48. Der Saum des Eises

The snow fell hard on a frozen sea

As the night swarmed all around

With no moon to guide our passage north

This corpse of mine may never be found

- Alestorm, Magnetic North


Heulend fuhr der Wind in die Segel der Leviathan. Kleine, nasskalte Schneeflocken tanzten und stachen wie Nadeln in Ravans Gesicht, als er den Blick zum Ufer der Nordmark wandte, ein graubraunes Band über der stahlfarbenen See. Was für eine trostlose Gegend.

Das Land war flach, nur mit kleinen hügeligen Erhebungen, wie von der Hand eines Riesen plattgeklopft. Es wäre wie eine unbewohnte Insel erschienen, wäre nicht der gewaltige Turm, der in den Himmel schnitt wie ein erhobenes Schwert. Lichtenturm war eine frierende Ansammlung von reetgedeckten Steinhäusern, die sich wie schlotternde Kinder in den schützenden Schatten des Turms drückten. Auf den Zinnen waren Skorpione und Katapulte zu sehen, Soldaten, die von unten nur klein wie Insekten schienen, und die vor dem wolkenbedeckten Himmel beinahe bedrohlich wirkende Flagge der Nordmark: Schwert und Streitaxt, gekreuzt, auf schwarzem Grund.

Die Stadt machte ganz und gar nicht den Eindruck einer wichtigen Handelsstadt, doch der belebte Hafen strafte den ersten Eindruck Lügen. Arbeiter be- und entluden Fleuten, Naos, Karavellen und Koggen, ein paar wenige Kriegsschiffe und die schwer bewaffneten Nordfahrerschiffe mit ihren metallbeschlagenen Rümpfen. Soldaten marschierten im Laufschritt über den schlammigen Boden. Kaufmänner und ihre Helfer beobachteten wachsam die Vorgänge. Männer schleppten Waren auf Maultierkarren und in Lagerhäuser. Ein paar verfrorene Huren schlenderten durch die Menge und boten ihre Dienste an, und in irgendeinem Pub spielten die Spielmänner so laut, dass Ravan die grölende Stimme des Sängers noch an den Stegen hörte.

Doch es kümmerte ihn nicht. Zielstrebig suchte er sich einen Weg durch das Gewühl, gefolgt von Raybeau und Bastard. Ein mürrischer Arbeiter wies ihnen den Weg zum Büro des Hafenmeisters, und sie stapften durch den immer heftiger werdenden Schneeregen in die entsprechende Richtung.

Es war eine wahre Erleichterung, es schließlich zu finden, selbst wenn es nur eine kleine, enge Kammer mit groben Holzmöbeln war. Die Luft war zum Schneiden dick, es roch nach verbranntem Holz und muffigen Fellen. Durch ein kleines Fenster fiel fahles Licht hinein.

Ravan klopfte sich umständlich den Schnee von der Kleidung und ließ sich dann auf dem Stuhl nieder, den der Hafenmeister ihm anbot. Raybeau und Bastard postierten sich hinter ihm wie zwei Wachen hinter ihrem König.

„Guten Tag, die Herren. Mein Name ist Balen Smydt", stellte der Hafenmeister sich mit ruhiger Stimme vor. Er schien wie ein Mann, der Beschimpfungen und wütende Männer gewohnt war, und trotzdem stets die Ruhe bewahrte. Seine Haltung erinnerte an einen Soldaten. Narben durchquerten sein Gesicht wie Tierspuren im Schnee und ließen seinen struppigen kurzen Bart wie einen Flickenteppich erscheinen. „Wie kann ich Euch helfen?"

Ravan rückte seinen Mantelkragen zurecht, der immer noch die Farben Ranons trug. Aber Ranon hilft mir in diesem Loch auch nichts mehr. Außerdem hat mir meine Rolle als Herzog nichts als Pech gebracht, und ich habe nicht vor, das zu wiederholen. „Mein Name ist Ravan Darnovey, das sind Raybeau und Yarrow." Hier oben wird wohl niemand meinen Namen kennen, oder mit was er im Süden verbunden ist. Smydt nickte kurz, ohne einen Funken des Erkennens, und Ravan fuhr erleichtert fort. „Master Smydt, kann ich auf Euer Stillschweigen vertrauen, über das, was ich Euch als nächstes erzähle?"

Smydt legte den Kopf schief und fuhr sich durch die graublonden Haare. „Wenn mich ein Mann meines Königs nach dem fragt, was Ihr vorhabt, oder wenn durch meinen Verrat ein Verbrechen verhindert werden könnte, werde ich eine Aussage vor den Vertretern der Nordmark machen. Sollte einer der Männer oder Frauen dort draußen", er wies auf die Tür, die zum Hafen führte, „mich nach Euren Plänen fragt, werde ich schweigen."

Ein Mann mit klaren Prioritäten. „Master Smydt, ich brauche eine Überfahrt nach Norden. Nach Svardens Ark. Jedoch gibt es dabei ein Problem." Er dachte sorgfältig über seine Worte nach. Eine einzige falsche Silbe, und wir haben die Armee von Lichtenturm am Hals, und nach dem, was man hört, kommen auf jeden normalen Menschen hier drei Soldaten. „Bei dem Vorhaben, das ich dort in die Wege leiten muss, werde ich... gute Beziehungen zwischen den Eiswölfen und mir zerstören. Nur eine Kleinigkeit, nichts Weltbewegendes. Doch der Kapitän, der mich dorthin bringt, wird sich ebenfalls nicht mehr in Isvangar blicken lassen können, ohne seinen Tod fürchten zu müssen."

Smydt, der bei Ravans ersten Worten begonnen hatte, in seinen Papieren zu suchen, hielt inne und sah auf. „Eine ungewöhnliche Beschreibung. Wird jemand durch Eure Einwirkung zu Tode kommen oder anderweitig verletzt?"

„Nur, wenn sie es zuerst versuchen." Das ist nicht einmal gelogen, bis auf den König.

„Aye. Wobei geht es bei Euren Beziehungen dort?"

„Handel. Alles andere sind rein unsere Angelegenheiten und haben Euch nicht zu interessieren, Master Smydt, so leid es mit tut." Ravan versuchte ein entschuldigendes Lächeln.

Der Hafenmeister schnaubte. „Natürlich. Noch etwas, was Euer Kapitän erfüllen sollte?"

„Ich möchte noch heute Abend abreisen."

Smydt sog scharf Luft ein. „Das könnte schwierig werden, und wenn ich es schaffe, jemanden zu überreden, wird es teuer für Euch."

Ravan nickte. „Tut, was Ihr könnt."

Der Hafenmeister machte eine Anmerkung auf einem Blatt Papier. „Was ist Eure Fracht?"

„Nur Passagiere samt Gepäck. Ich und meine beiden Begleiter." Ravan nickte zu Bastard und Raybeau.

Der Kapitän zuckte überrascht zusammen. „Warum ich? Ihr habt Euren Bastard und Ihr habt schon einen Captain. Dazu braucht Ihr mich nicht."

„Raybeau, ich traue kaum jemandem weiter, als ich spucken kann, aber Euch schon." Bastard schnaubte abfällig. Ravan neigte den Kopf. „Und Bastard. Ich brauche in diesem verdammten Eisigen Norden alle Verbündeten, die ich kriegen kann."

„Und was soll ich tun? Euch Händchen halten?", knurrte Raybeau ungehalten.

„Mit deinen unvergleichlichen Launen den armen Kapitän im Zaum halten, der das unselige Los gezogen hat, uns nach Norden zu bringen. Einfach das, was du am besten kannst", feixte Ravan.

Raybeau schnaubte angewidert. „Was passiert mit meinem Schiff, solange es hier ist?"

„Ob du nun deinen Männern oder mir Händchen hältst, ist doch irrelevant. Sag Cravo, er soll die Mannschaft beschützen, und niemand wird sich an Bord wagen. Vor allem nicht an Vollmond. Du hast nichts zu befürchten. Wir segeln nach Norden, beenden unsere Geschäfte und segeln zurück, und du bist schneller wieder bei deiner großen hölzernen Liebe, als du Leviathan sagen kannst. Einverstanden?", säuselte Ravan mit einem zuckersüßen Lächeln. Es ist immer wieder amüsant, wie leicht man ihn ärgern kann.

Der Kapitän grunzte etwas unfreundliches und sah schicksalsergeben zur Seite.

Ravan wandte sich wieder an Smydt. „Drei Männer und ihre Habseligkeiten. Noch heute Abend. Nach Svardens Ark, ohne Angst vor der Rache der Eiswölfe. Habt Ihr einen solchen Mann?"

„Aye, den habe ich in der Tat." Ein Lächeln huschte über Smydts vernarbtes Gesicht. „Er wird Euer Gesuch wahrscheinlich sogar mit Freuden annehmen, sobald Ihr ihn überzeugt habt, dass Euer Vorhaben besser ist, als ein paar Wochen lang herumzuhuren und sich in Lichtenturm zu vergnügen. Doch das wird Euch nicht schwer fallen, denke ich", sagte er milde amüsiert und nickte zu Raybeau, der immer noch verärgert aus dem Fenster sah. Dann erhob er sich und ging zur Tür. Ravan winkte Söldner und Kapitän zu sich und folgte ihm.

Eilig gingen sie durch den Schneeregen, immer an den Docks entlang. Die Masten der Nordfahrer stachen wie verbrannte Bäume in den trostlosen grauen Himmel. Ravan zuckte zusammen, als ein Tropfen in seinen Nacken fiel. Verfluchtes Dreckswetter. Ich kann es kaum erwarten, wieder im Süden zu sein. Wo es warm und trocken ist und nicht kalt und verregnet wie hier. Mürrisch spuckte er in den Dreck.

Der Nordfahrer, vor dem sie stehen blieben, war der größte, der in Lichtenturm angelegt hatte. Er war groß wie eine Galeone und ebenso gut bewaffnet. Die Kanonen, die an Deck zu sehen waren, schienen massiver und schwerer als die der Leviathan, wie dafür gemacht, um die gepanzerten Rümpfe anderer Nordfahrer zu zerstören. Schnitzereien, die kämpfende Vintas, sterbende Eiswölfe, Bären, Drachen und andere mythische Ungeheuer zeigten, zierten die Reling vom Bugspriet bis achtern. Die Galionsfigur war eine weibliche Vintas mit erhobenem Hammer und wildem Gesichtsausdruck, das Maul weit aufgerissen, als wäre sie während eines Schlachtschreis eingefroren worden. Ein vorbeigehender Schneeleopard verneigte sich vor der Statue und vollführte eine Geste, dann ging er weiter, als wäre nichts geschehen.

Smydt antwortete auf Ravans ungestellte Frage. „Die Galionsfigur stellt Madras dar, die Schutzgöttin der Vintas. Die meisten Schneeleoparden sind sehr gläubig, ich glaube, ihre Religion gibt ihnen Hoffnung in der verfluchten Eiswüste dort oben." Er warf einen skeptischen Blick in den Norden, nun verdeckt von einer Wand aus Nebel und Schnee, dann betrat er den Steg.

Vor der Gangway stand ein junger Mann in der grauen Uniform, die die meisten Nordfahrer trugen, und trat fröstelnd von einem Fuß auf den anderen. Als er die Männer sah, nahm er Haltung an. „Guten Tag, Smydt, seid gegrüßt. Gibt es ein Problem?"

„Wir suchen deinen Captain. Wo ist er?", fragte Smydt.

„In seiner Kajüte. Aber nehmt Euch in acht, er hat sich wieder mit dem Ersten Offizier gestritten, und selbst ich habe mitbekommen, dass etwas zu Bruch gegangen ist", sagte der Mann unbehaglich mit gesenkter Stimme.

Ravan zog anerkennend die Augenbrauen hoch. Raybeau wird seine Freude mit ihm haben. Er wandte sich an Raybeau und Bastard. „Ich werde mit dem Captain reden. Er hört sich nach einem anstrengenden Mann an, und ich weiß, dass ihr beide auch nicht gerade besonders umgänglich seid." Er grinste spöttisch, als seine beiden Begleiter einen Blick zur Seite warfen, Raybeau verärgert und angewidert, Bastard amüsiert. „Raybeau, erkläre deinen Männern die Lage und überlasse einem von ihnen das Kommando. Lass unsere Sachen zusammensuchen, ich lasse jemanden mit Befehlen zu dir schicken, wenn ich mich mit dem Kapitän einig geworden bin." Raybeau nickte und ging davon, als könnte er es kaum erwarten, von dem fremden Schiff zu seinem zu kommen. Ravan wandte sich an Bastard. „Du gehst mit ihm und bringst deinen Drachen irgendwo in der Stadt unter. Keiner seiner Männer kann ihn verpflegen, während wir weg sind, und es wird schon hart genug sein, den Kapitän zu überreden, da muss dein Drache nicht auch noch im Weg sein." Er sah zu Smydt, der geduldig neben der Gangway stand und sich leise mit der Wache unterhielt. „Master Smydt, wisst Ihr einen Ort, wo Yarrow seinen Königsdrachen unterbringen könnte, während wir im Norden sind?"

Der Hafenmeister dachte kurz nach. „Ja. In der Schlachterstraße gibt es einen Stall, der auch Drachen aufnimmt. Geht in die Straße neben dem großen Lagerhaus dort drüben und folgt ihr, bis Ihr an den Brunnen kommt, dann biegt rechts ab, und dann könnt Ihr es nicht mehr verfehlen."

Ravan nickte. „Dort bringst du ihn hin. Verstanden?"

Bastard schien nicht begeistert, doch er fügte sich. „Aye."

„Gut. Und versuche, dich nicht mit Raybeau zu streiten. Ich brauche euch beide lebendig und an einem Stück."

Bastard schnaubte belustigt und folgte dem Kapitän in das Gewühl im Hafen. Ravan sah zu Smydt. „Gehen wir."

Die Kajüte des Kapitäns ließ selbst Raybeaus auf der Leviathan wie eine Besenkammer erscheinen. Die Wände wurden von Regalen bedeckt, die Bretter bis zum Bersten gefüllt mit Schriftrollen, Büchern, Karten und Flaschen. Das Bett an den Fenstern vor der Rückwand war breit genug, dass Ravan dreimal hinein gepasst hätte, kein Vergleich zu der asketisch kahlen und dennoch chaotischen Kajüte Raybeaus. Zwei schwere Tische, bedeckt mit Karten des Nordens, kleinen Holzfiguren, die Schiffe und Städte darstellten, und diversen Geräten zur Navigation, umringt von vier geschnitzten, aus dunklem Holz bestehenden Stühlen, standen mitten im Raum, wie ein Bollwerk, um den Kapitän zu schützen.

Doch es genügte ein Blick, und Ravan erkannte, dass dieser den Schutz nicht nötig hatte. Der Nordfahrer war ein Vintas, hoch gewachsen und kräftig. Sein Fell hatte die Farbe von schmutzigem Schnee, sturmgrau und bedeckt mit schwarzgrauen Flecken. Unter dem Fell wölbten sich die Muskeln, und neben seinem gewaltigen Oberkörper hätte selbst Mackerel Stanraer lächerlich klein gewirkt. Er trug eine Uniformhose der Nordfahrer, darüber die schweren schwarzen Stiefel der Eisigen Völker, die bis zu den Oberschenkeln reichten. Über dem offenen Hemd, das sich über seiner Brust spannte, trug er einen breiten, reich verzierten Waffengurt, an dem zwei Schwerter und ein Dolch hingen. Um seinen Hals hing ein Amulett in der Form eines Hammers.

Als Smydt mit Ravan eintrat, wandte er sich seinen Besuchern zu, ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Hand. „Ay, Smydt! Was eine Überraschung, dich hier anzutreffen!", rief er. Seine Stimme klang wie eine Basstrommel, tief und laut genug, um selbst bei heulendem Sind und tosendem Wasser Befehle über sein gesamtes Schiff zu brüllen.

Smydt neigte den Kopf. „Captain, das ist Ravan Darnovey, er hat dir ein Angebot zu machen. Master Darnovey, dies ist Captain Haakon Skílfar Sveracsson, Kapitän der Windschnitter und einer der besten und erfolgreichsten Nordfahrer."

Ravan trat vor und reichte Sveracsson die Hand, die der Vintas ergriff. „Captain Sveracsson, es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich hoffe, Ihr könnt mir bei meinem Vorhaben helfen, und nehmt mein Angebot an."

Der Handschlag des Vintas war so hart und fest, das Ravan um seine Fingerknochen fürchtete. „Master Darnovey, die Ehre ist ganz meinerseits. Macht mir Euer Angebot, ich werde zuhören, und abwägen, ob es sich lohnt, für Euch in See zu stechen." Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er Ravan, sich zu setzen, und sah zu Smydt, der immer noch ruhig neben der Tür stand. „Gesellst du dich zu uns?"

Smydt lächelte entschuldigend. „Anders als du, Haakon, habe ich nicht nur ein Schiff, sondern eine ganze Stadt zu organisieren, und deswegen muss ich den Angebot leider ausschlagen. Ein anderes Mal vielleicht, wenn du mit Master Darnovey aus dem Norden zurück bist. Dann hast du sicher eine Menge zu erzählen, und eine Menge, über die du dich beschweren kannst."

Sveracsson lachte donnernd. „Wie schade. Nun denn, Smydt, einen guten Tag."

Der Hafenmeister nickte. „Dir auch. Und Euch, Master Darnovey, viel Glück." Ravan neigte den Kopf, und Smydt verließ die Kajüte.

Ravan wandte sich zu Sveracsson, der sich schwer auf seinen Stuhl fallen ließ, und wollte gerade mit seinem Angebot beginnen, als ihm der Nordfahrer zuvorkam. „Wichtige Gespräche führt man nie mit trockener Kehle", belehrte er ihn und rief einen Namen. Wenige Sekunden später stürmte ein Schiffsjunge in die Kajüte. „Bring uns zwei Gläser und die Flasche mit dem shyrischen Whiskey. Schenk unserem Gast reichlich ein, er sieht nicht so aus, als könnten wir uns so bald einigen", befahl er dem Jungen und warf Ravan einen belustigten Blick zu.

„Je nachdem, wie sehr Ihr bereit sein Euch in Gefahr zu bringen, könnten wir uns sehr schnell auf einen Handel besinnen", warf Ravan ein.

Sveracsson beobachtete den Jungen scharf, während dieser mit zitternden Händen Whiskey in zwei schwere Kristallgläser goss. „Wir werden sehen", sagte er mit einem einladenden Lächeln, schickte den Jungen fort und reichte Ravan eins der Gläser. „Auf gute Geschäfte."

Ravan nickte und stieß sein Glas an das des Kapitäns. „Auf gute Geschäfte."

Sie nahmen einen Schluck, und Sveracsson musterte Ravan prüfend. „Nun gut, was ist Euer Angebot?"

Ravan stellte sein Glas ab und legte die Fingerspitzen aneinander. „Ich hoffe, es versteht sich von selbst, dass Ihr über dieses Gespräch absolutes Stillschweigen bewahrt. Falls Eure Loyalität bei der Krone von Corvangar liegt, was ich vermute, kann ich Euch versichern, dass kein Vintas bedroht wird, solange er sich mir nicht in den Weg stellt."

Sveracsson zuckte mit den gewaltigen Schultern. „Ich habe in meinem Leben schon viele dubiose Dinge befördert. Nicht nur Dinge, auch Kreaturen und Personen, deren wahre Identität stets ein Geheimnis sein sollte. Ich bringe alles und jeden vom Eisigen Norden zu einem der Türme, und ich stelle keine Fragen des Warum. Meine Crew weiß um diese Dinge, aber auch nicht mehr, als sie wissen muss. Selten ist es mehr als der Kurs, der einen Weg aus dieser Kajüte findet. Ich weiß, wie man Männer zum Schweigen bringt, und sie wissen auch, dass ich es weiß."

Ravan zog die Augenbrauen nach oben. „Droht Ihr mir?"

Er lachte. „Wenn ich Euch drohen würde, dann würde ich das etwas auffälliger anstellen. Ich bin gut darin, Geheimnisse zu behalten, doch meine eigene Meinung halte ich nicht hinterm Berg."

Ravan lächelte. Er ist ein guter Mann, und ein fähiger Kapitän. „Hervorragend, Captain. Dann werde ich Euch nun mein Vorhaben erklären." Mein großer Auftritt. „Ich habe Pläne, Pläne, die die Welt verändern könnten. Doch dafür brauche ich eine bestimmte Person, von der all meine Träume abhängen, und sollte ich diese eine Person nicht bald in meinem Besitz haben, nun, dann kann ich meine Träume gleich im Wein ertränken und eine großartige Chance für mich und mein Volk verspielen."

Sveracsson kippte seinen Whiskey hinunter. „Und diese eine Person sollen wir für Euch an einen bestimmten Ort bringen", riet er.

„Nein. Nicht nur. Smydt brachte mich zu Euch, weil Ihr keine namhaften Handelsbeziehungen in Isvangar habt. Stimmt das?"

Sveracsson spuckte auf die polierten Planken. „Warum, bei Madras' Hammer, sollte ich mich mit den verfluchten Eiswölfen herumtreiben? Sie sind der Schmutz der Großen Götter, der Dreck, den Madras nicht von der Erde wischen konnte." Er murmelte einen Fluch in der Sprache des Eisigen Nordens.

Oh, der altbekannte Hass der Vintas. „Gut. Denn wenn Ihr mich bei meinem Vorhaben unterstützt, werdet Ihr Euch nie wieder in Isvangar sehen lassen können, ohne eines grausamen Todes zu sterben. Denn die Wölfe werden nicht begeistert sein von dem, was ich vorhabe." Ravan straffte die Schultern. „Die Person, die ich für meine Pläne brauche, ist ein Gefangener im Weißen Fort. Ihr müsst mich und meine beiden Begleiter, Captain Stanis Raybeau und Madrid Yarrow, nach Norden bringen. Nach Svardens Ark. Wir werden den Mann befreien. Ihr werdet uns an der Eiszapfenküste wieder an Bord nehmen, mit der befreiten Person. Wir segeln wieder hierher zurück, nach Lichtenturm, und unsere Wege trennen sich wieder. Das ist mein Plan."

Sveracsson kniff die Augen zusammen. „Bei Madras, Ihr seid entweder wahnsinnig oder dumm, zu glauben, Ihr könntet einfach so ins Weiße Fort einbrechen und irgendjemanden zu befreien. Wisst Ihr, wie gefährlich es ist? Das Gefängnis liegt mitten in Isvangar, umgeben von hohen Bergen und einer Mauer, die angeblich mehr als tausend Meter hoch ist. Einbrechen ist schwer, doch Ausbrechen ist unmöglich. Noch nie ist jemand aus dem Weißen Fort entkommen."

Ravan lächelte überlegen und dachte an Bastards List, den Zar um Hilfe zu bitten. „Das lasst allein meine Sorge sein. Und noch etwas: ich will noch heute abreisen. Nicht jeder billigt meine Pläne, und mein Verfolger ist einer der hartnäckigsten Sorte."

Der Kapitän seufzte tief und goss sich erneut Whiskey in sein Glas. „Ihr seid vollkommen wahnsinnig, wisst Ihr das?" Trotzdem schimmerte in seiner Stimme das Interesse.

„Das habe ich schon öfter gehört. Zwar nicht in exakt diesen Worten, doch in ähnlichen."

Sveracsson kippte sein Getränk hinunter und starrte danach bedauernd auf sein Glas, als bereue er, die kostbare Flüssigkeit nicht ausgekostet zu haben. „Wäre auch ein Wunder, denn um Euren Wahnsinn nicht zu riechen, müsste man sich Rosenwasser in die Nase ziehen." Er lachte. „Und doch kann ich Euch gut leiden. Ihr habt vor, den Wölfen ordentlich ans Bein zu pissen, wenn ich das so ausdrücken darf, und das ist stets ein Ansinnen, bei dem sich ein Vintas kaum verwehren kann. Trotzdem muss ich Euch fragen: was springt für mich dabei heraus?"

Ravan lächelte. Er ist ganz und gar nicht abgeneigt. Das war einfacher, als ich dachte. „Ihr werdet den Eiswölfen sehr weh tun, Ihr habt meine unendliche Dankbarkeit und natürlich werdet Ihr gut bezahlt. Was verlangt Ihr noch?"

„In der Tat, ich erkenne nichts, was sich gegen Euren Vorschlag stellen würde. Seit einer Woche legen wir hier im Hafen, und mir wird langweilig. Ich streite mich ununterbrochen mit meinem Ersten Offizier, und sie will unbedingt, dass ich einen Auftrag annehme... Eurer ist genau richtig. Die Eiswölfe bekommen einen Tritt in ihre verfluchten Ärsche, es ist wunderbar gefährlich und ich war zu lange nicht mehr an der Eiszapfenküste. Die Winde dort sind ein Traum." Er knurrte voller Vorfreude.

Ravan lächelte und trank seinen Whiskey. „Nehmt Ihr mein Angebot an?"

„Mit größtem Vergnügen."

Das war wirklich sehr einfach. Sogar Raybeau war skeptischer, als ich ihn damals um Hilfe gebeten habe, und er sollte seinem Herrn eigentlich blind vertrauen. „Gut. Würdet Ihr bitte noch einen Mann auf die Fregatte Leviathan schicken und den Kapitän wissen lassen, dass unser Handel zustande gekommen ist?"

„Natürlich. Ich lasse sofort die Befehle geben." Er sah an Ravan vorbei zur Tür. „Laroux! Beweg deinen süßen Arsch her!", brüllte er.

Ravan zuckte zusammen. Laroux? Das Bild der rothaarigen Comtesse von Sekhar erschien vor seinem inneren Auge, seine Lippen begannen zu brennen, doch er schob das Gefühl zur Seite. Es ist nicht sie, beruhigte er sich, und erinnerte sich an Marionne Laroux' Worte. Ihr würdet meiner Schwester gefallen. Sie ist Nordfahrerin. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Madame Laroux' Schwester. Wie reizend.

Vor der Tür polterten Absätze auf den Planken, und Laroux stürmte hinein. „Captain, Ihr habt gerufen?", meldete sie sich etwas reserviert.

„Master Darnovey, das ist mein Erster Offizier, Miss Alastaire Laroux", stellte Sveracsson sie vor.

Ravan erhob sich und musterte sie interessiert. Wie Marionne war ihr Haar kupferrot, doch etwas heller, golden im dämmrigen Licht in der Kajüte, geflochten in einen lockeren Zopf, der ihr über die Schulter fiel. Sie sah jung aus, etwas jünger als Ravan, doch sie zeigte einen kämpferischen Zug, den ihre Schwester unter ihrer Eleganz vor der Welt verbarg. Alastaire schien jedoch nicht so, als würde sie ihn jemals verbergen, und auch das Schwert an ihrer Seite sprach eine deutliche Sprache. Sie muss nicht wissen, wie nahe ich ihrer Schwester war, dachte er amüsiert. Nicht, dass sie es falsch auffasst. Ihre Kleidung war feminin, und doch praktisch: Bluse und Korsett, eng genug geschnürt, um ihre Figur zu betonen, doch nicht zu sehr, um ihr die Luft nicht abzudrücken, darüber ein schwarzer Mantel, enge Hosen aus hellem Leder mit einem kurzen schwarzen Rock und einem breiten Gürtel darüber. Ihre Stiefel waren aus glattem, schwarzen Drachenleder, mit einer Knopfleiste an den Seiten und Absätzen. Ein reich verzierter Dreispitz saß verwegen schief auf ihrem Kopf.

Ravan lächelte sie an und verneigte sich vor ihr. „Madame Laroux."

„Madame Laroux ist meine Schwester. Ich bin nur Miss Laroux." Sie lächelte bezaubernd, wenn auch nicht so verführerisch wie Marionne.

Sveracsson mischte sich ein. „Laroux, darf ich vorstellen, das ist Ravan Darnovey, unser Auftraggeber. Wir werden mit ihm und zwei anderen nach Svardens Ark reisen. Lass die Kajüten für die hohen Gäste vorbereiten, und schicke einen Mann auf die Leviathan, und lass melden, dass ich und Master Darnovey einen Handel abgeschlossen haben. Klarmachen zum Auslaufen in acht Glasen. Wir haben genug Vorräte für eine Reise an Bord, nicht wahr?"

Alastaire Laroux nickte.

„Gut, erkläre der Mannschaft die Lage und hol die Nachzügler aus der Stadt. Hol Mragry notfalls mit Gewalt aus dem Bordell. Verstanden?"

„Aye, Captain. Ich bin stolz auf Euch, das Ihr schlussendlich doch noch einen Auftrag gefunden habt, der Euren Anklang findet", spottete sie, doch mit einem frechen Grinsen.

„Wir treten den Wölfen in den Arsch", sagte Sveracsson mit kaum verhohlener, grimmiger Aufregung. „Dieser Auftrag findet mehr als nur Anklang."

Ravan beschränkte sich auf ein leicht gequältes Lächeln. Das wird ein Höllenspaß, wenn ich ihm beibringen muss, dass wir einen Eiswolf auf sein Schiff bringen müssen. Doch er schwieg, zufrieden mit sich und dem, was seine Verhandlungen gebracht hatten. De Oro, sieh dich vor. Wir entkommen dir, und nichts kann uns aufhalten.


~ ~ ~

Hallo meine Lieben, hier bin ich wieder. War im Urlaub. Den erzählesuns-Wettbewerb kann ich vergessen, leider, aber dafür vielleicht nächstes Jahr.

Und hier bekommt ihr ein neues Kapitel. Ravans Situation spitzt sich zu...


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