46. Kalte Wahrheiten
Far beyond the ice and snow
Our voyage carries on
For blood and gold, we sold our souls
Redemption lies at Magnetic North
Set the course for Magnetic North
Beyond the snow to Magnetic North
On the quest for Magnetic North
We will die at Magnetic North
- Alestorm, Magnetic North
„Woher wusste er es? Woher wusste dieser verdammte De Oro, wo er nach uns suchen musste? Wir hätten ihn abgehängt, wir waren außer Sichtweite, und trotzdem taucht er in Imarad auf und will mich festnehmen!" Ravan marschierte mit polternden Absätzen durch die raschelnden Papiere in Raybeaus Kajüte. „Und jetzt ist er hinter uns und folgt uns auf jeder Meile, die wir hinter uns bringen! Warum, Raybeau!"
Nachdem er den jungen Anführer der Zafiro niedergeschossen hatte, waren Ravan und Bastard aus Imarad geflohen. In aller Eile hatte Bastard Ravans Schulter genäht und wieder verbunden, bevor die Wellen auf See zu unruhig für präzise Stiche wurden. Zwar schmerzte jede Bewegung, die sein Arm machte, doch es war zu ertragen.
Kaum waren die Segel gehisst worden, waren sie mit der Leviathan in der Dunkelheit verschwunden, in der Hoffnung, De Oro so zu entkommen. Doch kaum war die Sonne aufgegangen, hatte einer der Seemänner die Kroneneinhorn entdeckt. Seitdem hatte die Mannschaft kaum eine ruhige Minute gehabt, sie hatte geschuftet, um das Schiff selbst bei den immer heftiger werdenden Stürmen auf Kurs zu halten.
Außerdem wurde es immer kälter. Bastard war nur selten ohne seinen gefütterten Fliegermantel anzutreffen, und auch Ravan zog mehrere seiner teuren Mäntel, die er aus der Truhe des Herzogs gestohlen hatte, übereinander. Die Männer der Crew wurde von Erkältungen heimgesucht, und Ravan wusste, wenn er sie nicht hätte ruhen lassen, würden sie meutern. Dass sie es nicht taten, war eine wahre Erleichterung.
Trotzdem wusste Ravan, dass sich unter der Crew ein Verräter verbarg, und solange dieser nicht aus der Welt geschafft war, drohte ihnen eine Gefahr. Er hatte versucht, eine Konfrontation zunächst zu vermeiden, schließlich war er Raybeau immer noch dankbar, dass er sie immer aus allen Gefahren herausgesegelt hatte, doch ein letzter, stechender Verdacht blieb. Wer sonst hatte einen Grund, ihn auszuspionieren?
Doch der Kapitän stritt es stets ab. „Master Darnovey, wenn ich Euch verraten hätte, warum hätte ich Euch immer vor allem in Sicherheit gebracht? Warum hätte ich Gold in Hände und Messer an Kehlen drücken sollen, um die Fragen über den verfluchten Drachen auf dem Vorderdeck zum schweigen zu bringen? Ich bin ein treuer Mann des Kartells Virrey. Jahrelang habe ich Eure Waren aus dem Süden in die Reiche der Krieger und der Menschen gebracht. Ihr bezahlt besser als alle anderen Kartelle, warum hätte ich meine Lebensgrundlage zerstören sollen?", fauchte der Kapitän aggressiv.
Ravan knurrte und starrte aus dem Heckfenster. In der Ferne war die Kroneneinhorn zu sehen. Er wusste nicht, wie sie es durch den furchtbaren Sturm vor Westerturm geschafft hatten. Sie waren hineingefahren, in der Hoffnung, De Oro abzuhängen, und nur durch pures Glück hatten sie es unversehrt um die scharfen Klippen des Kaps geschafft. Als sich die Wolken lichteten, war statt der erhofften leeren See die Kroneneinhorn am Horizont zu erkennen gewesen, und sie machte kaum den Eindruck, einen Schaden davongetragen zu haben. Noch haben wir einen knappen Vorsprung von einem Tag, aber wenn wir zu lange in Lichtenturm festhängen, haben wir sie wieder im Nacken.
Er wusste, dass Raybeau recht hatte, und doch war ihm klar, dass Geld jeden zum Verräter machen konnte. Wenn De Oro oder Hector Stanraer ihm genug Geld geben, warum sollte er ich dafür nicht ausspionieren? Ein paar Briefe an die richtigen Männer, und dafür eine Menge Geld erhalten, das ist ein rentables Geschäft. Kurz überlegte er, wie viel die Rhymers wohl ihren Spionen zahlten, und ob auch einer ihrer Ratten auf der Leviathan waren. Es ist wahrscheinlich. Doch das kümmerte ihn nicht. Die Rhymers waren keine unmittelbare Gefahr für ihn, De Oro in seinem Nacken dagegen schon.
Bastard, der ruhig neben der Tür gestanden hatte, mischte sich ein. „Master Raybeau, bitte verkürzt Euch eure Zeit des Misstrauens und der Qualen und gebt zu, dass Ihr der Verräter seid. Sonst könnte es doch sehr unangenehm werden für Euch."
Raybeau sprang von seinem Stuhl auf. „Ich bin kein verdammter Verräter, Yarrow! Beschuldigt mich nie wieder für etwas, was ich nicht getan habe. Nicht Ihr, Ihr schmieriger, hornloser Sohn einer Hure!"
Bastard zog mit einem Knurren seinen Dolch und trat auf Raybeau zu, der seinerseits seinen Säbel zog. „Ich tue, was ich will, und Ihr könnt mich nicht davon abhalten!", zischte der Söldner.
Wie Mackerel und Salvatore. „Waffen weg! Zurück! Reißt Euch zusammen! Verdammte Geister und Dämonen, wir haben einen Verräter an Bord, und ganz offensichtlich ist er nicht in diesem Raum. Statt uns gegenseitig umzubringen, sollten wir uns darauf konzentrieren, den Spion zu finden und in die Tiefe des Meeres zu den Geistern schicken!"
Bastard ließ den Dolch in der Hand kreisen. „Er ist der Verräter. Das hast du doch selbst gesagt."
„Ich konnte mir selbst nicht ganz glauben. Er hat gesprochen und sich verteidigt, und ich bin mit meiner Meinung nicht so festgefahren, als dass ich sie nicht ändern könnte."
„Aber-" Bastard wollte zu einer wütenden Rede anheben, doch Ravan unterbrach ihn.
„Bastard, raus. Du kannst ihn nicht ausstehen, das weiß ich, und ich verstehe und akzeptiere es, aber jetzt wirst du persönlich, und das kann ich in einer nüchternen Debatte über das Überleben unserer Reise nicht gebrauchen. Also raus." Ravan wies auf die Tür.
Wieder holte Bastard Luft. Ravan sah ihn drohend an, und er atmete schnaubend aus. „Aber dann beschwere dich nicht bei mir, wenn er uns nachts die Kehle durchschneidet und wir in unserem Blut ersaufen."
„Ay, werde ich nicht." Verpiss dich, Mann. Komm wieder zur Ruhe.
Bastard nickte, dann marschierte er hinaus. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Raybeau starrte ihm hinterher und biss hörbar die Zähne zusammen. „Was für ein Arschloch. Wie haltet Ihr es nur mit ihm aus?"
Ravan fuhr herum. „Raybeau, bei allen Geistern, es reicht jetzt!"
Der Kapitän zuckte mit den Schultern, schwieg jedoch. „Ihr seid also der Meinung, ich sei nicht der Verräter?", sagte er schließlich. „Gut."
Ravan lächelte falsch. „Solltet Ihr es doch sein, gebt Ihr erstens Bastard recht und zweitens werdet Ihr ein äußerst kreatives Ende durch meine Hand finden. Ich denke, ersteres wird Euch von jeglichem Verrat abhalten, den Ihr jemals begehen werdet."
Raybeau steckte sein Schwert zurück in die Scheide und setzte sich wieder. Säuerlich sah er zu Ravan auf. „Ich bin nicht der Verräter, und werde es auch nie sein. Wenn Ihr mir das nicht glaubt, gut, tötet mich, aber dann hättet Ihr Euren besten Kapitän verloren."
„Hattet Ihr einmal das Vergnügen, einen gewissen Morrisome Fury kennenzulernen?", fragte Ravan amüsiert.
„Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen. Wer ist er?"
„Tut nichts zur Sache." Ich bin einer der besten Drachenreiter von Crusadia, wenn nicht sogar der beste, flüsterte Morrisome Fury in seinem Kopf. Sein falsches Lächeln drehte Ravan selbst aus der Erinnerung den Magen um, und er bekämpfte den Drang, auf etwas einzuschlagen. Was er wohl mit meinem Kartell anstellt? Seine Briefe erzählen nur wenig über das, was er tut... Aber er ist noch die beste Wahl. Wenn Ascendra Slayer das Virrey in die Finger kriegen würde, läge Crusadia innerhalb weniger Tage in Schutt und Asche.
Entschlossen schob er die Gedanken an Fury und Slayer zur Seite. Er hatte andere Dinge, um die er sich kümmern musste. „Raybeau, wir erreichen in ein paar Tagen Lichtenturm. Dort nehmen wir Vorräte an Bord, und danach werden wir nach Norden segeln und den Zarenmörder aus dem Gefängnis holen." Was ist, wenn er doch der Verräter ist? Und ich ihm gerade meine gesamte Strategie erkläre? Schnell vertrieb er den Gedanken.
Raybeau unterbrach seine Rede. „Wir werden mit meinem Schiff nicht weiter als bis Lichtenturm kommen. Dort müssen wir auf einen Nordfahrer umsteigen."
Ravan sah ihn an. „Wann gedachtest du, mir das zu sagen?", schnaubte er ungehalten.
„Ihr habt nicht danach gefragt."
Bei allen Geistern. „Du sagtest, du wärst schon einmal im Eisigen Norden gewesen. Und du hast es nicht für wichtig gehalten, mir zu sagen, dass wir einen verdammten Nordfahrer finden müssen, der uns nach", er warf einen Blick auf die Karte des Eisigen Nordens, die auf dem Tisch lag, befestigt mit vier Dolchen, „nach Sverkasfell bringen soll?"
„Ich konnte nicht wissen, dass es nicht zum allgemeinen Wissen über die Welt gehört, in der wir leben", knurrte Raybeau spitz.
Ravan verdrehte die Augen. „Ich habe nicht den Großteil meines Lebens auf See verbracht. Also nun, wir segeln nach Lichtenturm, suchen einen Nordfahrer, fahren nach Sverkasfell, dort-"
Er wurde unterbrochen durch Bastard. Donnernd warf der Söldner die Tür auf. „Wir segeln nach Svardens Ark, nicht nach Sverkasfell. Dort bitten wir den Zar um Hilfe. Er versorgt uns mit Pferden, Proviant und Wachen, die uns sicher zum Weißen Fort bringen, wo wir den verdammten Zarenmörder befreien."
Ravan starrte ihn an. „Aha, und du willst den Zar dazu bringen, uns bei der Befreiung ihres Lieblingsgefangenen zu helfen? Wie denn? Du kannst ihn gleich fragen, ob er ihn einfach freilässt. Wir gehen in seinen Palast und sagen Guten Tag, Mylord, wenn wir uns Skyoll Komarov einmal ausleihen dürften, um Palaimon Castillo zu töten. Wie hilfreich. Hatte ich dir nicht befohlen, draußen zu bleiben?"
Bastard zuckte mit den Schultern. „Ja, hattest du. Aber ich habe gehört, dass du nach Sverkasfell segeln willst, und danach offensichtlich den Weißen Fluss hinauf. Das konnte ich leider nicht mitanhören."
Ravan breitete die Arme aus. „Gut, du elender Bastard, dann sprich und erleuchte uns mit deinem Plan!" Schnell warf er einen warnenden Blick zu Raybeau, der bedrohlich laut zum Reden angehoben hatte. Halt dein Maul, und lass mich hören, was er sagt.
„Mit Vergnügen." Bastard nahm eine der Schreibfedern und zeigte auf einen kleinen Punkt auf der Karte. „Hier liegt Svardens Ark. Das Weiße Fort ist hier." Er zeigte auf einen anderen Punkt, direkt neben einer Bergkette. „Wie ihr wisst, habe ich Kontakte in Isvangar. Ich kenne ein paar Soldaten, vier Wächter im Weißen Fort, von denen einer, glaube ich, noch lebt, den Zar, seinen Sohn Sergej und ich kenne natürlich Komarov." Die Spitze der Schreibfeder huschte wieder zu dem mit Svardens Ark beschrifteten Punkt. „Wir landen in Svardens Ark. Dort bitten wir um eine Audienz bei Zar Kirill Danarov, unter dem Vorwand, ich würde mich gerne, wo ich mich schon im Norden befinde, mit Ivan treffen, dem Wächter im Fort. Danarov wird es mir kaum abschlagen können. Ich verstehe mich gut mit seinem Sohn, und weil ich geholfen habe, Komarov seiner gerechten Strafe zuzuführen, wird er mich sicher einmal nachsehen lassen, ob er noch dort ist, wo ich ihn zuletzt zurückgelassen habe. Außerdem kann nur ein königlicher Dekret den Befehl zum Öffnen des Weißen Forts geben, und dort einzubrechen, wenn man ein solches nicht hat, ist ebenso schwer, wie aus dem Fort zu entkommen." Bastards Stimme bekam einen bedauernden Unterton, als würde er es bereuen, die Eiswölfe so zu hintergehen. „Danarov wird uns zum Fort helfen, wo wir Komarov befreien und wir fliehen mit ihm über Land bis an die Eiszapfenküste, wo der Nordfahrer, den wir in Lichtenturm anheuern wollen, warten soll. Wir gehen wieder an Bord und fliehen, als wären Eisdämonen hinter uns her."
Ravan nickte langsam. „Es wird gefährlich, aber diese ganze Fahrt ist Wahnsinn und voller Gefahr. Wir werden es überleben." Als er zu Raybeau sah, erkannte er, wie sehr ihm der Plan gefiel, doch sein Gesicht drückte Ablehnung aus. Wie Hector Stanraer meine Pläne nicht billigt, nur weil es meine sind, so hasst er alles, was Bastard sagt. Mühsam verkniff er sich ein belustigtes Grinsen.
„Etwas habt Ihr bei Eurem Plan nicht bedacht. Die meisten Nordfahrer wollen sich ihre Geschäfte mit Isvangar nicht mit einer solchen Aktion ruinieren. Wer wird bei so etwas einwilligen?" Raybeaus Stimme schimmerte vor eisiger Genugtuung, doch eine Lücke in Bastards Plan gefunden zu haben.
Ravan lächelte. „Wir müssen ihnen ja nicht die ganze Wahrheit erzählen. Außerdem hast du nicht bedacht, dass es Völker gibt, die den Wölfen nur zu gerne schaden wollen."
Raybeau hob eine Augenbraue.
„Die Vintas. Die Schneeleoparden von Corvangar." Bastard lächelte. „Sie würden alles tun, um den Wölfen das Leben zu vermiesen. Und mindestens einen wahnsinnigen Kapitän wird es sicher unter ihnen geben."
* * *
Ihr werdet euch vielleicht fragen, wer der Zar ist... es ist der Marquess von Isvangar. Irgendwie erschien mir der Titel so passender. Irgendwann tausche ich das auch bei den anderen Kapiteln um... ist mir aber im Moment zu anstrengend. :P
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