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„Ich weiß es nicht."
Grace diskutierte nun heute schon zum dritten Mal mit Mr. Cort. Und das tat sie seit fünf Tagen. Morgens, mittags und bevor sie nach Hause ging.
„Ich schätze diese Unterhaltung ist beendet", meinte Grace und schlug die Akte des Mannes zu, die sie vorher aufgeschlagen hatte, um etwas zu finden, doch sie fand nichts.
„Ja, das schätze ich wohl auch", antwortete Mr. Cort.
„Wir werden Sie trotzdem hier lassen. Es wird jeden Augenblick jemand kommen."
„Wie bitte? Sie haben nichts, was meine Schuld beweisen könnte!", fuhr er sie aufgebracht an. Er stand auf und sah sie bedrohlich an. „Ich sitze nun schon fünf Tage hier fest. Lassen Sie mich gehen!"
Grace machte es nichts aus. Sie starrte nur zurück.
„Wir haben aber auch nichts, was Ihre Unschuld beweisen könnte, Mr. Cort", erwiderte sie dann höflich.
Mr. Cort setzte sich wieder hin und seufzte. Er rieb sich die Schläfe.
Grace ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Sie seufzte ebenso. Dass es so ablaufen würde, hatte sie geahnt. Sie ging in ihr Büro, um zu grübeln.
*
Am Abend fuhr Grace nach Hause. Sie war müde und streifte sich sobald sie in ihrer Wohnung war die Schuhe von den Füßen. Sie saß auf ihrem Bett und ließ sich nach hinten fallen. Ihre Wohnung war zwar klein, aber das war ihr egal. Sie hatte sie ja für sich alleine und Gäste lud sie sowieso nie ein. Die Einrichtung war modern und schlicht, mit ein paar Farbakzenten. Sie fühlte sich dort sehr wohl.
Zu Weihnachten fuhr sie meistens zu ihrem Bruder nach New York. Dort war es - passend zu Weihnachten - sehr kalt und Schnee lag meistens auch.
Ein Haustier hielt sie sich nicht. Früher liebte sie Tiere, aber heute hatte sie keine Zeit und keine Lust dazu. Abends wollte sie einfach in ihr Bett fallen und einschlafen, ohne sich Gedanken um ein Tier machen zu müssen. So, wie sie es auch heute tat.
*
„Ich bin in letzter Zeit unzufrieden mit Ihrer Arbeit, Miss Hallington."
Officer Baskin sah Grace streng an. Er lugte dabei über seine Brille hinweg, wie er es immer tat, wenn er nicht gut drauf war.
„Was gefällt Ihnen denn nicht daran?", fragte Grace gleichgültig. Sie fand ihre Arbeit war sorgfältig.
„Dieser Mr. Cort. Was haben Sie zu ihm gesagt? Er redet nicht mehr. Mit niemandem!", erwiderte der Officer.
„Nichts. Jedenfalls nichts, was ein Grund dafür wäre, mit niemandem mehr zu reden." Grace war selber geschockt, aber sie ließ es sich nicht anmerken. In ihrem Kopf ratterte es nur so und sie überlegte fieberhaft, was sie falsch gemacht haben könnte.
Officer Baskin seufzte einmal. „Nun gut. Gehen Sie erst einmal wieder an die Arbeit. Ich möchte jedoch, dass Sie diesen Fall lösen. Schließlich will ich sehen, ob es sich für Sie hier noch lohnen wird." Er machte eine Handbewegung, dass sie rausgehen solle.
Grace ging in ihr Büro. Vorher wurde sie von einem Officer angehalten. „Hey, Grace, warten Sie!"
Sie drehte sich etwas genervt um. „Was wollen Sie, Henry?", fragte sie ihn leicht genervt.
Ein etwas größerer Mann mit hellbraunen Haaren kam auf sie zu. Er bewegte sich elegant - fast noch eleganter als Grace. Zudem trug er seine Abzeichen an seinem Shirt. Er war stolz auf sie, das wusste Grace.
„Ich wollte Sie fragen, was Officer Basken zu Ihnen sagte." Er lächelte sie freundlich an.
„Nichts Besonderes", log Grace überzeugend.
„Und was?"
„Ich wüsste nicht, was Sie das anginge." Sie sah ihn an. Eigentlich mochte sie ihn sehr, aber er konnte auch schnell nervig und vor allem aufdringlich werden, was sich ihrer Meinung nach nicht gehörte.
„Und wie steht es mit Ihrem Fall?" Er versuchte das Thema zu wechseln. „Ich habe gehört der beschert Ihnen viele Probleme."
„Ja, so ist es, aber auch das geht Sie nicht viel an." Grace lächelte leicht, um ihre Wut zu unterdrücken.
„Oh, natürlich. Ich bitte um Verzeihung." Er klang nicht verletzt, aber enttäuscht. Kurz lächelte er, nickte mit seinem Kopf „Guten Tag", sagte er höflich, hob seinen Hut einmal kurz und ging dann davon.
Nun konnte Grace ungestört sein und am Fall arbeiten. Sie dachte sich eine kluge Taktik aus, die vielleicht sogar funktionieren könnte.
*
„Also, Mr. Cort. Sie sagten mir, Sie wären unschuldig und hätten nichts mit dem Mord zutun gehabt, richtig?" Grace lief leicht im Verhörraum umher. Das ließ sie um einiges selbstbewusster wirken.
„Richtig."
„Und Sie hatten auch keine Schusswaffe dabei."
„Richtig."
"Aber eines möchte ich erklärt haben." Sie blieb stehen, kniff die Augen zu und sah ihn an. „Wieso haben Sie das Opfer bedroht, wenn Sie ihn - David Beecroft - doch überhaupt nicht kannten?" Sie sah ihn scharf an.
„Nun ja, ich... Das darf ich Ihnen nicht sagen." Er schluckte leicht und sah auf den Tisch.
„Und wie Sie mir das sagen werden, oder ich werde es aus Ihnen herausprügeln lassen!", fuhr sie ihn an.
Dennoch sah man keine Angst in Mr. Corts Gesicht. Eher war es Entschlossenheit, die ihn zügelte.
„Hören Sie mir jetzt einmal zu: Sie wissen anscheinend nicht, dass es hier um einen Mord geht", fuhr sie ihn erneut an. „David Beecroft war rein. Sein kompletter Lebenslauf ist genauso, wie es sich für einen Mann Mitte 30 gehören sollte. Er hatte einen vernünftigen Job, Frau und Kinder." Sie legte eine kurze Pause ein. „Und irgendwer hat ihm das nicht gegönnt."
Mr. Cort sagte nichts. Er sah sie nur schweigend an. Ein paar Minuten blieb es auch dabei.
„Sie wissen alles über ihn, richtig?", fragte Grace dann den Angeklagten.
Dieser schluckte, ehe er nickte. „Ich wusste alles über ihn. Mein ganzes Leben hing von ihm ab. Schließlich..." Er zögerte. „... schließlich war er mein Bruder."
Grace lächelte triumphierend und schlug die Akte zu.
___
Hättet ihr so etwas erwartet?
Schönes Wochenende
~KatnissBlondie
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