58. Hölle aus Eis
Nobody can save you now
The king is down
It's do or die
Nobody can save you now
Nowhere safe
It's the battle cry
- Imagine Dragons, Battle Cry
Sie hatten alles versucht, doch Sergej Danarov war noch sturer, als er stolz war. Sie hatten freundlich abgelehnt, einen heimlichen Aufbruch erwogen, den Prinzen an die Gefahren erinnert und erwähnt, dass er das Weiße Fort doch sicherlich schon hunderte Male gesehen hatte, doch Sergej ließ sich nicht von seiner Idee abbringen.
„Du weißt, was wir vorhaben! Wir können ihn nicht mitnehmen!"
„Ravan, es ist sein Land, er darf tun, was er will. Und das schließt uns begleiten ein." Bastard lag resigniert auf dem Bett in dem kahlen Gemach, das der Zar ihnen zugewiesen hatte, während Ravan aufgebracht im Kreis lief.
„Was können wir denn jetzt machen? Wir können ihn nicht umbringen, weil uns sonst die ganze Armee von Isvangar an den Hacken klebt, und ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir danach im Weißen Fort ohne ein königliches Dekret sitzen. Wenn wir ohne ihn aufbrechen, jagt er uns hinterher, holt uns ein und massakriert uns. Umstimmen können wir ihn nicht. Was, bei allen Geistern, sollen wir tun?", zischte Ravan.
„Das, was wir am besten können", seufzte Bastard. „Einen halbgaren Plan entwerfen, ihn befolgen, warten, bis alles schief läuft, und dann improvisieren."
Ravan ließ sich schicksalsergeben in einen Stuhl fallen. „Aye, das wird es wohl sein."
Am nächsten Tag ritten sie los. Jeder bekam ein Frosteinhorn, den Kopf mit Ketten in eine senkrechte Position gezwungen, beladen mit Vorräten, einer Armbrust, warmer Kleidung und Pfeilen. Die Tiere waren aufgebracht und aggressiv, und Ravan war froh über die Handschuhe, die seine Hände nicht nur vor der Kälte, sondern auch vor den groben Lederzügeln schützten. Dazu hielten sie seine Haut von ihrem widerlichen, glatten, nach erfrorenen Leichen stinkenden Fell ab. Riechen konnte er sie trotzdem, selbst als er sich Felle und Schals um den Kopf wickelte, die ihrerseits nach verschwitztem Wolf rochen.
Mittlerweile war er sich sicher, dass er ein einziges, stinkendes Häufchen Dreck darstellte, und falls er hier, am Ende der Welt starb, wäre er nichts weiteres als ein solches mitten im Eis. Er stank nach Eiswolf, muffigem Fell, Einhorngeifer, ungewaschenem, mürrischem Lykaner nach mehreren Monaten auf See und nach Fisch, wegen dem Mantel von Sveracssons Schiff, den er nun über einem neuen Mantel trug, den er von dem Zaren bekommen hatte. Aber ich habe nicht vor, hier zu sterben. Ich habe eine Welt zu verändern.
Zusammen mit Bastard und acht Soldaten, angeführt von Sergej, verließen sie Svardens Ark und ritten in die Eiswüste hinein. Schon nach wenigen Stunden war der steinige, eisige Pfad, den die Wölfe eine große Straße nannten, hoffnungslos vom Wind verweht, und Ravan wunderte sich, woran Sergej, der vorneweg ritt, sich orientierte.
Svardens Ark wurde vom Schnee und Nebel verschluckt, und um sie herum toste der eisige Wind, fand seinen Weg durch Felle, Leder und Stoff, schloss Finger starr um steifgefrorene Zügel, und biss in die wenigen Flecken nackte Haut, die Ravan der Welt zeigte. Seine Wimpern gefroren, sein Augenbrauen waren verkrustet vom Eis, und er war sich sicher, dass sein Bart fest mit den Fellen vor seinem Gesicht verklebt war. Wie, bei allen Geistern, soll ich das durchhalten?
Vor ihm brüllte einer der Wölfe etwas, und Ravan sah zu Bastard, der erstaunlich wach aussah, dafür, dass sie seit Stunden im Sattel saßen. „Was hat er gesagt?", schrie er über den heulenden Wind hinweg.
„Dass wir ein verdammtes Glück mit dem Wetter haben!", antwortete Bastard.
„Soll das ein Witz sein?"
„Nein, das ist erst der Anfang!"
Sergej ließ sich zurückfallen und trabte um sie herum, die Einhörner bissen nacheinander und der Prinz ruckte an den Zügeln. Sein Einhorn machte einen Sprung. „Südländer!", rief er. „Sie denken, die Hölle ist aus Feuer. Sie ist aus Eis, und wir sind dort!" Lachend übernahm er wieder die Führung.
„Hurensohn", murmelte Ravan.
Sergej ließ sein Einhorn angaloppieren, die anderen folgten ihm. Mit donnernden Hufen preschten sie durch den Wind, Schnee und Eiskristalle scheuerten den beiden Werwölfen die Haut auf und ließ die langen Haare an den Hinterköpfen der Eiswölfe fliegen. Ravan ließ sich tragen, während das Einhorn unter ihm herflog. Die Welt verschwamm, ein Schlieren aus Weiß, hellem Weiß und eisigem Grau, schwarze Flecken in den Augenwinkeln.
Er wusste nicht, wie die Zeit verging. Sie hielten an, aßen und schliefen, und wenn Ravan von Bastard mit einem Tritt in die Seite geweckt wurde, stand er anstandslos auf, raffte seine Sachen zusammen und stieg wieder auf sein Einhorn. Selten sprach jemand ein Wort, sogar der sprunghafte Sergej wurde schweigsam.
Und der Wolf behielt recht mit seiner Vorhersage. Der Wind wurde stärker, blies aus mehreren Richtungen gleichzeitig und trieb auch die ersten Dämonen mit sich. Ein Soldat ritt hinaus in die Nacht und kam nicht zurück. Sergej entzündete Feuer und befahl, sie niemals erlöschen zu lassen. Nachts zwangen sie ihre Einhörner zum Hinlegen und gruppierten sie in einem Kreis. Die Wölfe drückten sich in ihren Windschatten und legten die Fackeln in ihre Mitte, während sich die Flammen im Sturm sträubten. Doch sie verloschen nicht. Ravan war sich sicher, dass die Wölfe irgendeine alchemische Zutat kannten, die Fackeln erschuf, die nächtelang brannten.
Ravan wusste nicht, wie viele Tage und Nächte vergangen waren, es war nur ein Unterschied zwischen hellem und dunklem Weiß. Doch eines Tages kam ihm eine Idee, wie er Komarov aus dem Gefängnis befreien konnte, und Sergej würde ihm helfen. Der Plan reifte, wurde ausgefeilter, und niemand der nunmehr acht Eiswölfe wusste, dass der Mann, der frierend mitten unter ihnen ritt, eine solche Gefahr für sie war.
Es wird schwer, und es wird gefährlich. Bastard geht ein Risiko ein, er muss gegen die Wachen kämpfen... während ich reden und rennen muss. Was ich am besten kann.
Er teilte dem Söldner seinen Plan mit, und er zuckte nur mit den Schultern. „Jeder nach seinen Stärken", zischte er über den Sturm hinweg. „Du spielst den klugen Hurensohn und ich den bewaffneten Wahnsinnigen. Erinnert mich an Imarad. Das hat wunderbar funktioniert damals. Warum also den Plan ändern?"
Trotz der Kälte eine sarkastische Antwort. „Es erinnert mich an unser gesamtes Leben, du Bastard."
„Du bist ein Arschloch, Darnovey."
„Und du ein Hurenbock, Yarrow."
„Aye."
Kurz starrten sie schweigend auf das wirbelnde Schneegestöber. Ein Einhorn zerfetzte die Stille mit einem schauerlichen Heulen, und Ravan schauderte, nicht nur wegen der Kälte. Es klang wie eine Lykanerin in Todesqualen, mit gebrochenen Knochen, die Zähne der Feinde an der Kehle. Ravan erinnerte sich an das Geräusch, das die junge Crusader von sich gegeben hatte, ein Vergeltungsschlag der Virrey gegen das Rudel der Cavendish, die Rache für einen Berenguar. Ravan war selbst dabei gewesen, er hatte die Hatz auf das Mädchen selbst angeführt. Es war so lange her, dass es ihm wie die Erinnerungen eines anderen vorkamen. Dennoch sehnte er sich nach der Jagd, bei der er der Jäger war, ungebunden an ein Schiff oder ein Reittier.
Plötzlich sagte Bastard: „Eiswölfe heulen nicht."
Aufgeschreckt aus seinen Gedanken zuckte Ravan zusammen. „Was?"
„Eiswölfe heulen nicht. Zumindest nicht wie die gewöhnlichen Wölfe, oder wie ein Fenris oder Lykaner. Es hört sich immer nur wie Geschrei an, vielleicht etwas tierischer als ein gewöhnlicher Mensch, aber trotzdem anders als das, was jemand wie du als Wolf oder ich bei Vollmond von uns geben."
Ravan zog die Augenbrauen hoch. „Woher weißt du das denn?"
„Als wir Komarov gejagt haben, mussten sie mich jeden Vollmond fesseln, damit ich sie nicht alle umbrachte. Am Tag darauf haben sie mir eröffnet, dass sie noch nie jemanden so schrecklich heulen haben hören. Sogar einer der Soldaten des Zaren, die uns bis zu Grenze nach Corvangar begleitet haben, war beinahe verstört. Ein anderer sagte, dass im Eis nur die Einhörner heulen."
„Eiswölfe heulen nie?"
„Vielleicht schreien sie vor Freude, Trauer, Zorn, was auch immer. Es mag sich auch anhören wie Geheul. Aber es klingt nicht halb so wölfisch wie das Geheul eines echten Wolfes. Oder eines Werwolfes."
Das... Ist interessant. Ich dachte immer, die Eiswölfe heulen so oft, wie wir sprechen. Sie sind doch weniger hündisch, als ich dachte. Eine Idee entstand in seinem Kopf, und er erklärte sie Bastard.
Der Söldner nickte. „Gutes Zeichen. Eindeutig und doch unauffällig."
„Aye. Wehe, du reagierst nicht darauf."
„Ich werde."
Ravan grunzte einen Fluch auf die ewige Kälte, die beiden stiegen wieder auf ihre Einhörner und setzten ihren Weg fort.
Rechts neben ihm zeichneten sich hohe Schatten im Schneenebel ab, links neben ihm lag die unendliche Leere. Ein Summen und Knirschen erfüllte die Luft, und er erkannte, dass nicht länger Schnee unter den Hufen seines Einhorns lag, sondern pures, blau schimmerndes Eis, mit Schlieren aus Schnee, die darüber rannen wie Wasser. Einer der Eiswölfe sagte etwas, und selbst über den Wind hörte Ravan die Ehrfurcht in seiner Stimme.
Er sah zu Bastard, der ihm die Übersetzung lieferte. „Wir sind bald da. Nicht mehr lange."
Es dauerte einen Moment, bis er die Worte richtig begriff. Wir sind bald da. Wir haben unser Ziel fast erreicht. Nicht mehr lange, und mein Plan darf Realität werden. Bastards Worte kamen ihm in den Sinn. Wir tun das, was wir am besten können. Einen halbgaren Plan entwerfen, ihn befolgen, warten, bis alles schief läuft, und dann improvisieren. Genau so wird es ablaufen.
Eine Aufregung ergriff ihn, und er griff nach dem Wolf. Er strich an den Grenzen seines Abgrundes entlang, spürte die Hitze, die er versprach, und fühlte das Fell über seine Haut fliegen. Das Eis in seinem Gesicht knackte, als sich die Knochen unter seiner Haut wölbten. Langsam bewegte er die Finger und spürte, wie er langsam wieder Gefühl in seine tauben Glieder bekam. Ich werde diesen elenden Killer befreien. Ich werde den König töten. Ich werde einen Krieg auslösen, der die Welt verändern wird. Und ich werde in Gold ertrinken, und als König über den Süden herrschen. Entschlossen richtete er sich im Sattel auf und rammte seinem Einhorn die Hacken in die Seiten. Es machte einen Satz nach vorne, und Ravan wiederholte seinen Befehl, bis es im vollen Galopp über den eisigen Boden preschte. Die Eiswölfe und Bastard musste sich nicht bitten lassen und folgten ihm auf dem Fuße.
Die Welt schrumpfte zusammen auf Hufe, Eis, heulendem Wind und tosenden Atem. Eines der Einhörner stieß ein grauenhaftes, jammerndes Heulen aus, einen Schrei voller Blutdurst, und die Berge erwiderten ihn geisterhaft. Doch aus der Nähe kam eine Antwort, ein Kreischen, höher und länger als das erste.
Dann sah er die Mauer.
Nie zuvor hatte er eine solche Mauer gesehen. Sie verschmolz mit dem eisig weißen Himmel, so hoch, dass das Ende nicht zu sehen war, als wäre sie ein Bollwerk aus Himmel, Eis und Stein. Er konnte Wachtürme in ihr erkennen, Erker und die schweren Waffen auf vorgelagerten Wehrgängen. Flaggen flatterten, der weiße Eiswolf auf Schwarz und ein weißes Banner mit roten, gekreuzten Ketten darauf. Es war eine Festung ohnegleichen, darauf bedacht, dass niemand hinein- oder hinauskam. Für einen Moment überkamen Ravan die Zweifel, ob es möglich war, jemanden aus dieser Bestie von Bauwerk zu befreien, doch er wusste, er würde es schaffen. Selbst, wenn es damit endet, dass wir improvisieren.
Er ließ sich zurückfallen, als zwei der Soldaten, die sie begleiteten, ihre Flaggen erhoben, der Eiswolf von Isvangar, mit einer Krone darüber. Über ihnen wurde ein Horn geblasen, ein zweites gesellte sich dazu, ein drittes folgte, bis die Festung dröhnend die Ankunft des Prinzen verkündete. Ein Einhorn stimmte ein, und Ravans antwortete.
Sie ritten bis an ein schweres Tor heran. Es schien komplett aus Stahl zu sein, Ravan erkannte nichts, was aus Holz bestand. Ein Klappe öffnete sich, Sergej trieb sein um sich beißendes Einhorn näher an das eisige Metall heran und reichte das Dekret seines Vaters weiter. Eine kurze Pause entstand, dann öffnete sich das Tor langsam, und sie betraten das Weiße Fort.
Es war ein gigantischer Kessel, umgeben von abweisenden Bergen und der Mauer, die von innen noch höher erschien als von außen. Am Fuße der Berge, wo die Ebene langsam in zerklüftete Felsen überging, waren hunderte Gefangene aufgereiht, die mit Spitzhacken große Brocken des schwarzen Gesteins aus dem Gebirge lösten. Manche wandten sich um, als die Männer das Fort betraten, und beäugten sie neugierig und skeptisch aus müden, verfrorenen Augen.
Um sie herum ritten Eiswölfe in schweren Mänteln aus Leder, alle bewaffnet mit den schweren, geraden Beilen, die Ravan schon in Imarad gesehen hatte. Einer der Soldaten unter Sergej hatte ihm holprig erklärt, dass die Waffen Bagatarn hießen. Einer der Wachen löste von seiner Position uns galoppierte auf die Neuankömmlinge zu.
Kurz bevor er sie erreicht hatte, sprang er ab und ging auf die Knie, sorgfältig darauf bedacht, seinem Einhorn nicht den Nacken zu entblößen. Hastig murmelte er eine Ehrenbezeugung.
Sergej nickte, bedeutete dem Mann, sich zu erheben und stellte ihm eine Frage. Der Wolf antwortete.
Ravan musste nur den Blick zu Bastard wenden, und er übersetzte. „Er heißt Ivan", seine mürrische Miene hellte sich auf, „und ich kenne ihn von früher. Damals war er nur ein gewöhnlicher Soldat. Offensichtlich hat er es zum Hauptmann gebracht. Hätte ich ihm nicht zugetraut. Zu viel Vodka, zu wenig Kompetenz."
„Ihr habt euch sicher prächtig verstanden."
„Hurensohn."
„Bastard."
„Aye, so nennt man mich."
Sergej unterbrach ihr Geplänkel. „Und, Master Darnovey, wird diese Festung den Geschichten von Bastard Yarrow gerecht?"
Ravan, der kaum ein Wort über das Weiße Fort erfahren hatte, außer, dass einem die Eier abfroren, wenn man sich länger als ein paar Minuten aufhielt, und dass die Mauer unnatürlich groß war, nickte dennoch ehrfürchtig. „Es ist unendlich größer als in meiner Vorstellungskraft. Ich glaube nun, das Euer Volk die Kraft und die Größe hat, eine Mauer wie die solche zu bauen", schwärmte er mit einer ausladenden Geste. Bei den Göttern, ich hasse diese Schleimerei. Wenn wie den Teil mit den Worten überspringen könnten, und er mich zu Komarov führen könnte...
Sergej wandte sich ab, voller Stolz. „Ivan, ich habe gehört, Ihr sprecht ebenfalls die Sprache des Südens. Meine Gäste sind aus dieser Gegend, würde es Euch etwas ausmachen, in ihrer Sprache zu sprechen?"
„Nein, ganz im Gegenteil, mein Prinz." Sein Akzent war rau wie die Steine um sie herum. Er hob den Blick und sah die beiden Männer an, und ein Grinsen breitete sich in seinem narbigen Gesicht aus. „Bei Unzar, Bastard Yarrow! Du bist alt geworden!"
„Und du fett." Bastard nahm die Zügel seines Einhorns auf.
Ivan sah an sich herab und kniff die Augen zusammen. „Höflicher warst du schon einmal. Ach, verflucht seist du und deine verdammten Freunde! Wie geht es Ulric und Garun? Und was ist mit Bruder lojad?"
„Habe sie seit ewigen Zeiten nicht gesehen. Aber, wäre es vielleicht möglich, diese leidige Unterhaltung innerhalb eines warmen Gebäudes fortzusetzen?"
Sergej warf einen vielsagenden Blick zu Ivan, der schlagartig in sich zusammensank und nickte. „Verzeiht, meine Freunde, mein Prinz, die alten Zeiten sind schrecklich, und immer fällt einem neuer Dreck ein, über den man plaudern kann. Folgt mir, bitte."
Sie führten die Einhörner ins Innere der Mauer, große, eiskalte Hallen, wo sie die Tiere an Ringen in der Wand anbanden. Sergej befahl seinen Männern, sich zu den anderen Soldaten zu gesellen, und winkte die Werwölfe zu sich. Nunmehr zu dritt, folgten sie Ivan in einen kleinen Raum. Ein Feuer brannte in einer Ecke und wärmte den Raum wenigstens etwas an. Die Wölfe rissen sich ihre Mäntel vom Leib, doch Ravan legte lediglich seine Schals und die Kapuze ab. Er fror immer noch.
Ivan brachte ihnen heiße Getränke, die definitiv nicht nur Tee waren, doch sie wärmten von innen heraus. Nach der zweiten Tasse wagte auch Ravan sich aus der Deckung seiner Kleidung. Sergej, Bastard und Ivan unterhielten sich angeregt über die Jagd auf Komarov.
Ravan unterbrach Bastard mitten im Satz. „Ich würde gerne mit Komarov sprechen."
Alle drei starrte ihn an, als hätte er vorgeschlagen, nackt auf einem Einhorn durch das Fort zu reiten. Selbst Bastard, der angemessen geschockt aussah.
Ravan regte sich, als würde er sich unwohl unter den stechenden Blicken der Eiswölfe fühlen. „Ihr erzählt viel über ihn. Jetzt habt ihr mein Interesse geweckt."
„Ihr könnt ihn Euch ansehen, wenn Ihr wollt", knurrte Ivan, plötzlich nicht mehr der freundliche Gastgeber, sondern der eiskalte Soldat. „Wofür braucht Ihr Komarov?"
„Ich will den Mann kennenlernen, der ein Land in die Knie zwingen konnte." Und ein weiteres in die Knie zwingen wird.
„Er hat meinen Sohn getötet!", zischte Ivan.
„Und neunzehn meiner Brüder."
Ravan fragte sich, ob der Vorwurf in Bastards Stimme echt war.
Sergej sah Ivan an und zischte ein paar Worte in der Sprach des Eisigen Nordens. Der Hauptmann senkte den Blick und knurrte etwas, dann rief er einen Namen.
Ein schlanker, graubrauner Eiswolf erschien in der Tür, und Ivan gab seine Befehle. Ravan verstand den Namen Komarov, sonst kein einziges Wort. Dann wandte sich der Hauptmann an ihn. „Baldr führt Euch zu ihm."
Ravan lächelte. „Vielen Dank." Er erhob sich und sah kurz zu Bastard, der einmal blinzelte. Warte auf das Zeichen.
Der Eiswolf führte ihn durch endlose Gänge, über eisige Treppen, vorbei an Schlafsälen sowohl für Gefangene als auch für Soldaten. Ravan wusste nach wenigen Abbiegungen nicht mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren, und hoffte, entweder Komarov oder Bastard wussten den Weg.
Schließlich endeten sie vor einer Stahltür. Der Wolf warf einen Blick durch eine Klappe, ähnlich der am Haupttor, und reichte Ravan eine Fackel. Kurz erklärte er ihm, mit einzelnen Worten in der Sprache des Südens, Gesten und Umschreibungen, wie er ihn wieder zu sich rufen konnte, und Ravan nickte höflich. Dich werde ich nicht brauchen.
Mit einem Gesichtsausdruck, den Ravan nur als eine Mischung aus Ehrfurcht, Angst und Hass beschreiben konnte, schloss er die Tür auf und wies hinein. Ravan trat in die Zelle, die Tür wurde geschlossen und Dunkelheit umfing ihn, nur erhellt durch die sich sträubende Fackel.
Für einen Moment war nichts zu hören, außer dem Wummern der Tür, dem Knistern des Feuers und seinem eigenen klopfenden Herzen.
Dann hörte er einen rasselnden Atemzug.
* * *
So, und jetzt wartet eine Woche.
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