51. Der Spion
Ten of the crew bore the murder mark
'Twas a cutlass swipe or an ounce of lead,
Or a yawning hole in a battered head,
And the scuppers glut of a rotting red.
And there they lay, aye, damn my eyes,
Their lookouts clapped on Paradise,
And their souls bound just contrariwise--
Yo-Ho-Ho and a bottle of rum!
- Abney Park, The Derelict
Der Alkohol ließ die Welt schwimmen. Dunkle Punkte tanzten an den Rändern von Morgaines Blickfeld, und trotzdem goss sie sich erneut Vodka in den Tonbecher vor sich. Die Flüssigkeit brannte schon lange nicht mehr in ihrer Kehle, und nur noch die Wärme in ihrem Magen und die Kälte in ihrem Mund erinnerte daran, dass es kein Wasser war, das sie trank. Wann war ich zum letzten Mal so betrunken? Ich glaube, es war irgendein festlicher Anlass... Das shyrische Siegesfest, und ich habe mit Murdoch um die Wette gesoffen. Das wird es gewesen sein. Ja.
Sie lächelte abwesend, und sah sich müde um. Die Taverne im Hafen war gefüllt mit Menschen, Vintas und Eiswölfen, die sich vor ihrer langen Überfahrt in den Norden noch ein paar Stunden Entspannung gönnten. Eine Gruppe Spielmänner sang Lieder über Liebe, Tod und die See, ein paar wenige tanzten, Huren schlenderten mit schwingenden Hüften durch die Menge, und Morgaine kicherte in sich hinein, als sie daran dachte, wie albern sie aussähe, wenn sie es ebenfalls versuchen würde. Sie würden mich auslachen, bis ich mein Schwert ziehen würde, und danach hätten sie nichts mehr zu lachen. Die Vorstellung ließ sie grinsen.
Sie konnte sich kaum erinnern, seit wann sie hier saß und trank. Nachdem sie in Lichtenturm angelegt und die Männer in die Stadt geschickt hatte, war sie mit Murdoch losgezogen, um den Hafenmeister nach eine Überfahrt in den Norden zu fragen. Doch sie wusste nicht, wohin ihre Reise gehen sollte. Der Spion, der Nicolas stets mit Informationen versorgt hatte, war seit Imarad verstummt, und der Hafenmeister hatte ihr mit freundlichen Worten beigebracht, dass sie kein Schiff ohne Ziel mieten konnte. Zuerst war sie unhöflich geworden, dann wütend, und Murdoch hatte sie aus dem Büro geleitet und in die Taverne gebracht. Kurz waren sie beieinander gesessen, Kapitän und Erster Offizier, dann war Murdoch gegangen, um bei den Kapitänen selbst nach einer Überfahrt zu einem unbekannten Ziel zu fragen. Viele Stunden waren seitdem vergangen, und schließlich hatte sie beschlossen, ihre ständigen Sorgen und ihre Wut in Alkohol zu ertränken.
Zunächst einmal ihre Liebe und ihren Zorn auf Nicolas. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, verkrampfte sich ihr Herz, und sie dachte an Port Liberty zurück, vor so vielen Jahren, doch sofort regte sich ihr Zorn auf seine Schwäche und seine Dummheit. Er wollte sie bevormunden, und das konnte sie nicht ausstehen. Ich bin nicht Kapitän geworden, um mich herumschubsen zu lassen!, dachte sie. Zu lange hatte er ihr Befehle gegeben, und schließlich hatte sie die Kontrolle verloren. Als Levasque ihn nach dem Sturm vom Mast gebunden hatte, hatte er ihr leidgetan, doch sie hatte das Gefühl in ihrer Wut ertränkt. Sie hasste sich selbst dafür, dass sie ihn nicht loslassen konnte wie alles andere in ihrem Leben, ihre schreckliche Kindheit, die Jahre auf der Dunkelwacht und die vielen anderen Männer, die sie geliebt hatte. Was ist, wenn ich nie einen von ihnen geliebt habe, sondern mir immer nur eingeredet, ich würde sie lieben? Es war lange her, dass sie sich so etwas das letzte Mal vorgespielt hatte. Die Männer auf ihrem Schiff liebte sie wie ihre Brüder, doch niemals wie einen Geliebten. Sie waren ihre Brüder und ihre Gespielen, doch noch nie hatte sich sich in einen von ihnen verliebt. Sie hatte sich geschworen, sollte dies jemals vorkommen, würde sie diesen Mann von ihrem Schiff werfen. Sie war nicht willens, sich eine solche Schwäche zu erlauben, nicht dort, wo sie Stärke zeigen musste, um zu überleben.
Doch sie wusste, dass sie zwei Schwächen hatte, die nicht zu ihrem Schiff gehörten, und jedes Mal, wenn sie sie sah, wollte sie sie von der Kroneneinhorn schaffen. Die erste war Nicolas. Die zweite war Roxane. Sie war der kleinen Blackheart so dankbar, dass sie sie damals auf der Wacht aufgenommen hatte. Früher hatte sie es dort gehasst, hatte sich gegen Regeln aufgelehnt und sich bewusst unbeliebt gemacht, doch mittlerweile wusste sie, dass sie ohne die Dunkelwacht nicht zu der geworden wäre, die sie war. Nur ihr Trotz und ihr Zorn waren aus ihrer Kindheit geblieben, aus Falcon Island. Auf der Wacht hatte sie gelernt, sich zu benehmen, zu kämpfen und zu überleben. Sie hatte Roxane immer verachtet, doch ihre Dankbarkeit überwog. Außerdem war Roxane immer freundlich zu ihr gewesen.
Nur zu gut erinnerte sie sich an den Tag, an dem sie sich bei einer Prügelei verletzt hatte. Roxane hatte sie gefunden, blutend in den Ställen, hatte sie getröstet und ihre Wunden versorgt. Ben Gray hatte ihr immer verboten, sich mit den Jungen auf der Wacht zu schlagen. Dass Roxane ihre heimlichen Kämpfe herausgefunden, doch nie verraten hatte, hatte Morgaine überrascht. Roxane wirkte so gehorsam und freundlich. Es verwunderte sie, dass die kleine Prinzessin der Dunkelwacht ihr kleines Geheimnis so schützte. Nach dem Vorfall hatte Roxane ihr immer, wenn sie mit einem neuen blauen Fleck in den Unterricht kam, einen verschwörerischen Blick zugeworfen, und Morgaine hatte ihn grimmig erwidert.
Doch statt wie bei Nicolas das Gefühl zu haben, ihm immer etwas entgegenzusetzen, hatte sie das Verlangen, Roxane zu beschützen. Nachts lag sie manchmal wach und horchte auf Schreie aus dem Schiffsbauch, falls Fair Johnny doch versagt hatte und Roxane sich im Laderaum unter dem Eisernen Joe krümmte. Er war brutal, selbst im Bett, das wusste sie. Sie mochte es, doch sie war sich sicher, dass Roxane es nicht schätzen würde. Obwohl, sie hat den Bastard geliebt, und ich kann mich erinnern, dass er im Bett so wild ist wie die Schlampe bei Sturm. Sie grinste dreckig und nahm einen weiteren Schluck Vodka. Die süße Roxane. Liebt immer die falschen. Soll sich endlich in Fairwell verlieben, dann hat sie jemanden, der sie verehrt. Er würde sie niemals ausnutzen, und er ist so zurückhaltend. Er müsste nur seine Probleme mit dem Glücksspiel in den Griff bekommen... dann würde ich es ihm befehlen, zu ihrem Geliebten zu werden. Wieder kicherte sie.
Ein Schatten fiel über ihren Tisch, und sie griff reflexartig nach ihrem Messer, doch dann erkannte sie die vertraute Silhouette ihres Ersten Offiziers. „Murdoch", lallte sie. „Komm, setz dich. Was gibt es?"
Der Minotaurus ließ sich schwer auf den Stuhl vor ihr fallen. „Schlechte Neuigkeiten, Captain. Wir brauchen ein Ziel. Ohne Ziel kein Schiff."
Sie fluchte. „Dieser götterverdammte Spion soll endlich seinen verfluchten Falken schicken."
Murdoch nickte. „Aye." Er nahm die Flasche, hob sie an und sah dann anklagend zu Morgaine. „Hast du die ganze Flasche leergesoffen?"
Sie nickte und kicherte über seinen ungläubigen Gesichtsausdruck.
Er seufzte tief. „Captain, wenn du es nicht wärst, hättest du dich schon lange damit umgebracht. Du bist fertig für heute."
Er trat auf sie zu und wollte ihr aufhelfen, doch sie wehrte sich schwach. „Nein, Murdoch! Lass mich los!"
„Mitkommen, Captain", beharrte er ruhig.
„Nein!", beschwerte sie sich wieder. Murdoch beachtete ihre Einwände nicht, hob sie hoch wie ein Kind und trug sie aus der Taverne. „Murdoch, du hornloser Sohn einer stinkenden, pockennarbigen Hure, lass mich runter!"
Doch er ignorierte sie geflissentlich und drückte sie nur fester an seine Brust. Schicksalsergeben stellte sie ihre Proteste ein und lehnte ihren Kopf an ihn. Er roch nach Tier, Kälte und Salz, nach Murdoch. Nach Zuhause. Seit sie zum ersten Mal der Kapitän eines Schiffes gewesen war, war er ihr Erster Offizier. Sie hatten zusammen gekämpft, geblutet und gestritten, und er war immer ihr Fels in der Brandung gewesen. Sie konnte sich nicht erinnern, wie oft er sie zu ihrer Kajüte getragen hatte, wenn sie wieder mit dem Rum übertrieben hatte, oder sie getröstet hatte, wenn ihr alles über den Kopf wuchs und sie nur für einen Moment, für eine Sekunde schwach sein wollte. Er war der einzige Mann, der sie je hatte weinen sehen.
Müde und betrunken schlang sie einen Arm um ihn. „Ich hab dich lieb, Murdoch", flüsterte sie.
„Du bist zu besoffen, Morgaine", schnaubte er trocken, seine Stimme ließ seinen Brustkorb vibrieren.
„Nein, wirklich. Wenn du ein Mensch wärst, dann würde ich..."
„...mich auf gar keinem Fall heiraten, denn morgen bin ich wieder der hornlose Hurensohn." Seine Stimme war voller Belustigung. „Du musst schlafen, Captain. Wieder nüchtern werden, und morgen sieht der Tag schon ganz anders aus."
„Nass und grau, wie Tage im Norden eben sind."
Er seufzte. „Genau." Sie hörte sein Lächeln, seine Hufe klatschten auf dem schlammigen Boden. Sein rhythmischer Schritt ließ sie eindösen.
Sie hatten die Kroneneinhorn beinahe erreicht, als er stehen blieb. „Morgaine", zischte er.
„Aye?"
„Die Wachen. Sie sind weg."
„Wie bitte?" Müde öffnete sie die Augen.
„Die Wachen sind weg. Die beiden Joes, Pokey, Dibah und die anderen."
„Verdammte Scheiße. Lass mich runter." Langsam stellte er sie auf den rutschigen Steg. Sie schwankte, und er packte ihren Arm. „Wo sind die hin? Ich hatte ihnen befohlen, dass sie ihren Posten nicht verlassen sollen!"
Sie warf ihm einen Blick zu, und er verstand. „Ich sehe nach, ob De Oro noch da ist."
Gerade wollte er sich in Bewegung setzen, als jemand seinen Namen rief. „Murdoch! Hey, Silver! Wartet!"
Morgaines betrunkenes Gehirn brauchte einen Moment, um die Stimme einzuordnen, doch dann erinnerte sie sich. Rusty Levasque. „Levasque. Was ist?"
Rustys Schritte dröhnten auf dem Steg, und er blieb schlitternd und mit rasendem Atem vor ihr stehen. „Captain, es ist Nicolas. Er..." Er schöpfte Atem und sah sie dann verstört an. „Er ist mit den zehn Männern, die du als Wachen auf dem Schiff gelassen hast, zur Leviathan gegangen. Ich glaube, sie wollten alle an Bord umbringen. Ich weiß nicht warum."
Morgaine fluchte innerlich über den Vodka, als sie schwankend einen Schritt auf Rusty zutrat und krampfhaft versuchte, nicht zu nuscheln. „Wie hat er es geschafft, dass sie ihm folgen? Das sind die Männer, die Nicolas am meisten verachten. Die beiden Joes. Jamie Blakk. Pokey." Ihr Herz schwankte, als sie den Namen ihres Bettwärmers aussprach. „Wie hat er das geschafft?", fauchte sie.
Rusty schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Du weißt, wie er seit Imarad ist. Und dass du ihn auf die Schlampe geschickt hast, hat es nicht besser gemacht!"
Niemand redet so mit mir. Der Alkohol machte sie aggressiv. „Es ist nicht meine Schuld! Er hat eine Grenze übertreten und trägt die Konse... Konsequ... Folgen." Wütend versuchte sie, sich den Nebel aus dem Gehirn zu schütteln.
Rusty setzte zu einer harschen Antwort an, doch Murdoch unterbrach ihn. „Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?"
„Vor über einer Stunde. Er hatte mich gefragt, ob ich mich ihm anschließe. Ich habe geahnt, was er vorhatte, aber als er die Männer unter Deck geschickt hat, wusste ich es. Ich bin abgehauen. Ich konnte niemanden von ihnen im Schlaf ermorden. Stattdessen wollte ich euch warnen. Ich habe euch überall gesucht, auf dem Schiff, im Hafen, aber ich habe keinen von euch beiden gefunden. Ein paar der Männer habe ich gesehen, ich habe Dalton nach euch gefragt, aber er wusste es auch nicht."
Morgaine spuckte auf den Boden. „Bei den Geistern. Führ uns hin."
Während sie durch den Schlamm marschierten, fragte sie sich, was Nicolas zu dieser Tat getrieben hatte. Nur seine Wut auf Darnovey? Oder habe ich doch meinen Anteil daran? Aber es ist nicht meine Schuld. Ich habe nur das getan, was ich mit jedem meiner Männer getan hätte. Er hat sich nicht an meine Regeln gehalten, und muss damit leben. Sie taumelte, als sie im Matsch ausrutschte, und Murdoch packte ihren Arm. Nun ärgerte sie sich, dass sie so viel getrunken hatte. Aber wie konnte ich auch wissen, dass dieser verdammte Abend noch schlimmer wird?
Die Leviathan war ein Schlachtfeld. Die Planken waren nass und durchzogen von tiefen Kratzern, die nur von den Klauen des riesigen Wolfes kommen konnten, der tot auf dem Deck lag. Für einen panischen Moment dachte sie an Nicolas, doch dann erinnerte sie sich, dass er viel kleiner und schmaler war als dieses schwarze Ungeheuer. Sein dunkles Fell war durchsetzt von im Mondlicht silbern schimmernden Blutflecken. Biss- und Stichwunden spickten seinen Körper.
„Achtzehn Höllen. Was ist das?" Murdoch trat auf das Tier zu und betrachtete seine blutigen Zähne. „So eine Bestie habe ich noch nie gesehen. Das ist niemand von der Bruderschaft, oder, Captain?"
Morgaine schüttelte langsam den Kopf. „Das ist ein Fenris. Ein geisterverdammter Fenriswolf. Sie verwandeln sich bei Vollmond." Ob es der Bastard ist? „Die Wölfe von der Bruderschaft sind viel kleiner, und sie hinterlassen solche Bisswunden." Sie wies mit ihrem Schwert auf den Nacken des Wolfes. Nicolas. Er hat sich verwandelt, und als Wolf gekämpft. Was ist aus ihm geworden?
Murdoch hob den Kopf. „Fenriswölfe. Ihre Bisse lassen Menschen und Krieger auch zu Fenris werden."
„Verdammte Götter. Das bedeutet..." Rusty starrte Morgaine an.
„Dass mindestens einer meiner Männer sich beim nächsten Vollmond in einen Wolf verwandeln wird, oder er hier hat nur getötet. Aber ich glaube nicht, dass meine Männer so dumm sind und sich nur töten lassen. Einer ist sicher verletzt worden."
„Dann war dieses Biest es wohl, das so gebrüllt hat. Ich war gerade im Gespräch mit einem Kapitän, als ich es gehört habe." Murdoch trat gegen die leblose Schnauze des Wolfes.
Morgaine nickte. Sie hatte es ebenfalls gehört, doch der Vodka hatte jeglichen Gedanken daran ertränkt. Wieder fluchte sie über ihre Dummheit. Wenn ich nicht so viel getrunken hätte, wäre ich auf meinem Schiff geblieben. Nicolas wäre niemals mit meinen Männern abgehauen und das alles wäre nie passiert. Aber sie wusste, dass es nicht ihre Schuld war. Sondern allein Nicolas'. Dieser verdammte Hurensohn. Wenn ich ihn in die Finger kriege, ertränke ich ihn in seiner eigenen Pisse. „Murdoch, geh und suche die Männer zusammen. Wenn die Stadtwache spitzkriegt, was hier passiert ist, und wer dahinter steckt, sind wir geliefert, und ich gedenke nicht, in der Kälte zu sterben. Finde sie alle. Lass das Schiff bereitmachen. Wenn du sie alle gefunden hast, nimm dir fünf gute Männer und suche die, die das hier angerichtet haben. Sperr sie in die Zellen. De Oro in eine Einzelzelle." Der Minotaurus nickte und verließ die Leviathan. „Levasque, komm mit."
Nervös folgte der junge Seemann dem Kapitän unter Deck. Es herrschte heilloses Durcheinander. Leichen lagen mit durchgeschnittener Kehle, mit zerschmetterten Köpfen oder Stichwunden auf den blutüberströmten, rutschigen Planken. Ihre trüben Augen starrten ins Nichts. Nur wenige hatten eine Waffe in den Händen, die meisten lagen tot in ihren Hängematten. Zwei lagen auf der Treppe in den Laderaum, der eine mit einem roten Schlitz in der Kehle, der andere mit gebrochenem Genick.
Morgaine ging emotionslos durch das Massaker. Sie hatte schon viele Tote gesehen, und sie kannte niemanden der Leichen, dennoch regte sich ihr Bedauern. So viele gute Männer, und alle tot. Eine Verschwendung von gutem Talent.
„Eine Schande, dass sie sterben mussten", murmelte sie. „Gehen wir. Wir verschwinden aus dieser verfluchten Stadt, und hoffen, dass niemand uns bemerkt hat."
Levasque nickte, sichtbar erleichtert, und machte einen Schritt auf die Treppe aufs Hauptdeck zu, als er innehielt. „Habt Ihr das gehört?"
„Was?"
„Ich habe ein Geräusch gehört. Von unten."
„Sicher?"
Im selben Moment hörte sie es ebenfalls, ein rasselndes Husten und ein schmerzerfülltes Stöhnen. „Das kommt aus dem Laderaum!"
Hastig stolperten sie die enge Treppe hinab, durch zerbrochene Fässer und verstreuten Proviant. Wein leckte über den Fußboden, als würden die Planken bluten. Morgaine zog ihr Schwert, Levasque tat es ihr gleich. „Wir wollen dir nichts Böses", rief sie in die Dunkelheit. Selbst wenn mich ein Verletzter angreift, in meinem Zustand kann ich nicht mal einen Hund besiegen. Doch das Schwert machte ihr Mut.
Eine schwache Stimme antwortete. „Hier..." Wieder hustete jemand.
Morgaine folgte dem Geräusch und hörte Levasque hinter sich leise fluchen. Er schien über irgendein Trümmerteil gestolpert zu sein. Vor ihr wurden die zerstörten Teile der Ladung weniger, bis sie die Zellen des Schiffes sah. Eine von ihnen stand offen, ihr Inneres übersät mit Kratzspuren, und neben ihr lag ein Mann. Sein Brustkorb hob und senkte sich leicht.
„Levasque!", zischte sie. Der Seemann schloss zu ihr auf. „Wir haben den Überlebenden."
Er war in einem schrecklichen Zustand. Eine tiefe Bisswunde verunzierte seinen Körper, etliche Schwertwunden durchsetzten seine Arme. Eins seiner Beine war nur noch eine blutige Masse. Sie fragte sich, warum er noch lebte. Blut verklebte seine dunkelblonden Haare, und sein Gesicht sah so durchschnittlich aus, dass sie es vergessen würde, sobald sie sich umdrehen würde. Vielleicht ertränkt der Alkohol auch nur meine Erinnerungen.
„Wie heißt du?"
„E... Embry."
Ihr Blick fiel auf den Schlüssel, den der Seemann umklammerte, dann auf die Krallenspuren in der offenen Zelle. „Hast du das Biest befreit?"
Der Mann nickte. „Cravo... er hätte sie getötet. Den... hellen Wolf... Sie... alle." Er hustete, Blut spritzte auf seine Lippen.
Sie seufzte. „Ich wünschte, er hätte es geschafft. Nicolas zu töten... Das wäre wunderbar gewesen. Dann müsste ich es nicht selber tun." Sie spürte, wie der Wolf in ihr sich regte.
Levasque hinter ihr holte Luft für eine scharfe Erwiderung, doch sie hob die Hand, und er verstummte.
Embry riss die Augen auf. „Der helle Wolf... De Oro?"
„Aye." Sie spuckte in die leere Zelle.
„Ich bin... Stanraer..."
Sie starrte ihn an. „Wer bist du?"
„Hector... Stanraer. Er hat mich beauftragt, Dar... Darnovey auszuspionieren... und De Oro über seine Pläne zu.... informieren." Wieder wurde er von einem Husten geschüttelt.
„Der Spion", flüsterte sie.
„In jeder Stadt... in der wir angelegt haben, habe ich ihm einen Falken geschickt... in Imarad habe ich seinen Plan vereitelt und seinen Gefangenen befreit, und gehofft, er... würde De Oro finden... Ich habe ihn nach Imarad geleitet... Doch Darnovey vermutete einen Verräter... ich musste mich zurückhalten. Noch heute wollte ich einen Brief an De Oro schreiben, er will nach Svardens Ark..."
Svardens Ark. Dorthin will Darnovey also. Aber ich werde keinen Befehl mehr von Nicolas ausführen. Nicht einen einzigen. Ich werde mein Schiff und meine Crew nehmen und nach Süden zurückkehren.
„Was will er in Svardens Ark?", wollte sie wissen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht... nur Darnovey, Bastard, und der Captain... wissen es. In Alpha Centauri aber suchte er nach... einem Auftragsmörder... und gab nach einem Gespräch mit den Rhymers... den Kurs nach Norden."
„Was ist ihr Ziel, wenn sie zurück sind?"
„Caldera. König Palaimon töten."
Sie sah ihn an. „Hast du einen Beweis? Dafür, dass du wirklich Stanraers Spion bist?"
„In meiner Tasche... ist ein Brief..."
Sie griff in seine Hosentasche und fand ein zusammengerolltes Stück Pergament. Sie entrollte es und überflog die Zeilen. Darnovey will nach Svardens Ark, wahrscheinlich, um einen Killer anzuheuern. Danach nach Caldera, um ihn seine Aufgabe erledigen zu lassen. Missmutig knüllte sie das Papier zusammen und ließ es in ihrer Manteltasche verschwinden.
Embry suchte ihren Blick. „Ich werde st... sterben, nicht wahr?"
Sie nickte. „Aye."
„Macht es... leichter."
Wortlos zog sie ihre Pistole aus dem Gürtel und prüfte Kugel und Pulver. Dann hielt sie ihm die Waffe an die Stirn. „Sag deine letzten Worte."
Embry hustete. „Es lebe Santa Cruz. Es lebe Crusader. Es lebe... Stanraer." Seine Stimme zitterte, und er schloss die Augen.
Sie spannte den Hahn. „Schlaf, Bruder." Sie wusste nicht, ob der Mann an den Geist der Jagd glaubte, doch es waren die einzigen Todesworte, die sie kannte. „Möge der Geist dich führen und dich in seiner Meute willkommen heißen." Sie drückte ab. Der Knall peitschte durch den Schiffsbauch und ließ ihre Ohren klingeln. Embry zuckte, dann wich jegliche Spannung aus seinem Körper.
Sie blies den Rauch von der Mündung der Pistole und steckte sie zurück in ihren Gürtel. Nachlässig winkte sie Levasque zu sich. „Komm."
Er folgte ihr. „Hast du gehört, was er gesagt hat? Darnovey ist nach Svardens Ark gesegelt! Wir können die Jagd fortsetzen!", rief er aufgeregt.
„Nein. Ich werde nichts mehr, auch wirklich nicht eine einzige Sache für Nicolas tun. Er hat sich seine letzte Chance versaut, als er meine Männer auf dieses Schiff geschleppt hat und das hier", sie machte eine energische Handbewegung, die die gesamte Leviathan einschloss, „angerichtet hat. Er gehört jetzt zu meinen Feinden, und nicht mehr zu meinen Freunden. Wenn du nicht auch dazu gehören willst, füge dich meinen Befehlen. Wir suchen die Männer zusammen, und segeln nach Süden. Nach Hause."
„Aber..."
„Nein." Sie packte ihn an den Mantelaufschlägen und presste ihn gegen die Bordwand. „Rusty Levasque. Wenn du auch nur einer einzigen Person von dem erzählst, was wir gerade von diesem Mann gehört haben, bringe ich dich um. Ich lasse dich nicht nur die Schlampe reiten, nein, ich ziehe dir die Haut ab und werfe dich den Seedrachen vor. Verstanden? Ich. Werde. Dich Töten."
„Aye, Captain", presste er wütend und ängstlich hervor.
„Gut. Dann komm, und wir verschwinden von hier." Sie wirbelte herum und stürmte aus dem Schiffsbauch. Die Toten schienen sie zu beobachten.
~ ~ ~
Und wieder ein neues Kapitel... Bin mir zwar nicht sicher, ob das Writer's Block überwunden ist, aber wir werden sehen.
Wieder eins meiner Lieblingskapitel^^ Sprecht mal zu mir, was haltet ihr von all dem? Gebt mal eine wilde Theorie für den Ausgang des ganzen Unterfangens ab... Schafft Ravan seine Mission? Oder hält Nicolas ihn auf? Oder wird alles von außen vereitelt? Sagt mir, was denkt ihr?^^
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