32. Der Herzog von Ranon
Slaying a man, taking what you can
What is right, what is wrong, who can answer?
Sailing the seas, we do just what we please
Emperors, pirates; all cancer
- Turisas, Hunting Pirates
„Master Darnovey, wir haben ein Problem."
Ravan wandte sich zu Raybeau um, der mit missmutigem Gesichtsausdruck auf ihn zugestapft kam. Hinter ihm ragten die drei Masten der Leviathan in die Höhe, die weißen Segel blähten sich im Sturm. Der Wind trieb sie schnell vor sich her. Seit zwei Wochen segelten sie in den Gewässern der Vereinigten Königreiche, und es würde noch etwa weitere zwei dauern, bis sie Lichtenturm erreicht hatten. Dann kann ich nur hoffen, dass mein Killer wirklich so gut ist, wie die Rhymers und Bastard behaupten.
„Was gibt es, Raybeau?"
Der Kapitän packte den Griff seines Schwertes fester. „Uns gehen die Vorräte aus. Wir müssen irgendwo anlegen und neue kaufen."
„Was brauchen wir denn?"
„Wasser. Wir haben noch vier Fässer, und die reichen höchstens noch eine Woche."
Ravan seufzte voll unterdrückter Wut. Ich bin meinem Ziel so nahe, und doch so fern. „Hättet ihr nicht in Alpha Centauri genug kaufen können, um damit bis nach Lichtenturm zu kommen? Wir brauchen höchstens zwei Wochen bis dorthin, wenn wir die Stürme am Westerturm ohne Probleme bewältigen, und jetzt büßen wir wieder wertvolle Zeit ein, die De Oro dazu nutzen kann, um uns einzuholen!"
Kaum hatte er Raybeau so angefahren, wusste er, dass es ein Fehler gewesen war. Der Mann trat ein paar Schritte auf den Lykaner zu. „Natürlich hätte ich noch mehr Fässer kaufen können. Aber wo hätte ich sie dann hinstellen sollen, Master Darnovey? Wie Ihr vielleicht gemerkt habt, ist die Leviathan eine Fregatte. Ein gottverdammtes Kriegsschiff, und kein Handelsschiff! Geeignet für schnelle Fahrten, wie Ihr es wolltet. Aber die Wendigkeit und die Feuerkraft geht auf Kosten des Frachtraumes. Wenn Ihr gerne mit so wenigen Pausen wie nur möglich fahren wollt, dann sucht Euch jemanden mit einer Handelsschaluppe. Aber dann jammert mit nicht die Ohren voll, wenn De Oro Euch nach drei Tagen eingeholt hat!"
Immer auf Streit aus, so kenne ich ihn. Ravan knurrte und wandte sich ab. Er wusste, dass Raybeau recht hatte, doch das Wissen, dass er den Schlüssel zu seinem Plan so bald in den Händen halten könnte, zehrte an seinen Nerven. „Wo sollen wir Eurer Meinung nach anlegen?"
Raybeau hob zu einer Antwort an, doch er wurde durch die Ankunft von Bastard und seinem Drachen unterbrochen. Nachdem der Drachenreiter die Bestie gefesselt hatte, schlenderte er über das Schiff zu Ravan und Raybeau. „Wir haben ein Problem", eröffnete er ohne Umschweife.
Ravan verdrehte die Augen. Nicht noch eins. „Was ist denn jetzt schon wieder?"
„De Oro hat aufgeholt. Ich habe sein Schiff gesehen, es ist kaum zwei Tage von hier entfernt."
Ravan spürte, wie sich der Wolf mit seinem Zorn regte. „Wie hat er es geschafft, so schnell wieder aufzuholen? Bastard, du hast gesagt, sie hängen vier Tage lang in Port Rodriguez fest, oder?"
Bastard verschränkte die Arme. „Als ich letztens wegen dem Vollmond nach Tarra geflogen bin, habe ich gemerkt, wie stark der Wind war. Wir waren schon längst an Muriel vorbei, als es dort begonnen hat zu stürmen. Wenn er den Sturm ausgenutzt hat, hat er gut aufholen können."
Ravan wandte sich ab und fluchte. Was kann ich jetzt tun? Wir müssen irgendwo anlegen und uns Wasser besorgen, sonst sterben wir innerhalb von einer Woche. Wütend straffte er die Schultern. „In Ordnung. Wir legen in Westerkap an, das ist kaum einen Tag von hier entfernt. Dort kaufen wir Vorräte, genauso schnell wie in Alpha Centauri, ohne Entspannung oder zeitraubende Aktivitäten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?"
Embry, der den Kurs nach Osten korrigierte, seufzte hörbar, und Raybeau schnaubte missbilligend. „Wenn es sein muss", grollte er und marschierte davon.
Ravan sah dem Kapitän nach. Ich muss ihn und die Crew bei Laune halten, sonst arbeiten sie bald nicht mehr so gut, wie sie es jetzt tun. Sie haben sich eine Auszeit verdient, mit Huren und Bier, aber die kann ich ihnen nicht gewähren, solange wir De Oro im Nacken haben. Hoffentlich erreichen wir bald Lichtenturm. Dort wollte er mit Bastard und Raybeau auf das Schiff eines Nordfahrers umsteigen und so Sundarsquir erreichen. Zuerst hatte Ravan eingewandt, dass sie doch auch mit der Leviathan bis in den Eisigen Norden vordringen könnten, doch Bastard hatte erklärt, dass nur die speziellen Schiffe der Nordfahrer die Packeisgrenze überschreiten konnten.
Plötzlich hörte er wie der Mann im Krähennest zu ihnen hinunterrief: „Segel von Steuerbord in Sicht!"
Ravan wirbelte herum und stürmte zur rechten Seite des Schiffes. Nicht weit von ihnen entfernt war ein Kriegsschiff zu sehen. Im selben Moment tauchten Raybeau und Bastard neben ihm auf. Der Kapitän setzte sein Fernrohr ans Auge und sah angestrengt hindurch.
„Wer ist es?", fragte Ravan nervös. Wenn das De Oro ist, müssen wir kämpfen.
Raybeau nahm das Fernglas herunter. „Ein Fürst aus Askaron, die Flagge zeigt zumindest das Wappen des Landes. Aber wer genau, kann ich nicht sagen. Ich kenne mich nicht aus mit den Symbolen der Vereinigten Königreiche."
„Lass mich sehen", sagte Bastard und riss Raybeau das Fernrohr aus der Hand. Der Kapitän machte einen Schritt auf ihn zu und legte seine Hand an den Schwertgriff, doch Ravan packte ihn an der Schulter, und er blieb, wo er war.
Konzentriert starrte Bastard auf das Schiff. Als er es herunternahm und an Raybeau zurückgab, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Rotes Schiff und drei goldene Sterne auf blauem Grund. Das Wappen des Herzogs von Ranon. Ich habe mal gegen ihn gekämpft, als ich bei den Fuchsbrüdern war."
Ravan atmete auf, als ihm eine Idee kam. Langsam drehte er sich zu Raybeau um. „Captain, könnte die Leviathan dieses Schiff versenken?"
„Ohne Probleme."
„Dann greifen wir es an. Wir entern es, stehlen ihre Vorräte und verschwinden wieder. Kein Geld, das wir ausgeben müssten, keine Hafenmeister, die sich zur Arbeit überreden lassen müssen und deine Mannschaft kann sich ein wenig austoben. Was sagst du?"
Raybeau wirbelte herum und brüllte über das Mittelschiff: „Hart Steuerbord, das askaronische Schiff ansteuern! Alle Mann auf Gefechtsstation! Kanonen laden! Und seht zu, dass ihr es nicht versenkt!" Leiser fügte er hinzu: „Noch nicht."
Ravan klopfte Raybeau auf die Schulter und beobachtete die Crew bei der Arbeit. „Guter Mann." Dann wandte er sich an Bastard. „In die Luft mit dir und deiner Bestie, du elender Bastard. Lass sie nicht entkommen!"
Der Söldner lächelte grimmig und rannte los. Sekunden später stieß sich der Königsdrache von den Planken ab und schoss in den wolkenverhangenen Himmel.
Ravan beobachtete das Schiff des Fürsten. Es bemerkte schnell die Gefahr und drehte bei, doch die Leviathan war wesentlich schneller. Hastig machte sich die Crew ebenfalls für das Gefecht bereit. Doch Ravan erkannte, dass es ein leicht bewaffnetes Schiff war, das nicht damit gerechnet hatte, angegriffen zu werden. Die sind uns hilflos ausgeliefert, dachte er siegessicher.
Schnell hatten sie das Schiff eingeholt. Brigg und Fregatte lagen für Sekundenbruchteile still im Wasser, dann bellte Raybeau: „Feuer!"
Holzsplitter und Metallstücke explodierten um die Askaronier, Männer schrien vor Schmerz auf und fielen ins hungrige Meer. Gerade, als der Kapitän des Schiffes den Angriff erwidern wollte, hörte Ravan ein leises Rauschen, beinahe überdeckt vom Tosen des Meeres und dem Klingeln in seinen Ohren vom Donnern der Kanonen. Dann bemerkte er den Schatten, der vom Himmel fiel, und hörte einen triumphierenden Schrei.
Er wandte sich um und sah, wie Bastard mit seinen Drachen im Sturzflug auf das askaronische Schiff zuschoss. Feuer barst aus dem geöffneten Maul der Bestie und setzte Segel und Masten in Brand. Brennende Menschen fielen aus der Takelage wie Blätter im Herbst. Der Drache drehte ab, flog eine Schleife und kehrte zurück, und verbrannte diesmal jede lebendige Seele auf dem Achterdeck.
Ravan verzog anerkennend das Gesicht. „Es zahlt sich schon aus, einen Drachen an Bord zu haben, nicht wahr, Captain?", sagte er, an Raybeau gewandt. Der Seemann knurrte leise und wandte sich ab.
Ravan grinste amüsiert. Er ist beeindruckt, aber er will es nicht zugeben. Er ist in der Tat ein schlechter Verlierer. Mit einem siegessicheren Lächeln stellte er sich auf die Reling, der Wind ließ seine braunen Haare um sein Gesicht flattern und wehte um seine Kleidung. „Gebt ihr auf, oder soll ich erneut die Höllen über euch herabbeschwören?", brüllte er.
Ein paar Seemänner erhoben sich aus den Trümmern. „Wir geben nicht auf! Für die Königin und den Herzog!", brüllte einer von ihnen und eröffnete das Feuer.
Kanonenkugeln schlugen in die Leviathan ein, Holz splitterte, Ravan hörte Männer schreien und Raybeau, der Befehle zum Feuer erwidern rief. Er wollte Bastard einen neuen Angriff befehlen, als der Drache in den Wasserstreifen zwischen den Schiffen klatschte. „Verdammt, Bastard!", brüllte Ravan und stürzte zur Reling, doch der Söldner war nicht zu sehen. Nur das aufgewühlte schwarzgraue Wasser schwappte tosend gegen die Bordwände.
Plötzlich grollte das Meer unter dem askaronischen Schiff. Planken brachen und Luftblasen stiegen auf, und die Brigg erbebte. Mit einem unheilvollen Knarren krängte sie, die überlebenden Männer schrien.
„Was passiert da? Was für ein Seeungeheuer macht sich da zu schaffen?", bellte Raybeau.
Ravan wollte antworten, dass er keine Ahnung habe, als der Königsdrache mit einem donnernden Brüllen aus dem Meer schoss, den spuckenden Bastard auf seinem Rücken. Wasser perlte von seinen Flügeln und ging über der Leviathan nieder wie Regen. In seinen Krallen hielt er ein riesiges Stück der Schiffsplanken. „Das ist dein Seeungeheuer", sagte er.
Raybeau schnaubte, während die Crew jubelte.
Mit einem Fauchen landete der Drache auf dem sinkenden Schiff und schleuderte mit einem lässigen Schwanzschlag die Wand zur Kapitänskajüte beiseite. Bastard wendete den Drachen und gab ihm einen Befehl in einer fremden Sprache, dann sprang die Bestie in die Kajüte. Holz und Glassplitter spritzten auf, jemand schrie und der Drache antwortete mit einem Brüllen. Krallen scharrten über Holz, als er am Heck aus dem Schiff brach. In seinen Krallen hielt er etwas, das laut schrie. Mit einer übermütigen Rolle in der Luft ließ er es los, und der Mann in seinen Klauen wurde von Bastard in den Sattel gezerrt.
Ravan beobachtete einen kleinen Schlagabtausch, den der Söldner gewann und ihm nun ein Messer an die Kehle hielt. Er schien den Mann zu befragen, dann rammte er ihm eine Faust an die Schläfe und der Fremde sackte zusammen.
„Was hast du vor, Bastard?", murmelte Ravan.
Der Fenriswolf wendete den Drachen und setzte erneut auf dem sinkenden Schiff auf. Aus der Kajüte riss das Tier ein paar Gegenstände, die in seinen Krallen winzig aussahen, dann spie es Feuer in die Luke, die zu den Kanonendecks führten. Mit einem letzten donnernden Brüllen hob es ab kreiste über der Leviathan.
Der Söldner brüllte etwas und gestikulierte wild. Bastards Stimme war kaum zu verstehen über das aufgepeitschte Meer und die aufegeregte Crew, aber Ravan deutete die Gesten. „Raybeau, wir verschwinden von hier."
„Wie bitte? Wir haben weder ein einziges Fass Wasser noch irgendwelche anderen Vorräte! Und jetzt sollen wir beidrehen? Ich habe schon gesagt, dass ich nichts von dem Biest halte. Und jetzt hat es das Schiff so sehr zerstört, dass es lebensgefährlich wäre, es zu betreten und zu plündern. Hervorragend, Master Darnovey! Wir haben nichts außer ein Loch im Schiff und drei Männer weniger."
„Und einen großen Gegenstand und einen mysteriösen Gefangenen. Tu, was ich dir befehle!", grollte Ravan. Er hat recht. Ich hoffe, dass Bastard etwas wichtiges im Gepäck hat, um seinetwillen. Er würde Bastard zwar nicht töten, aber ihn zu bestrafen, war nicht schwer.
Widerwillig gab Raybeau Ravans Befehle weiter, und die Leviathan setzte ihren Weg nach Norden fort. Nach einiger Zeit war ein lautes Donnern zu hören, das Ravan herumfahren ließ, und das askaronische Schiff wurde von einer ohrenbetäubenden Explosion in einen Regen aus Holz, Metall und Segelwerk zerfetzt. Bastard ist nicht dumm. Hat das Schiff in Brand gesetzt und gewartet, bis das Feuer das Pulvermagazin erreicht. Keine Zeugen und keine Überlebenden von unserem Überfall, bis auf unseren Gefangenen.
Bastard landete einige Minuten später auf dem Vorderdeck. Er fesselte seinen Drachen und nahm ihm den Gegenstand aus der Kajüte, der sich als metallbeschlagene Kiste entpuppte, und den regungslosen Mann ab. Beides ließ er achtlos auf die Planken fallen.
Ravan trat ihm in den Weg, als er unter Deck gehen wollte. „Bastard. Was hast du da mitgebracht und wo sind unsere Vorräte?"
Der Söldner verzog das Gesicht und schlang die Arme um seinen durchnässten Körper. Ein Zittern schüttelte ihn. „Kann das eine Sekunde warten? Ich hole meinen Mantel, bevor ich hier vor Kälte sterbe." Er wollte weitergehen, doch Ravan verstellte ihm den Weg.
Seufzend erklärte Bastard: „Das ist der Herzog von Ranon. Was in der Kiste ist, soll er dir erklären." Dann schob er den perplexen Ravan aus dem Weg und verschwand unter Deck.
„Also, was soll das jetzt?", knurrte Raybeau, der neben Ravan aufgetaucht war.
Der Lykaner drehte sich langsam um. „Bring den Gefangenen in deine Kajüte und fessle ihn an einen Stuhl. Ich habe mit ihm in paar Kleinigkeiten zu bereden."
Raybeau gab den Befehl an zwei Seemänner weiter, während Ravan Bastard nach unten folgte. Zwischen Kanonen und Holztruhen fand er den Söldner, der sich gerade ein neues Hemd überstreifte. „Warum? Warum hast du das Schiff so versenkt, dass wir nicht an die Vorräte kommen? Und was soll das jetzt mit dem Herzog? Was ist dein Plan?"
Bastard fuhr sich mit der Hand durch die feuchten Haare. „Tut mir leid mit den Vorräten", sagte er, doch seine Stimme zeigte nicht eine Spur von Bedauern, dafür eine Menge Selbstzufriedenheit. „Hätte nicht gedacht, dass das Schiff so schnell untergeht. Eigentlich wollte ich den Herzog nur entführen, damit wir ein adliges Druckmittel im nächsten Hafen haben. Aber dann habe ich ihn befragt, was der Herzog von Ranon so weit entfernt von der Heimat macht. Ranon ist eine Stadt im Landesinneren, und eigentlich verlässt der Herzog sein Zuhause nicht gerne. Er hat mir erzählt, dass er auf dem Weg nach Imarad ist, zum Ball von Königin Helena."
„Und?" Ravan wusste nicht, wie er aus diesen Informationen schlau werden sollte.
„Ich war schon mal auf einem solchen Ball. Die Adeligen dort werden von der Königin beschützt. Vor allen, die ihren Gästen Böses wollen. Sie schenkt ihnen sogar Vorräte für den Rückweg. Man könnte also dort anlegen, Essen und Wasser an Bord nehmen und weiterziehen, ohne dass ein junger Lykaner einen aufhalten kann auf dem Weg nach Norden..."
Ravan begriff. „Du willst also, dass wir nach Imarad segeln und uns dort als Adelige aus Ranon ausgeben. Wir nehmen am Ball der Königin teil und bekommen Vorräte. Und wenn De Oro dort auftaucht und uns an den Kragen will, dann wird er von den Soldaten der Königin massakriert..."
Bastrad nickte, sein Grinsen war ein weißer Streifen im Dämmerlicht unter Deck. „Ay."
„Du elender Bastard. Ich gebe es nur ungern zu, aber das ist schlichtweg genial. Dann gehen wir und sehen, was unser blaublütiger Freund uns zu sagen hat."
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