Hold your head up!
Keep your head up!
Hold your sword up!
Fight! fight! fight!
When you sleep, keep one eye open
Know your friends but watch them tight!
- Abney Park, Scupper Shanty
Die Menge um den Kampfring brüllte, laut, wüst und betrunken. Blut und Alkohol tropften auf den staubigen Boden. Die Luft war stickig, warm und roch widerlich. Schweiß lief Marie den Körper hinab und ließ ihre Haut kleben. Für einen Moment wünschte sie sich nichts mehr als ein vernünftiges Bad.
Haben wir nicht ganz andere Sorgen?
Bregos Griff um ihren Arm war heiß und fest, so fest, dass sie spürte, wie ihr Blut stockte. Seine Hand schien zu pulsieren, ein Echo seines Herzschlags. Doch Marie wehrte sich nicht. Nur zu gut war sie sich der Anwesenheit der Männer hinter ihr bewusst, die ihre Musketen auf sie richteten und beim kleinsten Anzeichen einer Verwandlung abdrücken würden.
Trotz ihrer aussichtslosen Lage hatte sie keine Angst. Sie wusste selbst nicht warum. Vielleicht waren die Gefühle der Wölfin zu mächtig? Deutlich fühlte sie ihren Abgrund in ihrem Kopf, unter ihrer Haut, in ihren Gliedern, heiß und gierig. Auf Blut und Tod aus. Wie zuvor auf dem Schiff strich das Gefühl von dunklem Samt an ihr vorbei, schwer und weich, wie Bregos Stimme. Fern hörte sie die Warnung ihres Bruders in ihrem Kopf widerhallen, doch es war nur noch ein Schatten, eine leise Erinnerung. Natürlich war es gefährlich, der Wölfin ihre Freiheiten zu lassen. Doch war es nicht besser, eine starke, mächtige Frau zu sein, statt ein schwaches, ängstliches Weibsbild?
Sie hatte immer gedacht, dass sie stark war, als sie noch in Crusadia war. Mit der Wölfin fest verschlossen in ihrem Bewusstsein, dem Abgrund in Ketten. Nie hatte sie mehr als ein paar Drohungen gebraucht, Worte im Wind, um sich aus Problemen herauszuwinden.
Bis Maura, dieses elende, verlogene Miststück, sie aus ihrer Welt gerissen und auf ein Schiff verfrachtet hatte. Da hatte sie gemerkt, dass Worte ihr nicht helfen würden, und die Wölfin hatte sie gefunden und gerettet. Sie hatte ihr ihre wahre Stärke gezeigt. Sie zu einer wahren Crusader gemacht. Ohne dich wäre ich nicht hier, flüsterte sie ihrem Abgrund zu. Ich wäre niemals aus Hassilas Bordell gekommen und ich wäre niemals der Seewolf geworden. Ohne deine Hilfe...
Werd nicht sentimental. Wir haben einen Kampf zu gewinnen, einen Mann mit starken mentalen Kräften zu finden und eine Geliebte zu retten, die nicht einmal weiß, dass die sie so sehr liebst.
Marie verkniff sich ein Lächeln und genoss das Gefühl der Sicherheit und Blutlust unter ihrer Haut, während Brego sie durch die Menge stieß, zu dem Ring, in dem sie Kämpfen sollte. Töten sollte. Der Ring war klein, nur wenige Meter im Durchmesser. Marie hätte ihn mit zehn Schritten durchschreiten können. Seine Wände waren kaum brusthoch, umgeben von tobenden Männern und betrunkenen Frauen. Aufgepeitscht von Blutgier und Alkohol, brüllten sie Beleidigungen und Anfeuerungsrufe.
Brego führte Marie bis zur gegenüberliegenden Seite des Rings, doch er ließ sie nicht los. „Hör zu, Süße, ich lasse dich gleich los. Wenn du mich angreifst, töten die anderen dich auf der Stelle. Halte deinen Wolf zurück, bis dir dein Gegner präsentiert wird, dann schicke den hundevögelnden Sohn einer dreckigen Hure in die Höllen und dann hoffe ich für dich, dass es irgendeinen Hornlosen gibt, der dich für mindestens fünf Kreuzer kauft. Hast du mich verstanden?"
„Ich werde dich nicht enttäuschen, Brego." Fast wünschte sie, dass er noch etwas sagen würde, nur damit sie noch einmal in seiner wunderbaren Stimme ertrinken konnte, doch er nickte ihr nur einmal zu und ging. Fünf Kreuzer. Das ist eine Menge Gold.
Du weißt, was du zu tun hast? Die Wölfin klang stolz, mit einem Funken Unglaube. Eine Crusader wie dein Bruder. Wie du es immer sein wolltest. Er wäre stolz auf dich.
Ja. Das wäre er. Ich hoffe, ich sehe ihn wieder. Sie vermisste ihr Zuhause. Das Herrenhaus, Port East, ihren Bruder. Roxane. Ich werde sie wiedersehen. Mit dem, was der alte Mann mir beibringen wird. Aber was, wenn es nur eine Lüge war? Wenn er keinen Weg hat, der mir noch nicht offen steht?
Gegenüber von ihr, auf der anderen Seite des Rings, betrat ein Kriegerpferd den Ring. Lässig und siegessicher ließ es das Schwert in der Hand wirbeln, sein braunes Fell glänzte rot im Schein der Fackeln. „Na, du kleine Schlampe? Dachtest wohl, du könntest mich besiegen? Da hast du dich ganz ordentlich geirrt!", brüllte er über den Krach der Menge hinweg.
Wenn der alte Mann keinen Weg für uns bereit hält, töten wir ihn wie diesen elenden Angeber, der gleich durch unsere Zähne fallen wird, zischte die Wölfin.
„Glaubst du, du kannst mich töten?", schrie Marie zurück und knöpfte ihren Mantel auf. Sie wollte nicht, dass sie ihn zerriss. Sie hatte ihn als Seewolf errungen, und sie wollte ein Erinnerungsstück an das erste Mal, an dem sie wahre Macht gespürt hatte.
Als sie das Kleidungsstück zu Boden fallen ließ, grölten und pfiffen die Männer so laut, dass Marie das Gefühl hatte, taub zu werden. Ihr Gegner lachte. „Denkst du, du kannst mich mit deinen hübschen Titten bezaubern? Da musst du schon etwas mehr können!"
Marie spürte die summende Anwesenheit der Wölfin und ihre Freude, als sie sich vereinigten. Der Schmerz der Verwandlung war noch nie so süß gewesen, das Knacken ihrer Knochen war wie Musik in ihren Ohren. Ihr Herzschlag war wie Trommeln, laut, treibend und aggressiv. Fell huschte über ihren Körper wie ein warmer Fluss, und mit einem wütenden Schrei hielt sie ihre Verwandlung an. Wie zuvor auf dem Schiff floss das Gefühl der Macht durch ihre Adern, heiß und eisig zugleich, und sie fixierte das Kriegerpferd mit eisiger Verachtung. Er wird sterben. Nichts wird mich aufhalten, ihm seinen Kopf abzureißen.
Wie ein Windstoß fegte das Bewusstsein der Wölfin an ihr vorbei, ihre Antwort verhallte, als sie wieder zu einem wurden. Marie kauerte sich sprungbereit zusammen und knurrte. Das Gebrüll der Menge verhallte in ihren Ohren, die Zeit schien wie in Honig zu stecken. Das einzige, das noch existierte, war ihr Gegner. Den sie töten musste.
Es würde einfach werden.
Doch Brego wollte fünf Kreuzer. Er wollte etwas sehen, etwas Außergewöhnliches, und das musste sie ihm bieten, sonst wäre sie verloren.
Wie sollte er mich angreifen? Er ist nur ein Mensch, ein unbedeutendes Nichts, verglichen zu mir. Ich habe das Wissen eines Menschen und die Sinne einer Wölfin. Niemand kann ihn vor mir beschützen, wenn ich ihn töten will.
Kaum hatte sie den Gedanken beendet, schrak sie zusammen und riss sie sich ein Stück weit von ihrem Abgrund los. Ihr Körper protestierte und sie keuchte auf vor Schmerz. Er kann mir viel antun. Und der Mann vor mir auch. Sie können mich töten, sie können mir wehtun. Der Abgrund ist so verlockend... Für einen Moment fürchtete sie sich so sehr vor ihrem Abgrund, dass sie mit dem Gedanken spielte, sich zurückzuverwandeln. Doch sie verwarf ihn schnell. Wenn ich das tue, dann bin ich so oder so verloren. Sie starrte auf ihren Gegner, der verwirrt schien von ihrer plötzlichen Verwandlung. Unschlüssig tänzelte er hin und her.
Sie folgte jeder seiner Bewegungen, bis sie die Geduld verlor. „Willst du tanzen oder kämpfen?", brüllte sie undeutlich, das letzte Wort ging in einem dunklen Knurren unter. Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf sie.
Schnell duckte sie sich unter seinem Schlag weg und zog ihm die Krallen über den Oberschenkel. Er fauchte überrascht und schwang sein Schwert. Es verfehlte sie nur um Haaresbreite, sie spürte den Luftzug an ihrer Seite. Ohne zu zögern, ließ sie sich ganz fallen, wurde zur Wölfin, und schnappte nach seinem Schwertarm. Doch er erwartete sie bereits und die Schwertklinge strich ihr quer übers Gesicht. Die Wunde war nicht tief, doch sie brannte abscheulich und blutete stark. Heulend fuhr sie zurück.
Das Kriegerpferd breitete die Arme aus und sonnte sich kurz im Applaus der Menge. Marie wartete, bis er sich im Kreis drehte, dann sprang sie ihn von hinten an und grub ihre Zähne in seinen Nacken. Das Blut kitzelte an ihrer Zunge, und der Hunger wurde überwältigend. Doch sie hatte keine Zeit, den Geschmack auszukosten. Ihr Gegner schrie auf und ließ sich, ohne zu überlegen, auf den Rücken fallen. Marie löste sich von ihm und versenkte ihre Zähne tief in seinem Schwertarm, kaum dass er auf dem Boden lag. Sie spürte, wie etwas zwischen ihren Zähnen splitterte, Knochenstücke stachen in ihren Gaumen, und das Kriegerpferd heulte auf. Das Schwert landete klirrend im blutigen Dreck.
Marie ließ den Arm los und wollte dem Mann die Kehle herausreißen, als seine Faust ihre Rippen traf. Sie knurrte und fuhr zurück. Es tat weh, doch sie konnte atmen, ohne dass sie Qualen litt. Nicht gebrochen. Das Kriegerpferd erhob sich, den verletzten Arm eng an den Körper gedrückt. Er zitterte. Schwerfällig trat er auf sein Schwert zu und wollte es nehmen, doch Marie war schneller. Grollend baute sie sich über der Waffe auf und schnappte nach seinen Beinen. Er trat nach ihr, und sie wich ihm aus.
Plötzlich stolperte er, und Marie sah ihre Chance. Voller Blutlust schnellte sie auf ihn zu, bekam seine Kehle zu fassen und drückte zu. Den Aufschlag, als er rückwärts zu Boden fiel, bekam sie kaum mit. Sein Blut floss zwischen ihre Zähne, während er hustend versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Wieder und wieder schlug er auf sie ein, doch seine Kraft ließ schnell nach, bis er schließlich leblos im Staub lag. Ruckartig riss sie den Kopf zurück und spürte Fell und Blut und Fleisch in ihrem Mund.
Sie schluckte und blickte ihr Opfer an. Es schockierte sie nicht, den Toten zu sehen. Es war ihr egal. Er war ihre Beute, und sie hatte ihn getötet. Es war ihr Recht, zu tun, was sie wollte. Gerade wollte sie einen weiteren Bissen nehmen, als sie hörte, wie die Menge, ein beständiges Rauschen im Hintergrund, verstummte. Argwöhnisch sah sie auf, und erkannte eine Frau, die auf Brego einredete. Die Männer und Frauen in der Menge starrten sie mit ehrfürchtiger Angst an.
Die Frau wandte sich von Brego ab und trat auf Marie zu. Die Werwölfin musterte sie voll Misstrauen. Die Frau hatte dunkle Haut, fast schwarz. Ihre Haare hingen ihr in langen, verfilzten Strähnen über die Schultern. Federn, Knochenstücke und bunte Bänder waren darin eingeflochten. Streifen aus weißer Farbe verliefen über ihren Körper und zeichneten knochenartige Muster auf ihren Körper. Ihr haftete ein eigenartiger Geruch an - Weihrauch, Erde, fremde Gewürze und einen Geruch, den Marie nicht erkannte. Er roch metallisch, wie Blut, und gleichzeitig nach verbranntem Holz und Fleisch. Marie wusste nicht, was es war, doch der Frau haftete etwas an, das sie ungewöhnlich machte. Es machte sie unheimlicher.
Die Frau sagte etwas und Marie knurrte zur Antwort. Mit gereiztem Tonfall wiederholte die Frau ihre Worte, doch Marie wich nicht von der Stelle. Sie erwog kurz, sich zurückzuverwandeln, doch falls die Frau sie angriff, hatte sie keine Chance, schnell genug wieder zur Wölfin zu werden, um sich zu verteidigen.
Plötzlich hörte sie ihn. Verwandle dich zurück. Sie wird dir helfen.
Marie erstarrte. Die Stimme des alten Mannes in ihrem Kopf klang müde. Seine geistige Präsenz fühlte sich spröde an, wie altes Eisen. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, sich gegen ihn zu werfen und seine Geheimnisse allein herauszufinden, doch kaum hatte daran gedacht, spürte sie seine Macht, zwar geschwächt, aber immer noch scharf und gefährlich.
Verwandle dich zurück. Sie bringt dich zu mir.
Warum kommst du nicht selber und holst mich?, fauchte Marie ungehalten. Sie hatte lange auf eine Nachricht gewartet, zu lange für ihren Geschmack, und es machte sie wütend.
Wenn du mich siehst, wirst du es wissen.
Marie fügte sich. Langsam schlich sie zu ihrem Mantel zurück, der nachlässig im Staub lag, und verwies die Wölfin wieder unter ihre Haut. Der Trennungsschmerz summte in ihrem Kopf und trieb ihr die Tränen in die Augen. Bald, flüsterte sie der Wölfin zu. Schnell schlüpfte sie in ihren Mantel, knöpfte ihn zu und trat auf die dunkelhäutige Frau zu. „Was willst du?"
„Folge mir", sagte sie kurz angebunden.
Sie wollte gehen, doch Marie hielt sie zurück. „Wohin? Wohin führst du mich?"
„In den Palast der Nemesis. In die Festung der Herrscherin über die Racheinseln. Dort wirst du einen Weg finden, deinen größten Wunsch zu erfüllen."
Marie sah sich nervös nach Brego um, doch er war verschwunden. Voller Skepsis folgte sie der unheimlichen Frau aus dem Schiff, hinein in die kühle, neblige Nacht.
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