20 - Sexuell unbefriedigt
Es blieb nicht bei dem einen Mal, bei dem Mum die Flasche ansetzte. Sie tat es immer und immer wieder. Gleichzeitig rasselte ich in einem Test nach dem anderen durch. Marlo gab sein bestes beim Lernen zu helfen, doch sobald der Test vor mir lag, war das meiste Wissen verschwunden. Wenn ich gut war, schaffte ich eine drei, meistens wurde es doch nur eine vier, manchmal auch eine fünf.
Ich fühlte mich wie eine Versagerin. Mel lernte gar nicht, schrieb aber eine eins nach der anderen. Fair war das nicht, aber was war schon fair in diesem Leben?
Doch heute wollte ich davon abschalten. Es war der erste Advent und unsere Schule hatte die Tradition, dass wir an jedem ersten Advent einen Adventsball veranstalteten. Alle Mädchen steckten sich in schöne Kleider und quälten sich in hohe Schuhe.
Mein schönstes Accessoire war jedoch Marlo, den ich das erste Mal, in einer schwarzen Stoffhose und einem weißen Hemd sah. Er sah gut aus.
Wir hatten eine große Aula, die nun in einen kleinen Tanzsaal umgebaut worden war. Es gab Bowle, die offiziell alkoholfrei war. Allerdings wussten selbst die Lehrer, dass das nicht der Fall war.
Mel hatte sich Josh als Date geangelt. Er war ein lustiger Typ, der aber den Hang hatte sich stets in die Scheiße zu reiten. Seine roten Haare standen wie Flammen in alle Richtungen.
„Kannst du tanzen?", fragte ich Marlo, als die Musik begann zu spielen.
Er biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.
„Nein, aber das hält mich nicht ab, es trotzdem zu tun."
Ich legte meine Arme um seinen Hals. In kleinen Schritten bewegten wir uns über den Boden. Er trat mir nicht einmal auf die Füße. Und als Musiker hatte er eh Rhythmusgefühl. So schlecht stellte er sich gar nicht an.
„So schlecht tanz du doch gar nicht."
Er lächelte.
„Danke, solange ich etwas hab, an das ich mich festhalten kann, geht es."
Ich kicherte.
Wir verbrachten erstaunlich viel Zeit auf der Tanzfläche. Leider wurde die Luft immer stickiger. Wir flüchteten auf den Schulhof, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Die Kälte tat gut. Mel und Josh gesellten sich zu uns.
„Sag mal Mel, kann es sein, dass du schon ein bisschen zu tief ins Glas geguckt hast?", fragte ich und musterte ihre wankende Statur.
Sie grinste. Ich kannte ihren besoffenen Gesichtsausdruck nur zu gut.
„Ein bisschen vielleicht", gab sie zu. „Du solltest dir vielleicht auch mal ein Gläschen gönnen!"
„Ich trinke nicht", sagte ich entschieden. "Das weißt du."
Der Vollsuff vom September war mir noch sehr präsent. Ich wollte nicht wie meine Mutter enden und deshalb würde ich mich von Alkohol auch fernhalten.
„Dann würdest du aber auch ein bisschen lockerer werden", entgegnete sie und stützte sich bei Josh ab.
Ich hasste es, wenn Mel betrunken war. Sie kannte dann keine Hemmungen mehr und laberte, ohne Punkt und Komma.
Marlo hatte seine Hand um meine Hüfte gelegt.
„Ich bin locker", zischte ich in Mels Richtung.
„Und wie locker du bist", zog sie mich sarkastisch auf. „Wie lange seit ihr jetzt schon zusammen? Bald zwei Monate, oder? Und du hast ihn immer noch nicht rangelassen!"
Oh mein Gott.
Das hatte sie jetzt nicht gesagt? Bitte lass mich halluzinieren!
Würde ich blasse Haut haben, könnte man nun mein feuerrotes Gesicht betrachten. Doch da meine Haut dazu zu dunkel war, konnte man sie aber trotzdem glühen sehen.
Das hatte Mel gerade nicht wirklich ausgesprochen. Ich hatte ihr das im Vertrauen gesagt und nun haute sie das hier vor Josh und Marlo raus? Selbst im alkoholisierten Zustand dürfte ihr so etwas nicht passieren.
Josh sah verlegen zu Boden. Er sah ganz genau, wie peinlich es mir war und sah mir aus Höflichkeit nicht in die Augen.
Zu Marlo wagte ich es erst gar nicht zu sehen.
„Das geht dich nichts an!", blökte ich sie voll und bekam die Hitze in meinem Kopf einfach nicht unter Kontrolle.
„Wenn du sexuell unbefriedigt bist und mir deshalb in den Ohren liegst, geht mich das etwas an!"
Meine Kinnlade sagte Adios und verabschiedete sich in Richtung Boden.
Ich konnte mich nicht erinnern jemals so sauer auf Mel gewesen zu sein. Josh hakte sich bei Mel unter.
„Komm ich bringe dich nach Hause, wo du dich erst einmal ausnüchterst", sagte er und versuchte die Situation zu entschärfen.
„Lass mich", fauchte sie ihn an. „Misch dich da nicht ein!"
Josh gab sofort klein bei. Er schien zu spüren, dass man sich mit einer wütenden Mel lieber nicht anlegte.
Ich griff nach Marlos Hand.
„Dann gehen wir eben!", sagte ich entschlossen und zog Marlo mit mir mit.
„Ja, geht doch!", rief Mel uns sturzbesoffen hinterher. „Und Marlo, besorg es ihr endlich! Sie hat es nötig!"
Ich krallte meine Fingernägel in seine Hand und zog unser Schritttempo noch einmal an. Ich würde mit Sicherheit nicht mehr in die Aula zurückkehren. Stattdessen wollte ich mich unter einer Bettdecke verkriechen.
Vor seinem Auto blieb ich stehen und wartete, bis er die Schlüssel gefunden hatte und er es öffnete. Ich sah überall hin, nur nicht zu Marlo. Auch für ihn musste das unglaublich peinlich gewesen sein.
Die Scheiben des Autos waren auch von innen zugefroren und man konnte nichts sehen. So schnell würden wir hier nicht wegkommen.
„Tut mir leid", murmelte ich, als auch Marlo im Auto saß und die Heizung anschlatete. „Das war gerade so megapeinlich."
Ich sah auf meine Finger. Ich wollte Marlo nicht ansehen.
„Das musst dir nicht leid tun. Du kannst ja nichts dafür, wenn deine beste Freundin dir so in den Rücken fällt."
Netter Versuch mich aufzumuntern, jedoch leider erfolglos.
„Hey", sagte Marlo liebevoll und begann meine Finger zu wärmen. „Nun guck nicht so. Du siehst heute wirklich bezaubernd aus in diesem Kleid. Verunstalte es doch nicht mit so einem Gesichtsausdruck."
Ich konnte mir ein Lächeln nicht abringen. Sex war zwischen Marlo und mir irgendwie ein verbotenes Thema. Dass Mel es einfach so angesprochen hatte, war so unfassbar peinlich.
„Wir haben noch nie darüber gesprochen", sprach Marlo nun in die Stille. Ich konnte seinen Atem sehen.Seine Heizung brauchte immer Ewigkeiten.
Sah ich so aus, als wollte ich da jetzt drüber sprechen?
Marlos Finger berührten sanft meine Wange. Dann schob er meinen Kopf in seine Richtung, sodass ich ihn ansehen musste.
„Was denkst du darüber?"
„Über Sex?"
Er nickte.
„Was soll ich denn dazu sagen?", fragte ich unbeholfen.
Ich hatte noch nie mit einem Mann über Sex gesprochen und das schien auch Marlo zu spüren.
„Naja, willst du denn, dass wir Sex haben?"
Ich zuckte mit den Schultern. Irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht. Ich wollte mit Marlo diese Erfahrung teilen, aber ich hatte auch ein bisschen Angst.
„Willst du denn?", stellte ich die Gegenfrage.
„Nur, wenn du es möchtest. Ich werde dich zu nichts drängen. Nimm dir alle Zeit der Welt."
„Ich will schon mit dir schlafen."
Seine Mundwinkle hoben sich leicht an.
„Aber?"
„Ich hab ein bisschen Bammel."
„Brauchst du nicht."
Es war ein unausgesprochener Fakt, dass ich noch Jungfrau war. Wir hatten nie drüber gesprochen, aber mir war klar, dass er es sich denken konnte. Und ich wusste auch, dass er schon seine Erfahrungen gemacht hatte.
Marlo lehnte sich zu mir und küsste mich. Erst sanft, dann leidenschaftlicher.
Vielleicht sollten wir es hier und jetzt tun. Okay, er war ein bisschen kalt, aber hier hatten wir unsere Ruhe. Die Fenster waren blickdicht zu gefroren und das erste Mal nach dem Adventsball zu haben, war irgendwie auch romantisch. Auch wenn es auf der Rückbank eines Autos geschah.
Ich krabbelte zu Marlo auf den Schoß und küsste ihn nun so intensiv wie noch nie zuvor.
„Ich bin bereit!", sagte ich plötzlich entschlossen.
Ich war mir nicht sicher, ob es Mels Worte waren oder Marlos Verständnis, aber auf einmal hatte ich richtig Lust dazu. Was sollte schon Schlimmes passieren? Ich fühlte mich bei Marlo gut aufgehoben und wusste, dass er der richtige für das erste Mal war.
„Hier?", hörte ich ihn fragen.
Sofort drückte ich ihm wieder meine Lippen auf.
„Ja. Sex im Auto. Hattest du das schon mal?"
Erst jetzt bemerkte ich, wie gierig mein Gehirn auf Sexualhormone ansprang.
„Nein, hatte ich nicht", sagte er und schob mich etwas von sich weg, ließ seine Hände aber auf meinem Hintern. „Und so leid es mir tut, aber das wird auch heute nicht geschehen."
Meine Sexualhormone zogen ihre Mundwinkel nach unten.
„Ach komm schon! Wir sind jung. Lass uns in einem Auto Sex haben."
Er lachte.
„Violett, es sind unter Null Grad in diesem Auto."
„Ja, es ist ein bisschen kalt, aber wir können uns ja beeilen."
Okay, das hörte sich jetzt wirklich dumm an.
Marlo lachte noch immer.
„Nein, es ist vielmehr so, dass sich bei dieser Kälte mein kleiner Freund gar nicht aufstellen wird. Auch er hatte eine gewisse Wohlfühltemperatur und die wird gerade deutlich unterschritten. Das funktioniert er nicht wirklich gut."
Scheiße, jetzt verstand ich worauf er hinauswollte.
„Oh."
Das war ja so klar, dass mir das passieren musste. Warum hatte ich das nicht bedacht? Er bekam bei Minusgraden einfach keinen hoch.
Ich hatte das Gefühl heute nicht mit Marlo ein Date zu haben, sondern mit der Peinlichkeit.
„Aber wir können zu mir nach Hause fahren und dort einen Versuch starten."
„Dein Vater ist doch bestimmt zu Hause."
„Nein, er übernachtet bei seiner neusten Flamme. Wir hätten dort nicht nur Wärme und sturmfrei, sondern auch Kondome."
Und ich dachte, jeder Mann hatte eins in seiner Brieftasche.
„Okay, dann lass uns zu dir fahren."
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