pueblo schimpfte. Doch Ravan hatte es nicht lange hinter den Mauern ausgehalten, bei Fustat, der bei jedem seiner Worte buckelte und sich beeilte, alles zu tun, was er befahl, seiner falschen, ängstlichen Freundlichkeit und seinem sauren Wein. Ihn interessierte nur, ob der König tot war, und ob Sekander Castillo wenigstens für einige Sekunden Bastards Überredungskunst zu sehen bekommen hatte.
Um Fustat zu entkommen, hatte er sich in Diavolo Pueblo umgesehen. Obwohl die Sireas seit Jahrzehnten mit den Virreys Geschäfte tätigten, war Ravan nie dort gewesen. Immer hatte er einen seiner Untergebenen hergeschickt. So strich er durch die ungepflasterten, dreckigen Straßen, spielte mit dem Gedanken, einen Sirea zu töten, nur weil er ihn schief angesehen hatte, und kehrte schließlich ebenso rastlos wie zuvor ins Fort zurück. Er schlüpfte an der schlafenden Wache vorbei, lief durch finstere, spinnwebenverhangene Gänge, über einen staubigen Innenhof, und erklomm schließlich den brüchigen Wehrgang. Von dort überblickte er Diavolo Pueblo.
Die Stadt war kaum mehr als ein paar Hütten aus Holz und Stein, die sich ängstlich in den Schatten des bröckelnden Forts drückten, so leicht gebaut, dass ein flüchtiger Sturm sie mit Leichtigkeit fortwischen könnte. Der helle Sand des Strandes war übersät mit den Zelten jener, die keinen Platz in den Häusern gefunden hatten und nun unter Segeltuch und Leder ein ärmliches Dasein führten. An dem fauligen Steg, der unter Sveracssons schweren Schritten beinahe durchgebrochen wäre, lag nur ein morsches Fischerboot. Hinter dem Fort erhob sich ein Wald aus Palmen, und weiter entfernt waren ein paar schlecht bestellte Felder zu erkennen. Jeden Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mühten sich Krieger, Hybriden und sogar ein paar Menschen dort ab. Ravan hatte einige von ihnen in in der Nähe des schmutzigen Bordells gesehen, und hatte die Brandzeichen im Nacken der Männer und Frauen erkannt. Sie sind Sklaven. Von uns geraubt, von den Männern der Racheinseln verkauft, von den Sireas gekauft. Billige Arbeitsware. Es hat seine Schönheit, zu sehen, dass selbst, wenn die Welt vollkommen den Boden unter den Füßen verliert, sich unsere Geschäfte immer noch weiterdrehen.
Die Windschnitter ankerte im ruhigen Meer, nur wenige Meter vom Strand entfernt. Beinahe die gesamte Mannschaft, zunächst begeistert auf die Aussicht auf Alkohol und Huren, war durch den Anblick der armseligen Siedlung schlagartig ernüchtert, und hatte seitdem ihr Schiff nicht verlassen. Einzig Laroux hatte Fustat neue Vorräte und Wasser für den Weg bis nach Naesat abgekauft, und auch Sveracsson hatte dem Statthalter seine Aufwartung gemacht. Ravan wusste nicht, wann sie aufbrechen wollte, doch seit sie Diavolo Pueblo erreicht hatten, schimpfte Sveracsson über die Sirea und die Stadt, und konnte es offensichtlich kaum erwarten, wieder zu verschwinden.
Ravan knurrte leise. Ich kann es auch kaum erwarten, von hier zu verschwinden. Siegreich nach Crusadia zurück, und dort auf den Strom des Goldes warten... oder... Er unterbrach den Gedanken und trat gegen eine rostige Kanone. Rote Flocken rieselten auf die Steine und die Grashalme, die zwischen den Brocken wuchsen. Wenn ich doch gescheitert bin... dann werden mich weder diese sterbenden Mauern, noch diese toten Kanonen schützen können. Still verfluchte er sich, nicht weiter in den Süden geflohen zu sein. Nach Santos Pueblo. Raybeau hat mir einst erzählt, dass der Sirea, der dort den Statthalter stellt, ein Hybrid aus Löwe und Dracon ist, und gegen das Fort dort soll die Festung von Amostown wie eine Sandburg aussehen. Die Bastion der Hybriden, so nennt sie sich. Uneinnehmbar, angeblich. Seit er Svardens Ark gesehen hatte, glaubte er nicht mehr daran, dass eine andere Stadt außer die Hauptstadt Isvangars uneinnehmbar war.
„Master Darnovey, Sir! Was... macht Ihr dort oben?"
Ravan fluchte innerlich und sah hinab in den Hof. Ramun Fustat stand dort und knetete seine Hände. Unterwürfig sah er zu ihm hinauf. „Fustat. Ich sehe mir deine... Stadt an."
Fustat sah zur Seite und trat unwohl von einem Fuß auf den anderen. „Es ist nicht viel, doch... mehr als... andere haben", stammelte er verlegen.
Ravan seufzte. „Was willst du, Fustat? Nur sehen, ob es mir gut geht? Ja, tut es, danke der Nachfrage. Mag sein, dass es nicht den Anschein erweckt, doch mir geht es bestens." Götter und Geister, ich werde nie verstehen, wie es solch ein feiger, unterwürfiger Hurensohn zum Statthalter gebracht hat.
Der Statthalter schüttelte fahrig den Kopf. Weiße Flocken rieselten von seinen schuppigen Hörnern in den Staub. „Nein, es ist... der Kapitän. Er... möchte auslaufen."
Der Lykaner warf einen Blick zu Windschnitter. Auf dem Nordfahrer war die Mannschaft zu neuem Leben erwacht, Ravansah, wie die Männer rege umherliefen, befehligt von einer Gestalt, deren rotes Haar im aufkommenden Wind wehte. Erinnerungen an eine rothaarige Gräfin ergriffen ihn, und er konnte das Grinsen kaum von seinem Gesicht bannen. Welch eine Schande, dass ich sie nicht wiedergesehen habe. Vielleicht statte ich ihr mal einen Besuch ab, wenn ich reich bin. Falls ich reich... „Ich komme, Fustat."
Unten angekommen, ignorierte er den Sirea und seine Rufe und stürmte an ihm vorbei zum Strand hinab, wo Sveracsson ohne seine Stiefel im warmen, knöcheltiefen Wasser stand. Neben ihm wartete ein Beiboot mit einem seiner Männer.
Kaum, dass der Vintas den Lykaner erblickt hatte, hellte sich seine missmutige Miene auf. „Darnovey! Ihr wollt uns verabschieden, nicht wahr?"
„Aye, Fustat sagte mir, dass Ihr Euch aufmacht. Zurück in den Norden."
„Aye, so ist es. Ich halte es keine Sekunde länger aus, bei diesen furchtsamen Missgeburten aus Fell und Schuppen, ihrem schalen Gesöff, das sie Bier nennen, und dieser widerwärtigen Hitze. Nein, ich muss zurück in den Norden. Wo echte Weiber warten, die Kälte durch das Fell hindurch beißt und der Vodka einem die Kehle verbrennt, wenn man ihn nur riecht!" Der Kapitän scharrte mit dem Fuß durch das Wasser, sodass es auf Ravans Stiefel spritzte. „Die Habseligkeiten von Euch und Eurem Kapitän habe ich von Bord bringen lassen, in diesen Haufen Steine, den man hier eine Burg nennt. Von dem Wolf", er spuckte in die leichten Wellen, „war nichts mehr dort."
Ravan nickte. „Vielen Dank, Captain." Er reichte Sveracsson die Hand.
Der Vintas ergriff sie und umschloss sie in einem knochenzermalmenden Händedruck. „Master Darnovey. Ich hoffe, Ihr hattet Erfolg, bei Eurem Himmelfahrtskommando. Als Ihr damals in meine Kajüte tratet, dachte ich nie, dass Ihr tatsächlich vorhabt, die Welt zu verändern. Und doch, der Tod eines Königs verändert stets die Welt. Nicht die gesamte, doch die Welt vieler. Und niemals hätte ich geglaubt, dass mich ein einfacher Handel mit einem Menschen aus dem fernen Süden zuerst ins Land meiner erbittertsten Feinde führt, nur um sodann mit einer der mir verhasstesten Personen auf dieser Welt den südlichsten Punkt zu erreichen, den je ein Nordfahrer erreicht hat." Er lachte donnernd und schlug Ravan so fest auf die Schulter, dass er in die Knie ging. „Ich habe es Euch schon einmal gesagt, und sage es gerne noch einmal. Es war die furchtbarste und beste Fahrt zugleich, die Ihr mir da beschert habt. Danke, Master Darnovey."
Ravan schnaubte amüsiert. „Ich habe zu danken, dass Ihr diese elende Fahrt auf Euch genommen habt, ohne lästige Fragen zu stellen. Ihr seid ein Kapitän, wie ein Mann meiner Position ihn sich wünscht. Eine Schande, dass ich Euch nicht unter mein Kommando stellen kann. Euer Schiff würde wirklich Wunder unter den Verfolgern meiner Frachter anrichten."
Sveracsson lachte wieder. „Nun werdet aber nicht rührselig. Master Darnovey, noch viel Glück. Ihr werdet es brauchen." Er sah sinnierend aufs Meer hinaus. „Ein Sturm zieht auf. Haltet Eure Seele fest, und lebt, so lange Ihr könnt."
Ein seltsamer Gruß. Ravan spürte, wie sich seine Ahnung vom Scheitern an die Oberfläche drückte, und war für einen Moment versucht, mit Sveracsson an Bord zu gehen und zu verschwinden. Ich wäre weit fort von hier. Niemand würde mich jemals wieder finden. Ich wäre ein einfacher Seemann, irgendwo zwischen Eisigem Norden und Nordmark, und das Meer würde mich schließlich verschlingen. Nicht umsonst nennen die Seeleute die See eine Grausame Mistress. Er schüttelte den Gedanken ab. Ich darf nicht scheitern. „Das werde ich. Gute Winde, Captain. Und sagt Laroux, dass sie ihrer Schwester einen Gruß von mir bestellen soll."
Sveracsson stieg in sein Boot, der Seemann griff nach den Riemen. „Werde ich ihr ausrichten." Er hob die Hand, und Ravan erwiderte den Gruß.
Was meinte er damit, dass ein Sturm aufzieht? Er betrachtete skeptisch den Abendhimmel. Im Westen ging die Sonne glühend über dem Meer unter, dort, wo hinter dem Horizont das ferne Festland von Abisyala lag. Ein paar rot leuchtende Wolken durchbrachen das Blau des Himmels. Zwar hatte der Wind aufgefrischt, ließ die Sandkörner gegen die Zeltwände prasseln und trieb kleine, schaumgekrönte Wellen über das Meer, doch Ravan konnte sich nicht vorstellen, wie daraus ein Sturm werden sollte. Oder meinte er tatsächlich... Aber wie sollte er davon wissen? Ravan sah zu dem Nordfahrer, dessen Kapitän soeben das Schiff erreicht hatte und nun an Bord kletterte. Das Boot wurde an Bord geholt, und Segel wurden auf Zuruf fallen gelassen. Golden glühend blähte sich das Segeltuch im Wind. Er weiß es nicht. Komarov wird den König getötet haben. Der einzige Sturm, der aufziehen wird, ist auf See.
Ravan wandte sich ab und ging durch die Zelte und die Hütten zum Fort zurück. Der Wind ließ sein Hemd und seine Haare flattern. Er wusste, dass seine Kameraden längst in Diavolo Pueblo sein müssten, doch er klammerte sich an die Vorstellung, sein Attentat sei geglückt. Vielleicht haben sie sich verflogen. Vielleicht haben sie einen Halt eingelegt, weil einer von ihnen verletzt ist. Vielleicht...
Er erreichte das Fort, trat durch das stets geöffnete Tor, und der Wind verschwand so plötzlich, als hätte ein riesiges Tier aufgehört zuatmen. Erleichtert über die angenehme Wärme, die die alten Steine ausstrahlten, betrat er die Treppe zum Wehrgang hinauf und fand sich wenige Augenblicke später wieder zwischen den bröckelnden Zinnen, dem nunmehr peitschenden Wind und verrosteten Kanonen wieder. Er sah zu, wie die Sonne unterging und eisiges Blau sich über das Rot legte. Fackeln flammten in der Stadt auf, und das raue Gelächter der Sireas hallte durch die Nacht. Die Windschnitter verschwamm am Horizont zu einem kleinen schwarzen Flecken vor dem königsblauen Himmel, und die Nacht senkte sich finster über die Stadt. Der Mond schien als bleiche, schmale Sichel auf sie herab. Ununterbrochen dachte er darüber nach, wo Bastard, Raybeau und Komarov waren, und selbst, als er sich zum wiederholten Male verbot, darüber nachzudenken, spukte sein Versagen durch seinen Kopf wie ein finsterer Geist, der im Fort lebte.
Er beschloss, das Vergessen zu suchen. Es gab keine menschlichen Huren in der Stadt, und selbst wenn es eine gab, sie würde niemals seinen Ansprüchen gerecht werden. Das Bier war scheußlich, beinahe so zäh, dass man seine Schlucke abbeißen musste, und schmeckte widerwärtig nach schmutzigen Fässern. Also gab es nur eine letzte Möglichkeit, und er lauschte auf das verlangende Heulen hinter seiner Stirn, ließ dunkelbraunes Fell über seine Haut streichen und lauschte auf das Knirschen seiner Knochen, spürte, wie der Wolf über sein Gesicht zuckte und schnappte nach Luft, als der Schmerz der Verwandlung ihm wie ein Schwert zwischen die Rippen fuhr.
Im selben Moment erkannte er drei Silhouetten in der Luft. Sie waren kaum erkennbar vor dem Indigo des Himmels, der Mond ließ eine Flanke aufblitzen, einen Drachenflügel.
Erleichtert trieb er den Wolf unter seine Haut zurück. Da sind sie. Sie sind da. Endlich.
Zu den drei schwarzen Flecken gesellte sich ein vierter. Schließlich ein fünfter. Misstrauisch sah Ravan hinab auf das düstere Meer, und erkannte, dass Schiffe auf Diavolo Pueblo zupflügten. Kriegsschiffe. Es sind mindestens zehn. Im Dunkel erkannte er die Flagge nicht, doch er wusste, dass sie einen schwarzen Greif auf Gold zeigte.
Er fluchte und rannte los. „Fustat!", brüllte er. Beinahe knickte er auf dem unebenen Boden um, stolperte, fing sich wieder und rief erneut nach dem Statthalter.
Er fand den Sirea schließlich, wie er versuchte, zusammen mit dem verschlafenen Wachmann die morschen Flügel des Tores zu schließen. Doch die rostigen Scharniere bewegten sich nicht. Totes Holz rieselte zwischen ihren Fingern hindurch.
„Master Darnovey, Sir, die Cerebras...", hob Fustat an, doch er wurde von einem dumpfen Grollen unterbrochen.
Donnernd schlugen die Kanonenkugeln in Diavolo Pueblo ein. Erste Schreie waren zu hören, und Flammen explodierten dort, wo die Kugeln die Fackeln und Lagerfeuer trafen. Kurz herrschte Stille, dann erteilte jemand auf den Schiffen den Befehl zum Feuern, so laut, dass Ravan ihn noch beim Fort hörte.
Ravan packte Fustat, der entsetzt die Zerstörung seiner Stadt beobachtete, am Arm. „Wir müssen uns wehren. Sind die Kanonen noch brauchbar?"
Fustats Kopfschütteln war verzweifelt. „Seit über dreißig Jahren wurde Diavolo Pueblo nicht mehr angegriffen! Wir haben nie Waffen gebraucht!"
Ich hätte dafür sorgen sollen, dass ihr Waffen braucht. Ein Krieg untereinander. Ja, das hätte euch schon den nötigen Kampfgeist gegeben. Ravan stieß den Sirea von sich, wieder rieselten Schuppen und Holz zu Boden. „Verfluchter, nutzloser Hurenbock." Also ist Komarov gescheitert. Er hat es nicht geschafft, einen verdammten König zu töten, so wie er es schon einmal getan hat. Warum nicht? Was war anders, dieses Mal? Bastard sagte, er sei genau und absolut tödlich. Die Rhymers ebenso. Was ist geschehen? Warum?
Wütend trat er wieder durch das Tor, als eine Kugel dröhnend gegen die Mauern des Forts schlug. Staub rieselte, und erste Steinchen fielen in den Staub. Ravan zuckte zurück. Eine zweite folgte, diesmal lösten sich ganze Steine prallen dicht neben Ravan in den Boden. Eine dritte, eine vierte, eine fünfte, und mit ohrenbetäubendem Donner fiel die Mauer in sich zusammen. Die rostigen Kanonen wurden zwischen den Steinen zermalmt.
Ravan fluchte und hustete gegen den Staub an, und rannte wieder aus der Ruine. Die Cerebras hatten den Strand erreicht, stürmten mit gezückten Waffen durch die Häuser und töteten jeden, der ihnen in den Weg kam. Kugeln, Armbrustbolzen und Pfeile durchschnitten die Luft, Schwerter und Säbel verrichteten ihre blutige Bestimmung. Ein Sirea schlug mit seinen Draconflügeln, um durch die Luft zuentkommen, doch ein gelbschwarzer Schatten schoss aus der Dunkelheit und packte den Sirea am Genick. Der Hybrid schrie auf, der Drache machte eine schnelle Nickbewegung und brach ihm den Hals. Leblos fiel er zu Boden, während der Drache eine gleißende Feuerzunge spie und mehrere Hütten in Brand setzte. Der Drache stieß ein raues Kreischen aus, und die anderen antworteten.
Ravans Blick irrte zu den fliegenden Bestien. Sturmdrachen. Die schnellsten Drachen der südlichen Welt. Feuerspeier, geflügelter Tod. DasHeulen des Wolfes in ihm war nur ein leiser Ton unter dem Toben der angreifenden Cerebras und dem Geschrei der sterbenden Hybriden, und doch war er verführerisch. Verwandle dich, und lauf. Lauf so weit du kannst, bis du den südlichsten Punkt der Insel gefunden hast, und geh nach Santos Pueblo. Sein Blick flackerte umher, suchte nach Fustat, und fand ihn schließlich mit einem Bolzen zwischen seinen Hörnern im Dreck liegen. Kein Wunder, dass er so früh gestorben ist. Wer lässt seine Waffen und Wehranlagen so verkommen? Wer lebt unbewaffnet, in der Nähe eines Völkerbundes, der sich die Kriegerstaaten nennt? Ravan spuckte auf den Toten, doch es war nur ein kurzes Aufblitzen der Genugtuung im Sumpf der lähmenden Verzweiflung. Aber was nützt es mir, wenn ich lebe? Ich kann kaum zurück. Die Anführer werden niemanden, der gescheitert ist, wieder als jemanden ansehen, der ihnen ebenbürtig ist. Ich werde nur noch der Versager sein. Mein Kartell erfährt es, und Ascendra Slayer entreißt mir meine Macht aus meinen toten Händen. Ich werde sterben. Wenn nicht unter ihren Zähnen, dann mit einem Strick um den Hals in Caldera. Oder hier, in einem götterverlassenen Dorf am Ende der Welt.
Langsam trat er einen Schritt von dem Steinhaufen fort, der die Festung gewesen war. Das Feuer hatte nun auch die Palmen erreicht und der Rauch biss in seinen Lungen. Der Wind ließ einen Regen aus Funken auf ihn niederregnen. Ein Sturm zieht auf, flüsterte Sveracsson in seinen Gedanken.
Plötzlich landete etwas mit einem Krachen hinter ihm. Er wirbelte herum, und schwarz glänzende Zähne schnappten nach seinem Gesicht. Metall klirrte um das Maul des Drachen, als er seinen sehnigen Hals streckte und die rötliche Zunge, gespalten wie die einer Schlange, vorschnellte und die rauchige Luft kostete.
Ravan starrte den Drachen an. Der Wolf in ihm heulte auf. Gefressen werden wie ein räudiger Hund. Das ist also mein Tod. Er spürte, wie braunes Fell über seine Haut floss, als sich etwas auf ihn warf.
Brüllend wand er sich unter dem Cerebra, der ihn niedergestreckt hatte, und schnappte mit seinen halb verwandelten Zähnen nach ihm, bis er kaltes Metall an seiner Schläfe spürte. Etwas klickte, und Ravan wusste, was es war.
„Halt still, Abschaum. Bist du Ravan Bane Darnovey?" Der Druck auf Ravans Schläfe nahm zu.
Hat es Sinn, zu lügen? „Nein, ich bin nur ein Arbeiter", keuchte er undeutlich und nahm die Fessel des Wolfes wieder an.
„Welche Schande", grollte der Soldat, und der Drache stieß ein tiefes Trillern aus, wie von einer tödlichen Grille. „Jeder, der nicht Ravan Bane Darnovey ist, soll sterben. Darnovey ist ein Werwolf, ein Lykaner. Du bist der erste Werwolf, den ich hier gesehen habe. Bist du es nun oder nicht?"
Ravan gab keine Antwort.
Der Cerebra verlagerte sein Gewicht und schoss. Weißer Schmerz explodierte in seinem Oberarm, und Ravan versuchte fauchend, den Krieger abzuschütteln. Doch der Soldat wich nicht von ihm.
„Verwandle dich, und du stirbst, hier im Dreck. Bist du Ravan Darnovey oder nicht?", brüllte er erneut, und die Klinge eines Dolches biss schmerzhaft in seine Kehle.
„Aye", hustete Ravan.
Grob packte der Krieger seine Haare und riss ihn auf die Beine. Die Klinge fest an den Hals gepresst, stieß der Soldat ihn voran, bis sie vor einem muskulösen Cerebra mit glänzender Stahlrüstung stehenblieben. Blut und Dreck verunzierten die goldenen Intarsien und klebte in der Mähne des Mannes.
„Lemorey", sagte er. „Ist er es?"
„Aye, Mylord Castillo. Ich bin mir sicher. Sollte er es nicht sein, trage ich die Folgen."
Mylord Castillo. Sekander. Das ist Sekander Castillo. Ohne eine Spur der Erpressung. „Sagt mir", keuchte Ravan, während die Wunde in seinem Arm brüllenden Schmerz durch seinen Körper jagte, „wo bin ich gescheitert?"
Castillo brachte sein Gesicht dicht vor Ravans. „Der Eiswolf schoss, und traf Palaimon in der Brust. Und der König überlebte."
„Warum bin ich dann hier? Warum verfolgt ihr mich noch?" Der Lykaner spuckte Blut auf den Boden. Oh, ich rede einfach zu gerne.
„Anklage des versuchten Mordes an Palaimon Marcegal Verieux Nicodemus Castillo, denn ob du es glaubst oder nicht, in der Zivilisation ist versuchter Mord eine Straftat", knurrte Sekander. Mit deutlicher Genugtuung fuhr er fort: „Und Anklage des Mordes an Dante Thomas Darnovey und Alonzo de Oro, sowie diverser bisher ungezählter Verbrechen."
Dieser von den Geistern verdammte De Oro. Ich reiße ihm sein verfluchtes Herz heraus.„Was blüht mir nun, angesichts dieser abscheulichen Taten?"
Sekander grinste ein schiefes, widerwärtiges Pferdelächeln. „Das wirst du schon sehen. Die Hölle erwartet dich."
Oh, der Strick ist es also. Hölle ist eine wahrhaftig hochtrabende Bezeichnung für ein Stück gedrehtes Hanfseil.
Im selben Moment traf der Knauf des Dolches ihn am Hinterkopf, und die Essenz der Nacht umfing ihn wie ein Mantel aus Stahl.
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