61. Gold
Statues and empires are all at your hands
Water to wine and the finest of sands
When all that you have's turnin' stale and it's cold
Oh, you no longer feel when your heart's turned to gold
- Imagine Dragons, Gold
Sand. Ein strömendes, wogendes Meer aus purem, goldenen Sand. Die Sonne ließ ihn glänzen wie tausende, Millionen gelbe Diamanten. Der Wüstenwind ließ die Körner flüsternd aneinander reiben. Kreaturen mit schwarzen Schakalköpfen tauchten darin auf, blau schimmernde Flecken, die alles Licht in sich hineinzusaugen schienen, und geflügelten Männern und Frauen mit den Köpfen edler Raubvögel erhoben sich in Kaskaden goldenem Staubs aus dem endlosen, trockenen See. Eine alte Frau, deren Schnabel vom Wüstenwind verweht wurde, flüsterte etwas über Familie und Erbe. Glänzende Klingen, wie Dolche aus purem Gold und Kupfer, ragten aus den Weiten.
Plötzlich wellte der Sand sich, verfärbte sich dunkelgrau und eine Horde Wölfe erhob sich aus ihm, eine einzige Masse aus schwarzen und grauen Granitkörnern, wie Stahl gegen das Gold. Die Schnauzen zu wortlosem Heulen verzerrt, stoben sie durch den Staub, bis sie wieder schlagartig darin versanken. Ein letztes goldenes Kräuseln, und sie waren verschwunden.
Maries Pfoten hinterließen keinen Abdruck auf dem Sand. Wie ein Schatten huschte sie vorbei an den Klingen aus Gold, heiß wie pures Feuer, und duckte sich unter geisterhaft keuchenden Kriegern mit Krummschwertern weg, die ganz und gar aus goldenem Sand bestanden. Ein Skorpionseinhorn aus wehenden schwarzgrauen Körnern brach aus dem Boden heraus, sein Schrei wisperte an ihrem Ohr, als sie aus dem Weg sprang.
Auf einer Anhöhe blieb sie stehen, die Hitze ließ sie wohlig schaudern. Die Erinnerungen fuhren über das goldene Meer wie Wellen, peitschten auf und legten sich wieder. Marie sah Wölfe, sterbende, tote, tötende, tobende Wölfe, Klippen aus rotgoldenen Waffen, kämpfende Menschen und Krieger, die sich gegen unsichtbare Gegner zur Wehr setzten und zu plötzlich zu blitzenden Diamantfontänen zerstoben.
Sie konzentrierte sich und beobachtete ihr Umfeld genauer, suchte nach vertrauen Gesichtern und Orten, die sie kannte.
Zu ihrer Überraschung fand sie eines. Einen golden schimmernden Mann, breitschultrig und muskulös, mit einem Nacken wie ein Stier. Der sanfte Wüstenwind trug seine Stimme zu ihnen, sanft und wunderschön, strich über ihr Fell wie die Lilyahs Finger, ein Flüstern voller Gewalt und Blut und Tod verpackt in schimmernden, seidenweichen Sand.
Brego.
Neugierig lief sie näher heran, um zu sehen, ob seine Stimme näher vielleicht lauter war, doch sein sanftes Flüstern war immer noch nicht mehr als ein Raunen, als würde der Wind mit dem Sand Worte in seinen Mund formen. Doch sie erkannte die Worte, etwas über eine Arena, die Stadt Auf Dem Meer, Kämpfe bis zum Tod, ein Spiel des Todes, des Todes Tanz... Schwarzer Sand flutete um ihre Pfoten, als Brego mitsamt seinen Worten zu Staub zerfiel, langsam aber beständig, als fräße der leichte Wind ihn auf. Seine Stimme verebbte.
Sie atmete ein und aus. Der Sand schmeckte nach Hitze und Temperament und Stolz, und Marie spürte ihr eigenes Herz beschleunigen, als sie ihre Krallen in den Sand bohrte und an ihre eigenen Rachepläne dachte. Doch keine wirkliche Erlösung kam von ihrem Atemzug, nur eine flüchtige Befriedigung.
Sie holte ein zweites Mal Luft, ein drittes Mal, ein viertes. Beim fünften spürte sie, wie sich ihre Schultern unter ihrem dünnen Seidenkleid hoben, und wie die Luft, die nach Weihrauch und Kälte roch, über ihre Kehle kratzte. Sie fühlte das dünne Kissen unter sich und nahe die abweisende Kälte des Marmorbodens. Sie hörte Mathocains konzentrierte Atemzüge und die fernen Schritte einer Wache.
Als sie die Augen aufschlug, zerstob das Sandmeer vor ihren Augen. Innerhalb eines Moments war es verschwunden, und sie saß ihrem Mentor gegenüber in der Festung der Nemesis. Das Licht der Kerzen stach in ihren Augen, obwohl sie noch vor Sekunden in der gleißenden Helligkeit der goldenen Wüste gestanden war.
Mathocain beobachtete sie aufmerksam. „Wo warst du?"
Als Marie antwortete, hatte sie das Gefühl, ihre Stimme wäre um mehrere Töne tiefer als ihre normale. Sie klang voller, sinnlicher. Wie mein Bruder, bevor er sich verwandelte. Da klang er auch finsterer. Aggressiver. Ihre eigene Stimme erinnerte sie an Nayrakka. „In der Stadt Auf Dem Meer. Nahe dem Ort, wo Nayrakka mich fand. Wo Ihr mich fandet."
„Bregos Arena. Oder die Arena von Bregos Vorgesetzten, den noch nie jemand zu Gesicht bekam." Mathocain kannte den Ort. „Du bist weit gekommen. Ich habe nicht geglaubt, dass du es auf Anhieb schaffst, bis nach Port Vengeance zu kommen."
„Genau dort. Ich habe Brego gesehen." Marie dachte an die Stimme des Mannes, den man den Minotaurus ohne Hörner nannte, und schauderte wohlig.
„Woher kanntest du die Person, in deren Geist du gesprungen bist?", wollte Mathocain fasziniert wissen.
Die Wölfin knurrte unter ihrer Haut, als Marie an den goldenen Sand dachte, an Augen der gleichen Farbe und an kupferne Federn mit schwarzen Flügelspitzen. „Ich traf sie auf der Überfahrt nach Punto Alegre. Sie war der Bruderschaft nicht wohl gesinnt und hätte mich beinahe ans Messer geliefert." Als ich den Wolf zum ersten Mal nutzte.
Die Wölfin drängte sich gegen ihren Geist, sanft und warm wie Samt. Ein beruhigendes Beben ging von ihr aus, zusammen mit einem blutdurstigen Unterton, der Nachgeschmack von goldenem Sand.
„Wie ist der Name der Person?" Mathocain beobachtete sie.
Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein verächtliches und bedrohliches Wolfslächeln auf ihre Lippen stahl. „Ikaria. Ihr Name ist Ikaria." Und ich werde ihr Tod sein.
Mathocain nickte. „Ikaria. Eine Kriegerin, nehme ich an?"
„Eine Horus. Sie war bei den Selketien und trat später den Rebellen gegen die Bruderschaft bei." Die Wölfin rührte sich, voll glühendem Hass.
Mathocain nickte abwesend. Teilnahmslos blickte er auf die Kerzen, und Marie erkannte, dass ihn wieder einmal der Schmerz überfiel. Sie dachte an roten Nebel und blutig schimmernde, schwebende, stählerne Klingen, und an alles zerreißenden Schmerz.
Mitleid überfiel sie. „Kann... ich Euch helfen?"
Er lächelte gequält. „Nein, Marie. Du kannst gehen. Unsere Übungen sind für heute beendet. Du hast dich gut geschlagen. Sei stolz auf dich."
Marie schwebte ob dieses Kompliments. Trotzdem überkam sie der leise Stich des Gewissens, als sie sich an ihren Plan erinnerte. Er wird alles, was er jemals zu mir gesagt hat, bereuen. Sobald ich ihn im Stich lasse. Seinem Tod überlasse, ohne Nachfolger. Energisch schob sie die Gedanken beiseite. Sie wusste, wo Ikaria war. Sie hatte der Horuskriegerin viel zu verdanken, ohne sie hätte sie nicht so schnell zu der Wölfin gefunden, und doch... Der Rachedurst für die Momente der Todesangst im Schiffsbauch der Wildfires überwog. Und ein winziger Teil in ihr dürstete nach Blut, selbst wenn sie es sich nicht eingestehen wollte. Sie vermisste das Töten. Es kam ihr krank vor, und trotzdem war sie etwas stolz darauf. Ich bin eine wahre Schwester des Lykaon.
Energisch erhob sie sich und verneigte sich vor Mathocain. Dann drehte sie sich um und huschte auf ihren seidenen Pantoffeln über die kalten Fußböden in die Richtung ihrer Gemächer. Selbst wenn sie alles zu den Privatgemächern der Nemesis zog, erinnerte sie sich bisweilen daran, dass sie jemandem anders verpflichtet war.
Ihre Vorsätze wurden durch Lilyah zerstört, als sie ihren Namen rief. Hell flüsterte das Wort durch den Korridor.
Marie wirbelte in einem Sturm aus Seide herum und entdeckte die vertraute Dämonenmaske hinter einer Ecke. Sie hatte Lilyah seit ihrer ersten Übernachtung in den Gemächern der Nemesis oft ohne ihre Maske gesehen. Nach dem ersten Abend waren viele andere gefolgt, und nun war Marie das Gesicht der Gestaltwandlerin so vertraut wie ihr eigenes. Sofort verflogen ihre Gedanken, und ihre glückliche Überraschung blieb. „Lilyah! Was machst du hier?"
Sie schwebte auf sie zu. „Mir war langweilig. Ich hatte beschlossen, dich zu suchen. Was machst du?"
„Ich war bei Mathocain. Übungen. Ich musste in eine Person in der Stadt springen."
Lilyah riss die Augen hinter der Maske auf. „Hast du es geschafft?"
Marie nickte stolz. „Ja. Eine Feindin der Bruderschaft. Ich habe sie einmal auf einem Schiff getroffen, wo sie mich fast umgebracht hat. Jetzt kämpft sie in einer von Bregos Arenen, wo Nayrakka mich damals fand." Damals, das war mehrere Monate vorüber.
Lilyah neigte den Kopf und Marie konnte sich ihren aufgeregten Gesichtsausdruck vorstellen, als sie sagte: „Gehen wir nach dort unten, und sehen uns die Stadt an! Und deine Feindin der Bruderschaft."
Marie zögerte, selbst wenn die Wölfin schrie vor Rachedurst. „Bist du dir sicher, dass es dir erlaubt ist? Ist es nicht zu gefährlich?"
Die Nemesis schüttelte den Kopf, die Perlen an ihren Haarnadeln klimperten. „Nein. Nayrakka wird mit uns kommen. Sie wird uns sicher dorthin bringen, und sicher auch wieder hierher. Ein paar meiner Soldaten ebenfalls."
Plötzlich floss schwarzer Schleim von der Decke, löste sich aus den Rillen der Fliesen und formte Nayrakkas Körper. Knackend lösten sich ihre Flügel aus der glänzenden Masse. „Mylady. Miss de Tracy." Die weiße Farbe in ihrem dunkelhäutigen Gesicht wirkte im Kerzenlicht geisterhaft.
„Nayrakka, suche mir eine Gruppe meiner Soldaten zusammen und lasst meine Barke bereitmachen. Wir fahren nach Port Vengeance", befahl Lilyah aufgeregt.
Die Fahrt erinnerte Marie an ihre Ankunft an der Festung. Über ihr verschwand der glühende Palast im Nebel der Nacht, während sich unter ihr, im Abgrund der Schlucht, der chaotischen Moloch aus Holz und Steinen erschien, der Port Vengeance war. Lautlos schwebte die prachtvoll mit roten, schwarzen und goldenen Verzierungen geschmückte Barke auf die vereinzelten flackernden Lichter unter ihnen zu. Lilyah und Marie drückten sich auf der Bank unter dem Baldachin in die schweren pelzbesetzten Decken, um sich gegen den kalten Seewind zu schützen, der am Himmel noch stärker wehte als in den geschützten Innenhöfen der Festung. Die Wachen standen gleichmütig am Bug, die Stoffstreifen an ihren Rüstungen flatterten. Sie flüsterten leise miteinander, ihre Waffen klirrten. Nayrakka stand am Heck und überblickte sie alle, der schwarze Schleim ihrer Dämonengestalt umfloss das Heck wie das tintenschwarze Wasser weit unter ihnen.
Die Stadt Auf Dem Meer war genau so, wie Marie sie in Erinnerung behalten hatte. Überall waren Menschen und Krieger, heruntergekommen und in mühsam auf Hochglanz gebrachten Rüstungen, aggressiv und zermürbt, überschwänglich und lethargisch. Doch selbst die betrunkenen Söldner und die zwielichtigen Kehlenschneider in den ausgeweideten Schiffsbäuchen wichen zurück vor den Hellebarden und rotschwarzen Rüstungen und Masken der Soldaten, als die Nemesis ihre Barke verließ und den ersten Fuß auf die schwarz geteerten Holzplanken der Stege setzte. Flüsternd, wie der Sand in Ikarias Geist, verbreitete sich die Nachricht, dass die Herrscherin über sie alle, die, die ihnen erlaubte, auf ihrem Grund so zu leben, wie es ihnen gefiel, sich zu ihnen hinab auf den Boden begeben hatte. Es gab keinen Jubel, nur andächtige, ehrfürchtige Stille, über die sich ein Raunen erhob, wie das Summen des Windes in der Takelage der toten Schiffe um sie herum. Jemand schrie etwas Betrunkenes, Anzügliches, und wurde mitten im Satz durch ein Messer zum Schweigen gebracht. Das Gurgeln des Blutes in seiner Kehle vermischte sich mit dem Gluckern des Wassers um das Holz der Schiffe. Irgendwo hatte jemand noch nicht ganz begriffen, was vor sich ging, und spielte eine Melodie auf einer Geige, mit langen, beinahe furchtsamen Tönen. Die ganze Stadt schien den Atem anzuhalten. Niemand rührte sich, bis die Nemesis mit Marie, umringt von ihren Wachen, flankiert von ihrer Schwarzen Hexenmeisterin, aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
Marie schauderte. Der Lärm der Stadt hatte sie eingeschüchtert, als sie Port Vengeance zum ersten Mal gesehen hatte, doch die Stille war unheimlich. Wie eine Stadt der Toten. Spiel des Todes, des Todes Tanz, erinnerte sich Marie an die Melodie von Bregos Stimme. Nie hätte sie gedacht, dass die Nemesis in ihrem Herrschaftsgebiet eine so große Wirkung hatte.
Zielsicher führten die Wachen sie zu Bregos Arena. Als sie das ausgehöhlte Schiff betraten, schlugen das Gebrüll und die stinkende Luft über ihnen zusammen. Doch es dauerte keine Sekunde, als die Menschen und Krieger sahen, wer ihre Hallen betreten hatte. Der Lärm verstummte so abrupt, als hätte jemand einem Schreienden die Kehle durchgeschnitten. Alle starrten sie an, mit glasigen Augen, als erwachten sie aus ihrem betrunkenen, aufgepeitschten Traum von Blut und Tod.
Marie vermisste das Geschrei beinahe. Die Stille wirkte so unwirklich in diesem Ort des Todes. In einem Schlachthaus ist der Lärm so gewöhnlich, dass seine Abwesenheit bedrohlicher ist als seine Anwesenheit. Sofort spürte Marie, wie der Schweiß ihr den Rücken hinunterlief und ihr edles Kleid durchnässte. Schmerzhaft fühlte sie sich an ihren Kampf hier erinnert, als sie das Kriegerpferd besiegt hatte. Die Narben seines Schwerts trug sie immer noch, doch es waren nur ein paar mehr auf ihrem nun geschundenen Körper. So viele Erinnerungen an die grausamen Dinge, die ihr widerfahren waren, seit sie Crusadia verlassen hatte. Sie strich über die weißen Spuren der Ketten aus Mauras Schiff an ihren Handgelenken. Ich werde nicht zulassen, dass mir noch mehr geschieht. Die Dinge, die das Schwert des Kriegerpferdes mir angetan haben, werden die letzten sein, die meinen Körper verletzt haben. Jetzt verfüge ich über die Macht des Geistes. Und meine Macht wird wachsen. Die Kraft von zweien, vereint in einem... Die Wölfin regte sich knurrend.
Kaum hatte sie diesen Gedanken gehabt, merkte sie, dass sie sich niemals nur auf ihre geistigen Fähigkeiten verlassen würde. Zu sehr mochte sie das Kämpfen und Töten als Körper. Das Zusammenspiel von Instinkt und Zähnen, die Gedanken verschwunden unter dem Blutdurst. Wie bei ihrem Kampf mit dem Kriegerpferd... Das Gefühl des selbstverständlichen Triumphs, nachdem er unter ihren Fängen gestorben war... Es war nichts, was sie aufgeben wollte. Wie wunderbar mein Kampf werden wird. So viele Bedürfnisse, Rache, Blutdurst, alle gestillt.
Zufrieden und stolz tastete sie nach dem Bewusstsein der Wölfin und erhaschte einen Hauch von Fell, der sich warm und dunkel an sie schmiegte. Schwarzer Samt legte sich beruhigend und doch erregend um sie, und mit bebenden Nerven sah sie zu den Kämpfern in der Arena.
Der eine war ein Hybrid, mit den häufigen Entstellungen, die die Dunkelflügel, grässliche, gewalttätige Mischlinge aus Dracon und Kriegerpferd, mit sich trugen. Seine Haut war ein entsetzlicher, schuppiger Flickenteppich aus lockerem Fell und grober Haut. Seine Flügel waren rissig und blutverschmiert, sie hingen an seinem Rücken wie ein grausiger, lebendiger, sich regender Mantel. Sein Gesicht schien zur Hälfte Pferd und zur Hälfte Drache. Dort, wo sie verschmolzen, wuchsen bucklige Hörner aus einer blutigen Kruste, die Marie an Mathocains Rücken erinnerten. Er humpelte, doch war trotzdem flink, während er um seine Gegnerin herumtänzelte, das gezackte Schwert abwartend in den Händen
Sie war genau so, wie Marie sie in Erinnerung hatte. Kupferfarbenes Gefieder, das an ihren Flügelspitzen schwarz wurde, als hätte man sie angebrannt. Augen, golden wie zwei Kreuzer, stechend wie die Klingen in ihrem Geist. Sie trug zwei lange, schmale Messer in ihren Händen, die Marie schon oft bei Horun gesehen hatte. Das Blut daran verriet, dass die Handhabung ihr nicht fremd war.
Als die Menge verstummte, machte der Dunkelflügel einen Fehler. Abgelenkt wandte er seinen Blick der Nemesis und ihrem Gefolge zu.
Ikaria zögerte nicht. Die Messer fest in der Hand, stürzte sie auf ihren Gegner zu und rammte sie ihnen zeitgleich in den Hals. Der Dunkelflügel schnappte hörbar nach Luft, ein feuchtes, keuchendes Geräusch, das plötzlich verstummte, als sie eines der Messer bis zum Heft in der Brust des Hybriden versenkte. Mit einem dumpfen Laut fiel er zu Boden, als sie ihre Waffen an sich nahm. Sein Blut versickerte in den verschmierten Planken zu ihren Füßen. Ikaria ließ sich neben ihrem Opfer auf ein Knie nieder und senkte demütig den Blick.
Marie sah, wie die Nemesis neben ihr ihren Blick über die Szene gleiten ließ, an dem Toten auf dem Boden hängen blieb und an Ikaria neben ihr, an der zerrissenen Flagge Abisyalas, der schwarze Greif auf Gold, die sich ein Anubiskrieger um die Schultern geschlungen hatte, und schließlich an Brego, der vor ihnen stehen blieb und sich ehrfürchtig verneigte.
„Eure Majestät. Ihr ehrt uns mit Eurer Anwesenheit." Mit einer unwirschen Geste gab er ein paar Befehle an seine Gefolgsmänner, die begannen, einen Platz in der Menge für die Nemesis freizumachen. „Ich nehme an, Ihr seid interessiert an einem Kauf für die Sammlungen, die Euer Vater begann?" Seine Stimme trieb Marie die Gänsehaut auf die Arme.
Lilyah schüttelte den Kopf, die Perlenschnüre an ihren Haarnadeln klimperten. „Nein, Master. Ich bin hier, weil ich eine Feindin der Bruderschaft sehen wollte. Und ihre Fertigkeiten im Kampf gegen Eure Männer."
Brego lächelte huldvoll. „Eine Feindin der Bruderschaft, sagtet Ihr?" Er sah an Lilyah vorbei und entdeckte Marie hinter ihr. „Meine tödliche Schönheit. Es ist eine Schande, dass die Nemesis nach Euch verlangte... Ich hätte ein Vermögen für Euch bekommen. Über zwanzig Kreuzer wollte mir der Herr von Sarveilla für Euch geben." Er betrachtete sie mit dem prüfenden Blick eines Sklaventreibers, doch seine übliche bedrohliche Aura verschwand hinter dem Gefühl der Sicherheit, den die Nemesis und ihre Soldaten ausstrahlten. Trotzdem war seine Stimme weder heuchlerisch noch demütig. Eher zurückhaltend, sich der Macht der Nemesis bewusst. „Ist es eine Feindin von Euch, wenn ich fragen darf?"
Marie nickte. Seine Stimme strich wie das Fell der Wölfin über ihre Arme.
Ein Mann löste sich aus der Menge und flüsterte Brego etwas zu. Brego nickte. „Entschuldigt mich, ich werde gebraucht. Mein Gehilfe wird Euch einen Platz zuweisen, wenn Ihr es verlangt. Wir werden Euch Wein und Rum bringen lassen."
Der Mann winkte die Königin der Racheinseln und ihre Begleiter hinter sich her. Mit ein paar drohend gesenkten Hellebarden und bösen Worten schufen er und die Wachen einen freien Raum, den Lilyah, Marie und die Soldaten einnahmen. Die Wachmänner umringten sie, bildeten einen schützenden Kreis um sie. Eine Sphäre, in denen selbst das erneute Gebrüll der Menge leiser klang, als der Herold seine Ankündigung machte.
* * *
Ich habe letztens das Kapitel über das Attentat geschrieben... Es ist wunderbar geworden. Und nur noch 10 Kapitel, und ihr dürft es lesen!
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