66. Leviathanerbe

We wrapped them all in a mainsail tight,

With twice ten turns of hawser's bight

And we heaved 'em over and out of sight,

With a yo-heave-ho and a fare-ye-well,

A sudden plunge in a sullen swell

Ten fathoms deep on the road to hell

--Yo-Ho-Ho and a bottle of rum!

- Abney Park, The Derelict


Lichtenturm schälte sich wie die Leiche eines Baumes aus dem Nebel. Abweisend lag die Küste der Nordmark vor ihnen, eingehüllt in eine Decke aus Schnee.

Ravan hatte still gehofft, es würde immer noch regnen, so weit südlich des ewigen Eises, doch der Winter hatte nun auch Artequir erreicht. Sonne, ich brauche Sonne. Ich fühle mich so lächerlich klein bei diesem verfluchten Wetter. Selbst als Wolf sähe ich aus wie ein Stück nasses Fell.

Missmutig wandte er sich von der Stadt ab und trat die Treppen hinab unter Deck. Auf einer der wuchtigen Kanonen des Schiffes saß Komarov und schärfte das rostige Messer des Wachmanns aus dem Weißen Fort. Zwar hatte Ravan ihm ein anderes Schwert angeboten, doch der Eiswolf hatte stumm abgelehnt. Bei den Geistern, es ist ein Wunder, dass er sein Messer nie benutzen musste.

Komarov hatte sich widerstrebend an Sveracssons Anweisung gehalten, sich nicht an Deck blicken zu lassen. Ravan wusste nicht, wie er es so lange in der feuchtkalten Dunkelheit ausgehalten hatte, doch wahrscheinlich war er ein stilles Dahinleiden gewöhnt nach all den Jahren im Weißen Fort.

Sveracssons Groll äußerte sich nur noch in seiner Unfreundlichkeit Ravan gegenüber, wohingegen Laroux zuerst versuchte, sein Verhalten zu entschuldigen, bis sie bemerkte, wie wenig Ravan Sveracssons Laune anging. Es interessierte ihn nicht im Geringsten, was der Vintas von Komarov hielt, solange er sie nur sicher nach Lichtenturm brachte. Bastard ließ jedoch keine Gelegenheit für eine Beleidigung verstreichen, doch Komarovs Selbstkontrolle war eisern. Nie gab er mehr zurück als ein paar unfreundliche Worte, doch Ravan sah jedes Mal, wie seine Finger zuckten.

Müde setzte Ravan sich auf die Kanone gegenüber von Komarov und beobachtete den weißen Eiswolf. Eine wilde Ungeduld ergriff ihn, als er sich erinnerte, wie lange es noch dauern würde, bis sie in Caldera waren und seinen Plan ausführen konnten. Hoffentlich sind die Männer der Leviathan bereit zum Auslaufen, und wir müssen nicht noch eine Woche warten, bevor wir genug Vorräte beisammen haben und uns endlich auf den Weg machen können.

Raybeau konnte es ebenfalls kaum erwarten, zurück auf seinem Schiff zu sein. Zwar gab er vor, es sei nicht so, doch in seinem missmutigem Tonfall schwang stets die Sehnsucht nach seinem Reich mit. Entgegen Ravans Erwartung legte er sich nie mit Komarov an, sondern bedachte ihn nur mit argwöhnischen Blicken. Doch Ravan war sich sicher, dass er sich nicht querstellen würde, wenn es darum ging, den Killer auf der Leviathan unterzubringen.

Über ihnen waren Sveracssons Befehle zu hören, und die schnellen Schritte der Mannschaft, die sie ausführte. Dumpf schlug das Wasser gegen die Bordwand, und Ravan dachte müde daran, dass sein Bett für die nächsten Monate wieder eine Hängematte unter Deck sein würde. So unfreundlich Sveracsson mir gegenüber war, dass ich wieder eine eigene Kajüte bekommen habe, werde ich ihm auf ewig danken.

Komarov hob den Kopf, als Ravan sich wieder von der Kanone erhob. „Wann sind wir in Lichtenturm?"

„Vielleicht noch zwei Stunden. Wenn wir Glück haben, noch eine."

„Was passiert dann?"

„Wir wechseln das Schiff. Im Hafen liegt mein Schiff, und Raybeau wird uns nach Süden bringen."

Komarovs blaues Auge blitzte auf, das bernsteinfarbene lag im Schatten. „Wo ich den König töten soll."

„Aye, das werdet Ihr."

„Und danach?"

„Wie ich schon sagte, das ist allein Eure Entscheidung. Geht zurück in den Norden, bleibt im Süden, geht nach Osten und schließt Euch den Söldnern an. Die Eisigen Kameraden nehmen Euch sicher auf."

Komarov nahm seine Worte still zur Kenntnis.

Lichtenturm war so geschäftig wie an dem Tag, an dem Ravan die Stadt zum ersten Mal gesehen hatte. Arbeiter und Soldaten hasteten durch den immer tiefer werdenden Schneematsch. Endlich. Endlich wieder ein bekanntes Schiff. So sympathisch Sveracsson anfangs gewesen war, so abweisend war er jetzt, und Ravan war froh, ihm endlich aus den Augen treten zu können.

Raybeau trat zu ihm an die Reling und beobachtete Sveracssons Männer, die die Windschnitter am Steg vertäuten. „Ich habe die Leviathan nicht gesehen, als wir auf die Stadt zugefahren sind", knurrte er misstrauisch. „Das gefällt mir nicht."

Ravan zuckte mit den Schultern. „Balen Smydt wird wissen, wo sie ist."

Kaum war die Gangway ausgelegt, rauschte Raybeau an Ravan vorbei an Land. Seine Stiefel ließen den Matsch in alle Richtungen aufspritzen, als er den Kai entlangging, auf der Suche nach seinem Schiff. Bastard folgte ihm ebenfalls, bepackt mit seinen Habseligkeiten. Komarov schien etwas unschlüssig, doch blieb schließlich neben dem Steg stehen und beobachtete das Treiben.

Ravan reichte Sveracsson die Hand, und wieder fürchtete er, der Schneeleopard würde ihm die Knochen brechen. „Captain Sveracsson. Es ist eine Schande, dass es so enden muss", sagte er mit einem aufgesetzten traurigen Lächeln. Bei den Geistern, bin ich froh, dieses Problem hinter mir lassen zu können.

„Nein, Master Darnovey. Es ist eine Schande, dass Ihr Euch mit ihm", der Vintas deutete auf Komarov, „eingelassen habt. Seht Euch vor. Ich kann Euch gut leiden, Ihr habt mir zugleich die beste und die schlechteste Mission meines Lebens beschert."

„Manchmal muss man wohl die Schicksalsschläge des Lebens über sich ergehen lassen, um an sein Ziel zu kommen", schwafelte Ravan süffisant.

Sveracssons Lachen ließ die Planken erbeben. „Ihr redet zu viel, Master Darnovey. Viel Glück mit Euren Plänen. Vielleicht verändert Ihr ja wirklich die Welt, wie Ihr behauptet."

„Ihr werdet Euren Unglauben bitter bereuen", schnaubte Ravan belustigt.

„Sicher. Ich lasse Eure persönlichen Gegenstände an Bord Eures Schiffes bringen."

„Vielen Dank, Captain Sveracsson. Auf gute Winde." Mit einem letzten Winken zu Alastaire Laroux verließ er die Windschnitter.

Am Ufer kam ihm Raybeau entgegen. „Ich bin den Kai entlanggegangen. Die Leviathan ist nicht hier."

„Seltsam. Wo ist Bastard?"

„Er wollte seinen Drachen holen." Raybeau sah sich wütend um. „Wenn meinem Schiff etwas zugestoßen ist, bei den Geistern..."

„Das Meer wird sich kaum aufgetan haben und es verschlungen haben. Wir fragen Smydt, wo dein Schiff ist", beruhigte Ravan ihn. „Er wird es wissen."

Komarov trat zu ihnen und sah sie fragend an.

„Unser Schiff ist verschwunden. Wir fragen den Hafenmeister, wo es sein könnte", erklärte Ravan und sah sich nach Raybeau um, doch er war bereits vorangestürmt. Verdammte Geister. „Raybeau!" Ravan lief ihm nach, Komarov auf den Fersen. „Raybeau, wir reden mit Smydt, aber ruhig und..."

Raybeau hatte die Tür erreicht und warf sie nach innen auf. Krachend prallte sie gegen das Möbelstück dahinter. „Wo ist mein Schiff, Smydt!?", brüllte er.

„...besonnen", endete Ravan leise. Dass er so an seinem Schiff hängt, war abzusehen.

Der ältere Mann in askaronischer Uniform, der vor Smydts Schreibtisch saß, war zusammengezuckt, und sah sich bebend nach Raybeau um. „Bei den Göttern!"

Balen Smydt seufzte. „Captain Varius, es tut mir leid, doch diese Herren haben Vorrang vor Euch. Ich muss ihnen eine Nachricht überbringen, die nicht warten kann. Ich werde Euch auf Eurem Schiff aufsuchen, sobald meine Unterredung mit ihnen beendet ist."

Varius erhob sich von seinem Stuhl und verließ zitternd das kleine Büro.

Smydt fuhr sich mit der Hand durch die graublonden Haare, das zerfurchte Gesicht vor Sorge verzogen. „Setzt Euch, Captain."

„Ich ziehe es vor, zu stehen", knurrte Raybeau, sein Atem ging schnell vor Zorn. „Was ist mit meinem Schiff passiert?"

Ravan betrat ebenfalls das Büro und schlug die Tür hinter sich zu. Er ließ sich auf dem Stuhl nieder, Komarov stellte sich schweigend hinter ihn. „Smydt, was ist mit der Leviathan geschehen?"

Balen Smydt schien nicht glücklich über das, was er zu berichten hatte. „An dem Abend, an dem Ihr aufbracht, griffen ein paar Männer die Leviathan an. Es war lange nach Mitternacht. Die Leute am Hafen haben die Soldaten gewarnt, doch als sie kamen, war das Schiff verlassen. Nicht eine einzige lebendige Seele war noch dort. An Deck lag ein gigantischer Wolf, tot wie der Rest der Besatzung. Er trug Wunden eines anderen Wolfes, kleiner als er selbst. Ein paar der Menschen, die an diesem Abend am Hafen gewesen waren, berichteten von einem Kampf von zwei Wölfen auf dem Schiff, und den grauenhaften Geräuschen, die zu hören gewesen waren."

Cravo. Raybeaus Bootsmann. Umgebracht von einem Wolf. Nur Männer betraten das Schiff, und ein Wolf tötete Cravo... Ravan hatte einen Verdacht, doch er fürchtete ihn auszusprechen.

Raybeau schlug mit der Faust auf den Tisch. „Und Eure Soldaten, haben sie es nicht geschafft, die Hurensöhne zu fassen, die meine Männer umgebracht haben?!", brüllte er, seine Stimme schwankte.

Smydt blieb ruhig. „Nein, haben wir nicht. Wir haben sie gesucht, doch sie verschwanden noch in der selben Nacht. Wir haben die Besatzung der Kroneneinhorn im Verdacht. Als sie ausgelaufen war, ohne jede Abmeldung oder Vorwarnung, waren die Täter unauffindbar."

Ravan sah zu Smydt. „Gab es eine Beschreibung des Anführers?"

„Aye. Jung, schlank, blonde Haare. Machte einen wahnsinnigen, manischen Eindruck."

„Nicolas de Oro." Er wollte mir also eins auswischen, indem er die Mannschaft meines Schiffes tötet. Wahrscheinlich will er beweisen, dass er doch nicht der dumme kleine Junge ist, für den ich ihn halte. Nun, er ist jetzt ein sehr dummer Junge, der mein Spielzeug kaputtgemacht hat und meinen und Raybeaus Zorn kassiert. Dafür wird er bezahlen. Mit seinem Leben, so wie ich Raybeau und seine nachtragende Art kenne.

Raybeau löste sich vom Tisch, dessen Kante er umkrallt hatte. „Den bringe ich um. Ich reiße ihm seine Finger einzeln ab", fauchte er schwer atmend.

„Master Smydt, was ist mit dem Schiff passiert?", fragte Ravan.

„Wir haben es aufs offene Meer geschleppt und verbrannt, die Gefahr für Seuchen war zu groß. Es tut mir leid, Captain."

„Bei der Kälte verrotten die Toten doch erst nach Wochen!" Raybeau schrie immer noch.

„Raybeau, beruhige dich. Bitte." Ravan warf seinem Kapitän einen vorsichtigen Blick zu. Er wusste, es war nicht richtig, Raybeau jetzt zur Ruhe zu zwingen. Innerlich kochte er selbst vor Wut. Dieser verfluchte De Oro. Er soll so tief in die Höllen fallen, dass er zerschellt wie Glas. Ich brauche diese Überfahrt nach Süden, sonst ist mein Plan verloren. Zwar habe ich eine Idee, wie ich es mir gelingt, doch noch nach Caldera zu kommen, doch es wird teuer und nicht einfach... „Master Smydt, Ihr wisst, dass das Schiff unter dem Schutz der Stadt Lichtenturm lag. Unter Eurem Schutz. Ihr seid verpflichtet, uns unseren Schaden zu ersetzen", forderte er kalt.

Smydt nickte. „Selbstverständlich. Leider können wir Euch nur den weltlichen Wert ersetzen. Eure Männer können wir nicht zurückbringen, so gern wir wollten." Er reichte Ravan ein Stück Papier. „Wenn Ihr hiermit zum Goldinstitut des Königreichs Nordmark geht, bekommt Ihr den Wert des Schiffes in Gold."

Raybeau riss ihm das Schriftstück aus der Hand, zerknüllte es und warf es zu Boden. „Das ist kein Ersatz", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich will mein Schiff und meine Männer zurück, und nicht irgendeinen Fetzen, selbst wenn er Millionen wert ist!"

Ravan sah ihn mühsam beherrscht an. Wir brauchen das Geld, du Idiot. Er bückte sich nach dem Papier, strich es glatt, faltete es zusammen und steckte es in die Innentasche seines Mantels aus Svardens Ark. „Danke, Master Smydt." Er erhob sich und winkte Raybeau und Komarov zu sich.

Komarov folgte sofort, während Raybeau wie hypnotisiert Smydt anstarrte, der ein paar Papiere in eine lederne Mappe legte. Ravan erkannte den Blick. Glühende, hilflose, alles verbrennende Wut.

Langsam trat er auf den Kapitän zu und legte ihm die Hand auf den Oberarm. „Raybeau, komm jetzt."

Raybeau schüttelte ihn heftig ab. „Fass mich nicht an", fuhr er ihn an. Doch er löste langsam seinen Blick von dem Hafenmeister und folgte Komarov in die Kälte.

Am Kai stand, beäugt von skeptischen Hafenarbeitern und beeindruckten Huren, Bastard neben seinem Drachen. „Wo ist denn nun unser Transportmittel?", fragte er, offensichtlich begierig auf die Weiterreise.

Ravan seufzte. „Es ist weg. Nicolas de Oro hat unsere Mannschaft abgeschlachtet und das Schiff musste wegen der Toten versenkt werden. Wir haben kein Schiff mehr."

Bastard sagte nichts. Nicht einmal ein unfreundlicher Kommentar in Raybeaus oder Komarovs Richtung kam ihm über die Lippen.

Selbst er merkt, dass er jetzt besser sein Maul hält. „Bastard, dein Drache kann uns nicht bis nach Caldera tragen, oder?"

„Mich und dich vielleicht, wenn wir Glück haben auch Raybeau, aber nicht noch ihn." Er wies auf Komarov. „Aber es wird anstrengend, und niemand von uns hält es den ganzen Tag im Sattel aus. Nicht einmal sie schafft es im Moment, mehrere Stunden am Stück zu fliegen." Bastard wedelte mit den Zügeln seines Drachen. „Nach fast zwei Monaten still in einem Käfig liegen, in dem sie sich kaum umdrehen konnte, ist sie nicht stark genug."

„Ich habe es mir fast gedacht. Gut, dann werde ich es wohl tun müssen. Bastard, halte die beiden im Zaum. Wenn einer von euch dreien nicht mehr am Leben ist, wenn ich wiederkomme, wird es euch leidtun. Verstanden?"

Bastard betrachtete missmutig die beiden Männer, die zornig seinen Blick erwiderten, und nickte widerstrebend.

„Gut." Ravan wandte sich um und ging auf die Windschnitter zu.

Alastaire Laroux entdeckte ihn als erstes. „Master Darnovey! Ich habe Euch gesucht. Die Männer, die Euer Gepäck auf Euer Schiff bringen sollten, können es nicht finden."

„Miss Laroux, darin liegt das Problem. Könntet Ihr mich bitte zu Captain Sveracsson bringen?" Ravan lächelte entschuldigend.

Laroux sah ihn besorgt an und winkte ihn hinter sich her, auf den Kapitän zu, der sich mit einem wettergegerbten Mann über eine Seekarte beugte. „Captain!", rief sie. „Master Darnovey will Euch sprechen."

Sveracsson sah auf. „Darnovey. Was gibt es?"

„Captain, ich würde Euch nicht darum bitten, wenn ich keinen besseren Weg wüsste, doch Ihr scheint mir am geeignetsten für diese Aufgabe. Deswegen...", hob Ravan an.

Sveracsson unterbrach ihn gleichermaßen gereizt und belustigt. „Ihr redet zu viel. Was wollt Ihr?"

„Eure Männer haben unser Schiff nicht gefunden, weil unsere Mannschaft massakriert wurde, und das Schiff verbrannt. Uns fehlt nun das Mittel für eine Fahrt in den Süden. Kurzum, was ich Euch bitten wollte..."

Der Vintas ließ ihn erneut nicht ausreden. „Nein, Darnovey. Ich bin schon froh, dass ich Euch hier losgeworden bin. Ich werde mein Schiff nicht auch noch in unbekannte Gewässer segeln, nur, weil Ihr nicht auf Euren Besitz aufpassen könnt!", schnauzte er.

„Captain, bitte." Nun ist die Zeit gekommen, um jegliche Würde über Bord zu werfen. „Es ist normalerweise nicht meine Art, aber ich flehe Euch an, segelt uns nach Süden. Bitte."

„Wohin im Süden wollt ihr?"

„Abisyala."

Sveracsson fuhr zurück. „Bei Madras' Hammer, so weit südlich hat sich noch nie ein Nordfahrer gewagt! Ich werde weder meinem Schiff noch meiner Crew eine solche Reise zumuten. Nein. Sucht euch jemand anders."

Der Mann, der an der Karte gestanden hatte und sie nun aufmerksam beobachtete, mischte sich ein. „Ich war schon dort."

Sveracsson wirbelte herum. „Du, Marois? Du warst dort schon einmal? Wann?"

Marois wischte sich die Hände am Saum seiner Jacke ab. „Als ich mit einem Handelsschiff von Burall gesegelt bin. Wir haben es bis zum Südkap geschafft. Man hat es weder mit schlimmen Stürmen noch mit Packeis zu tun. Es ist kinderleicht, dort zu segeln. Eine Seekarte liegt irgendwo in Eurer Kajüte, das weiß ich."

Marois, Marois, wo habe ich den Namen schon einmal gehört... Einen Moment lang überlegte Ravan, dann fiel es ihm ein. Arthur Helds Verlobte. Sie hieß De Marois. Ihr Bruder vielleicht? Sein Blick wanderte von Marois zu Laroux. Eine Menge burallischer Adelige, die sich im Norden herumtreiben. Vielleicht ist die Arbeit als Nordfahrer in Mode im Süden.

„Seht ihr? Denkt dran, Captain. Der erste Nordfahrer, der sich so weit in den Süden wagt", beschwor Ravan ihn.

„Ruhm." Der Vintas schnaubte. „Was bekomme ich für Ruhm?"

Wenn man sich in der richtigen Gegend herumtreibt, eine ganze Menge. Als meine Heldentaten auf den Racheinseln bekannter wurden, habe ich oft kostenlose Ritte bei den Huren in Punto Alegre bekommen. „Ihr bekommt, wie schon oft erwähnt, meinen unendlichen Dank, und dies." Er zog Smydts Schriftstück hervor und reichte es dem Kapitän.

Skeptisch nahm er ihm es aus der Hand. Er riss die Augen auf, als er den Betrag sah. „Das wird mein sein, wenn ich Euch nach Süden fahre?"

Ich hoffe, Raybeau spricht mich nie darauf an. Sonst werde ich ihm einfach ein Schiff aus meiner Flotte schenken. Das wird zu meistern sein, nachdem das Kriegergold in meine Tasche fließt. Ravan lächelte falsch. „Das wird Euer sein."

Laroux ging an ihm vorbei zu ihrem Kapitän und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ebenfalls einen Blick auf das Papier zu erhaschen. „Bei Aqua, das wollt Ihr uns bezahlen?", fragte sie entgeistert und sah Ravan ungläubig an.

Ravan hob entwaffnet die Hände. Wenn die Leviathan schon zerstört ist, so leistet sie uns auch im Jenseits gute Dienste. „Aye, das werde ich. Wenn Ihr noch heute Abend Segel gen Süden setzt."

Sveracsson warf einen Blick über die Reling, wo Raybeau, Bastard und Komarov neben dem Drachen warteten, und atmete tief durch. „Euer Raybeau und Komarov, sie sind immer noch dabei, nicht wahr?"

Der Lykaner lächelte entschuldigend. „Ja, leider. Raybeau wird jedoch nicht in guter Verfassung sein. Selbst wenn er Euch zur Eile antreibt, um seinen Rachedurst zu befriedigen, dann wisst, dass ich das Gleiche denke, aber zu gut erzogen bin, es auszusprechen. Und was Komarov betrifft... es wäre gut, wenn Ihr wartet, bis ich meinen Plan durchgeführt habe, bis Ihr ihn ermordet. Ich werde Euch Bescheid sagen, wenn ich ihn nicht mehr brauche."

Sveracsson schnaubte. „Und der Drache? So sehr ich Raybeau und Komarov verabscheue, so sehr fürchte ich auch um die Sicherheit meines Schiffes."

Oh, wie wunderbar es sein wird, wenn ich mich bei De Oro für die Leviathan rächen kann. „Das lasst meine Sorge sein."

Hadernd sah der Kapitän zwischen dem Papier und den Männern am Dock hin und her. Ravan beobachtete ihn so demütig und bittend, wie er es fertigbrachte. Er fühlte sich an Svardens Ark erinnert, als er auf Sergejs Entscheidung, ihnen zu helfen oder nicht, wartete. Wo der Wolfsprinz wohl ist? Entweder ist er tot oder sehr, sehr wütend. Ich weiß nicht, was mir lieber ist.

Trotzdem wusste er genau, wie der Vintas sich entscheiden würde. Selbst Laroux schien begierig auf ihren Anteil des Goldes, sie starrte ihren Kapitän flehend an.

Jetzt sag schon, du übergroßes Kätzchen. „Einverstanden, Captain?"

Sveracsson knurrte und ergriff Ravans ausgestreckte Hand. „Einverstanden, Darnovey. Ich verfluche den Tag, an dem Ihr zum ersten Mal auf meinem Schiff aufgetaucht seid. Ihr und Eure unschlagbaren Argumente." Grollend wandte er sich an Marois. „Hol die Seekarten von Artequir und Darquir. Wir planen unseren Kurs. Laroux, lass Vorräte an Bord bringen, genug um bis nach..." Er sah Marois an. „Wo kann man unauffällig neuen Proviant aufnehmen?"

Marois hielt auf seinem Weg zur Kajüte inne. „Jenna's Cliff. Eine kleine Stadt, von hohen Bergen von der Außenwelt abgeschnitten."

„Genug, um bis nach Jenna's Cliff zu kommen. Lass die Kajüten der Herren wieder herrichten."

Laroux nickte und verschwand unter Deck.

Ravan wandte sich an den Kapitän. „Captain, wäre es möglich, dass Komarov sich für den Verlauf unserer Reise nicht ständig unter Deck aufhalten muss? Ich werde ihm befehlen, Euch möglichst nicht unter die Augen zu treten." Auf Sveracssons missbilligende Miene hin fuhr er fort: „Bei der Menge an Gold, die Ihr bekommt, ist das vertretbar, denkt Ihr nicht?"

Sveracsson nickte mürrisch, und Ravan verließ beschwingt das Schiff. Laroux hatte Recht. Ich habe wirklich eine Gabe der Überzeugung. Aber wer sagt bei dieser Menge an Gold schon wegen einem so kleinlichen Grund wie persönlichem Hass Nein?

Komarov sah ihm wortlos entgegen, doch sein Blick sprach für sich.

„Seht mich nicht so an, wir haben unsere Überfahrt, und das ist das Wichtigste. Wir segeln heute Abend. Ihr dürft Euch auch an Deck aufhalten, ich habe mit Sveracsson gesprochen. Raybeau, geh mit Komarov an Bord. Du bekommst deine Kajüte wieder. Komarov, Ihr könnt die von Bastard haben, wenn Ihr wollt."

Komarov nickte knapp und betrat die Gangway der Windschnitter, während Raybeau Ravan einen finsteren Blick zuwarf.

Los, ab mit dir. Ravan holte Luft für seinen üblichen gut gelaunten Befehlston, den er sich für Raybeau und Bastard reserviert hatte, als ihm einfiel, in welcher Verfassung Raybeau gerade sein musste. Ich muss nett zu ihm sein. Ich habe noch nie jemanden verloren, der mir nahestand, und werde das auch so bald nicht ändern, aber De Oro hat Raybeaus Leben zerstört, und das wird selbst meinem rauen besten Kapitän an die Substanz gehen. „Raybeau, ich weiß, dass du Sveracsson nicht ausstehen kannst", sagte er behutsam, „aber wenn du es noch ein paar Monate auf diesem Schiff aushältst, bekommst du deine Rache."

Raybeau nickte mit versteinerter Miene und wandte sich zum Gehen.

Ravan zögerte und holte Luft für ein paar mitfühlende Floskeln. „Raybeau, es tut..."

„Spart Euch das, Master Darnovey. Worte werden kaum etwas ändern. Nut Taten. De Oro wird bezahlen", unterbrach der Kapitän ihm schroff, und marschierte Komarov hinterher.

Bastard sah ihm nach. „Man könnte fast Mitleid mit ihm haben."

Ravan seufzte. „Ich habe keine Ahnung, wie ich mit ihm umgehen soll. Aber nun, er wird es verkraften. In der Zeit, in der er für mein Kartell arbeitet, wird er sicher den einen oder anderen Mann verloren haben."

Bastard nickte. „Aye. Darf ich auch an Bord?"

„Nein."

„Wie bitte?"

„Nein. Wir haben fast Vollmond. Du wirst dich also erst einmal mit deinem Drachen in die Wildnis der Nordmark schlagen. Wage dich nicht zu nahe an Murnersshire, die Grauen Männer mögen keine Fenriswölfe."

„Ich mag nicht so intelligent sein wie du, aber schlau genug, um das zu wissen, bin ich. Die Grauen Männer sind des Fenris' schlimmster Alptraum. Wo werde ich auf euch treffen?"

„In Jenna's Cliff. Dort nehmen wir neue Vorräte auf, und wir besprechen unsere Lage. Es wird dauern, bis wir dort sind, fast einen Monat, weniger, wenn die Winde gut sind. Inzwischen werde ich einen teuflischen Plan aushecken, um die Hölle auf Erden zu entfesseln."

„Die Krieger zittern schon vor Angst. Nun, ich werde mir die Zeit schon gut vertreiben. Ich bin schließlich nicht allein." Er strich über das Bein seines Drachen, der mit einem tiefen Brummen antwortete.

Ravan packte Bastard am Unterarm. „Pass auf dich auf. Wir sehen uns in Jenna's Cliff."

„Aye, Ravan. Bis dann. Versuche bitte, dich nicht umbringen zu lassen."

„Natürlich nicht." Ravan trat einen Schritt zurück, und beobachtete, wie Bastard die Ketten und Riemen seines Drachen löste, die Bestie wendete und in die Stadt hineinritt, in die Richtung des Stadttores von Lichtenturm.

Ravan wandte sich um und reihte sich in die Kolonne der Arbeiter und Seemänner ein, die die Windschnitter beluden. Nicht mehr lange, und wir können unsere Reise fortsetzen. Endlich. Die erste Etappe, die Befreiung meines Killers, ist getan.

Als die Sonne über dem Meer unterging, und der gewaltige Nordfahrer ablegte und unter Sveracssons gebrüllten Befehlen Kurs in den Süden nahm, konnte Ravan kaum stillstehen vor Aufregung und Stolz auf seine eigenen Errungenschaften.

Nicht einmal das leise Weinen, das aus der Kajüte des Kapitäns ohne Schiff drang, konnte die Freude über seinen Triumph dämpfen.

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