24. Das Herz des Kapitäns

But I can't fix him, can't make him better

And I can't do nothing about his strange weather

'Cause you are invincible

I can't break through your world

'Cause you live in shades of cool

Your heart is unbreakable

My baby lives in shades of cool

Blue heart and hands and aptitude

He lives for love, for women, too

I'm one of many, one is blue

- Lana del Rey, Shades of Cool


Fasziniert beobachtete Roxane Morgaine. Mit lauter, befehlsgewohnter Stimme erteilte die Kapitänin Aufträge und scheuchte ihre Männer über das Deck, das von der Sonne der Abenddämmerung beschienen wurde, ein angenehmes warmes Licht vor der kalten Nacht. Ich wünschte, ich hätte auch ihre Autorität. Ihr Selbstbewusstsein, ihre Stärke.

  Roxane stand auf dem Achterdeck an der Reling und sah aufs Meer. Es war aufgewühlt und voller Schaumkronen, der Wind war ein schneidendes Gefühl in der Abendsonne, der ihre Haare um ihr Gesicht flattern und die Takelage knarzen ließ. Fröstelnd zog Roxane sich ihre Jacke enger um die Schultern. Ich fühle mich wie das Meer. Meine Gefühle sind aufgepeitscht und verwirrt, ich weiß nicht, ob ich der Liebe meines Lebens noch glauben kann... und mein Beschützer empfindet für mich definitiv mehr als Freundschaft. Sie neigte den Kopf so, dass sie Fair Johnny sehen konnte, der mehrere Meter von ihr entfernt an der Reling stand und sich mit einem anderen Seemann unterhielt, immer mit einem wachsamen Auge auf sie. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie ihren Blick wieder zu Morgaine wandte.

  Seit ich auf diesem Schiff bin, hat sie mich zweimal mit einer Ausrede abgewimmelt. Ich habe sie wegen Nicolas und wegen Madrid befragt und jedes mal hat sie nur gesagt, dass sie es mir ein anderes Mal erzählen wird. Sie wollte unbedingt wissen, was Morgaine ihr verschwieg. Sie wusste, dass die Lykanerin stur und teilweise bissig war, aber Roxane mochte sie. Sie hatte sie immer bewundert. Ich habe nie eine so tiefe Bindung zu ihr gehabt wie zu Marie. Sie ist immer die Außenseiterin gewesen. Während ich, Luna und Marie immer gern getanzt haben, war sie das kleine, schmutzige Mädchen, das sogar den begnadeten Favian Ashmark im Schwertkampf besiegen konnte.

  Entschlossen ging sie auf Morgaine zu, die neben einem Mann am Steuerrad stand und durch ihr Fernglas auf das Schiff vor ihnen starrte. Die Leviathan war erstaunlich nahe.

  „Morgaine, hast du gerade Zeit? Wir sollten reden", sagte Roxane und bemühte sich, nicht vorwurfsvoll zu klingen.

  Die Kapitänin knurrte und schob das Fernglas zusammen. „Irgendwann müssen wir wohl, oder? Dann besser jetzt als irgendwann, wenn es mir gar nicht passt." Sie schlug dem Seemann auf die Schulter. „Halte den Kurs. Roxane, komm mit."

  Zuerst vermutete Roxane, dass sie in die Kajüte der Kapitänin gehen würden, doch Morgaine überquerte das Mittelschiff, schlängelte sich durch die arbeitenden Männer und erteilte weitere Befehle, die sofort ausgeführt wurden. Roxane war ihr auf den Fersen. Sie fühlte sich immer noch etwas unwohl auf dem Schiff, Leibwächter hin oder her. All die Männer machten ihr Angst, ihre gierigen Blicke und ihre abfälligen Stimmen.

  Seit es bekannt geworden war, dass sie und Nicolas de Oro der Grund waren, dass sie Alpha Centauri nicht angelaufen hatten, und dass die Vorräte knapp wurden, war sie noch verhasster bei der Mannschaft. Levasque hatte De Oro des öfteren von mordlustigen Männern beschützen müssen, und auch der Steinerne Joe hatte eines Morgens eine Stichwunde gehabt, während Fair Johnnys Messer blutverkrustet in seinem Gürtel steckte. Alpha Centauri war nun jedoch schon fast zwei Wochen entfernt, und sie näherten sich mit den letzten Resten an Vorräten Salita. Roxane hatte gehört, dass sie an der Südküste der Insel entlangsegeln wollten und dabei einen der Häfen anlaufen wollten.

   Auf dem Vorderdeck war der Wind noch stärker als achtern, und Roxane packte den Schal um ihren Kopf, damit er ihr nicht davonflog. Morgaine schickte die Männer weg, die dort die Segel setzten, und lehnte sich an das Geländer.

   „Also, was ist das Problem?" Ihr Ton war aggressiv, und mit einem wütenden Blick machte sie dem letzten Seemann, der an einem Tampen herumknotete, Beine.

  Roxane beschloss, sich nicht reizen zu lassen. „Wie schaffst du es eigentlich, deine Mannschaft so gut unter Kontrolle zu halten?", fragte sie vorsichtig, aber doch interessiert.

  Morgaine schnaubte. „Dazu braucht es drei Dinge. Du brauchst nicht alle drei, damit sie dir folgen, aber sie sind von Vorteil, wenn du willst, dass sie dir auch gehorchen. Du brachst das", sie warf Roxane einen Shilling zu, „das", sie schob mit dem Daumen ihr Schwert ein paar Zentimeter aus der Scheide, „und das." Mit einem abfälligen Grinsen griff sie sich in den Schritt.

  Roxane wurde rot, und Morgaine lachte los. „Bei allen Geistern, schau nicht so entsetzt. Alles, was du hast, kannst du als Waffe benutzen. Selbst deine hübschen Titten." Sie seufzte. „Geld, Macht und ein bisschen Zuneigung, dann gehört jeder Mann dir. Es hilft, wenn man gut aussieht... Ich sehe aus wie eine Ratte im Waffenrock, du bist eine Prinzessin. Wenn du wüsstest, wie du deine Schönheit einsetzt, könnest du die Männer beherrschen, so wie sie dich beherrschen."

  Roxane spürte, wie sich die Röte auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Wenn ich... Männer verführen... würde, wäre ich nicht besser als Maura Ithakea." Roxane hatte einst gehört, dass die Anführerin des Wildfire-Kartells ihre Probleme mit Männern im Bett löste und komplett schamlos war.

  Morgaine grinste wieder. „Ja, aber sieh dir an, wie weit sie es gebracht hat. Ihr Kartell war nach dem Krieg geschwächt, und sie allein hat es wieder aufgebaut. Sie ist die Königin der Wölfe, und sie hat mehr Geld, als ich jemals sehen werde. Du bist aber viel zu... schüchtern", das Wort war getränkt in Verachtung, „um dir das zu erlauben, und ich denke, das ist auch gut so. Wenn du ihre Skrupellosigkeit hättest, hätten wir bald einen zweiten Blackshore-Krieg am Hals."

  Roxane schluckte ihr Unbehagen und ihre Enttäuschung herunter. Es gefiel ihr nicht, dass Morgaine so über sie sprach, schließlich waren sie immer noch Freundinnen. Oder etwa nicht?

  Die Kapitänin musterte Roxane, die sich unbehaglich unter ihren Blicken wand. „Weißt du, ich wollte nie so sein wie du. Du warst die kleine Prinzessin ohne jede Ahnung von der Welt. Klein und dumm und naiv."

  „Und du hattest Erfahrung, hm? Mit sechs, als du auf die Dunkelwacht gekommen bist?", fragte Roxane ruhig, aber mit etwas Schärfe in der Stimme. Morgaines Tonfall verletzte sie mehr, als sie zugeben wollte.

  Morgaine drehte ruckartig den Kopf in ihre Richtung. „Mein Vater hat mich geschlagen, meine Mutter wurde zwei Wochen, bevor ich auf deine Burg gekommen bin, von ein paar rebellischen Arschlöchern umgebracht, vor meinen Augen, und mein Onkel wollte mich vergewaltigen. Ja, ich denke, ich hatte selbst mit sechs Jahren mehr Erfahrung mit dem Grauen der Welt als du jetzt hast", zischte Morgaine aggressiv. Roxane starrte sie an, und sie fuhr mit einem sanfteren Tonfall fort. „Eigentlich bin ich nur auf die Dunkelwacht gekommen, weil der alte Montgomery gesagt hat, dass ich von Falcon Island verschwinden soll. Meine Familie war ein schlechter Umgang für mich und als meine Mutter tot war, hatte ich auch niemanden mehr, der mich vor meinem Vater beschützen konnte. Also hat Montgomery auf den Aufruf von Ben Gray geantwortet und mich auf die Wacht geschickt, wo ich mit dir und den anderen gelebt habe und es kaum fassen konnte, wie naiv ihr alle wart. Gerade bei deiner kleinen Freundin, Marie, die von den Crusaders kam, die so einen schrecklichen Ruf haben, hätte ich niemals eine solche Schwäche erwartet. Favian war mir sympathisch, er hatte Ahnung und war ein guter Schwertkämpfer... aber ihr anderen?" Morgaine schnaubte. „Ihr wart in eurem Kristallschloss gefangen."

  Roxane erinnerte sich gut daran, wie Morgaine und Favian selten mit den anderen etwas unternommen hatten, sondern eher für sich geblieben waren. „Hast du Favian noch einmal gesehen, nachdem du fortgegangen bist?"

  Morgaine nickte. „Kurz. Er ist eines Tages in Port Liberty aufgetaucht, fünf Jahre, nachdem ich abgehauen bin. Er wollte mich besuchen, da war ich achtzehn." Sie lächelte träge. „Es war eine schöne Nacht. Wenn er ein Jahr früher gekommen wäre, hätte er mir wahrscheinlich die Jungfräulichkeit genommen... aber sie war ja eh schon weg. Gestohlen in einer berauschenden Nacht." Sie sah Roxane erwartungsvoll an, als wollte sie, dass sie nachfragte.

  Roxane schluckte und dachte nach, über die Fragen, die sie Morgaine hatte stellen wollen. Ihre Gedanken schweiften zu Nicolas, dann zu Madrid, und ihr Herz machte einen Sprung. „An wen hast du... mit wem hast du zum ersten Mal...", stammelte sie befangen und spielte peinlich berührt mit den Fransen ihres Schals.

  Morgaine kratzte sich ungeniert an der Brust. „Gevögelt? Oh, das kann ich dir sagen, und du wirst nicht begeistert sein."

  Roxanes Herz galoppierte in ihrer Brust, so schnell, dass sie das Blut in ihrer Halsschlagader pulsieren spürte. Sie fürchtete die Wahrheit, doch sie wusste, dass sie sie erfahren wollte. „Wer war es?", fragte sie leise.

  „Das ist die Antwort auf deine erste offene Frage, die du mir auf diesem Schiff gestellt hast. Es war dein ach so geliebter Söldner. Madrid Yarrow." Morgaines Blick war herausfordernd. Jetzt weißt du es. Sieh zu wie du damit fertig wirst, sagte er.

  Roxane schwankte. Sie wusste, dass Madrid viele Frauen gehabt hatte, und dass Morgaine ihn vor ihrer Beziehung getroffen hatte, doch es fuchste sie, dass sie nun mit einer Frau sprechen konnte, die ihn ebenfalls in ihrem Bett gehabt hatte. Es machte ihr klar, dass sie nicht die einzige Frau war, die Madrid geliebt hatte. Aber hat er überhaupt eine seiner Frauen geliebt? „Warum hat er dich... mit dir...", begann sie.

  „Geschlafen? Sprich es ruhig aus, dir wächst kein Geschwür davon. Aber ich weiß es nicht. Wir waren betrunken und er sah gut aus, wir haben gefeiert, weil ich meine Ausbildung beendet hatte. Rum und gutaussehende Männer und eine junge Frau..." Morgaine grinste und schnalzte mit der Zunge. „Dinge passieren. Schneller, als du glaubst."

  „Hat er dich geliebt?", fragte Roxane vorsichtig. Sie fürchtete Morgaines Worte.

  Sie schüttelte den Kopf und lachte. „Nein. Ich habe ihn auch nicht geliebt. Abenteuer für eine Nacht und ein Partner, das sind zwei Paar Schuhe."

  „Muss man jemanden nicht lieben, um zu...vögeln?", fragte Roxane erstaunt.

  Morgaine lachte. „Bist immer noch genauso naiv wie vor fünfzehn Jahren. Nein, natürlich nicht. Ich denke nicht, das Madrid Yarrow auch nur eine einzige von den Frauen, die er gefickt hat, geliebt hat. Für ihn waren wir nur Bettwärmer."

  Roxane spürte, wie etwas in ihr zerbrach. Dann hatte der Wirt recht. Madrid hat hunderte Frauen, und er tauscht sie beliebig gegeneinander aus. Tränen traten ihr in die Augen, und sie kämpfte sie zurück. Sie sah Morgaine an, die mit emotionslosem Blick in die Abendsonne sah. „Kümmert es dich denn gar nicht, dass du für ihn nur ein...ein... Zeitvertreib warst?"

  „Nein. Er war für mich auch nichts anderes. Roxane." Morgaine trat auf sie zu und packte sie an den Oberarmen. „Ich habe damals gesagt, dass du in ziemlich schlechte Gesellschaft geraten bist, und das meinte ich ernst. Madrid Yarrow wird der Bastard genannt, und das aus gutem Grund. Er schert sich nicht im Geringsten um andere, und schon gar nicht um uns, und so ein Mann ist nicht das richtige für dein süßes, kleines, dummes, verliebtes, nicht mehr jungfräuliches Herz." Ein spöttisches Lächeln huschte über Morgaines Züge. „Wie lange warst du mit ihm zusammen? Wie lange hat er dir seine ach so bedingungslose Liebe vorgegaukelt?"

  Eine Träne lief über Roxanes Wange. „Vier Jahre", schluchzte sie. Die Wahrheit zu hören, aus dem Mund einer Frau, die sie so lange schon kannte, war schmerzlicher als die Vermutung des Wirtes. Kurz glaubte sie, sie könnte es nicht ertragen, aber sie zwang sich zur Stärke, während Morgaine weitersprach.

  „Vier lange Jahre. Das ist länger als alle anderen Frauen zusammen. Ich weiß nicht viel über ihn, aber wie hast du ihn bei dir behalten? Normalerweise verschwindet er schneller als ein gehetzter Zentaur."

  „Geld. Ich habe ihm Geld angeboten, sobald er gehen wollte, und er hat es genommen. Manchmal ist er für ein paar Tage verschwunden, aber er ist immer wieder zurückgekehrt", flüsterte Roxane.

  „Geld. Eins von den drei Dingen, die du brauchst, um einen Mann an dich zu binden." Morgaine verschränkte die Arme. „Trotzdem haben zwei Dinge gefehlt, nämlich Respekt und die nötige Liebe. Respekt hat er vor niemandem, von dem ich wüsste. Vielleicht vor Darnovey." Sie lächelte flüchtig. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er niemanden liebt außer seine Freiheit. Am besten du vergisst ihn." Sie wandte den Blick von Roxane ab und sah zum Horizont hinaus, wo die Sonne nur noch als schmaler, rotglühender Streifen zu sehen war. „Genauso wie ich versucht habe, Nicolas zu vergessen", fügte sie hinzu, so leise, dass das Meer sie beinahe übertönte.

  Roxane wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und überließ es dem Wind und der Sonne, die Feuchtigkeit zu trocknen. Bei Morgaines letzten Worten horchte sie auf. Das ist wohl die Antwort auf meine zweite Frage. „Was... war zwischen dir und De Oro?", fragte sie vorsichtig.

  „Nicht viel. Selbst wenn ich gerne mehr gehabt hätte."

  Roxane verkniff sich ein interessiertes Nachhaken. Sie wollte die geheimnisvolle Verbindung zwischen Morgaine und Nicolas erfahren, doch wenn sie jetzt zu sehr drängte, dann würde sie kein Wort mehr aus ihr herausbekommen. So schwieg sie und wartete darauf, dass ihre Freundin fortfuhr.

  „Wie du weißt, bin ich aus deiner Bergfestung abgehauen. Ich hatte ein Pferd gestohlen und bin davongeritten, als wäre mir die Meute des Geistes auf den Fersen. Fünf Tage lang habe ich mich durch die Wildnis geschlagen, immer abseits der Straßen. Als ich in Port Liberty angekommen bin, und in der Kadettenschule vor Donny Swansea stand, hat er mich ausgelacht. Ich war nur ein kleines, dummes Mädchen, das Seemann spielen wollte." Sie grinste. „Ich habe mich vor seinen Augen verwandelt, dann hat er mir immerhin geglaubt, dass ich eine Schwester des Lykaon bin. Als ich später im Hof alle anderen Jungs besiegt habe, die so unbedingt zur See fahren wollte, hatte ich Swanseas Respekt. Die Jungen haben mich gehasst, alle von ihnen, weil ich sie vor den Augen ihres Ausbilders so sehr erniedrigt hatte, doch sie hatten keine Chance gegen mich. Dein Hauptmann hatte mich einiges gelehrt."

 Roxane lächelte. „Benett Corigg war aber auch ein wirklich guter Lehrer."

  „Das hat sich ausgezahlt, sonst würde ich wohl jetzt kein Schiff über die Meere steuern. Niemand war auch nur ansatzweise in der Lage, gegen mich zu bestehen, außer einer von ihnen. Ich mochte ihn nicht, er war genauso naiv und dumm wie ihr, die ich gerade verlassen hatte, doch er konnte noch besser kämpfen als Favian. Ich brauchte all mein Können, um gegen ihn zu siegen. Irgendwann erfuhr ich seinen Namen. Nicolas de Oro."

  Roxane sah Morgaine an. „Ist er immer noch ein so guter Kämpfer?"

  Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, dass er gegen die meisten anderen in einem fairen Kampf siegen würde. Doch leider, leider ist die Welt nicht fair, und die gesamte Bruderschaft würde ihn ohne Probleme umbringen. Er hat zu viele Skrupel. Hatte er schon immer." Sie hakte die Daumen in den Gürtel und fuhr fort. „Die Jahre vergingen, und der Hass der Jungen schlug in Bewunderung und Respekt um. Sie bemerkten, was mich von ihnen unterschied und suchten meine Nähe."

  „Worin hast du dich von ihnen unterscheiden?", fragte Roxane zaghaft. Hoffentlich ist das keine zu dumme Frage.

  Morgaine sah sie missbilligend an und griff sich an die Brüste. „Ich habe Titten. Ich war das einzige Mädchen in der ganzen Kadettenschule. Die meisten Mädchen sind eher so wie du und nicht wie ich. Prinzessinnen statt Kämpferinnen. Als sie endlich einsahen, dass ich zwar mich zwar männlicher verhielt als sie alle zusammen, aber dennoch ein Loch statt einem Schlüssel hatte, versuchten sie, bei mir zu landen. Sie versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen und neckten mich, genauso wie meine Männer es jetzt mit dir tun." Sie unterbrach sich. „Wie es meine Männer mit dir getan haben. Jetzt wollen sie dich umbringen, weil du sie um ihr Essen und ihre Huren gebracht hast."

  Roxane verzog das Gesicht und schwieg.

  „Ich jedoch machte mir ihre Begierde zunutze und hatte schließlich jedes Mal, wenn ich einen Schritt tat, eine Gruppe Soldaten um mich herum, die sich fest in den Kopf gesetzt hatten, mich in ihr Bett zu bringen. Ein paar von ihnen musste ich mit Gewalt zur Vernunft bringen, doch die meisten benahmen sich. Sie waren meine persönliche Gruppe Leibwächter. Doch ich selbst wollte nur einen von ihnen: den schüchternen Blonden, der mich fast besiegen konnte."

  „Hast du ihn erobert?", fragte Roxane gespannt.

  Morgaine reckte hochmütig das Kinn. „Ja. Mehrere Wochen der versteckten Hinweise, ein dünnes, fast durchsichtiges Kleid und unzählige Flaschen Rum später hatte ich ihn, und wir wurden ein Paar. Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt. Niemand konnte uns schlagen, wenn man uns zwei Säbel in die Hände drückte. Aber ich wollte mehr als nur ein paar wilde Küsse und einen Mann an meiner Seite. Doch dazu war er nicht bereit. Er wollte sich seine Jungfräulichkeit für seine Hochzeit aufhalten, und das konnte ich nicht verstehen. Wir begannen, uns öfter zu streiten, und ich beendete unsere Affäre mit einigen bösen Worten. Ich beendete meine Ausbildung ein Jahr früher als er und landete mit ein paar anderen Jungen auf dem Schiff eines Schmugglers. Als er sein Geschäft an den Nagel hängte, ernannte er mich zum Kapitän, und ich verkaufte sein Schiff. Für das Geld bekam ich dieses Prachtstück," sie klopfte auf die Reling der Kroneneinhorn, „und übernahm seine Mannschaft. Seitdem bin ich hier. Ich habe immer versucht, Nicolas zu vergessen, doch gelungen ist es mir nie." Sie sah Roxane in die Augen. „Deswegen ist er hier. Ich will ihn zurück. Aber gleichzeitig verachte ich ihn für seine Schwäche. Für seine Moralvorstellungen und seine Angst vor seinem Abgrund und seine gottverdammten, dummen Versuche, irgendetwas zu beherrschen."

  Roxane erwiderte Morgaines Blick, dann wandte sie sich ab. Sie wird ihn nie zurückkriegen. Sie ist zu wild. Sie will alles besitzen, sie will Kontrolle über die, die sie mag, und Nicolas ist zu schwach, als dass er sie zähmen könnte. „Du solltest ihn vergessen. Er ist nichts für dich. Du brauchst das genaue Gegenteil von dem, was ich brauche, und das erfüllt De Oro nicht."

  Morgaine lachte. „Bring erst mal Ordnung in dein wirres Gefühlsleben, Prinzesschen, dann reden wir über mich. Ich lasse mir die Koje von Pokey wärmen, und er ist besser als jeder andere, den ich zuvor hatte."

  Roxane stimmte in ihr Gelächter ein. Dann sagte sie: „Finden deine Männer es nicht ungerecht, dass du mit einigen von ihnen...schläfst...und mit anderen nicht?"

  Morgaine zuckte mit den Schultern. „Sie wissen es, dass alles, was zwischen ihnen und mir läuft, nicht von Dauer ist. Jeder von ihnen ist mal dran. Im Moment ist es Pokey. Vor einiger Zeit hatte ich den Eisernen Joe in meinem Bett... Er ist in der Tat eisern." Sie grinste und biss sich auf die Lippe.

  Roxane lief rot an, als sie die Anspielung begriff, und sah auf die Planken unter ihren Füßen. „Du bist Madrid ziemlich ähnlich, weißt du", sagte sie vorsichtig, und wartete auf eine wütende Erwiderung.

  Doch ihre Freundin seufzte nur. „Du hast recht. Doch so sehr ich mir manchmal wünsche, es wäre nicht so, so liebe ich es, frei zu sein. Frei zu sein, dorthin zu segeln, wohin ich will, nicht gebunden an irgendjemanden... Trotzdem hätte ich manchmal gerne jemanden, der mit mir bis zum Ende der Meere segelt, jemand, der mich akzeptiert. Nicht als Captain, sondern als Frau."

  „Und du glaubst, dass Nicolas dieser Mann ist."

  Morgaine verdrehte die Augen. „Er könnte es..."

  Sie wurde unterbrochen durch einen Ruf. „Segel von backbord in Sicht!"

  Mit einem Fluch rannte sie zur linken Seite des Schiffes, zog ihr Fernrohr aus dem Gürtel und setzte es ans Auge. Roxane folgte ihr und sah in die entsprechende Richtung. Wegen dem Dämmerlicht war es fast unmöglich zu erkennen, doch drei Kriegsschiffe näherten sich mit erschreckender Geschwindigkeit. Dahinter erhoben sich die dunklen Berge von Salita.

  „Drache in Sicht! Direkt vor uns!", brüllte der Mann aus dem Krähennest.

  Morgaine senkte das Fernrohr und fluchte noch deftiger als zuvor. Roxane beobachtete ängstlich den dunklen Schatten, der die Leviathan aus der Luft ansteuerte. Das Schiff war beinahe in Schussweite, soweit Roxane es beurteilen konnte. Zumindest kam es ihr sehr groß vor.

  „Die Kriegsschiffe steuern direkt auf uns zu, Captain!", rief der Mann.

  Morgaine wirbelte herum. „Wir dürfen keine Fahrt verlieren, sonst fährt uns die Leviathan davon!" Sie setzte das Fernrohr wieder ans Auge und starrte angestrengt hindurch.

  „Wer sind die?", fragte Roxane beunruhigt.

  „Das sind die Pegai. Die Flagge zeigt das Wappen von Victoire de Lascare. Sie ist die Königin von Salita, und sie tut nichts gegen eine gewisse Bezahlung. Yarrow ist seit fast zwei Wochen nicht mehr vor uns aufgetaucht, und jetzt kommt er von Süden, aus Salita. Ich hoffe wirklich, dass er keinen Handel mit De Lascare getrieben hat, mit der er die Macht hatte, drei Schiffe gegen uns zu hetzen, sonst verlieren wir Yarrow, Darnovey und die Leviathan."

  Roxane beobachtete ängstlich die drei Schiffe, die auf sie zustürmten wie Haie auf einen blutenden Mann im Wasser. Bitte nicht.

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