Broken Hearts

Lachend legt er seinen Arm um meine Schultern, zieht mich näher zu sich heran und drückt mir einen Kuss, auf den Scheitel. Ich schlinge meine Arme um seine Taille, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Seine Wärme und sein seit Jahren so vertrauter Duft umhüllen mich, schützen mich vor der Außenwelt.

Das sollten wir echt öfter machen.", lacht er und führt mich in Richtung Auto. Auf dem Parkplatz vor dem Kino stehen nur noch vereinzelt Autos herum, nach der Spätvorstellung allerdings nicht anders zu erwarten.

Wir sind am Wagen angekommen, er schnappt mich, drückt mich mit dem Rücken gegen die Autotür und schaut mir in die Augen. „Weißt du eigentlich wie sehr ich dich lieb Brooke...", raunt er gegen meine Lippen und bevor ich antworten kann, verschließt er sie schon mit den seinen.

Warm, weich und so unglaublich vertraut.

Ich kralle mich in seinen Seiten fest, halte ihn wo er ist. In mir kommt ein ungutes Gefühl auf. So als würde gleich etwas Schreckliches passieren und ich ihn für immer verlieren.

Dann geht alles ganz schnell. Der Kerl zielt mit der Waffe auf uns. Er stellt sich schützend vor mich.

„Geld, Handys und die Autoschlüssel!", fordert der vermummte Typ vor uns. Panisch klammere ich mich an dem breiten Rücken vor mir fest.

„Ok, ok. Ganz ruhig. Du bekommst alles." Er nimmt meine Handtasche von meinem Arm, packt noch sein Handy, sein Portmonee und seine Schlüssel hinein, ehe er sie dem Kerl hinhält.

Sie will ich auch!"

Bei seinen Worten verschwimmt meine Welt. Die beiden bewegen sich, ich werde zur Seite gestoßen. Den Schmerz der durch meinen Körper schießt bekomme ich kaum noch mit. Im nächsten Moment ertönt ein Schuss, der in der Stille der Nacht wiederhalt.

Er geht zu Boden, der Kerl mit der Waffe taumelt zum Auto und verschwindet, lässt uns einfach zurück.

Mit Tränen überströmtem Gesicht, krieche ich zu ihm rüber, lege seinen Kopf auf meinen Schoß. Auf seinem T-Shirt breitet sich ein roter Fleck aus. Blut. Eine Menge Blut. Zu viel Blut.

Er greift nach meinem Gesicht, wischt meine Tränen weg, denen aber immer weitere folgen.

„Hey, alles gut meine Kleine. Es wird alles gut. Vergiss nicht, wie sehr ich dich liebe...Mein kleiner Schmetterling...Pass gut auf sie auf..."

Ich will schreien, nach Hilfe rufen, doch meine Kehle ist wie zugeschnürt. Meine Hände können das viele Blut nicht stoppen, es ist einfach überall. Seine so strahlend blauen Augen werden trüb, sein Lächeln wird schwächer, bis seine Hände von meinen Wangen gleiten und mich für immer loslassen...

Schweiß gebadet und mit tränennassem Gesicht schrecke ich hoch. Ich brauche gar nicht nach links auf meinen Wecker zu schauen. Es ist genau 02:32 Uhr in der Nacht.

Jede Nacht um exakt diese Uhrzeit endet der allgegenwärtige Albtraum. Jede Nacht seit etwas mehr als zwei Jahren.

Und wie jede Nacht, sitze ich erst einmal einige Minuten senkrecht im Bett, versuche meinen Atem zu beruhigen und die Tränen zu stoppen.

Meine Kehle ist staub trocken und ich klettere mit schweren Gliedern aus dem Bett um dem Abhilfe zu schaffen. In den letzten zwei Jahren hat mich mein Weg immer sogleich runter in die kleine Küche geführt. Doch seit genau zehn Tagen ist das anders. Denn seither steht vor dem eigentlich leeren Haus gegenüber ein Umzugswagen.

Am Anfang dachte ich, jemand würde in das Haus einsteigen, doch dann sah ich, dass die meist vier Männer nichts aus dem Haus holen, sondern immer wieder Zeug reintragen.

Mehrfach habe ich mich selbst gefragt, wieso jemand seinen Umzug auf nachts um halb drei verlegt, aber letztendlich war es mir auch egal. So wie so ziemlich alles andere, was um mich herum passieret.

Als ich heute Nacht aber an mein Schlafzimmerfenster trete, bietet sich mir ein anderes Bild. Gerade biegt ein dunkler Ford Mustang in die Einfahrt des Nachbarhauses ein. Kein Umzugswagen, keine Männer. Nur der Wagen und ein Mann, der gerade aussteigt.

Dank der schwachen Straßenbeleuchtung kann ich ihn in der finsteren Nacht erkennen. Er ist groß, breit gebaut. Einfache Jeans gepaart mit einem dunklen Shirt und Boots. Sein Haar ist unter einem Beanie versteckt, doch das was unten herauslugt hat eine dunkle Färbung.

Mein Blick ist wie festgenagelt. Ich kann mich nicht abwenden, bin praktisch gefangen in meinem eigenen Körper und gezwungen meinen neuen Nachbarn anzustarren.

Seine Bewegungen sind trotz des breiten Körperbaus geschmeidig und doch irgendwie müde. Genau wie die meinen. Er schließt die Türe des PS-Monsters und legt die Arme auf das Dach, den Kopf darauf gebettet. Er sieht erschöpft aus, so erschöpft wie ich mich fühle. Irgendetwas an ihm zieht mich magisch an, lässt mich meine Scheu vor Menschen vergessen.

Meine Füße bewegen sich beinahe automatisch zur Tür meines Zimmers. Im Vorbeigehen nehme ich die kuschelige lange Strickjacke von meinem Sessel und gehe dann mit langsamen Schritten nach unten. Im ganzen Haus ist es still, nur das leise Surren des Kühlschrankes ist zu hören.

Es ist schon gut, dass Grandma mir ihr Haus vor anderthalb Jahren überlassen hat. Mit auch nur einer anderen Person zusammen zu leben ist für mich einfach unmöglich.

Jeder sagt mir, dass das was ich tue ungesund ist. Doch ich kann nicht anders. Das Flehen meiner Mutter, die warnenden Worte meiner Therapeutin, die sorgenvollen Blicke meiner Schwestern. Das alles kann ich einfach nicht ertragen und deshalb habe ich mich immer mehr zurückgezogen.

Auch meine Nachbarn bekommen mich seltenst zu Gesicht, außer ein schnelles Hallo hören sie auch nichts von mir. Natürlich kennt jeder meine Geschichte und das macht es einfach noch schlimmer.

Die Nähe zu anderen stößt mich ab. Warum also tragen mich meine Füße in den Hausflur?

Ich schlüpfe in meine Sneakers und schlinge die Strickjacke enger um meinen Körper. Es ist Mitte August, nicht wirklich kalt draußen, doch nur mit Shorts und knappen Top zerrt die Nacht an meinem Körper.

Als ich die Haustüre öffne und über die Straße blicke, steht mein neuer Nachbar immer noch mit gesenktem Kopf an sein Auto gelehnt da und mich überkommt das unsagbare Gefühl ihn in die Arme zu schließen.

Dieses Gefühl, dieses Bedürfnis einem anderen Menschen nahe zu sein habe ich schon so lange nicht mehr gespürt.

Der Druck in meinem Inneren wird mit jeder Sekunde die verstreicht größer, also zögere ich nicht länger und mache einen Schritt nach dem anderen.

Bis ich schließlich fast neben ihm stehe. Von nahem erkenne ich, dass sein Haar tatsächlich dunkelbraun ist und sich in seinem Nacken leicht kräuselt. Sein Shirt spannt an den Oberarmen, zeigt mir, dass mein Gegenüber zum Großteil nur aus Muskeln besteht. Allerdings hat er nichts Bedrohliches. Ganz und gar nicht.

Er hat sich noch keinen Millimeter bewegt, entweder er hat mich nicht bemerkt oder aber es ist ihm egal. Mir aber gibt das Zeit ihn nochmal genauer zu betrachten. Er sieht gut aus, doch ich sehe die Erschöpfung in seiner Haltung.

Ich traue mich noch einen Schritt näher, jetzt müsste ich nur den Arm ausstrecken und ich könnte ihm über den verspannten Rücken streichen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, hebt er plötzlich den Blick und schaut mir direkt in die Augen. WOW!

Selbst in der Dunkelheit der Nacht leuchten seine Augen wie zwei Smaragde, fesseln mich und lassen mein Herz wieder schnellerschlagen. Plötzlich ist die Vergangenheit verschwunden. Mein zerbrochenes Herz und meine geschundene Seele schmerzen nicht mehr so sehr.

Er wendet sich von seinem Auto ab zu mir, richtet sich zu seiner vollen Größe auf und überragt mich jetzt um mehr als einen Kopf, sodass ich meinen Kopf in den Nacken legen muss um weiter in seine unfassbar schönen Augen zu blicken.

Mein Gegenüber lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

Er überbrückt den letzten Schritt zwischen uns und hebt ganz langsam seine Hände, fast so als hätte er Angst ich könnte vor ihm zurückzucken.

Doch dieses Mal werde ich es nicht tun. Seit zwei Jahren hasse ich jeglichen Körperkontakt, doch hier in einer lauen Augustnacht ergebe ich mich. Ich lasse zu, dass er mit seinen großen ein wenig rauen Händen mein Gesicht umfasst und mit seinen Daumen über meine immer noch feuchten und vermutlich geröteten Wangen streicht.

„Du hast geweint..." Seine Stimme ist tief und rau, doch ich erkenne die schwere darin. Die Schwere, die es mit sich bringt, wenn man viel weint.

Jetzt nehme ich auch wahr, dass seine Wangen leicht gerötet sind, genau wie seine Augen. Ihm geht es kein Stück besser als mir.

Meine Hände verselbstständigen sich und legen sich an seine Hüften.

Für einen Moment stehen wir einfach so da und dann passiert es von ganz allein. Er schiebt eine Hand in meinen Nacken, den anderen Arm legt er um meinen Körper. Meine Arme lege ich um seinen Rücken und schon eine Sekunde später finde ich mich an seine breite warme Brust gedrückt wieder.

Wie kann das sein?! 751 Tage habe ich gelitten, habe mich verschanzt, bin in meiner Trauer und meinem Schmerz versunken, habe eiserne Mauern um mich herum hochgezogen. Und dann kommt ein Fremder daher, mit der selben Traurigkeit in den Augen wie ich sie im Herzen trage und reißt meine Mauer ein, hält mich in seinen Armen als wäre es das einzige was in diesem Moment zählt. Nicht einmal seinen Namen kenne ich und doch vergrabe ich mein Gesicht an seiner Brust, schließe meine Augen.

Sanft krault er meinen Nacken, seine rauen Finger überziehen meine Haut mit einer Gänsehaut. Ich streiche über seien Schulterblätter und kann das Spiel seiner Muskeln unter dem weihen Stoff spüren. Das fühlt sich einfach zu gut an, so vertraut.

Ganz leicht löst er sich von mir und schaut mich wieder an. Die Hand in meinem Nacken löst sich und seine Finger streifen leicht meine Wange als er eine widerspenstige rotbraune Locke hinter mein Ohr streicht. Ich zittere leicht, nicht nur wegen dem frischen Luftzug der uns umgibt. Meinem Gegenüber entgeht das nicht. Er greift nach meiner Hand und reibt mit dem Daumen leicht über meinen Handrücken. „Du hast ja eiskalte Hände." Mein Blick fällt auf unsere verschränkten Finger und ganz kurz durchzuckt mich der altbekannte Schmerz. Niemand hat mehr so meine Hand gehalten Seit dieser Nacht. Doch als ich den Kopf wieder hebe und auf seine grünen Augen treffe, ebbt der Schmerz ab. Langsam bringe ich ein leichtes Nicken zustande. „Ich weiß. Ist irgendwie e immer so..." Meine Kehle kratzt, was meiner Stimme etwas Raues verpasst. Als er meine Stimme hört, blitzt kurz etwas in seinen Augen auf.

„Möchtest du vielleicht mit reinkommen. Da ist es etwas wärmer." Hoffnungsvoll schaut er mich an. „Außerdem bist du nicht die einzige Stalkerin die nachts die Nachbarschaft beobachtet." Mit einem kleinen Grinsen nickt er nach links. Ertappt senke ich zuerst den Blick, ehe ich in die selbe Richtung blicke. Gerade sehe ich noch, wie die Vorhänge am Fenster von Mrs. Chandler wieder zugezogen werden. Na hoffen wir mal, dass sie nicht gleich bei meiner Grandma anruft...

Plötzlich spüre ich seine Finger unter meinem Kinn und mein Blick wird praktisch zu ihm zurück gezwungen. Mist, er hat mich also die letzten Nächte am Fenster stehen sehen. Aber warum ist er mir bis jetzt nicht aufgefallen?

„Muss dir nicht peinlich sein. Aber warum bist du jede Nacht um die Zeit auf?", fragt er ganz direkt.

Ich versuche meinen Blick zu senken, will mich von ihm losreißen um nur nicht darüber reden zu müssen.

Doch ich kann nicht. Seine Finger an meinem Kinn sind nicht das Hindernis. Es ist etwas anderes, dass mich einfach fesselt. Die Wärme die er ausstrahlt. Die Vertrautheit die sich in mir ausbreitet. Das leichte lächeln auf seinen Lippen. Oder aber doch der leidende und flehende Ausdruck in seinen Augen. Er leidet unter etwas aus der Vergangenheit, dass in genauso verfolgt wie mich. Dieser äußerlich so starke unerschütterliche Mann flüchtet vor seinen Erinnerungen in die Einsamkeit. Und doch flehen seine Augen mich an, ihn nicht allein zu lassen.

Der schmerzliche Ausdruck auf seinen kantigen Zügen lässt mich weich werden und meine Bedenken beiseiteschieben. Ich meine freie Hand an seine Wange. Der raue Bartansatz kratzt unter meinen Fingern. „Ich kenne nicht mal deinen Namen..." Seine Mundwinkel zucken leicht nach oben als er antwortet: „Wenn das alles ist. Ich bin Liam." Liam. Ein Name zu diesen unfassbar faszinierenden Augen. „Alsoooo..." Er schaut mich fragend an. „Brooklyn. Aber Brooke reicht." Wieso sage ich ihm das? Ich hasse meinen Namen und seit der Grundschule nenn mich auch niemand mehr so! „Ok, Brooke. Lass uns nach drinnen gehen. Wir müssen dich erst einmal ein wenig aufwärmen."

Er umschließt meine Hand fester und führt mich langsam den schmalen Weg zur Haustüre. Meine Mutter würde mir einen Vogel zeigen, wenn sie das hier herausfindet. „Gehe niemals mit einem Fremden mit, schon gar nicht mit einem Kerl!", hatte sie immer gesagt. Aber das hier ist anders. Ja theoretisch ist Liam ein Fremder, doch er ist mir nicht fremd. Es fühlt sich einfach viel zu vertraut an.

Liam schließt die Türe auf und lässt mir ganz Gentleman like den Vortritt. Nachdem er die Türe hinter sich geschlossen hat, drückt er auf einen Schalter neben uns und der Flur wird in warmes Licht getaucht. Links steht eine Garderobe, allerdings ist sie leer. Auf der anderen Seite steht eine Kommode. Auch diese ist leer. Alles in allem sieht es recht karg aus, aber da sollte gerade ich nicht den Mund zu weit aufreißen. Bei mir sieht es ähnlich unbewohnt aus.

Als ich seine Hand an meinem Rücken spüre, zucke ich nicht mal zusammen, wie ich es immer wieder bei meiner Familie getan habe, wenn sie mich berühren wollen. Nicht aber bei Liam. Er schenkt mir ein kleines aber warmes Lächeln und schiebt mich weiter bis wir in seinem Wohnzimmer stehen. „Setzt dich. Ich mache dir einen Tee, da wird dir gleich ein bisschen wärmer."

Schnell greife ich wieder nach seiner Hand. „Liam...Das musst du nicht..." Doch zur Antwort umschließt er einfach mein Gesicht und lehnt seine Stirn an meine. „Lass mich das für dich tun...bitte." Er klingt völlig hilflos und verzweifelt, fast so als würde sein Leben davon abhängen. Oder eben meines.

Deshalb nicke ich und flüstere nur: „Ok"

Liam atmet erleichtert auf und jetzt erscheint auch wieder dieses kleine Lächeln auf seinen vollen Lippen. Die meinen gerade gefährlich nahe sind.

Bevor meine Gedanken völlig verrücktspielen können, gibt er mich frei und lässt mich allein. So habe ich Zeit mich in dem großen Raum umzusehen. Aber auch hier ist alles relativ einfach. Eine große Couch, ein Schrank mit einem TV und zwei Kommoden an der gegenüberliegenden Wand. Ich gehe hinüber zur Couch und lasse mich darauf nieder. Erst als ich sitze bemerke ich, wie schwer meine Beine sich anfühlen. Ich massiere ein wenig meine Oberschenkel, als mein Blick auf das einzige Dekostück im ganzen Raum fällt. Es ist ein Bilderrahmen, der direkt neben mir auf dem kleinen Beistelltisch steht. Es ist falsch, sowas von falsch zu schnüffeln, doch meine Hand greift fast wie von selbst nach dem Bild. Darauf ist eine wunderhübsche Frau zu sehen. Sie schaut nicht direkt in die Kamera, und doch kann ich erkennen wie ihre Augen vor Lebensfreude nur so strahlen. Ihr langes blondes Haar liegt ihr gelockt auf ihrem Rücken und ihre Lippen ziert ein unfassbar glückliches Lächeln. Doch was mich am meisten trifft, sind ihre Hände. Ihre schlanken Hände die auf ihrem großen runden Bauch liegen.

Ich kann kaum ein Schluchzen unterdrücken, nicht nur weil ich mir leider vorstellen kann woher Liams todtrauriger Gesichtsausdruck kommt. Nein, auch weil die Bilder meiner Vergangenheit mich mit einem Schlag überfallen.

Wieder schießen mir Tränen in die Augen, während ich den Blick einfach nicht von der unglaublich schönen Frau mit dem Babybauch abwenden kann, Auch wenn ich mich damit nur selbst quäle.

Als sich die Couch neben mir senkt, zuckt mein Kopf ertappt nach oben und ich schaue in die gefährlich feucht glänzenden Augen meines neuen Nachbarn. „Tut...tut mir leid...ich wollte nicht stöbern..." Liam nimmt mir aber nur besänftigend lächelnd das Bild ab, streicht einmal darüber und platziert es wieder auf dem kleinen Tischchen. Erst als er erneut meine Tränen von meinen Wangen gewischt hat, reicht er mir eine dampfende Tasse Tee.

Die Wärme zwischen meinen Handflächen tut tatsächlich gut und der Duft von Kräutern aus der Tasse beruhigt mich ein wenig. Liam sitzt einfach neben mir, völlig in seinen Gedanken versunken. Ich beobachte ihn dabei wie er sich erst mit beiden Händen über sein Gesicht fährt, dann seine Mütze nach hinten von seinem Kopf schiebt. Darunter kommt ein total wilder brauner Lockenkopf zum Vorschein, der seinem sonst verdammt männlichen, breiten und vermutlich leicht bedrohlichen Aussehen etwas süßes Jungenhaftes verleiht. Seine Finger vergraben sich in seiner Haarpracht, dann lässt er den Kopf hängen. Ich nehme noch einen Schluck von dem wohltuenden Tee, stelle dann aber die Tasse auf dem Tisch ab und diesmal gebe ich dem Bedürfnis ihn zu berühren nach.

Ich lege meine Hand auf seinen Rücken und streiche sanft auf und ab. Kurz zuckt er zusammen, es scheint mir als wäre er ganz weit weg gewesen.

„Wann ist es passiert?" Ich frage ihn nicht was oder wie es passiert ist, denn ich sehe es ihm an. Und doch muss ich ihn danach fragen. Ich muss einfach wissen, wie lange er sich schon so quält oder ob ich die einige bin, die sich schon eine so lange zeit mit ihrer Vergangenheit quält.

Leicht zitternd atmet er, antwortet mir mit gesenktem Blick: „Vor 751 Tagen."

Meine Hand hält inne und ich kralle mich an seinem Shirt fest. Das kann doch nicht sein... So ein Miststück kann das Schicksal doch nicht sein!

Liam hebt seinen Kopf leicht und schaut mich aus geröteten Augen an. Langsam richtet er sich auf und löst jeden Finger einzeln aus dem Stoff an seinem Rücken. Dann umschließt er meine beiden Hände mit den seinen. Seine Hände sind so groß, dass meine komplett darin verschwinden.

Liam zieht mich ein Stück näher zu sich und ich lasse ohne zu zögen meinen Kopf auf seine Schulter fallen.

„Wie lange ist es bei dir her?" Seine Stimme klingt heiser, ich kenne diesen Klang nur zu gut. Ein falsches Wort und die Tränen sind nicht mehr aufzuhalten.

„751 Tage."

Liam zieht scharf die Luft ein. Er kann es genauso wenig fassen wie ich.

Wir sind beide angespannt, verfolgt von vergangenem und beide total fertig. „Ok, pass auf. Wir machen es jetzt so. Ich erzähle dir was vor 751 Tagen passiert ist und du mir, natürlich nur wenn du möchtest. Und anschließend vergessen wir das alles. Wenigstens für diese Nacht. Was hälst du davon?"

Eigentlich möchte ich nicht darüber reden. Doch ich möchte wissen, wer die Frau auf dem Bild ist. Also nicke ich zögerlich an seiner Schulter. Liam lehnt sich zurück und legt seine Arme um mich. Ganz automatisch lege ich eine Hand auf seine Brust, kann das heftige Schlagen seines Herzens spüren.

Meinen Kopf kuschle ich ganz ohne Zurückhaltung an seinen Hals. Er sagt zuerst nichts, doch dann wird sein Griff fester. Es scheint mir so als müsste er sich an mir festhalten und ich lasse ihn. Denn so etwas wie das hier habe ich schon so lange nicht mehr gespürt.

„Ihr Name war Viola. Sie war der aufegweckteste und fröhlichste Mensch den ich je in meinem Leben kennen gelernt habe. Nie hätte ich gedacht, dass wir zwei Mal ein paar werden würden. Sie war das genaue Gegenteil von mir... Aber was soll ich sagen, ich habe sie mehr geliebt als irgendjemanden sonst. An unserem sechsten Jahrestag hat sie mir gesagt, dass sie schwanger ist. Sie war total aus dem Häuschen und ich war in dieser Sekunde der glücklichste Mann der Welt. Alles lief großartig. Unser Baby wurde immer größer, Viola immer runder und ihr Strahlen wurde von Tag zu Tag noch heller."

Liam stockt, sein Atem wird zittriger und ich spüre, wie seine Brust sich schneller hebt und senkt. Ich bleibe still, gebe ihm die Möglichkeit selbst zu entscheiden ob er mir alles erzählen möchte oder nicht. Er muss Viola sehr geliebt haben. Er tut es irgendwie immer noch, das kann ich an der Freude in seiner Stimme hören.

Sanft lasse ich meine Finger auf seiner Brust kreisen und meine Bemühungen scheinen ihn erstaunlicher weise zu beruhigen. Als er weiterspricht, klingt seine Stimme schwer von Trauer. „Vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin wurde sie krank. Ihre Ärztin tat das irgendwie so ab, als sei es nichts Schlimmes. Doch zwei tage später kam ich von der Arbeit nach Hause und fand sie bewusstlos auf der Couch. Sie hatte hohes Fieber und atmete kaum noch. Als...Als wir im Krankenhaus ankamen war es schon zu spät..."

Das ist grausam. So unfassbar grausam. Die ersten Tränen verlassen meine Augen, diesmal allerdings still. Liam legt seinen Kopf auf meinem ab und ich spüre etwas Nasses an meiner Stirn. Auch Liam kann seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Ich schlinge jetzt auch meine Arme um ihn.

Es hat schon etwas Komisches. Wir sind beide gezeichnet vom Leben, am Boden zerstört und nicht in der Lage davon loszukommen. Und doch schaffen wir es dem jeweils andern den nötigen Halt zu geben. Obwohl wir uns nichtkennen.

Doch genau dieses Gefühl schließt die kleine Kiste in meinem Herzen auf und lässt die Worte über meine Lippen kommen, die ich seit diesem Tag noch nicht ein einziges Mal ausgesprochen habe.

„Matt und ich waren schon zusammen seit ich sechzehn Jahre alt bin. Ich wollte mit ihm den Rest meines Lebens verbringen. Als ich dann..."

Es geht nicht. Es fällt mir so verdammt schwer es laut auszusprechen. Hilfesuchend klammere ich mich an Liam fest, der mich an sich drückt und streicht beruhigend langsam meinen Rücken auf und ab. So wie ich vorhin schweigt er, gibt mir die Möglichkeit den Rückzug anzutreten.

Doch er hat sich mir geöffnet, hat mir von seinem Tag null erzählt.

Hier in seinen Armen habe ich einfach das Gefühl, alles rauslassen zu können.

Doch diesen einen Satz bekomme ich nicht heraus. Ich habe ihn so oft gesagt, zu Matt, unseren Familien und Freunden. Deshalb lasse ich ihn aus, hoffe einfach, dass Liam auch so versteht.

„Matt hat sich so über unser Baby gefreut... Er war der festen Überzeugung es ist ein Mädchen... Wir würden unsere eigene kleine Familie haben... An dem Abend sind wir in die Spätvorstellung im Kino gewesen. Mir war den ganzen Tag so schlechtgewesen und erst spät ging es mir gut. Nach dem Film wollten wir einfach zum Auto und nach Hause fahren. Aber dann war da dieser Kerl...Er hatte eine Waffe. Matt wollte mich doch nur beschützen, uns beschützen... Ich kann mich nur noch an einen lauten Knall erinnern und im nächsten Moment lag Matt auch schon Blut überströmt auf dem Boden..."

Mein Körper bebt. Noch nie habe ich die Ereignisse in Worte gefasst. Nicht mal bei der Polizei, die haben lediglich die Überwachungsbänder von der Parkplatzkamera gesehen.

Ich zittere so heftig und bekomme nicht mehr richtig Luft.

Im nächsten Moment hat Liam mich seitlich auf seinen Schoß gezogen. Seine Wärme hüllt mich ein, drängt den fürchterlichen Schmerz ganz langsam zurück. Doch weiterreden kann ich nicht. Kann ihm nicht sagen, dass ich keine zwei Stunden später unter heftigen Schmerzen zusammengebrochen bin und als ich wieder wach wurde, hatte ich auch das letzte Bisschen von Matt für immer verloren.

„Um Punkt 2:32 Uhr teilte der Arzt mir mit das Matt verblutet sei und dass ich unser Baby verloren habe. Seitdem habe ich jede Nacht den selben Traum und werde jede Nacht um genau diese Uhrzeit wach. Deshalbhabe ich auch deinen Umzug beobachten können. Erst am frühen Morgen kann ich dann noch ein wenig schlafen."

Lange sitzen wir einfach da, halten uns aneinander fest, geben uns Halt und Trost. Liam ist der erste der die Stille durchbricht. „Es tut weh. Jeden Tag, wenn ich die Augen öffne, beginnt der Schmerz von neuem. Und bisher gab es nichts, was ich dagegen tun konnte. Nachts habe ich nur Ruhe, weil ich ohne Medikamente nicht mal mehr einschlafen kann. Aber jetzt..."

Ja, es tut weh. Ich habe nicht mal nachts Ruhe. Aber Liams letzter Satz lässt mich leicht den Kopf heben. Seine Augen treffen auf meine, er hat verweinte Augen, doch ich sehe vermutlich nicht besser aus. „Was hat sich geändert?", frage ich vorsichtig. Nun ist es an mir ihm seine Wangen mit dem Ärmel meiner Strickjacke zu trocknen. Als ich meine Hand wieder wegziehen möchte, legt Liam seine darüber und schließt die Augen.

„Du...Du hast etwas geändert..." Was?! Wie soll ich, die bemitleidenswerte, psychisch labile Frau denn in seinem Leben etwas ändern?

Liam öffnet seine Augen wieder und muss über meinen fragenden Gesichtsausdruckleicht schmunzeln und diesmal erreicht es sogar seine Augen. „Deine Augen.... Schon in den letzten Tagen, wenn ich dich da oben am Fenster habe stehen sehen, wurde der Schmerz für einen kleinen Augenblick schwächer. Und als du eben draußen auf einmal neben mir gestanden hast... Ein Blick in deine großen braunen Augen und der Schmerz wird nach ganz hinten geschoben... verstehst du was ich meine?"

Ich nicke. Ja, ja ich weiß genau was er meint, denn ich fühle doch genau dasselbe.

Nur verstehen kann ich es nicht.

Uns beide verbindet etwas. Eine Grausamkeit des Schicksals.

Ein Arschtritt des Universums der uns zu Boden befördert und mit dem Gesicht in den Matsch gedrückt hat.

Doch jetzt scheint das Miststück es wieder gut machen zu wollen, indem es uns zusammenführt.

Mein Kopf schwirrt und irgendwie ist dieses Gefühl noch fruchtbarer als der mir so vertraute Schmerz in meinem Herzen.

Plötzlich spüre ich seine Lippen an meiner Schläfe. Von der Stelle an der er mich berührt breitet sich eine unglaubliche Wärme in mir aus und kurz schäme ich mich für dieses Gefühl, das mich langsam aber sicher übernimmt.

Aber nur kurz, denn im nächsten Moment liegen seine Lippenschon an meinem Hals. „Bitte Brooke...Hilf mir zu vergessen... lass mich dir helfen... dir den Schmerz nehmen, nur für ein paar Stunden..."

Seine Stimme ist Tränen erfüllt und wie schon vorhin als er mir einen Tee machen und mich aufwärmen wollte, scheint eine verzweifelte Hilflosigkeit in seiner Stimme mit. Und jetzt wird mir auch klar warum.

Bei Viola und seinem Kind konnte er nur danebenstehen und zusehen, wie er beide verliert. Ich kann es ihm nachempfinden. Wie hilflos ich mich gefühlt habe, als Matt in meinen Armen lag und jegliches Leben aus seinem Blick wich.

Und auch wenn es eigentlich so unendlich falsch ist, so verdammt falsch. Ich möchte genau das. Vergessen. Nur für ein paar Stunden einfach nur eine 25-jährige Frau sein, die ihr Leben genießt.

Deshalb lasse ich mich von Liam ganz auf seinen Schoß ziehen, meine Beine links und rechts neben seinen Hüften. Meine Hände liegen an seinem Hals, seine Arme sind um meine Taille geschlungen und so kann Liam mich noch näher an sich heranziehen, sodass unsere Oberkörper einander berühren. Unsere Lippen sind sich so nah, dass ich seinen heißen Atem auf den meinen spüren kann.

Der letzte Mann dem ich so nah war, ist tot. Matt war mein erster, mein Einziger. Der Mann, dem mein Herz gehört. Als er seine Augen für immer geschlossen hat, ging ein Teil von ihm mit mir. Und irgendwann werde ich an diesem Verlust endgültig zerbrechen, ich werde in meinem Schmerz versinken und mich eines Tages nicht mehr retten können.

Doch dieser Tag ist nicht heute. Nicht jetzt.

Dunkelheit in mir wird von einem kleinen Licht erhellt. So klein wie der Schein eines Glühwürmchens und doch hell genug um mir Hoffnung zu schenken. Hoffnung darauf, dass meine schmerzliche Trauer mich nicht vernichten wird. Dass das nicht mein Ende ist.

„Brooke..." Seine Worte kann ich auf meinen Lippen spüren, seinen heftigen Herzschlag spüre ich an meiner Brust. In seinen so unfassbar grünen Augen kann ich den selben tiefen Abgrund sehen wie in mir selbst.

Ich bin das Licht in seiner Dunkelheit.

Er ist das Glühwürmchen in meiner Finsternis.

Und auch wenn es Menschen gibt, die uns dafür verurteilen werden. Zwei Fremde in der Nacht. Verloren im Leiden der Vergangenheit. Vom Schicksal geschunden. Von einer anderen kraft zusammen geführt um einander zu retten.

Entschuldige Matt...

Ich überbrücke die letzten Millimeter die uns noch trennen und lege meine Lippen auf die des Mannes, der mich wieder fühlen lässt. Die Berührung ist zuerst ganz sanft und doch löst sie etwas in mir aus. Die Kälte die sich so lange in meinem Körper eingenistet hat, wird von einer Wärme erfüllt und es ist als wäre ich aus einem unendlich langen Winterschlaf in tiefer eisiger Kälte erwacht und kann endlich wieder die Wärme der Sonne auf meiner Haut spüren.

Diese Sonne heißt Liam und vertieft unseren Kuss. Mit angenehmem Druck bewegen sich unsere Lippen gegeneinander, sachte leckt er mit seiner Zunge über meine pochende Unterlippe. Ich fahre mit einer Hand in seine Locken und sie sind genauso weich wie sie aussehen. Seine dunklen Strähnen liegen zwischen meinen Fingern und als er meine Zunge auffordernd anstupst, kralle ich mich fester in seinen Schopf.

Liam zieht meine Hüften noch näher zu sich, so dass kein Blatt mehr zwischen uns passt. Meine Brüste werden gegen seine harte Brust gepresst und auch mein Bauch liegt fest an seinem. Was ich da spüre lässt die Frau in mir langsam aus ihrem tiefen Dornröschenschlaf erwachen.

Mit meinem Arm um seinen Nacken und der Hand in seinem Haar, ziehe ich Liam fester gegen meine Lippen, komme ihm mit meiner Zunge entgegen und genieße das Gefühl der Leichtigkeit das sich mit jeder Sekunde mehr und mehr in mir breitmacht.

Und als dann auch noch Liams große Hände von meinem Rücken zum Saum meines Tops wandern, sich vorsichtig suchend darunter bewegen und seine rauen Finger auf meine nackte Haut treffen, wird mein Verstand endgültig ausgeknipst.

Nach mehr als zwei Jahren fühle ich keine Trauer, keinen Schmerz, keine Alles verschluckende Finsternis.

Da gibt es nur diesen unglaublichen Mann unter mir und die wahnsinnig intensiven Empfindungen die er mit jeder seiner Berührungen auslöst.

Liam streicht mit seinen Händen nur ganz langsam immer weiter nach oben, verharrt immer wieder und liebkost meine erhitzte Haut.

Auch ich möchte seine Haut unter meinen Fingern spüren.

Also löse ich mich von seinem Haar und lasse meine Hände nach unten gleiten, streiche über seine Brust bis zum Saum seines Shirts. Dort schiebe ich meine Hände unter den Stoff, ertaste unglaublich weiche Haut und eine Menge Muskeln, die unter jeder meiner zarten Berührungen zucken und arbeiten.

Es fühlt sich so verflucht gut an, so gut, dass ich mehr möchte. Mehr Nähe, mehr Hautkontakt, mehr Freiheit.

Liam ergeht es nicht anders. Seine Hände finden ihren Weg bis zum Ansatz meiner Brust und als seine Finger dort ebenfalls auf blanke Haut treffen, zieht er scharf die Luft ein und löst keuchend seine Lippen von mir.

Was denkt der denn? Dass ich beim Schlafen einen BH trage?!

Mit geöffneten Lippen, zwischen denen sein Atem stockend hervor dringt schaut er mich fragend an, das Grün seiner großen Augen leuchtet viel dunkler als noch vorhin in der Einfahrt.

„Brooklyn...Wenn du doch lieber gehen willst..."

Ich unterbreche ihn indem ich nach dem Saum seines Shirts greife und es fordernd nach oben zieh. Liams Frage verschwindet aus seinen Augen und bereitwillig hebt er seine Arme.

Als das Shirt weg ist, betrachte ich ihn für einen Moment. Und verdammt, ich würde lügen, wenn ich sage, dass dieser Mann nicht unglaublich aussieht. Seine Muskeln sind noch viel ausgeprägter als ich es durch den jetzt nicht mehr störenden Stoff spüren konnte.

Hastig lecke ich mir über die Lippen, die schon im nächsten Moment wieder von Liam in Besitz genommen werden.

Meine Hände lasse ich auf seiner breiten Brust liegen, male nur mit den Fingerspitzen kleine Kreise. Liam lässt seine Hände noch weiter nach oben gleiten, bis er meine Brüste unter meinem Schlaftop umfassen kann. Diese Berührung ist mir eigentlich nicht fremd und doch fühlt es sich anders an als jemals zuvor. Seufzend beiße ich Liam leicht auf die Unterlippe und sein Griff wird ein wenig fester.

Doch auf einmal sind seine Hände verschwunden. Ehe ich ihn allerdings fragen kann, ob nicht er es sich anders überlegt hat, legt er einen Arm um meinen Rücken, den anderen schiebt er unter meinen Po.

Mit einem Ruck steht er mit mir zusammen au und schnell schlinge ich Arme und Beine um ihn, aus Angst ich könnte fallen. Doch irgendetwas tief in mir sagt mir, dass selbst wenn ich falle, Liam da ist um mich aufzufangen.

Unsere Lippen trennen sich kein Stück voneinander, auch unsere Körper verschmelzen beinahe miteinander.

Mit langsamen aber sicheren Schritten bewegt sich Liam mit mir in seinen Armen durch sein Haus. Erst als ich eine weiche Matratze unter mir spüre weiß ich wo wir sind.

Sachte legt er mich auf seinem Bett ab, beugt sich über mich. Dabei kitzeln seine Locken mich im Gesicht und mir entweicht unkontrolliert ein kleines Kichern. Liams Augen werden groß. „Mach das nochmal..." Fragend ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Ich habe doch gar nichts gemacht?!

Doch dann beugt er sich wieder näher zu mir und wieder berühren seine Locken leicht meine Stirn, was mich erneut kichern lässt.

„Das klingt schön...solltest du öfter machen...", raunt er mit einem Lächeln, das meine Welt noch heller werden lässt.

Doch für ein erneutes Kichern lässt Liam mir gar keine Zeit, denn schon einen Augenblick später verschließt er meine Lippen und schiebt wieder eine Hand unter mein Top. Mit der anderen stützt er sich neben meinem Kopf ab, streicht nur hin und wieder federleicht mit den Fingerspitzen über meine Schläfe, meine Wange bis hin zu meinem Hals und wieder zurück.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, doch irgendwann greift Liam nach dem Saum meines Tops und schaut mich kurz fragend an. Als Antwort hebe ich meinen Oberkörper ein wenig, sodass er leichter den dünnen Stoff nach oben schieben kann. Erst über meinen Bauch, dann meine Brüste und letztendlich über meinen Kopf. Dabei löst sich auch der letzte Rest von meinem Dutt und meine rotbraunen Haare ergießen sich wie ein Wasserfall auf die Kissen.

Fasziniert fährt Liam mit seinen Fingern durch meine lange Mähne, die mir dank der zwei Jahre Vermeidung jeglicher unnötigen Kontakte zu Außenstehenden mittlerweile bis zu meinem Po reicht.

Ganz vorsichtig kommt er mir wieder immer näher, eine Hand an meiner Wange.

„Letzte Chance... Danach ist die Vergangenheit vergangen und es gibt nur noch dich und mich..."

Ich kann in seiner Stimme hören, dass er genauso vergessen möchte wie ich. Und für einen Rückzieher ist es jetzt zu spät. Viel zu sehr bin ich schon von dieser Wärme erfüllt, die mir Liam schenkt, viel zu sehr genieße ich das Gefühl der Freiheit, dass mir vor zwei Jahren so gewaltsam entrissen worden ist.

Deshalb greife ich wieder in sein Haar, ziehe ihn an seinen wirren Locken zu mir herunter und küsse ihn. Von hier an gibt es kein Zurück.

„Hilf mir... lass mich vergessen..." Mit diesen Worten besiegle ich mein Schicksal für diese Nacht. Vielleicht auch für mehr.

Was auch immer zwischen Liam und mir werden wird, jetzt und hier gehören wir nur einander. Die Vergangenheit existiert in diesem Moment nicht mehr, aller Schmerz und alle Trauer sind ausgelöscht.

Andere werden uns für verrückt halten, uns mit Unverständnis begegnen und uns vermutlich keine positiven Gefühle entgegenbringen.

Doch niemand von ihnen versteht uns. Keiner von ihnen weiß, was wir durchgemacht haben, wie es in uns aussieht.

Doch das zählt alles nicht. Nicht hier, nicht jetzt.

In diesen gemeinsamen Stunden sind wir nicht mehr zwei Seelen, zerbrochen an der Grausamkeit des Lebens. Unsere Herzen schlagen nicht mehr träge und von Schmerz erfüllt.

In unseren gemeinsamen Stunden sind wir einfach Liam und Brooke, zwei Menschen, vom Schicksal zusammengeführt, um einander den nötigen Halt, die nötige Kraft zu geben, endlich aus der Dunkelheit zu entkommen und endlich wieder zu leben.

Was gestern war, ist vergangen. Was morgen kommt, ist unbekannt. Nur dasheute zählt. Und mein Heute ist Liam.

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