~14~
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Für Grace war am nächsten Morgen alles wie gewöhnlich. Sie stand auf, kochte sich einen Kaffee, duschte lauwarm und zog sich etwas Ordentliches an.
Doch sobald sie auf dem Revier war, fing eine Welle von Kollegen sie ab und fragte sie aufgewühlt aus. Grace konnte jedoch jeden einzelnen erfolgreich abwimmeln.
Nun machte sie sich auf den Weg zu Officer Baskins Büro. Entweder war er krank vor Sorge oder puterrot vor Wut. Aber als Grace das Büro betrat traf überhaupt nichts von beidem ein.
Der Officer saß nur nachdenklich an seinem Schreibtisch. Er sah verwundert auf.
„Grace Hallington?", fragte er sichtlich verwundert. „Wir alle dachten schon Sie würden für immer wegbleiben. S-setzen Sie sich", fuhr er fort. Dabei zeigte er mit seiner linken Hand auf den Platz vor seinem Tisch.
Grace setzte sich behutsam. Gespannt auf das was ihr Vorgesetzter ihr nun sagen würde, schaute sie ihn an.
„Wo waren Sie solange?", begann er dann. Es klang nicht böse oder vorwurfsvoll sondern fast schon mitleidig und voller Schuldgefühle.
„Ich war zuerst bei meinem Bruder in New York", begann Grace zu erzählen. „Dort traf ich einen alten Schulfreund am Bahnhof. Nach ein bis zwei Tagen fuhr ich zu ihm, um mich mit ihm nett zu unterhalten. Und da merkte ich, was er für ein Mensch war. Er wurde früher dafür bezichtigt seine Frau ermordet zu haben, doch die Polizei stritt damals alles ab."
„Was ist dann passiert?", fragte Officer B. sie besorgt.
„Er sperrte mich ein und wollte mich töten. Und dann..." Grace war die gesamte Zeit über stark geblieben, doch der Gedanke an das alles war einfach zu viel für sie. Tränen kochten in ihr hoch.
Baskin sah geschockt aus. Er hatte Grace noch nie weinen sehen, auch nicht, als sie einmal fast von einem Gefangenen vergewaltigt wurde.
„Grace, was geschah dann?" Er umfasste ihre Hand und kam etwas näher.
„I-ich musste ihm versprechen ihn zu heiraten."
„Und sie haben es getan."
„Bei Gott, ja!"
Grace' Hand zitterte wie verrückt als sie sich an den Kopf fasste.
Baskin sah sie an. Sein Mund stand offen und seine Haut war kreidebleich. Er sah fast aus wie eine Leiche mit seinen geweiteten Augen.
„Wie konnten Sie das nur tun, Grace?", fragte er sie dann.
„Ich hatte Angst... um mein Leben, verstehen Sie? Er hätte mich auf der Stelle umgebracht. Qualvoll. Langsam. AUF EINE VERRÜCKTE ART UND WEISE!" Grace wurde mit jedem Wort lauter und lauter und dann stand sie wütend auf. „Heute Morgen wollte er mich vergewaltigen!"
Überrascht und überfordert stand Officer Baskin ebenfalls auf.
„Grace? Bitte beruhigen Sie sich! Ich werde Henry beauftragen diesen Mann zu jagen und einzufangen wie ein Tier. Das verspreche ich Ihnen. Aber bitte beruhigen Sie sich wieder, dann wird alles gut."
Grace setzte sich wieder hin und versuchte ihre Atmung zu regulieren.
„Ich... es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass das so ausartet. Ich bin einfach nur froh wieder hier zu sein und habe einen schrecklichen Hass auf diesen Mann."
„Ich werde Henry beauftragen ihn zu suchen. Wo fangen wir an?" Officer Baskin sah sie einfühlsam an. Er setzte sich ebenfalls wieder hin und lehnte sich etwas über den Schreibtisch.
„Am besten in Manhattan in seiner Wohnung. Stürmen Sie sie, oder durchsuchen Sie sie. Vielleicht ist er immer noch da."
Baskin lächelte sie an. „In Ordnung. Sie können sich für den restlichen Tag freinehmen. In diesem Zustand sollten Sie nicht arbeiten."
„Aber ich muss Ihnen helfen. Vielleicht kann ich Ihnen Hinweise geben."
„Ganz ausgeschlossen, das kann ich Ihnen nicht erlauben!"
Verzweiflung rauschte durch Grace' Kopf und hinterließ eine unglaubliche Leere. „Ich muss etwas Luft schnappen", sagte sie. Hektisch stand sie auf und verließ den Raum. Sie blickte sich um und entdeckte Henry.
Er lehnte an einer Wand und rauchte eine frische Zigarette. Als er sie sah stieß er sich langsam ab und kam auf sie zu.
„Ich habe Sie vermisst, Grace."
„Sie haben alles mitgehört, richtig?"
„Stimmt genau, aber die Polizei wird Ihnen nicht helfen. Das ist nur ein Haufen Idioten." Seine Stimme klang jähzornig und müde.
„Woher wollen Sie das wissen? Die haben noch nichtmal angefangen!" Grace musterte den Mann vor ihr; zerzauste Haare, lockeres Hemd, schiefe Augen. „Sie haben wenig geschlafen, hm?"
„Gar nicht." Er grinste sie müde an. „Und das habe ich auch nicht mehr vor."
„Und was wollen Sie stattdessen tun?"
„Mit Ihnen ermitteln, natürlich! Was denn sonst?"
Grace' Miene hellte sich auf. „Ach, wirklich?"
„Klar, ich beschütze gerne Frauen. Vor allem die d-" Er brach ab und kratzte sich am Hinterkopf.
„Vor allem die...?"
„Vor allem die, die meine Hilfe brauchen." Er blickte links an ihr vorbei.
Er lügt.
Und das tat er tatsächlich. Er blickte an ihr vorbei, also musste er einfach lügen.
„Also gut. Wir treffen und heute Abend um sechs in meiner Wohnung. Dann können wir einen Schlachtplan ausfeilen", sagte Grace leicht lächelnd.
„In Ordnung. Heute Abend um sechs. Ich werde da sein."
Und kaum hatte er diese Worte ausgesprochen lief Grace an ihm vorbei in Richtung Ausgang. Unwissend darüber, dass Henry in genau zwei Wochen schon nicht mehr richtig laufen können würde. Und das auch nie wieder können würde.
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