49. Das Angebot

Coming up every moment isn't enough

Coz then you got me like a drug

Rises and elevates me up

Rises and elevates me up

- Blood Red Shoes, Grey Smoke


Das heiße Wasser umfing Marie wie ein Kokon aus Seide. Es duftete nach Yasmin und anderen Blüten, ein Geruch, der sich durch den Raum zog wie ein Windhauch. Orangefarbenes Abendlicht flutete durch die seidenverhängten Fenster hinein, Staub tanzte in einem Sonnenstrahl, der durch eine Lücke zwischen den Vorhängen fiel.

Wohlig ließ sie sich tiefer in die Badewanne hineingleiten. Seit Hassilas Bordell habe ich kein Bad mehr genommen, und seit ich aus Amostown verschwunden bin, war mein Leben nicht so angenehm.

Kaum ein Geräusch war zu hören, das ferne Schreien eines Drachen, gedämpfte Schritte und irgendwo im Palast spielte eine Gruppe Musiker ein verträumtes Lied, das Marie an ihr Zuhause erinnerte. Port West. So weit entfernt. Aber ich werde es wiedersehen. Ich werde Crusadia wiedersehen, und meinen Bruder und unser Haus. Und Roxane. Für einen Moment wurde ihr Heimweh so unerträglich, dass sie das Gesicht verzog.

Sie war seit kaum zwei Tagen im Palast, und sie hatte seit ihrer ersten Audienz niemanden von Bedeutung gesehen, weder die Nemesis noch einen der Hexenmeister. Mathocain hatte ihr nur einmal in Gedanken übermittelt, dass sie erst in ein paar Tagen mit der Ausbildung beginnen würden, wenn sie sich im Palast wohlfühlte.

Die einzigen, die in ihr Gemach kamen, waren Mägde und Dienstboten. Sie säuberten ihr Zimmer, bereiteten Bäder vor und brachten ihr ihr Essen, und Marie ließ sich von der Pracht mitreißen. Sie war so glücklich, wieder ihren gewohnten Luxus genießen zu können, selbst wenn es ganz anders war als der protzige Luxus, den sie aus Crusadia kannte. Ihr Gemach war beinahe doppelt so groß wie ihre Räume in Amostown, ein gigantisches Zimmer mit dunklen Granitfliesen, mit einem Himmelbett aus geschnitztem dunkelrotem Holz und goldgelben, seidenen Bettlaken, bestickt mit orangefarbenen Drachen. Hinter einer dünnen Wand aus filigranem Holz und Papier verbarg sich ein Badezimmer mit einer Badewanne und einem Waschtisch. In der Wand war ein Ofen eingelassen, doch Marie war überzeugt, dass sie ihn niemals brauchen würde, nicht in den heißen tropischen Nächten der Racheinseln. Eine Schiebetür, aus den gleichen Materialien wie die Wand zum Bad, verbargen einen kleinen Raum, in dem ihre Kleidung aufbewahrt wurde: leichte Kleider aus Seide, verziert mit Stickereien und Gold, flache Schuhe aus Brokat und Leder und ein paar wenige schlichte Schmuckstücke. Eine weitere Tür führte auf einen Balkon, mit einer wunderbaren Aussicht über die Schlucht, in der nachts die Lichter von Port Vengeance glitzerten, und tagsüber Drachen ihre Kreise zogen. Zuerst hatte sie sich vor ihnen gefürchtet, doch dann hatte einer der Dienstboten ihr erklärt, dass sie sie nicht angreifen würden. Anscheinend näherten sie sich selten dem Palast.

In einer Ecke standen ein Schreibtisch und ein Bücherregal, doch Marie hatte es nicht angerührt. Sie hatte die beiden Tage mit Baden, Schlafen und Essen verbracht, den Dingen, die sie so sehr vermisst hatte während ihrer Reise. Manchmal setzte sie sich auch einfach nur in die Sonne und genoss die Wärme und die Ruhe. Sie hatte gemerkt, dass sie nicht mehr ständig in Gefahr war, und sich etwas Entspannung erlauben konnte.

Als sich Schritte von hinten an sie heranschlichen, ließ sie die Wölfin kurz an die Oberfläche kommen und warf einen bedrohlichen Blick über die Schulter. „Was?", zischte sie.

Die Zofe, die sich mit einem Schwamm, einem Korb voller Fläschchen und einer Kanne mit einer dampfenden Flüssigkeit darin genähert hatte, erstarrte mitten in der Bewegung. „Mylady, ich... ich wurde euch zugeteilt... um Euch... um Euch zu helfen... die Haare zu waschen", stammelte sie und gestikulierte mit ihrer Fracht.

Ich bin in Sicherheit, erinnerte sie sich. Niemand will mir etwas Böses.

Die Wölfin knurrte amüsiert. Wenn man erst einmal mehrere Monate voller Angst durch die Lande und über die Meere gezogen ist, geht das wohl an niemandem spurlos vorbei. Nicht einmal an uns.

Marie lächelte und sah die Zofe an. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Komm her, ich werde dir nichts tun." Still hoffte sie, ihr Lächeln wäre so einladend, wie sie glaubte.

Doch offensichtlich tat es seine Wirkung. Ohne Zögern trat das Mädchen auf Marie zu und stellte die Kanne und Korb auf den Boden. Dann begann sie, Maries Haut mit dem Schwamm abzureiben, so wie sie es immer tat. „Die Nemesis verlangt nach Euch, Mylady", sagte sie, Ehrfurcht in der Stimme. Sie sprach mit einem singenden Akzent, dies und ihre bräunliche Hautfarbe verrieten Marie, dass sie aus Santaca oder Amorys kommen musste. Ihre Kleidung war schlicht schwarz, ein einfaches gewickeltes Kleid aus Leinen. Ihre dunklen Haare waren zu einer praktischen Frisur zusammengesteckt.

Marie wandte den Kopf. „Wirklich?" Sie versuchte ihre Aufregung zu verbergen, doch es gelang ihr nicht. Seit ihrer ersten Audienz, am Tag ihrer Ankunft, hatte sie kaum aufgehört, über die Nemesis nachzudenken. Wer sie wirklich war, was sich unter ihrer Maske verbarg und wie viel Macht sie wirklich hatte. Ob sie uns wohl schon einmal gesehen hat? Nur nicht als sie selbst, sondern jemand anders? Die Fähigkeiten der Nemesis faszinierten Marie, selbst wenn ihre eigenen so ähnlich waren. Hört sie jedes einzelne Wesen, in das sie sich verwandeln kann, nach sich rufen? Würde sie nicht wahnsinnig werden, mit all den Stimmen?

„Ja, Mylady. Sie sagte, ich soll Euch zu Ihr schicken, wenn Ihr Euer Bad beendet habt." Mit einer vorsichtigen Berührung an die Stirn wies sie Marie an, den Kopf anzulehnen und goss das Wasser aus die Kanne über ihre Haare. „Euer Haar ist wunderschön, Mylady", kommentierte sie beeindruckt. „Niemand hat eine solche Haarfarbe hier im Palast."

Marie seufzte, als das Mädchen ihr Seife in die Haare massierte. „Im Westen ist es häufig. Vor allem im Norden, habe ich gehört."

„Seid Ihr aus dem Norden?"

„Nein, aber meine Mutter stammte angeblich von dort. Ich habe sie nie kennengelernt, aber da mein Vater dunkle Haare hat, muss es die Wahrheit sein." Wieder floss Hitze über ihren Kopf, und sie schauderte wohlig.

Beinahe erwartete sie, dass die Zofe nachfragte, was mit ihrer Mutter geschehen war, doch sie schwieg und nahm nur einen Kamm, um Maries blonde Strähnen zu entwirren. Mit zwei Haarnadeln steckte sie sie zu einem lockeren Knoten zusammen. „Ihr könnt aufstehen, Mylady. Ich bringe Euch Euer Kleid."

Langsam erhob Marie sich, das warme Wasser floss ihren Körper hinunter wie ein Wasserfall an einer Marmorstatue. Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und ließ sich von ihrer Zofe in ihre Kleider helfen, ein einfaches helles Untergewand und ein leichtes violettes Kleid darüber. Es war ungewohnt, ein Kleid ohne Mieder zu tragen, es fühlte sich beinahe falsch an, doch sie war froh, die ewige, stinkende Männerkleidung nicht mehr ertragen zu müssen. Sie schlüpfte in ein Paar ihrer Schuhe und verließ ihr Gemach.

Vor der Tür warteten zwei Wachen. Zackig nahmen sie Haltung an, als sie den Flur betrat. „Mylady."

Sie neigte den Kopf und lächelte verführerisch. „Masters."

Obwohl sie die Gesichter der Männer unter ihren Masken nicht sehen konnte, bemerkte sie den kurzen Blick, den sich die Wachen zuwarfen. Mühsam verkniff sie sich ein Grinsen. Wie viel mehr Spaß es doch macht, Männer zu verführen, anstatt sie zu bedrohen. Die Wölfin kicherte.

Zwar kannte sie sich nicht aus im Palast, doch sie merkte trotzdem, dass sie nicht auf dem Weg zum Audienzsaal waren. Die Wachen führten sie an den endlosen roten Türen vorbei, durch die vom Sonnenlicht warmen Gänge, bis sie an einer Veranda Halt machten. Treppen führten in einen dichten Garten. Der Blumenduft war noch intensiver als zuvor in ihrem Zimmer. Irgendwo rief ein Vogel.

Sie nahm die erste Stufe hinab und sah sich zu ihren Wachen um. Einer schüttelte den Kopf. „Bis hierher und nicht weiter. So lauten unsere Befehle."

Misstrauen flammte in Marie auf, und sie spürte, wie sich das Bewusstsein der Wölfin näher an sie schmiegte. Ihr Fell war direkt unter ihrer Haut, warm und lebendig. Entschlossen trat sie die Stufen hinab und folgte dem schmalen Schotterpfad in das Gestrüpp.

Innerhalb des meterhohen Bambus war es beinahe totenstill. Irgendwo neben ihr raschelte es, und sie zuckte zusammen. Ihre Anspannung perlte durch ihre Venen, zusammen mit der Hitze der Wölfin, so nahe an der Oberfläche. Es ist niemand hier. Niemand, der dir schaden will, beruhigte sie sich, doch ihre Erinnerung an die spürbare Macht der Nemesis machte ihre Bemühungen, ihre flatternden Nerven zu beruhigen, zunichte. Die Wölfin knurrte hinter ihrer Stirn. Aber warum sollte die Nemesis mich zu sich rufen, wenn sie mir etwas antun wollte? Sie hat die Mittel und die Macht, mich einfach in meinem Gemach zu ermorden, ohne, dass ich etwas dagegen tun kann. Sie wusste, dass die Nemesis nicht mal einen ihrer Finger dafür rühren musste. Ihre drei Hexenmeister würden ihre Befehle ohne Zögern ausführen. Aber warum hat sie mich dann nicht einfach zu einer Audienz gebeten?

In ihren Gedanken versunken hätte sie beinahe den kleinen, schotterbedeckten Platz verpasst. Als hinter ihr jemand sich leise räusperte, fuhr sie mit gefletschten Zähnen herum, die Wölfin rumorte grollend an der Oberfläche und trieb ihr das Fell über die Haut. Mit einem furchteinflößenden Knurren starrte Marie die Person an.

Die Nemesis trat einen überraschten Schritt rückwärts und hob abwehrend die Arme. Die Geste wirkte durch ihre Dämonenmaske beinahe scheinheilig. „Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken, Miss de Tracy. Ich will Euch nichts tun. Ehrlich", stammelte sie hastig.

Marie stutzte und fing sich wieder. Ihre Knochen verzogen sich schmerzhaft, und sie verkniff sich ein Stöhnen. Plötzlich realisierte sie, wer vor ihr stand, und versank in einem tiefen Hofknicks. „Mylady. Verzeiht mir. Ich habe einen langen Weg hinter mir, und die, die mich begleiteten, waren nicht immer die edelsten Gemüter." Bei den Geistern, sie ist so sehr wie Roxane.

Die Nemesis sah zur Seite, sie machte einen verlegenen Eindruck. „Ich wusste nur nicht, wie ich Eure Aufmerksamkeit erregen könnte." Hier, ohne ihre drei Leibwächter, wirkte sie fast wie eine gewöhnliche Frau, in ihrem schwarzen Seidenkleid und der schlichten Frisur. Ähnlich wie bei Marie waren ihre Haare mit Haarnadeln zusammengesteckt. Auch ihre Macht schien wie gedämpft, ihre mystische Aura beinahe verschwunden. Doch die Maske verlieh ihr immer noch ein finsteres und herrschaftliches Aussehen.

Marie nickte langsam. „Warum bin ich hier? Warum wollt Ihr mich hier treffen, und nicht in Euren Audienzsaal?"

Die Nemesis wirkte verwirrt. „Tun gewöhnliche Frauen im Westen das nicht so? Sich in Gärten treffen? Zum... plaudern?" Ihr Unsicherheit war fast greifbar.

Marie starrte sie an. Bei den Geistern. „Schon, Mylady, doch Ihr seid die Nemesis der Racheinseln, und wir befinden sich uns im östlichsten Reich der bekannten Welt. Ich bin eine Schwester des Lykaon, ich soll zur Weißen Hexenmeisterin ausgebildet werden, und ich bin Gast in Eurem Palast. Ihr könnt mir befehlen, was Ihr wollt, und ich sollte folgen. Warum also wollt Ihr mich ausgerechnet hier treffen?"

„Entschuldigung. Ich sollte es Euch erklären." Marie war sich sicher, dass die Nemesis mittlerweile rot angelaufen war unter ihrer Maske. „Seit ich ein Kind bin, lebe ich in diesem Palast. Ich wurde von meinem Vater, dem ehemaligen Herrscher der Racheinseln, aufgezogen, wurde von ihm ausgebildet, seine Hexenmeister lehrten mir viele Fähigkeiten, doch ich habe nie ein Mädchen getroffen, das so ist wie ich." Die Sehnsucht in ihrer Stimme schmerzte beinahe vom Zuhören. „Zwar gab es Dienstboten, Kammerzofen und Mägde, doch mein Vater behauptete, sie seien nur Diener, und verbot ihnen, mit mir mehr als nötig zu sprechen. Mein Leben bestand nur aus Kampf und Unterricht, und ich mochte es. Selten vermisste ich jemanden, mit dem ich reden konnte, und zu diesen Zeiten war mein Vater da. Als er starb, hatte ich niemanden mehr. Ich wusste nicht, wie ich einfach Freundschaften schließen sollte... ich wusste, die Dienstboten fürchteten mich so, wie sie meinen Vater gefürchtet hatten, und es war nicht leicht, sie ihnen zu nehmen. Sie würden mir sagen, was ich hören wollte, doch nicht die Wahrheit. Zwar gab es die Hexenmeister, aber sie sind doch mehr Lehrer als Vertraute. Canto mit seinen Messern lebt für seine Arbeit und vergöttert mich, doch er würde mir sogar dann beistehen, wenn ich dieses Land ins Verderben stürzen würde. Nayrakka ist rational und berechnend, niemand, dem man sich anvertraut. Und Mathocain... kurz nachdem mein Vater starb, wurde er krank. Es fesselte ihn an sein Bett, bis die Drei gemeinsam einen Weg fanden, ihn länger am Leben zu erhalten. Als er mir sagte, er habe einen Nachfolger gefunden, war ich so aufgeregt, wer diese Person wohl sein würde... Und dann kamt Ihr. Ihr seid wie ich. Ihr habt sogar eine Fähigkeit, die der meinen so ähnlich ist." Sie sah Marie an, die Augen des schreienden Dämon funkelten. „Ich wäre gern Eure Freundin. Ich weiß nicht, wie man Freundschaften beginnt und aufrechterhält, doch ich würde es gerne versuchen."

Sie ist die Königin des Ostens, und sie hat nicht eine einzige Freundin. Und keinerlei Ahnung vom Leben außerhalb ihres Palasts. Marie lächelte. „Darf ich frei sprechen, Mylady? Trotz der Tatsache, dass Ihr meine Freundin sein wollt, seid Ihr immer noch die Nemesis der Racheinseln und habt eine dementsprechende Macht. Ich möchte mich nicht im nächsten Moment gegen Eure Hexenmeister wehren müssen."

Die Nemesis nickte. „Sprecht." Ihre Stimme schimmerte vor Anspannung. Sie schien eine Ablehnung zu erwarten.

„Freundschaften sind nicht von einem aufs andere da, sie entwickeln sich. Ich bin Eurem Angebot nicht abgeneigt." Das war untertrieben. Eine Freundschaft mit der Nemesis war genau das, was sie wollte. Sie hatte Geheimnisse, und Marie wollte sie herausfinden. Sie wollte ihre Vertraute werden, um jeden Preis.

Aber Roxane? Maries Gewissen versetzte ihr einen Stich. Hastig wischte sie ihre Zweifel beiseite. Ich werde nur die Freundin der Nemesis sein. Mein Herz gehört Roxane. Ich werde es ihr sagen, aber noch nicht jetzt. Mein tiefstes Geheimnis kann ich ihr erst verraten, wenn wir uns besser kennen. Sie straffte die Schultern und sah die Nemesis an. „Mylady, ich werde Eure Freundin sein, wenn Ihr es wünscht. Ich denke ebenfalls, dass wir gut miteinander auskommen werden." Innerlich lachte sie über ihre Förmlichkeit, doch es kam ihr nur angemessen vor. In Crusadia war sie eine angesehene Lady, doch hier war sie nur eine Lykanerin am Hofe einer Königin. Die sie gerade zu ihrer Freundin machen wollte. Absurd. „Doch dazu brauche ich ein paar Antworten."

Die Aufregung der Nemesis war sichtbar, selbst wenn ihr Gesicht verborgen war. „Was immer Ihr wollt."

„Warum die Maske?", fragte Marie neugierig.

„Zum einen ist es Tradition, dass alle Nemesi eine Maske tragen. Gestaltwandler zeigen gerne, dass sie viele Gesichter tragen. Mein Vater trug eine Löwenmaske, ich wollte einen Dämon." Ihr Lächeln färbte ihre Stimme. „Außerdem habe ich Feinde, sehr mächtige Feinde. Die Könige des Westens wissen um meine Herrschaft hier. All jene, die in mein Reich kommen, sind von ihren Strafen freigesprochen. Mörder, Diebe, und anderes Gesindel sind die, über die ich herrsche. Sie suchen hier Zuflucht, vor den Soldaten, den Fürsten, dem Gesetz. Ich biete ihnen Schutz ohne Regeln. Doch dadurch verfallen ihre Untaten im Westen nicht. Die Kriegerstaaten und die Vereinigten Königreiche erinnern sich an das, was meine Untertanen taten, und wollen sie bestrafen. Sie verlangen die Auslieferung, aber das kann ich nicht zulassen. Deswegen wollen die Herrscher mich unter Druck setzen, manche wollen mich tot sehen. Sie haben Embargos verhängt, aber wir kämpfen uns durch. Außerdem hat der König von Abisyala die Sklaverei verboten, in seinem Land und im ehemaligen Großreich der Kriegerstaaten. Mein Land ist der größte Sklavenstützpunkt der Welt, die Lykaner, die Lamien, der Baron von Manastar, alle unterstützen mich indirekt und verhelfen den Treibern von Zephyr zum Reichtum. Manche Lords im Norden kaufen die Sklaven, und genau das ist es, was König Palaimon Castillo verhindern will. Und er will das Problem an der Wurzel packen. Er will mein Reich vernichten. Zwar wäre es leicht, einen Attentäter zu schicken, selbst wenn es äußerst schwer ist, einen Gestaltwandler zu töten." Wieder war ihr Lächeln zu hören. „Aber ich kann mich nur in einen einzigen Menschen verwandeln, und das bin ich, so wie ich jetzt bin."

Marie schnaubte amüsiert. „Mehr als nur ein Gesicht wäre auch zu viel für eine Freundschaft. Trotzdem, die meisten Herrscher tragen keine Maske, trotz aller Gefahren. Warum Ihr?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich mag es, wenn niemand mein Gesicht kennt, sondern nur die Maske. Es gibt Macht. Es schützt. Es wird zu einem Symbol, das man fürchten oder lieben kann."

Marie sah sie an. „Mylady, ich will nicht mit einem Symbol befreundet sein. Wenn ich Eure Freundin sein soll, müsst Ihr eure Maske ablegen."

Die Nemesis zögerte. „Ihr sagtet gerade, dass Freundschaften sich entwickeln müssen... kann mein wahres Gesicht warten?" Sie lächelte entschuldigend.

„Natürlich. Wir haben Zeit. Aber Ihr wollt eine Freundin, die mit Euch gleichauf ist. Eine Vertraute, die Euch nicht untersteht, sondern neben Euch steht." Marie sah sie an. „Wir haben uns in einer Situation kennengelernt, in der Ihr eindeutig die Herrscherin wart und ich nur der Dreck, den Nayrakka in der Stadt aufgelesen hat... kein schöner Anfang. Also beginnen wir neu." Sie streckte eine Hand aus. „Ich bin Marie de Tracy. Und du?"

Für einen Moment war sie wieder fünf Jahre alt, ein kleines Mädchen in einem rosafarbenen Kleid, und stand vor Roxane, die beinahe zitterte vor Angst vor den unbekannten Gesichtern der Kinder, die nun ihre Freunde werden sollten. Die hübsche, zerbrechliche Luna Swansea, der stille, elegante Felix Marlohé, der laute Favian Ashmark, die mürrische, aggressive Morgaine Silver, und natürlich sie, die pummelige, vorlaute Marie. Doch statt der ängstlichen Fünfjährigen stand ihr nun die Herrscherin der Racheinseln gegenüber. Mit klopfendem Herzen wartete sie auf eine Antwort. War es zu kühn?

Nein, es war genau das, was die kleine Prinzessin gebraucht hat. So mächtig, und doch so einsam und naiv. Die Stimme der Wölfin troff vor Belustigung. Sie erinnert wirklich an Roxane, damals auf der Dunkelwacht.

Die Nemesis zögerte für einen Moment, dann ergriff sie Maries Hand. Weiße, schmale Finger umschlossen die geschundenen, von der langen Reise rauen Finger der Lykanerin. „Ich bin Lilyah", stellte sie sich vor. „Lilyah Xayahkem."

Roxane. Ich bin Roxane Blackheart, flüsterte Roxanes Stimme in Maries Kopf. Schnell scheuchte sie die Geister der Vergangenheit fort und konzentrierte sich auf das, was vor ihr lag.

~ ~ ~

Sorry, dass ich am Mittwoch vergessen habe, etwas zu posten, aber ich bin im Moment etwas neben der Spur ;) außerdem bin ich jetzt unter der arbeitenden Bevölkerung und deswegen habe ich kaum Zeit zum schreiben. Irgendwie leide ich auch gerade etwas unter dem guten alten Writer's Block -_- Kann auch leider kaum absehen, ab wann das aufhört und ich wieder etwas motivierter an meine Stroys rangehe....


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