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Das ist Chicago in den 1940er Jahren am helllichten Tage.
*
„Hast du das Geld?", rief eine männliche Stimme. Grace ließ sich nicht von diesen Stimmen beunruhigen, sondern sie fasste ihren Mut zusammen, um weiter vorzudringen. Sie hatte einen Auftrag und sollte einen Mann verfolgen. Es war stockdunkel, weswegen sie sich ungeschickt an einer der vielen Mülltonnen die dort, an diesem dunklen Ort, standen stieß.
„Autsch...", machte sie leise. Die dunklen Gestalten drehten sich in ihre Richtung doch fanden keine weiteren Spuren. Grace hatte sich gerade noch im richtigen Moment geduckt, um dem Blick des größeren Typen auszuweichen.
„Also", fuhr er nun fort. „Hast du nun das Geld?"
„N-nein, noch nicht alles", erwiderte eine zitterige Stimme daraufhin. Grace kannte diese Stimme nicht, was es umso schwerer machte.
„Morgen will ich das Geld sehen!", brüllte der größere nun, den schon vollkommen eingeschüchterten Mann an. Miss Hallington sah, dass der muskulöse Schlägertyp wild mit einem Messer herumfuchtelte.
Nun beäugte sie den Hosenbund auf der Suche nach einer weiteren Waffe. Doch nach wenigen Sekunden konnte sie keine einzige entdecken. Nicht einmal ein klitzekleines Messer fand sie vor.
„Aber... morgen wird es nicht gehen! Ich brauche noch mindestens drei Tage".
Sein Gegenüber schnaubte. „Nicht in drei Tagen. Jetzt!"
Langsam lugte Grace hervor. Eine Ratte durchquerte den Weg und augenblicklich schrie sie auf. Sie musste nun dort, in ihrem Versteck, bleiben. Unwissend, ob die beiden Männer ihren Schrei gehört hatten.
Die junge Erwachsene atmete tief durch. Immer weiter drückte sie sich an die harte Mauer neben ihr. Sie zog ihren Bauch ein, denn sie dachte dass das vielleicht helfen würde.
„Und was war das schon wieder?", brüllte jetzt nun der Schlägertyp aufgebracht.
Als keine Antwort kam, hörte Grace einen Schuss. Sofort wurde ihr klar, dass sie aus ihrem Versteck kommen sollte. Sie richtete sich zu voller Größe auf.
Sie sah den ermordeten Mann voller Blut am Boden liegen. Kein sonderlich schönes Bild - so musste sie zugeben -, doch sie war es schon einigermaßen gewohnt.
Sie musterte den größeren Mann. Er hatte schwarze Haare, einen Bart und braune Augen. Im Gesamten, sah er sehr ungepflegt aus, aber durchaus sympathisch. Er trug normale Arbeiterkleidung, was Grace nicht wunderte.
Sie hingegen, trug ziemlich schicke Kleidung.
„Ich muss sie verhaften, weil ...", fing sie an zu sprechen.
„Weswegen wollen Sie mich verhaften?", unterbrach sie der Übriggebliebene. Nun lachte der riesige Mann trocken auf. „Sie haben keine Beweise."
„Wie hieß das Opfer?", fuhr Grace nun fort. Sie beachtete erst gar nicht die frechen Antworten, des Mannes vor ihr.
Verwundert antwortete er: „Äh ... ich weiß es nicht."
Grace Hallington kritzelte die Aussage vom Mann vor ihr auf einen kleinen Notizblock, der gerade mal die Größe DIN A 6 hatte. Stets trug sie ihn bei sich, so wie einen Bleistift.
„Okay, vielen Dank für Ihre Aussage. Ich werde Sie trotzdem erstmal als Zeuge mitnehmen müssen", erwiderte Grace gelassen. Sie hatte nicht sonderlich den Anschein, dass er es war, sondern dass er wirklich nur ein Zeuge war. Die Polizei würde ihn wahrscheinlich verdächtigen, aber sie war anderer Meinung.
Grace griff nach ihrem kleinen Revolver. Dann packte sie ihn am Arm. Ihr Händedruck, war schon immer sehr stark gewesen. „Kommen Sie mit", befahl sie ihm und nickte mit ihrem Kopf in Richtung Zivilisation.
„Glauben Sie tatsächlich, dass ich nicht weiß was Sie von mir denken?", schleuderte dieser ihr nur entgegen.
Grace musste nun lächeln. „Sie können alles von mir denken was Sie wollen. Aber seien Sie sich eines bewusst: ich bin keine Polizistin. Außerdem habe ich keine Vorurteile."
„Das ist doch lächerlich!", schnaubte ihr Gegenüber. „Machen Sie doch bitte nicht einen auf Therapeutin". Eine Stille trat ein, in der Grace über die gesagten Worte nachdachte. „Ich bin kein Mörder", seufzte er niedergeschlagen.
„Ich weiß..."
Voller Misstrauen musterte er nun die mutige Frau vor ihm.
„Vielleicht habe ich ja etwas mit Waffen am Hut... und von Drogen bin ich auch nicht ganz frei, aber es sind keine sonderlich schlimmen. Das müssen Sie mir glauben!"
„Es geht hier nicht um ein paar Waffen und Drogen, sondern um einen Mordfall. Ich gebe Ihnen einen gut gemeinten Tipp: seien Sie ehrlich, und stellen Sie keinen Unfug an. Dann wird Ihnen ganz sicher nichts passieren."
„Vielen Dank", meinte der Mann trocken. Zu gerne hätte er mehr über diese noch junge Frau vor ihm gewusst.
„Wie heißen Sie eigentlich?", fragte sie nun munter.
„Mein Name ist Brad Cort. Für mich ist so ein nettes Gespräch nicht selbstverständlich, müssen Sie wissen", gab er nun lächelnd zu.
„Ich fühle mich geschmeichelt", erwiderte Grace emotionslos und schrieb wieder etwas auf ihren Notizblock
Dann packte sie ihn erneut am Arm. „Mitkommen", befahl sie ihm nun ein zweites Mal.
„Na los, dann wollen wir mal."
Der junge Mann nickte. Beide liefen los. Sie hatte keine Angst, da sie wusste, er würde ihr nichts tun.
„Bitte verfallen Sie gleich nicht in Panik. Man wird als allererstes Sie beschuldigen, aber da ich Sie als Zeuge bezeichnen werde, vertrauen meine Kollegen mir auch."
Mr. Cort nickte unmerklich.
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„Ihren Erzählungen nach, soll er nicht der Täter sein?", fragte Officer Baskin, Grace nun schon zum wiederholten Male. Sie hatte Mr. Cort mit ihrem Automobil zum Revier gebracht.
„Ja, mir schien er auch ganz sympathisch zu sein. Man kann sich nett mit ihm unterhalten", erwiderte Grace mit einer Leichtigkeit die man nicht von ihr kannte.
„Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht unprofessionell werden!", lachte nun der Officer auf. Die Mine der brünetten verfinsterte sich augenblicklich.
„Wie bitte?" Grace sah ihn kritisch an.
„Ich ... na ja, habe die Sorge", sprach er nun leiser. "dass Sie vielleicht von diesem Mann verführt werden könnten."
„HA!", schrie Grace nun auf. „Sie müssen besser aufpassen, was Sie sagen, Officer. Das ist ja eine Frechheit!"
Mit diesen scharfen Worten machte sich nun die schlanke, junge Frau auf den Weg zum Verhör. Sie hatte seine Akte unter dem Arm geklemmt, fest entschlossen allen zu beweisen, sie hätte kein Interesse.
Officer Baskin lachte nur und schloss seine Bürotür.
*
„So." Sie setzte sich hin.
„Wer 'so' sagt, ist noch lange nicht fertig", antwortete Mr. Cort unaufgefordert.
„Oh, nein. Glauben Sie auch nicht, dass ich das schon bin. Mit Ihnen jedenfalls noch nicht", erwiderte sie mit finsterer Mine. „Also. Was haben Sie dort gemacht?", begann sie ihn nun mit Fragen zu löchern.
„Ich..." Er wollte etwas sagen, doch schwieg dann.
„Ja, Sie?"
„Ich kann es Ihnen nicht sagen."
Wie oft Grace das nun schon gehört hatte, wusste sie nicht. Jedesmal, wenn sie jemanden befragte, wurde ihr das gesagt. Womöglich wollten diese Burschen ihr es nicht sagen, weil sie eine Frau war. Es machte sie wütend, dass sie keine Rechte hatte. Amerika war zwar in den vergangenen Jahren viel moderner und toleranter geworden, was das angeht, doch dennoch, war ihr nicht wohl dabei. Sie hoffte, dass sich vielleicht nach dem Krieg etwas ändern würde, auch wenn sie hier, in Amerika, war.
Sie wusste, dass dieses Verhör noch lange dauern würde.
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Hey! Wie hat euch das Kapitel gefallen und was glaubt ihr, passiert als nächstes?
~KatnissBlondie
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