18. Alpha Centauri

Here we are, don't turn away now,

We are the warriors that built this town

- Imagine Dragons, Warriors


„Wenn Ihr einen Attentäter wollt, warum segeln wir dann nicht nach Süden? Auf Darquir und Artequir gibt es keine mehr, und das wisst Ihr genau", sagte Raybeau aufgebracht.

„Weil es sinnlos wäre. Der Mord an Castillo muss so schnell wie möglich von statten gehen, und wenn wir nach Santaca oder gar zu den Racheinseln segeln, verlieren wir zu viel Zeit, weil wir danach wieder nach Norden segeln müssten. Ich brauche einen Attentäter, entweder aus Artequir oder aus Darquir. Etwas anderes dauert zu lange", erklärte Ravan. „Und selbst wenn wir nach Süden gesegelt wären, wir können ja wohl kaum in ein Gasthaus gehen und sagen Guten Tag, die Herren, ich suche einen Attentäter, der den König von Abisyala töten soll, vorzugsweise mit Erfahrung im Geschäft des Mordes an Herrschern. Kennt Ihr jemanden? Das ist so unauffällig!"

„Und die Hexenmeister? Rot, weiß oder schwarz?"

„Kosten bis zu achthundert Kreuzer am Tag, Tendenz steigend. Ich mag zwar reich sein, aber nicht alles, was ich besitze, ist aus Gold."

„Und woher wollt Ihr dann euren Attentäter bekommen? Schüttelt Ihr ihn einfach aus dem Ärmel?", fauchte Raybeau.

„Bastard...", Raybeau knurrte angewidert, als Ravan den Söldner erwähnte, „...kennt jemanden, in Alpha Centauri, der uns weiterhelfen kann. Angeblich hat dieser Mann ein Netzwerk von Spionen, weswegen er weiß, wo jeder Idiot der Welt in exakt diesem Moment ist. Er könnte dir sagen, wo sich der Neffe deiner Großmutter aufhält."

„Oh, ich weiß, wen er meint. Die Rhymers. Mächtig, reich, nicht zu unterschätzen und so ehrlich wie Schlangen mit Geisterzungen. Der eine ein verdammter Mistkerl, der andere kalt wie das Eis im Norden. Arrogant und tragen die Köpfe so hoch, dass sie die Welt unter ihren Hufen nicht mehr sehen können. Wenn wir ihnen sagen, dass wir vorhaben, einen König zu ermorden, verraten sie es im Handumdrehen an den nächstbesten Säufer, der in ihr Haus spaziert. Das ist nicht sicher!"

„Nun, wie schon gesagt, ich mag zwar nicht so reich sein, dass ich einen Hexenmeister bezahlen kann, aber ich habe genug Geld, um mir zwei schweigende Zentauren zu kaufen."

Raybeau schien nicht überzeugt. „Und Ihr glaubt, dass sie sich daran halten?"

„Dann beauftragen wir unseren Attentäter eben, noch zwei verräterische Spione zu töten. Wo ist das Problem?" Ravan zuckte mit den Schultern. „Dann haben wir noch etwas mehr Brennholz am Inferno des Krieges."

„Wenn es denn einen solchen Attentäter gibt, wie Ihr ihn euch ausmalt."

Ravan neigte den Kopf. „Vorausgesetzt, ja. Aber ich habe beste Hoffnungen. Der alte Castillo, Nicodemus, Palaimons Vater, ist schließlich auch nicht eines natürlichen Todes gestorben."

„Seitdem hat man allerdings nichts mehr von seinem Mörder gehört", mischte sich Embry, der Steuermann, ein. „Es heißt, ihm sei etwas Schlimmeres widerfahren als der Tod." Embry blickte zum Horizont, wo sich die Küstenlinie als schmales graues Band abzeichnete. „Ewige Folter."

„Und wenn schon. Schluss jetzt mit dem ewigen Gejammer." Ravan verschränkte die Arme. „Wir haben ein einziges Problem, wenn wir in Alpha Centauri anlegen, und das hat nichts mit Zentauren oder gedungenen Mördern zu tun."

„Und das wäre?", fragte Bastard, der gerade von einem Jagdausflug mit seinem Drachen zurückgekehrt und nun ebenfalls zu ihnen gestoßen war.

Ravan warf Raybeau einen warnenden Blick zu. Fang nicht wieder an, mit ihm zu streiten. Es reicht fürs Erste. Dann fuhr er fort: „Das Problem liegt direkt hinter uns. Wir haben Verfolger, und in der Zeit, die wir für einen Besuch bei den Rhymers brauchen, können sie leicht aufholen."

„Und was sollen wir jetzt machen?", fragte Raybeau.

„Ich könnte mit Ravan nach Alpha Centauri fliegen, wo wir mit den Rhymers reden. Dann müssten wir nicht anlegen", schlug Bastard vor.

Raybeau schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Söldner." Das letzte Wort spuckte er aus wie eine Beleidigung. „Wir haben kein Wasser mehr an Bord, nur noch so viel, dass wir es mit strengster Rationierung höchstens bis nach Crabon schaffen. Aber keine Meile weiter. Wir müssen also neue Vorräte an Bord bringen, und dafür müssen wir in Alpha Centauri anlegen."

„Es lässt sich nicht umgehen, dass wir unseren Verfolgern Zeit zum Aufholen geben, selbst wenn es nicht unsere Absicht ist", sagte Embry.

„Also, was machen wir nun?", fragte Raybeau und sah angriffslustig in die Runde.

„Das, was sowieso unser Plan war. Wir segeln nach Alpha Centauri und befragen die Rhymers. Allerdings", Ravan hob beide Zeigefinger, „geht es um Schnelligkeit. Wir brauchen Vorräte, sagtest du?"

Der Kapitän nickte.

„Holt euch, was wir brauchen. Ich stelle dir das Geld zur Verfügung, fürs Erste. Wir halten uns höchstens eine Nacht in der Stadt auf, sonst können wir ihnen nicht mehr entkommen. Raybeau, sag deinen Männern, dass ich sie höchstpersönlich umbringe, wenn sie nicht auf Aufruf innerhalb einer halben Stunde fertig zum Auslaufen sind. Keine Bordelle, keine Saufgelage. Die können wir uns leisten, wenn wir unsere Mission erfüllt haben, oder Nicolas de Oro in unserem Nacken los sind. Bei den Geistern, ich überschütte sie mit Gold, wenn sie sich mit Feiern etwas gedulden können."

Raybeau hob verächtlich einen Mundwinkel zu einem unangenehmen Halblächeln. „Und ich dachte, dass Ihr nicht genug Geld habt, um einen Hexenmeister zu bezahlen. Wenn Ihr jeden Mann aus meiner Crew mit Gold überschütten wollt, dann kommt eine Menge davon zusammen."

Ravan bedachte ihn mit einem überraschten Blick, der nur zur Hälfte gespielt war. Ich dachte immer, dass er vollkommen humorlos sei. „Oh, hast du einen Sinn für Humor entwickelt?"

Der Kapitän schnaubte und sah angewidert zur Seite.

„Es ist nur so eine Redewendung. Ich gebe ihnen vier Kreuzer pro Mann, zusätzlich zu dem Lohn, die sie ja ebenfalls durch mich kriegen, wenn wir erfolgreich sind. Und das werden wir sein."

„Es wird hart, der Mannschaft beizubringen, dass sie das Schiff in Alpha Centauri nicht verlassen dürfen. Es ist die Hochburg der Huren und der einfachen Freuden des Alkohols, denen sich Seemänner nur zu gerne hingeben", sagte Embry mit sachlicher Stimme. „Da wird das Versprechen auf etwas Gold sie kaum beruhigen."

„Nicht nur die Seemänner", seufzte Bastard.

Er muss sich nicht beklagen. Er könnte einfach mit seinem Drachen in die Stadt fliegen und jede Hure in ganz Alpha Centauri vögeln. Aber besser ist es, wenn er es nicht tut, sonst wird die Mannschaft uns massakrieren. Ravan nickte seinen Kameraden zu. „Also. Wir legen in der Stadt der Zentauren und der Huren an. Ich gehe, mit etwas Begleitung, versteht sich, zu den Rhymers, die Besatzung bringt neue Vorräte an Bord, ohne Abstecher in die Bordelle und Schankhäuser der Stadt, und wenn ich zurückkehre, will ich die Leviathan innerhalb von einer halben Stunde voll besetzt haben. Und danach wird es ernst."

Ravan schlug sich mit der Faust in die flache Hand. „Wir verlieren mindestens vier Stunden. Das mag sich zwar nicht nach viel anhören, aber es reicht, damit De Oro seinen Abstand zu uns gehörig verringern kann. Wenn der Wind günstig steht, kann er uns fast einholen. Sobald wir wieder auf hoher See sind, gibt es keine ruhige Minute mehr für uns. Dann müssen wir segeln, bis wir unseren Attentäter gefunden haben, zu dem die Rhymers uns leiten werden, und spätestens dann müssen wir schauen, ob die Kanonen dieses Schiffes wirklich etwas taugen."

„Sie taugen etwas. Ich habe damit fast zwanzig Piratenschiffe versenkt", sagte Raybeau kampfeslustig.

„Das beruhigt ungemein. Wann sind wir in Alpha Centauri?", fragte Ravan.

„Morgen Abend, wahrscheinlich."

„Hervorragend."

Sie erreichten die Hauptstadt der Zentauren kurz vor Mitternacht des nächsten Tages. Der Hafen war klein, gesäumt mit Docks, das schmutzige Wasser voll mit heruntergekommenen Handelsschiffen und ein paar vereinzelten Kriegsschiffen, die jedoch bis auf eines nicht die Flagge des Landes Hiron trugen. Die Leviathan war zweifellos das prächtigste und am besten bewaffnete. Beinahe lautlos glitt es durch den dichten Nebel, der über Alpha Centauri lag.

„Die Zentauren haben es nicht so mit Schiffen", bemerkte Ravan und sah Bastard an.

„Nein", antwortete der Söldner. „Sie hassen das Meer sogar. Ein Clan hat ein paar abgehalfterte Schiffe, die sie für die Jagd benutzen, aber selbst die kümmerliche Marine von Subat könnte sie besiegen."

Embry trat ebenfalls zu ihnen. „Ja. Die Stormseas. Es ist ein Wunder, dass sich diese Stadt überhaupt zu einem der bedeutendsten Häfen von Darquir entwickelt hat. Aber er hat einen guten Standort. Hier gibt es viele Händler, die wiederum Schiffe aus allen anderen Ländern anheuern, um ihre Waren in alle anderen Länder zu bringen. Deswegen heißt es auch, dass die Kentauros, die Königsfamilie, das Land regiert, aber die Händler beherrschen Alpha Centauri. Vor allem die Rhymers. Sie sind die mächtigsten Händler des Landes. Eigentlich gehört die ganze Stadt ihnen."

Embry zeigte auf das Ufer links von ihnen, ein Meer von Lichtern in der Dunkelheit. „Dort drüben liegt das Rhymer Quarter. Es ist vollständig auf dem Meer gebaut, weil die Stadt immer größer wurde, und die Stadtmauer nicht eingerissen werden darf. Wenn die Stadtmauer von Alpha Centauri fällt, heißt es, geht Hiron unter. Also haben die Zentauren beschlossen, ein neues Viertel aufs Wasser zu bauen. Dafür brauchten sie Geld, und das haben größtenteils die Rhymers zur Verfügung gestellt. Sie haben Pfähle in den Meeresboden gerammt, Stege und Plattformen und dann Häuser darüber gebaut. Zuerst waren sie nur aus Holz, mittlerweile habe sie auch mit Lehm und Steinen gebaut, wegen der Feuergefahr. Zwischen den Häusern und den Stegen verlaufen Kanäle, über die Güter transportiert werden, die zu groß für die ziemlich schmalen Stege sind. Fast jede Nacht ertrinken ein paar unglückliche Säufer, die ins Wasser fallen und zu betrunken sind, um wieder auf die Stege zu klettern. Nachdem die Rhymers dieses Viertel aus der eigenen Tasche bezahlt haben, haben sie Bordelle und Gasthäuser errichtet, und hatten ihre Verluste im Nu wieder ausgeglichen. Kleinere Händler schlossen sich der Rhymer Corporation an, um von ihrem Reichtum zu profitieren, und nun haben sie das größte Handelsimperium südlich von Amorys."

„Du weißt ja eine ganze Menge über diese Gegend, für einen Steuermann aus Crusadia", sagte Ravan und sah Embry scharf an.

Der Mann lief rot an. „Ich lese gerne", murmelte er. „Es interessiert mich einfach. Und ich komme eigentlich aus Askaron, bin dann aber nach Süden gesegelt. Dabei bin ich auch hier vorbeigekommen."

„Ein gewöhnlicher Seemann, der lesen kann. Du bist nicht so ordinär, wie du aussiehst", stellte Ravan amüsiert fest.

„Als Steuermann muss man lesen können. Und zwar nicht nur Seekarten."

Ravan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nichts darüber. Ich habe es nie zum Steuermann gebracht. Natürlich kann ich lesen, aber in der kurzen Zeit, in der ich auf See war, habe ich es nie weiter als bis zum gewöhnlichen Matrosen gebracht."

„Ihr wart auf See? Wann?", fragte Embry.

Ravan winkte ab. „Vor einigen Jahren. Ich habe mit eine Söldnerkompanie auf den Racheinseln gekämpft."

Bastard sah Ravan überrascht an. „Ich wusste nicht, dass du mal ein Söldner warst. Bei welcher Kompanie hast du gekämpft? Unter wem?"

„Ich war bei den Irren Rittern, unter Ferox Caballero."

Bastard lachte. „Als ich noch bei den Fuchsbrüdern war, sind wir in Eckoyr mal auf die Ritter getroffen. Caballero ist... verrückt wie ein Fisch und sein Lachen kann Drachen töten."

Ravan erinnerte sich an Ferox Caballero. Ein guter Krieger. Waghalsig, komplett wahnsinnig und beliebt. Ich habe selten einen so schlechten Anführer wie ihn gesehen, der seine Kompanie so gut unter Kontrolle halten konnte. „Ja. Unter den Rittern hieß es immer, dass er seine Seele für seine Kampffähigkeiten eingetauscht habe, und dass sein Lachen das Anzeichen dafür war, dass er von einem Dämon besessen war."

„Wahrscheinlich haben sie recht. Verdammt, als er mit unserem Anführer, Eric Fox, einen Scherz gemacht hat, mussten sich die Umstehenden die Ohren zuhalten, damit sie nicht auf der Stelle taub wurden."

Raybeau bellte Embry einen Befehl zu und der Steuermann entschuldigte sich. Langsam glitt die Leviathan durch das Hafenbecken, auf die verlassenen Docks zu. Ein paar Zentauren lungerten neben einem Feuerkorb herum, die schmutzigen weißen Wappendecken, die sie über dem Rücken trugen, waren geschmückt mit dem Zeichen des goldenen Einhorns der Kentauros. Stadtwachen. Ein weiterer Zentaur mit einer Flasche in der Hand trat auf die Wachen zu und sang laut und falsch ein Lied mit eindeutig obszönen Text, und die Wachen verscheuchten ihn, indem sie nur ihre Schwerter zogen.

Zentaurenschwerter. Fast zweieinhalb Meter lang. Wer so etwas stemmen, geschweige denn schwingen kann, vor dem muss man sich hüten, dachte Ravan und beobachtete respektvoll die drei Wachen. Undich werde mich hüten, in dieser Stadt etwas anzustellen, das sie als Bedrohung auffassen könnten. Er drehte sich zu Bastard um, der sein eigenes Schwert schärfte. „Hast du schon mal gegen einen Zentauren gekämpft?"

Bastard nickte, der klirrende Laut des Schleifsteins auf dem Stahl verstummte. „Ich habe mich mal in Raven's Cry mit einem gestritten, so heftig, dass wir nach den Waffen gegriffen haben. Die Biester haben die Kraft von Pferd und Mensch zusammen, und es ist wahrscheinlich nur dieser Kraft verdankt, dass die anderen Länder sie noch nicht überrannt haben. Überlebt habe ich meinen Kampf nur, weil er so betrunken war, dass er kaum einen Huf vor den anderen setzen konnte. Wäre er nüchtern gewesen, hätte er mich mit seinem Schwert glatt in zwei Hälften gehauen." Er grinste. „Die Weiber von Santaca bis Westerturm hätten tagelang Trauerflor getragen."

Ravan lachte kurz auf. Elender Bastard. Belustigt wandte er sich wieder den sich nähernden Docks zu.

Als der erste der Wachen sie entdeckte, kam Bewegung in die Zentauren. Es waren acht, in den verschiedensten Farben. Ravan entdeckte einen Schecken, zwei Braune, einen Falben in der Farbe von Sand, einen Apfelschimmel, einen Rappen, und einen Schimmel mit schneeweißem Fell, dessen Überwurf am Saum mit goldenen Stickereien verziert war. Offensichtlich war er der Anführer der Männer. Mit klappernden Hufen stellten sie sich in einer Reihe auf, die Hände an den Schwertgriffen.

„Name des Schiffes und Name des Kapitäns?", bellte der Weiße. Selbst seine Haut war weiß wie Schnee, den Kontrast dazu bildeten seine schwarzen Haare, die zu unordentlichen Zöpfen geflochten waren.

„Die Leviathan, unter Captain Stanis Raybeau!", antwortete der Kapitän.

Ich wusste seinen Vornamen gar nicht. Für mich war er immer nur Raybeau. Ravan kannte den Mann nun schon seit seiner Jugend, als sein Vater ihn ihm vorgestellt hatte. Raybeau ist der verlässlichste Mann in den Diensten der Virreys, sagte er. Ich denke, er hat recht.

„Ladung?", fragte der weiße Zentaur.

„Wir sind nicht hier, um Handel zu treiben. Wir wollen hier Vorräte und Wasser an Bord nehmen, und haben vor, die Stadt morgen wieder zu verlassen", antwortete Raybeau.

„Ay, Ihr könnt anlegen."

Ein paar übermüdete Hafenarbeiter ergriffen die Tampen, die ihnen von Raybeaus Mannschaft zugeworfen wurden, und vertäuten es fest mit der Hafenanlage, während die Männer auf dem Schiff die Segel einholten und den Anker warfen.

Der weiße Zentaur und seine Männer trabten auf das Schiff zu, ihre Hufe donnerten dumpf auf dem Holz des Stegs. Eine Gangway wurde vom Schiff zum Steg gelegt, und Raybeau, gefolgt von Ravan und Bastard, betrat das nasse Holz.

„Willkommen in Alpha Centauri. Verzeiht mir, wenn ich den Hafenmeister nicht mehr wecken werde, aber es ist zu spät, als dass ich ihn jetzt noch störe. Ihr werdet Eure Geschäfte morgen abwickeln müssen. Bis dahin muss ich Euch bitten, die Hafenanlagen nicht zu verlassen", erklärte der Zentaur in befehlsgewohnten Ton und beäugte skeptisch den großen, rhythmisch atmenden Umriss des schlafenden Drachen am Bug der Leviathan. „Woher kommt Ihr?"

„Aus Crusadia", antwortete der Kapitän.

„Ay. Und was habt Ihr hier vor, wenn ich fragen darf?"

„Entschuldigt mich, aber es sind unsere Angelegenheiten. Habt Nachsicht, wenn ich Euch es nicht verrate, Mr...?", mischte Ravan sich ein.

„Xahor Kentauros, wenn es Euch beliebt, Sir."

Ravan neigte den Kopf zu einer angedeuteten Verbeugung. „Mr Kentauros. Ein Verwandter des Königs nehme ich an?"

„Entfernt. Ein Cousin dritten Grades Seiner Majestät des Königs Ixion VII. ist mein Vater, Sir. Trotzdem trage ich seinen Namen."

„Mr Kentauros...", Ravan griff in seine Hosentasche und umschloss den kühlen, flachen Gegenstand, den er darin fand, „unsere Geschäfte, die wir hier zu erledigen haben, sind sehr brisant, und sie betreffen die Sicherheit des Königs und die aller Königreiche. Sie müssen in größter Schnelligkeit abgewickelt werden. Deswegen", er nahm den Gegenstand aus seiner Tasche und hielt ihn ins Licht, wo der Kreuzer träge funkelte, „wäre ich Euch und Euren Männern", er förderte ein weiteres Goldstück zutage, „wenn sie den Hafenmeister dennoch wecken würden, zusammen mit ein paar seiner Arbeiter", er ließ einen dritten Kreuzer in seine Handfläche fallen, „damit wir so schnell wie möglich diesen Hafen wieder verlassen können. Natürlich nur im Namen des Königs, wenn es Euch gefällt."

Die Männer hinter Kentauros rissen die Augen auf und starrten gierig auf das Gold, während Kentauros unentschlossen zwischen dem Geld und dem dunklen Gebäude hinter sich hin und her sah. Er leckte sich über die Lippen und trommelte nervös auf seinem Schwertgriff herum, bis er sagte: „Verzeiht mir, Sir, aber wenn ich der Korruption bezichtigt werde, verliere ich meinen Posten und alles, was ich je besessen habe. So leid es mir tut, wenn einer meiner Männer auch nur ein Wort ins falsche Ohr fallen lassen, bin ich am Ende."

„Wir werden nichts verraten, M'lord Kentauros", sagte der Schecke aufgeregt. Sogar seine Haare waren schwarzweiß. „Wirklich nicht. Wir werden schweigen wie zungenlose Leichen. Stimmt doch, oder, Männer?"

Die anderen nickten und brummten eifrig ihre Zustimmung. Ravan lächelte. Sag schon ja, Junge. Lass dich einfach von ihnen beeinflussen, und nimm mein schönes, glitzerndes Gold.

Kentauros kratzte sich die Bartstoppeln und nickte langsam. „Du, geh und hol den Hafenmeister", wies er den Falben an, der sich auf den Hinterhufen umdrehte, das Klappern der Hufe verklang. „Aber dass wir uns verstehen, das alles ist nie passiert", fügte er hinzu. Es war nicht klar, ob er es zu Ravan, zu seinen Männer oder zu beiden sagte.

Die Männer schüttelten wild die Köpfe, der Schecke versiegelte pantomimisch seine Lippen. „Niemals, M'lord Kentauros", sagte er.

„Mr Kentauros, das ist selbstverständlich", fügte Ravan hinzu und lächelte so freundlich, wie es ihm möglich war. Klirrend gab er sein Gold weiter.

Bevor der Zentaur etwas sagen konnte, unterbrach der Hafenmeister, ein grobschlächtiger brauner Zentaur, das Gespräch. „Mr Kentauros, Sir, ist das der Mann, der zu dieser unheiligen Zeit ankommt und es wagt, mich aus dem Bett zu reißen?"

Kentauros scharrte mit dem Huf. „Ay, Mr Myers, das ist er. Nehmt ihm die Gebühr ab und gebt ihm, was er will."

Ravan drängte sich an dem weißen Zentauren vorbei zu dem braunen und reichte ihm die Hand. Myers ergriff sie, und der Kreuzer, den Ravan darin versteckt hatte, wechselte den Besitzer. „Mr Myers, wenn Ihr Euch bitte mit meinem Kapitän in Verbindung setzen würdet, damit Ihr und Eure Mitarbeiter Euer Geschäft erledigen könnt." Er wies auf Raybeau, der seine verächtliche Miene vom Gesicht rutschen ließ und ein halbwegs freundliches Lächeln zusammenbrachte.

Myers nickte und ging auf Raybeau zu, während Kentauros seine Männer zu sich rief und von dannen trabte. Ravan stellte sich neben Raybeau und Bastard. „Läuft doch besser als erwartet, oder?"

„Ihr seid ein elender Schleimer, das wisst Ihr, oder?", knurrte Raybeau.

Ravan ginste. „Ich bin so schleimig, wie es nötig ist. Wir haben unsere Ruhe von der Stadtwache und kommen vermutlich vor Tagesanbruch wieder hier weg. Was willst du mehr? Bastard, komm mit, wir gehen die Herren Zentauren besuchen." Er schlug dem Söldner auf die Schulter und ging aufs Ufer zu.

Nach einer Sekunde folgte Bastard ihm. „Ravan, es gibt ein Problem."

„Ay?"

„Wirf einen Blick an den Himmel."

Ravan legte den Kopf in den Nacken. Der Nachthimmel war schwarz wie schwarze Seide, die Sterne Silberstaub um die beinahe perfekt runde Silbermünze des Mondes. Fast Vollmond. Er zuckte mit den Schultern. „Der Mond, und ein Haufen Sterne. Bald ist Vollmond. Was ist das Problem?" Das letzte Wort verschluckte er fast, als es ihm dämmerte. Verdammt, bei allen Geistern und Dämonen. Vollmond und Fenriswölfe. „Scheiße, Bastard. Bringst du mich gleich um?"

Der Söldner schüttelte den Kopf, als er plötzlich zusammenzuckte und schmerzerfüllt stöhnte. Ravan trat einen Schritt zurück und machte sich für den eigenen Fall bereit, um sich wenn nötig zu verteidigen. Bastard griff sich an den Brustkorb an seiner rechten Seite, krümmte sich zusammen und bleckte die Zähne vor Schmerz.

„Alles in Ordnung, Mann?", fragte Ravan, etwas undeutlich durch seine eigene Nähe zu seiner Wolfsgestalt.

Bastard richtete sich wieder auf. „Ja. Aber ab morgen Abend solltest du mich in eine Zelle sperren, bevor ich jemanden umbringe." Mit wenigen Schritten schloss er zu dem Lykaner auf. „Gehen wir."

Zusammen liefen sie durch die lebhafteren Gebiete von Alpha Centauri, am Saum des Rhymer Quarter, wo die Wohngebiete in ein Vergnügungsviertel übergingen. Betrunkene Zentauren bevölkerten die Straßen, Huren jeglicher Rassen, Arten und Farben boten ihre Dienste an und versuchten auch, die beiden Männer für sich zu gewinnen. Ravan musste Bastard mehrmals daran erinnern, dass sie eine Aufgabe zu erfüllen hatten.

„Einen Ritt können wir uns gönnen", versuchte der Söldner ihn zu überzeugen, am Ende des Satzes brach seine Stimme durch eine neue Welle des Schmerzes. „Siehst du, ich leide Schmerzen, und wir sind fast einen Monat auf See gewesen. Eine halbe Stunde lang! Komm schon!"

Ravan seufzte. Nichts hätte er lieber getan, als sich eine Nacht lang in den Armen einer Frau zu verlieren, seine Pläne, seine Verantwortung und De Oro hinter sich zu vergessen, doch er wusste, dass er die Zeit nicht hatte. „Komm jetzt, Mann. Wir haben einen Plan, an den wir uns halten müssen, und wir können nicht ewig hier herumlungern. Wenn wir alles erledigt habe und in Kriegergold ertrinken, dann kaufe ich dir eine Kurtisane von den Racheinseln, und du merkst, dass diese Weiber hier", er machte eine Geste, mit der er das gesamte Viertel einschloss, „nichts als Anfängerinnen sind."

Bastard warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die Huren und folgte Ravan. „Hast du schon mal so eine im Bett gehabt?", fragte er interessiert.

„Ja, habe ich. Ich habe in meiner Zeit auf den Racheinseln eine Menge von ihnen gevögelt. Hat mich pro Nacht einen ganzen Monatslohn gekostet. Es lohnt sich definitiv." Ravan schnaubte. „Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Weißt du, wo die verdammten Rhymers leben?"

„Ja."

„Führ mich hin."

Sie gingen am Rand des Rhymer Quarter entlang, in die verlassenen Straßen des edleren Viertels. Ein paar Wachen patrouillierten, doch sie bemerkten die beiden Männer nicht, die gemächlich den gepflasterten Weg entlangliefen.

„Sind sie blind, oder ignorieren die uns nur?", fragte Ravan leise.

„Ich habe beim besten Willen keine Ahnung. Vielleicht interessieren sie sich für nichts, das unter zwei Meter groß ist", raunte Bastard. Er grinste breit und bebte vor unterdrückten Gelächter. „Aber dann müssten sie ich für meinen Schwanz interessieren."

Ravan schloss die Augen. „Verdammte Geister, Bastard!", zischte er, mit der Absicht, ernsthaft zu klingen, doch er merkte, dass er selbst lachen musste. „Wo wohnen diese Hurensöhne von Händlern denn nun?", hakte er nach, um wenigstens etwas Klasse zu wahren.

Der Söldner zeigte auf das Gebäude vor ihnen, ein gigantisches Herrenhaus. „Dort."

Sie durchquerten den Garten, ein geschmackvoll dekoriertes Fleckchen Gras gesäumt von Blumenbeeten, betraten die marmorne Veranda und blieben vor der zweiflügeligen Tür stehen, einem schweren Teil aus Eichenholz, verziert mit ziselierten Blumen aus Schmiedeeisen. Ravan riss ein paar Mal heftig an der Klingelschnur, bis er im Haus Hufe hörte.

Eine kleine, schlanke, rotbraune Zentaurin öffnete. „Guten Abend, die Herren. Ihr wollt sicher die Herren Rhymer sprechen?"

„Das wäre wünschenswert, Miss." Ravan deutete eine Verbeugung an. „Wenn sie zu dieser späten Stunden denn noch zu sprechen sind."

Sie lächelte. „Wen darf ich melden?"

„Die Herren Bane und Yarrow."

„Selbstverständlich." Sie geleitete die Männer in den Salon, ein großer, beinahe runder Raum, gesäumt mit Bücherregalen und Schränken voller teurem Alkohol. Vor einem kleinen Kaminfeuer stand eine Gruppe lederner Polstermöbel, die wohl ausschließlich für Besucher gedacht waren, die nicht den Zentauren angehörten.

Die Zentaurin trabte hinaus, ihre Hufschläge verklangen im Haus, und die beiden Werwölfe standen schweigend im Halbdunkel, nur unterbrochen von Bastards schmerzerfülltem Keuchen und seinen leisen Flüchen. „Eine Hure, ich brauche eine Hure, die mir den Schmerz aus dem Leibe vögelt", knurrte er wütend.

Einige Minuten verstrichen, bis ein Zentaur den Salon betrat. „Guten Abend. Wie kann ich euch weiterhelfen?"

Ravan lächelte. „Es geht um einen Mörder."

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