53. Vorbei
Blessed are the days when life is intent and clear
No falter or doubt, I know the way
They are the days I hoped I had never stepped on this road
The spark I once had seems to have died
- Turisas, Stand up and Fight
„Captain, wir konnten sie nirgendwo finden, weder Fairwell und Miss Blackheart noch die verschwundenen Männer. Sollen wir sie zurücklassen, bevor die Stadtwache uns bemerkt?" Murdoch schielte über die Schiffe hinweg zur Leviathan, wo sich die ersten Soldaten sammelten.
Ich würde sie alle hier versauern lassen, alle von ihnen, aber nicht Roxane. „Nein. Sucht gründlicher." Er nickte und winkte seinen Suchtrupp zu sich. Morgaine wandte sich an Dalton. „Lass das Schiff bereitmachen. Sobald wir sie gefunden haben, segeln wir wieder nach Süden, als wäre die Meute des Geistes hinter uns her."
Der Bootsmann nickte und gab ihre Befehle an die Männer weiter, die sie erschöpft ausführten. Manche waren angetrunken, andere nur müde, doch alle waren wütend und verärgert über das frühe Ende ihrer Zeit mit Huren und Vodka.
Eine unzufriedene Crew führt zu einem toten Captain, dachte Morgaine beunruhigt. So lange, bis ich ihnen sage, wer wirklich dafür verantwortlich ist, dass sie jetzt im Schneeregen schuften müssen statt neben einer Frau zu liegen. Dann haben De Oro und seine Freunde ein wahres Problem.
„Captain?"
Sie wandte sich um. Murdoch trat auf sie zu und schleifte die keuchende Roxane hinter sich her. Sie war voller Dreck, doch sie schien unverletzt.
Morgaine fluchte und stürmte zu ihr. „Roxane, geht es dir gut? Hat dir jemand etwas angetan?"
Roxane schnappte nach Luft und hielt sich die Seite. „Nein, Morgaine, nein, alles in Ordnung", hustete sie. „Mir geht es gut. Aber..."
„Was?"
„Die beiden Joes. Pokey. Dibah, und noch ein paar andere. Sie wollten mich vergewaltigen, und jetzt wollen sie Fairwell töten. Er hat mich hierher geschickt, um dich zu warnen."
Morgaine packte Roxane hart an den Schultern. „Wo sind sie!?", brüllte sie.
Roxane zuckte zusammen. „In einer Gasse neben einem Gasthaus. Es liegt in der Innenstadt." Hastig beschrieb sie der Kapitänin den Weg.
Morgaine nickte, und fühlte die Aufregung und Wut in ihren Adern. Ich kriege meine Schuldigen. „Roxane, du gehst in meine Kajüte und schließt dich ein. Nein, keine Widerrede, du bleibst hier. Den Anblick werde ich dir nicht zumuten."
„Soll ich einfach auf dem Schiff bleiben und mich untätig um dich und Fair Johnny sorgen?", schrie Roxane. Tränen glitzerten in ihren Augen.
„Aye, genau das wirst du", fauchte Morgaine zurück. „Und jetzt geh, bevor ich dich hineinwerfe." Roxane wandte sich um und stolzierte davon. Innerlich war Morgaine stolz auf sie. Das Mädchen bekommt Mumm.
Sie winkte Murdoch und seine Männer zu sich. „Ich weiß, wo sie sind. Gehen wir. Vorwärts!"
Sie begegneten kaum jemandem auf dem Weg zur Taverne. Einmal rannten sie beinahe einen halb erfrorenen Bettler um, und ein Trupp Soldaten in den Uniformen der Nordmark auf dem Weg zum Hafen kam ihnen entgegen.
Morgaine fluchte leise. Sie haben es bemerkt. Wir müssen uns beeilen.
Schon von Weitem war die Stimme des Eisernen Joe zu hören. „Nun, Fairwell, bist du dir sicher, dass das Mädchen all das hier wert ist?"
Die Antwort war ein Stöhnen.
Eisenjoe schnaubte. „Wirklich? Oh, sie muss wahrhaftig gut sein. Wie schade, dass du und Pokey sie aus den Augen verloren habt."
Die Antwort des Steinernen Joe war ein mürrisches Knurren. „Sie war auf dem Weg zum Schiff. Der Captain hätte uns gesehen."
Pokey kicherte. „Schneiden wir ihm die Schönheit aus seinem perfekten Gesicht", zischte er. Stahl scharrte über Leder.
Morgaine bog um die Hausecke und trat auf die Männer zu. „Ein wunderbaren Abend, die Herren."
Sie erstarrten in der Bewegung, Pokeys Messer verharrte in der Luft. Die Überraschung auf ihren Gesichtern wich einer sichtbaren Furcht, die sichtlich größer wurde, als Murdoch und seine Männer hinter ihr auftauchten.
„Aye, ich hätte euch sehen können. Es hätte eine Menge verhindert werden können, wenn ich euch gesehen hätte." Morgaine versuchte ihre Wut zu zügeln, und mit ihr den Wolf in ihr, der sich schreiend vor Zorn erhob. „Entweder, ihr lasst euch in Ketten legen und folgt mir widerstandslos zur Kroneneinhorn zurück, oder wir bringen euch mit Gewalt in eure Zellen. Entscheidet euch. Ich bin zumindest nicht mehr gewillt, auch nur einen einzigen von euch wie eine verdammte Prinzessin zu behandeln, nach dem, was passiert ist."
Die Männer tauschten unwohle Blicke, Jamie Blakk sah zum Eisernen Joe. Dieser ließ schließlich seine Waffe fallen und hob die Hände. „Ich ergebe mich." Nacheinander landeten Schwerter, Äxte und Dolche im eisigen Matsch.
„Brave Jungs." Morgaine ließ die Knöchel knacken und winkte Murdoch zu ihnen. Stahl klirrte, als er ihnen die Handschellen anlegte. „Wo sind Bill und Jonston?"
„Tot. Der Wolf hat sie umgebracht." Der Eiserne Joe schien nicht einmal berührt vom Schicksal seiner Kameraden.
„Und De Oro?"
„Drinnen. Die kleine Blackheart hat ihm ins Gesicht gesagt, dass sie ihn nicht liebt, und das hat ihn mitgenommen. Endlich lebt die Kleine mal gemäß ihres Namens." Er lachte.
Morgaine sah Murdoch an, der dem Eisernen Joe in Ketten legte, und er rammte dem Seemann den Ellenbogen ins Gesicht. „Rede nicht von Dingen, von denen du keine Ahnung hast", zischte sie. „Gegen die Taten ihres Vaters sieht die euer kleines Massaker aus wie eine Schlammschlacht. Wenn er noch lebte, wäre sie seine Nachfolgerin, und du wärst längst nicht mehr am Leben."
Der Eiserne Joe fluchte und hielt sich die gebrochene Nase.
„Führt sie zurück. In die Zellen mit ihnen. Die mit den Bisswunden in eine Einzelzelle. Bringt Fairwell in meine Kajüte, und holt Rockey zu ihm, er soll ihn wieder zusammenflicken", befahl sie Murdoch. „Beeilt euch."
„Aye, Captain. Und was macht Ihr?"
Sie straffte die Schultern. „Ich gehe und hole De Oro. Ihr zwei", sie winkte zwei der Seemänner zu sich, „bleibt bei mir. Wartet vor der Tür. Ich rufe euch, wenn ich euch brauche. Solltet Ihr von drinnen Geräusche hören, bei denen es den Anschein macht, ich würde De Oro töten wollen, haltet mich davon ab, unter allen Umständen."
Die Beiden warfen sich einen skeptischen Blick zu, doch nickten gehorsam. Kurz sah Morgaine Murdoch und den Gefangenen hinterher, dann wandte sie sich um und betrat die Taverne.
Die Wärme umfing sie wie der faulige Atem eines sterbenden Drachen. Es roch erbärmlich nach nasser Kleidung und warmem Schnee. Frauen fegten müde den Fußboden, der Wirt polierte die Krüge. Ein paar Gestalten kauerten über Krügen mit Grog oder anderen Getränken, und für einen Moment war Morgaine versucht, sich die Ruhe, die sie für eine Konfrontation mit Nicolas brauchte, einfach anzutrinken. Was bei allen Geistern und Höllen haben Roxane und Fairwell hier gesucht? Bei den Männern kann ich es mir denken, aber nicht bei ihnen.
Suchend schlich sie durch die Tische, bis sie ihn fand. Er lag mit dem Kopf in einer Pfütze Rum, daneben lag eine umgekippte Flasche und ein paar leere Krüge. Sie warf einen Blick in jeden und fand in einem von ihnen einen Schluck. In ihr schrie der Wolf vor Zorn, und es juckte ihr in den Fingern, Nicolas einfach mit bloßen Händen zu Tode zu schlagen. Wie die Männer es fast mit Fairwell geschafft haben.
Sie ließ sich auf die Bank ihm gegenüber gleiten und ergriff den Krug, in dem noch etwas übrig war. Langsam schwenkte sie die Flüssigkeit und trank, während sie versuchte, sich zu beherrschen. Es nützt mir nichts, wenn ich ihn töte. Damit unterzeichne ich nur mein eigenes Todesurteil. Schließlich war sie überzeugt, nicht zu schreien, wenn sie sprach.
„Nun, Nicolas, bist du jetzt stolz auf dich?", sagte sie. Ihre Stimme war kalt wie das Eis von Sundarsquir. Sie kam ihr selbst fremd vor, so verzerrt war sie durch ihre Wut und die Nähe zum Wolf, der in ihr tobte wie der Sturm vor Westerturm.
Nicolas erwiderte nichts, seine ruhiges Atemzüge veränderten sich nicht.
Morgaine knallte den Krug auf den Tisch, und er schrak hoch. „Hast du mich verstanden?", brüllte sie. Der Wirt und die Gäste zuckten zusammen und starrten sie an. Sie warf einen vernichtenden Blick in den Raum, und die Männer schlugen die Augen nieder.
Auf Nicolas' Gesicht zeigten sich Furcht, Überraschung, Erschöpfung und zuletzt tiefste Resignation. „Morgaine...", stöhnte er.
„Für dich immer noch Captain Silver", zischte sie. „Ich hoffe, du bist stolz auf das, was du angerichtet hast. Zwei tote Männer von meiner Crew und fast fünfzig von Darnoveys. Vier oder fünf Verletzte. Und du hast nicht einen Kratzer abbekommen. Warum, du elender Hurensohn? Warum hast du das getan?" Am Ende schrie sie erneut, und ihre Stimme brach zu einem Knurren.
„Ich habe ihm... gezeigt, dass ich nicht... zu unterschätzen bin", murmelte er mit schwerer Zunge.
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Du hast ihm nur gezeigt, dass du ein verdammtes Arschloch bist, Nicolas. Das hast du der ganzen Welt gezeigt. Getrieben von deinen dummen kindlichen Rachegelüsten, die du dir selbst eingeredet hast, dass du für eine bessere Welt kämpfst... alles Unsinn. Worte im Wind. Das Schlimme ist nur, dass du es selbst geglaubt hast."
„Roxane..."
„Wage es ja nicht, ihren Namen in den Mund zu nehmen. Wage es nicht. Du hast meine Männer auf sie und Fairwell gehetzt, und das war das, was ich brauchte, um dich zu hassen. Ich habe dich einst geliebt. Aber du bist schwach und dumm, und mittlerweile weiß ich, dass ich keine schwachen und dummen Männer lieben kann." Trotz ihres brüllenden Hasses war sie ruhig.
Sein alkoholverhangener Blick hob sich. „Ich habe dich auch geliebt, und ich wusste immer, was du wolltest."
Ihr Herz wäre gestolpert, wenn der Wolf nicht den Zorn durch ihre Adern getrieben hätte. „Ja. Und ich wusste immer, dass du mich wolltest. Aber ich konnte es nicht." Er seufzte. „Heute Nacht habe ich jegliche Prinzipien über Bord geworfen. Hilf mir, meine Taten zu vergessen."
Sie starrte ihn an.
„Du kannst mich haben. Hier. Jetzt sofort." Er sah stumpf auf die Tischplatte hinab.
Morgaine holte zitternd Luft. Tu es nicht. Tu es nicht, du wirst es bereuen, redete sie sich ein. Doch im selben Moment hob sie die Faust und schlug zu. Blut spritzte, als ihre Hand sein Gesicht traf. Sein Gesicht ruckte zur Seite, und er fiel beinahe von seiner Bank. „Halt dein Maul!", fauchte sie. „Du bekommst nichts und niemanden mehr. Es ist vorbei. Alles. Deine Jagd auf Darnovey, unser Friede, meine letzte Zuneigung. Du gehörst jetzt zu meinen Feinden, so wie meine Familie, mein Onkel, und diese elende Hure De Lascare. Du wirst den Rest deiner Reise in einer Zelle verbringen, bis wir in Sichtweite von Crusadia sind, und dort wirst an Land gehen mir nie wieder unter die Augen treten. Hast du mich verstanden?"
Er antwortete nicht.
Sie schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. „Hast du mich verstanden?", wiederholte sie.
Schritte wurden laut hinter ihr, und einer der beiden Seemänner legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Captain, beruhigt Euch", sagte er bittend.
Schwer atmend trat sie zurück. „Schleift ihn auf das Schiff. Aber so, dass ich ihn nicht sehen muss", knurrte sie, wandte sich um und stürmte aus der Taverne.
Sie konnte sich kaum an ihren Gang durch die nächtlichen Straßen erinnern. Ihre klatschenden Schritte im Matsch wurden schließlich zum dumpfen Poltern auf hölzernen Planken. Hinter ihr keuchten die Männer unter De Oros Gewicht.
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, überquerte sie die Gangway und ging in ihre Kajüte. Die Männer hatten Fairwell auf ihren Tisch gelegt, die Karten und Navigationsgeräte einfach zu Boden geworfen. Rockey beugte sich im Zwielicht dutzender Kerzen über Fairwell, eine blutige Masse voller Schlamm. Zwei andere Männer halfen ihm. Roxane saß auf Morgaines Bett, Tränen strömten über ihr Gesicht. Murdoch saß neben ihr und hielt ihre Schulter.
Morgaine sah zu ihrem Ersten Offizier. „Kurs zurück nach Crusadia. Wie lange reichen unsere Vorräte noch?"
Murdoch erhob sich. „Bis Murnersshire sollten wir kommen."
„Gut. Ich will von hier verschwinden. So schnell es geht. Los."
Der Minotaurus erhob sich und verließ die Kajüte.
Roxane wischte sich die Tränen aus den Augen. „Morgaine..."
„Aye?"
„Wird Fair Johnny es überleben?"
Morgaine warf einen Blick zu Rockey, der abwesend nickte. „Aye, Miss, aber er wird ein paar hübsche Narben davontragen. Essen kann er in der nächsten Zeit vergessen. Entweder, jemand kümmert sich um ihn, oder wir erschießen ihn." Er fädelte einen Faden in eine Knochennadel und begutachtete die Spitze. „Es wäre gnädiger, ihn zu erschießen."
Roxane sprang auf. „Nein!"
Morgaine seufzte. „Er wird überleben. Das ist ein Befehl."
„Aye, Captain." Rockey widmete sich wieder seiner Arbeit.
„Warum segeln wir zurück nach Crusadia? Wir könnten doch...", begann Roxane.
Verdammt, Mädchen. „Ich habe genug von Nicolas' Befehlen. Er hat keine Befehlsgewalt mehr über mich und mein Schiff, und deswegen mache ich das, was mir gefällt. Ich segle nach Hause. Ich habe genug von dieser elenden Verfolgungsjagd."
Wieder füllten sich Roxanes Augen mit Tränen. „Aber... Madrid..."
Morgaine wandte den Blick ab. Sie hasste es, Roxane so zu sehen. Sie sammelte ihre Zorn auf Nicolas. Ich werde nicht nachgeben. „Nein, Mädchen", sagte sie barsch. „Es ist vorbei."
* * *
Leute Leute. Es tut mir leid. Hab die Story mal wieder etwas schleifen lassen... Habe im Moment so wenig Zeit und Inspiration... Sorry nochmal. Aber Danke an euch, die immer noch dabei sind, in Kapitel 53. Und niemanden ist es aufgefallen, dass ich zweimal das gleiche Kapitel ("52. Böse Männer") gepostet habe. Götter und Geister, sagt mir sowas doch! ;)
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