63. Des Todes Tanz

The time will come, when you will have to rise

Above the rest, and prove yourself,

Your spirit never dies!

Farewell, I've gone, to take my throne above

But don't weep for me

Cause this will be the labor of my love

- Imagine Dragons, Warriors


Der Herold war ein dürrer Amphitere mit struppigem Gefieder, das zwischen den Schuppen seiner Drachenhaut wuchs. Er war in einen schweren Umhang gehüllt, der wohl einst rotgolden gewesen war, doch nun war er abgewetzt und schmutzig. Angenähte Knochenstücke am Saum klapperten bei jeder seiner ausladenden Gesten, schwarzblaue Federn flatterten bei seinen Bewegungen zu Boden und huschten im Windzug seiner Bekleidung über die Planken. Seine Augen waren stumpf von irgendeiner Droge.

„Gewonnen hat Ikaria aus dem Gefolge von Brego dem Stier! Das macht sie zu seit zwölf Kämpfen ungeschlagen!" Die Menge schrie ihre betrunkene Begeisterung heraus. „Nun sagt mir, wer von euch will als nächstes in den Ring steigen? Wer möchte als nächstes gegen die ungeschlagene Tochter der Sonne ankämpfen, mitten in der finsteren Nacht des Ostens, weit weg von ihrem glühenden Zuhause? Entfernt vom Licht, das den Horun ihre Kraft gibt? In der Nacht, die ihnen verboten ist?" Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Amphitere in die Menge. Sein Kopf zuckte ruckartig hin und her, wie der Vogel, der er zur Hälfte war. „Wer will gegen sie antreten? Es winken zwei Kreuzer, für den, der gewinnt!"

Zwei Kreuzer. Das ist die lächerlichste Gewinnsumme aller Zeiten. Doch den gierigen Blicken des Mobs nach zu urteilen waren zwei Kreuzer auf den Racheinseln sehr viel Geld.

Der Anubiskrieger mit der abisyalischen Flagge um die Schultern hob seine Waffe, eine abgebrochene Schwertklinge und ein paar Seedrachenzähne befestigt an einem gebogenem Ast. „Ich trete gegen sie an!", brüllte er, Spucke spritzte auf die Umstehenden. Die Menge jubelte und bildete eine Gasse, um ihn durchzulassen.

Marie erhaschte einen Blick auf Brego, der Ikaria nicht einmal beachtete. Er stand flankiert von seinen Männern am Ring und nahm Gelder an, die weit über ein paar Kreuzer hinausgingen. Gerade, als ein paar weitere Goldstücke in seine Tasche wanderten, hob er den Kopf und sah zu Marie und der Nemesis. Sein Lächeln war so weich und scharfkantig wie seine Stimme.

Lilyah wandte sich in dem Moment zu ihr, als Marie zu ihr sah. „Er ist unheimlich", raunte sie.

Marie nickte. „Ich weiß. Aber seine Stimme..."

Lilyahs Augen hinter der Maske wurden groß. „Oh ja. Als würde ein Gott sprechen."

Marie wandte sich wieder Ikaria und dem Anubis zu, der seine provisorische Streitaxt kreisen ließ. Der Herold kündigte den Anubis an. „Glaubst du, sie gewinnt?"

Die Nemesis schien unschlüssig. „Mit seiner Axt, oder was auch immer seine Waffe darstellen soll, hat er eine größere Reichweite, und die Anubin sind in der Nacht wacher. Die Horuskriegerin.... Ikaria... Sie müsste sich schlecht fühlen, jetzt, wo die Sonne seit Stunden untergegangen ist. Trotzdem. Sie ist seit zwölf Runden ungeschlagen, und auch dieser Anubis ist nur ein weiterer betrunkener Schläger, der seinen Freunden etwas beweisen will." Ihre Stimme klang berechnend. „Ich wette, dass Ikaria gewinnt."

Das hoffe ich doch. Mir allein gebührt das Recht, sie zu töten.

Sie sollte recht behalten. Der Anubiskrieger starb nur wenige Minuten später, als Ikaria ihm seine eigenen Waffe in den Hals rammte. Keuchend wich das Leben aus ihm, während sein Blut über die Planken floss. Irgendwo kreischte eine Anubiskriegerin auf, ein Ruf voll Schmerz und Grauen, der beinahe im tosenden Gebrüll jener unterging, die Ikaria unterstützten.

Ein paar Männer schleiften die Leiche aus dem Ring, während einer von Bregos Helfern Ikaria etwas zu trinken anbot. Sie schlug einen Becher mit Wein zur Seite und verschüttete die Flüssigkeit, sie gesellte sich zu dem gleichfarbenen Blut auf dem Boden. Stattdessen griff sie zu Wasser.

Sie ist klug. Wein würde sie schwächer machen, und das weiß sie. Wir werden hart kämpfen müssen. Marie sah ihr zu und hoffte, sie würde sie entdecken. Doch Ikaria sah nicht einmal zu der Abordnung der Nemesis. Ich wette, sie ignoriert uns bewusst.

Der Amphitere betrat erneut den Ring. „Wieder einer, der der ungeschlagenen Königin des Rings, Ikaria aus dem Gefolge von Brego dem Stier nicht trotzen konnte! Wer will der nächste sein? Wer will sich zwei Kreuzer verdienen? Wer..."

Marie unterbrach ihn. „Ich werde sie besiegen!", schrie sie, die Wölfin legte einen gurgelnden Blutdurst in ihre Stimme. Heulend wandte sich die Menge zu ihr um.

Lilyah fuhr zu ihr herum und packte ihre Hand. „Marie, nein! Du wirst verlieren!"

Marie sah ihr in die Augen und nahm sanft ihre Hand. „Nein. Ich werde gewinnen. Weißt du nicht mehr, was ich kann?" Sie wusste kaum, ob sie es war, die sprach, oder die Wölfin. „Ich bin eine Schwester des Lykaon. Ich bin eine Weiße Hexenmeisterin. Niemand kann gegen mich siegen."

In Lilyahs Augen schimmerten Tränen. Hastig sah sie zu Ikaria, die ihre Waffen kreisen ließ und nicht einen Funken Erschöpfung zeigte. „Ich kann dich nicht davon abhalten, selbst wenn ich es dir befehle, oder?"

Marie lächelte. „Nein. Sie hat die Bruderschaft beleidigt und sie wollte mich einem Haufen rachsüchtiger Männer vorwerfen, die mich vergewaltigt hätten. Dafür wird sie gebührend bezahlen. Denn ich werde gewinnen. Für dich, wenn du willst."

Lilyah hatte die Augen niedergeschlagen. Als sie wieder aufblickte, waren die Tränen verschwunden. „Gewinn für mich, Marie."

Für einen Moment überlegte Marie, ob sie Lilyah küssen sollte. Nur, falls ich doch verliere. Doch der Zeremonienmeister riss sie aus ihren Überlegungen.

„Eine Maid aus dem Gefolge unserer edlen und großen Herrscherin, der Nemesis der Racheinseln! Verrate uns deinen Namen, Schönheit!"

Marie drängte sich aus der Menge der Soldaten und ließ sich von ihnen in die Arena heben. „Mein Name ist Marie de Tracy!", brüllte sie, um die Menge zu übertönen. „Und ich komme, weil ich, und nur ich, für ihren", sie wies auf Ikaria, „Tod verantwortlich sein will!"

Am Rand sah sie Brego, der sie berechnend beobachtete. Ein Helfer flüsterte ihm etwas ins Ohr, und er antwortete. Sicher verhandeln sie, auf wen sie wetten sollen.

Hoffentlich auf uns. Denn wir werden dieses Geflügel zurück ins Licht befördern, wo es herkommt!

Ikaria starrte sie an und umklammerte ihre Waffen stärker. „Du solltest tot sein, du verfluchte Wolfshure! Und das wirst du sein, am Ende dieses Kampfes! Niemand, auch nicht deine vom Licht verfluchte Nemesis, wird mich davon abhalten, dich zu töten!"

Der Amphitere übertönte Maries Antwort mit seiner Ansage, doch sie war sich sicher, dass Ikaria sie hören konnte. „Ich habe nicht ein Bordell, einen Arenakampf und die Mannschaften zweier Schiffe überlebt, um unter deinen Waffen zu sterben, Ikaria! Stattdessen wirst du durch die Zähne deines Erzfeindes sterben. Durch die Wölfe, die du so lange bekämpft hast. Wie... enttäuschend für die Rebellen."

Marie hatte gehofft, sich vor dem Kampf aus ihrem Kleid befreien zu können, um es nicht zu zerfetzen. Doch diese Hoffnung zerriss ebenso wie die dünne violette Seide, als Ikaria sie ohne zu zögern angriff und sie sich fallen ließ.

Knurrend duckte die goldene Wölfin sich unter den Messern weg, als die Horuskriegerin sich auf sie stürzte. Lila Fetzen flatterten über die rotbraunen Planken, zusammen mit den struppigen Federn des Amphiteren. Sie wich einem zweiten unkontrollierten, wütenden Angriff aus und schnappte nach Ikarias ungeschützten Beinen. Doch sie ahnte, was Marie vorhatte, und trat nach ihr. Ihre krallenbewehrten Zehen trafen sie an der Seite, doch fuhren nur durch ihr Fell. Marie spürte ihren Luftzug an der Haut. Ein Hieb mit dem Messer, und Maries Haut an ihrem Nacken begann zu brennen. Blut rann durch ihr Fell.

Sie ist wesentlich besser als das Kriegerpferd, das ich besiegte. Es wird schwer. Argwöhnischer schlich sie um Ikaria herum, die sich vorsichtig mit ihr mitdrehte. Sie wird sich keinen Fehler erlauben, so viel ist sicher. Ihre Gegnerin zischte etwas, doch Marie hörte es kaum, verschwunden unter dem Grollen der Menge im Hintergrund, das wortlose Ermutigungen brüllte.

Sie machte einen Satz auf Ikaria zu, die nicht auswich, sondern angriff. Ein Messer fuhr vor und zog eine blutige Linie durch das goldene Fell, dem zweiten wich Marie aus, doch wieder fühlte sie den Luftzug an ihrem Kopf. Doch diesmal wandte sie sich flink um und vergrub ihre Zähne in ihrem Handgelenk. Ikaria schrie auf, als Marie einen Sprung nach hinten machte und holte mit dem anderen Messer aus, und Marie musste sie loslassen. Die Klinge fuhr ins Nichts, schnitt nichts entzwei außer die stickige Luft.

Marie nutzte den kurzen Moment des Ungleichgewichts und stürzte sich auf Ikaria. Sie erwischte einen Flügel und riss daran. Ikaria stürzte zu Boden, stützte sich mit ihrer verletzten Hand ab und heulte auf. Doch sie knickte nicht ein. Das Brüllen der Menge wurde lauter.

So viele, die um ihr karges Gold fürchten. Marie warf sich erneut auf die Horuskriegerin und schnappte nach ihrer Kehle, doch Ikaria war auf der Hut und schlug sie mit dem Messer beiseite. Ein blitzartiger Schmerz fuhr durch ihre Schulter, und sie entdeckte den tiefen Schnitt, den die Klinge hinterlassen hatte. Mit jeder Bewegung floss mehr Blut aus der Wunde, ebenso wurde der Schmerz stärker.

Sie schlitterte über die Planken und stieß hart gegen die Wand, eine rote Spur auf dem Holz hinterlassend. Die wenigen Sekunden, die sie brauchte, um wieder aufzustehen, nutzte Ikaria ebenfalls. Mit einem energischen Flügelschlag, wie zur Unterstützung, war sie wieder auf den Beinen und hielt die Messer kampfbereit vor sich.

Marie belastete vorsichtig ihr Bein, und ihre verletzte Schulter protestierte. Mehr Blut lief über ihr Fell über ihr Bein, und erreichte ihren Pfoten. Ich muss es bald beenden. Keine Spielchen mehr. Ich verliere viel Blut, und das kann mich ebenso töten wie ihre Messer.

Wieder umkreisten sie sich, diesmal vorsichtiger, als wären sie sich nun sicher über die Fähigkeiten der anderen. Doch Marie wusste, dass Ikaria mehr konnte, als sie zeigte, und sie war sich sicher, dass Ikaria genauso über sie dachte. Abwartend fletschte sie die Zähne zu einem herausfordernden Knurren. Ihre Gegnerin ließ eines ihrer Messer wirbeln und bedachte sie mit einem berechnenden Blick.

Marie löste sich als erste. Sie schnellte auf Ikaria zu und versenkte ihre Zähne in ihrer Schulter. Ikaria kreischte auf und stach nach ihr. Noch bevor Marie sich von ihr lösen konnte, traf das Messer sie am Rücken und riss Haut und Fell mit.

Der Schmerz explodierte, und Marie fiel heulend und knurrend auf die Planken. Mein Fell muss mittlerweile aussehen wie ihre Federn. Gold und Rot ist Kupfer. Ikarias Federn schimmerten am Hals feucht rötlich, doch sie stand immer noch kampfbereit auf den Füßen.

Das schaffe ich nicht. Ich werde sie nicht besiegen können, dafür ist sie zu gut. Nicht in einem körperlichen Kampf. Aber... Sie wusste, dass es nicht erlaubt war, als Hexenmeister in der Arena anzutreten. Brego hatte es ihr einst erklärt, und wenn jemand herausgefunden hätte, dass sie die Macht eines Weißen Hexenmeisters hatte, hätte sie niemals gegen Ikaria antreten dürfen. Doch das kümmerte sie nicht. Wer würde ihr etwas antun? Sie stand unter dem Schutz dem Nemesis. Marie konzentrierte sich und tastete nach dem Bewusstsein der kupferfarbenen Kriegerin. Die Geräusche der Arena wurden leiser und verschwammen zu einem fernen Rauschen. Es war schwer, als Wölfin in den Geist anderer einzudringen. Es war, als würde das Chaos des wölfischen Denkens sie von der kalten Macht des Hexenmeisters abhalten. Doch schließlich gelang es ihr. Goldener Sand umfing sie, gleißende Hitze und Helligkeit wärmten ihr Fell.

Das Meer aus Sand schien zu vibrieren. Ein roter Sandsturm dräute am Horizont, und Marie erkannte Ikarias Verkörperung des Schmerzes. Sie erkannte sich selbst, ein beinahe weißer Haufen aus Staub, der sich zähnefletschend aus dem Sand erhob. Es war leise wie in einem Grab, wie in meinem Grab, dachte Marie in einem Anflug von Grauen, nur das leise Summen der Körner waren zu hören. Das Tosen der Menge war stumm, nicht einmal ein fernes Rauschen in der Ferne.

Marie huschte durch die Dünen, schlich an den aufragenden, goldenen Klingen vorbei, ohne eine einzige Spur zu hinterlassen. Leise schlich sie eine Düne hinauf, und beobachtete den Sandsturm in der Ferne. Für eine Sekunde griff sie nach ihrer eigenen Macht, spürte den Sturm der Wölfin und die bebende Aufregung ihrer selbst, dann rannte sie los, bäumte sich auf und sprang.

Als sie landete, hatte sich ihr Fell rot verfärbt. Wie ein Strom aus dickflüssigem dunkelroten Blut floss ihre Macht aus ihren Krallen, dort, wo sie Ikarias goldenes Bewusstsein berührte. Träge schlängelte sich die rote Essenz über den Sand und bedeckte ihn, bis alles rot leuchtete statt golden. Nicht kupferfarben, sondern wie ertrunken in Blut.

Die Kreaturen, die der Sand gebildet hatte, fielen in sich zusammen. Das Grollen des Sturms verhallte. Der wirbelnde Sand erstarrte in der Bewegung. Das Wispern der Körner verstummte. Der leichte Wind, den der Sandsturm gebracht hatte, legte sich. Es war still, so still, dass Marie ihr eigenes Blut hören konnte, wie es in ihren Ohren pumpte.

Marie hob eine Pranke und ließ sie langsam auf das Meer aus Blut hinabsinken.

Mit einem Kreischen zersplitterte die Oberfläche, wie ein zerbrochener Spiegel. Rotschwarze Splitter flogen in alle Richtungen, bildeten einen heißen Sturm aus roten, scharfkantigen Felsen, wie in Mathocains Geist, und goldenem Sand, der um Marie herum toste.

Als sie sich zurückzog, als die Hitze aus ihrem Fell verschwand und das Donnern des Sturms vom Gebrüll der Menge abgelöst wurde, sah sie, dass Ikaria auf den Knien war, erstarrt und gespannt wie eine Feder. Blut lief ihr aus der Nase und aus dem Mund, und sie starrte anklagend zu Marie, während das Leben aus ihr wich. Die Messer lagen vergessen neben ihr.

Marie zögerte nicht. Mit einem einzigen Sprung jagte sie auf Ikaria zu und riss ihr die Kehle heraus.



Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top