9. Kapitel - Willkommen in Dallas

Ich fühlte mich leicht. Ich wirbelte durch die Luft und schloss lächelnd die Augen. Das Gefühl von Schwerelosigkeit war berauschend. Ich öffnete wieder die Augen und betrachtete meine unnatürliche Umgebung. Alles war blau. Alles wirbelte um mich herum.

Es könnte bedrohlich sein, aber mein Kopf war sorgenfrei. Wie leergefegt.

Ein Sog riss mich aus meinen rosa Gedanken. Ein helles Licht tauchte vor mir auf und auf einmal fühlte ich mich nicht mehr schwerelos. Nein! Wie ein Komet stürzte ich auf dieses grelle Licht zu.

Die Farben um mich veränderten sich. Orange Töne mischten sich mit dem Blau und plötzlich raste ich nicht mehr auf ein Licht zu.

Kreischend legte ich meine Hände schützend vor mein Gesicht und machte mich auf den Aufprall gefasst. Der kam auch recht schnell und ich gab ein dumpfes Geräusch von mir, als mir alle Luft aus der Lunge gepresst wurde.

Mein Schädel brummte und ich hatte ein beunruhigendes Klingeln in den Ohren. Blinzelnd blickte ich auf, nur um im letzten Moment ein verschwindendes Portal zu erkennen.

Wie ein Blitz kamen die Erinnerungen zurück und ein scharfer Schmerz schnitt mir durch den Kopf. Schnell presste ich meine Handfläche gegen meine rechte Schläfe und kniete mich auf. Langsam schaffte ich es auch mich aufzurichten und blickte mich um.

Ich befand mich in einer Gasse. Zwei hohe Ziegelgebäude warfen noch lange Schatten und tauchten die Gasse in ein dunkles Licht. Vereinzelt befanden sich ein paar Mülleimer an den Wänden verteilt und die Gasse führte zu einem anderen alten Ziegelgebäude. Ansonsten war sie mit einer Straße verbunden.

Doch ein wichtiges Detail war mir entgangen. Ich war allein. Verwirrt blickte ich mich um und drehte mich im Kreis. „Fünf? Diego? Klaus?", wisperte ich fragend. Ich traute mich nicht zu laut zu werden. Ich starrte die Mülleimer in den Boden. Wie als könnten sich alle einfach dahinter verstecken und laut „Überraschung" rufen.

Leicht schüttelte ich den Kopf und nahm endlich wieder meine Hand von der Schläfe. Wo war ich? Ich ging auf die Straße zu, nur um gleich wieder irritiert stehen zu bleiben. Dieser Ort wirkte nicht richtig. Die Autos waren alt und die wenigen Menschen, die ich sah, waren anders gekleidet. Und von den Frisuren wollte ich erst gar nicht anfangen.

Noch bemerkte mich keiner. Die Sonne ging erst auf und nur wenige Menschen gingen die Straße entlang.

Ich holte einmal tief Luft und ging weiter. Suchte nach einem Hinweis. Etwas was mir verriet, wo ich mich befand. Mein suchender Blick, blieb an einer Parkbank hängen. Eine Zeitung lag darauf, weswegen ich schnell dort hin joggte.

Zwei wichtige Informationen befanden sich gleich auf der Titelseite. Dallas News. Der Name der Zeitung. Ich befand mich also in Dallas. Damit konnte ich arbeiten. Vor ein paar Jahren war ich schon mal in Dallas gewesen. Doch eine Kleinigkeit verunsicherte mich etwas. Das Datum. Ich hätte mich wohl eher wundern sollen, wann ich mich befand.

Verzweifelt setzte ich mich auf die Bank und starrte mit offenem Mund auf das ergraute Papier. Heute war der 16. April 1960.

Blinzelnd ließ ich die Zeitung zu Boden fallen. Ein Instinkt in mir sagte, einfach mich zu verkriechen und warten bis alles vorbei war. Ich bekam das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und hielt die Luft an. Doch auch das konnte meine Panik nicht ganz auflösen. Verzweifelt stopfte ich meine Hände in meine Jackentaschen und verkrampften sie.

Doch meine rechte Hand schloss sich um einen kühlen metallenen Gegenstand. Vorsichtig zog ich Diegos Messer hervor und musterte es. Meine Hand schloss sich so krampfhaft darum, dass meine Knöchel weiß wurden.

Braune Augen blitzten vor meinem inneren Auge auf und ich konnte wieder ausatmen. Immer noch auf das Messer starrend erhob ich mich und zitterte leicht. Langsam ließ ich das Messer wieder sinken und steckte es zurück in die Jacke.

Wenn Messer so beruhigend waren, warum hatte dann nicht jeder welche?

Mehrere wichtigere Fragen huschten mir in den Kopf.

Wo waren die anderen? Was war schief gelaufen? Was zum Teufel sollte ich jetzt tun?

Ich fuhr mir durch die Haare und ließ meinen Blick durch die Straßen wandern. Wo sollte ich hingehen? Meine Entscheidung wurde mir von einem Mädchenschrei abgenommen.

Automatisch setzte ich mich in Bewegung und rannte auf das Geräusch zu. Ich gelangte in einer andere Seitengasse und entdeckte eine junge Frau am Boden liegen. Über ihr stand ein Mann, etwa in meinem Alter und hatte ein langes Küchenmesser in der Hand. Die Frau hatte einen Schnitt an der Stirn und ihre langen blonden Locken standen wirr in alle Richtungen ab.

„Hilfe", weinte sie, als sie mich entdeckte. Auch der Mann bemerkte mich und ein ekelhaftes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Ich schluckte und versuchte mich an die wenigen Lektionen von Diego zu erinnern.

„Lass sie in Ruhe", sprach ich leider nicht so fest, wie ich eigentlich beabsichtigt hatte und stürmte auf den Mann zu. Der holte mit dem Messer nach mir aus, ich ahnte dies aber und wich zur rechten Seite aus. Danach trat ich ihm in die Kniekehle und wandte mich der Frau zu. „Lauf"

Mehr musste ich nicht sagen. Die Frau rappelte sich auf und rannte davon, während ich einem weiteren Angriff auswich. Schmerzen zeigten mir, dass ich wohl doch nicht so gut ausgewichen war. Ich landete am Boden und griff automatisch nach der Stelle, wo der Mistkerl mich mit seiner Faust getroffen hatte.

In kürzester Zeit kauerte der Kerl über mir und grinste mich fies an. „Dieses Risiko hättest du nicht eingehen sollen"

Zu verwirrt über seine Wortwahl, sah ich die nächste Faust auch nicht kommen. Ich spürte noch den Aufschlag auf meinem Kiefer, bevor ich komplett ausgeknockt wurde.

Stöhnend kam ich wieder zu Bewusstsein. Mein Kiefer schmerzte und meine Augenlider waren so schwer wie Blei. Erst beim dritten Versuch schaffte ich es meine Augen zu öffnen. Jedoch brachte dies mir auch nicht viel.

Der Raum war stockfinster. Ich konnte zwar ein paar Umrisse ausmachen, aber nicht wo ich mich befand. Wenigstens lebte ich noch. Ich war an einem Stuhl gefesselt. Das konnte ich zwar nicht sehen, aber dafür umso besser spüren. Die Schnüre schnitten sich in meine Handgelenke und ich hatte das Freizappeln sehr schnell aufgegeben. So eine große Schmerzgrenze hatte ich nicht.

Ein Lichtstrahl brachte mich zum Aufschauen. Eine Tür rechts neben mir ging auf. Schnell drehte ich meinem Kopf zur Seite, um die Männer zu mustern. Es waren vier. Zwei breit gebaute und zwei eher schlanke. Die muskulösen stellten sich zur Tür und schienen sie zu bewachen. Als ob ich auch in der Lage wäre zu fliehen. Der dritte flüsterte etwas und lehnte sich dann gegen die Wand links von mir. Und der vierte kam direkt zu mir.

Schluckend sprach ich: „Wieso bin ich hier?" Meine Stimme hatte einen zitternden Unterton, der meine Angst verriet. Wo waren bloß Diego und Fünf? Wo war überhaupt irgendwer von der Academy?

„Wir wollen nur ein paar Informationen. Was hat er vor?"

Verwirrt musterte ich den Kerl vor mir. Er hatte strohiges Haar und wässrige Augen. Aber in ihnen blitzte ein Wahnsinn auf, der mich einknicken hätte lassen, wäre ich nicht an einen Stuhl gefesselt. „Wer?"

Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, als er mit der Faust ausholte und mir ins Gesicht schlug. Die Wucht schleuderte mein Gesicht nach rechts und ich schrie auf. „Also noch einmal. Was will er?", fragte der Kerl wieder

Meine Augen tränten und ein stechender Schmerz deutete auf einen geprellten Wangenknochen hin. „Ich hab keine Ahnung von wem Sie reden", wimmerte ich und blickte vorsichtig auf. Mein Peiniger wechselte einen Blick mit dem Typen links von mir und seufzte dann.

„Du arbeitest nicht für Phlox?" Schnell schüttelte ich mit dem Kopf. Er seufzte wieder. „Und du hast dich einfach nur aus Dummheit eingemischt?" Vorsichtig nickte ich wieder. „Wer bist du dann?" Eine harmlose Frage. Normalerweise. Aber er blickte mich so eindringlich an. Ich wusste, dass wenn ich keine gute Antwort hätte, ich diese Raum nicht mehr lebendig verlassen würde.

Also schluckte ich und sprach: „Ich bin Ärztin und bin gerade auf der Durchreise" Der Mann vor mir machte eine ruckartige Bewegung, weswegen ich schnell meine Augen zusammenkniff. Aber der erwartete Schlag kam nicht.

„Ärztin. Soso. Hast du auch einen Namen?"

„Kate"

„Gut Kate. Ich mach dir jetzt einen ganz einfachen Vorschlag. Wegen dir haben wir eine wichtige Person verloren. Und du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Du arbeitest für uns als Ärztin und machst deine Schuld wieder gut, oder ich schlitz dich auf und lasse dich auf Dallas Straßen ausbluten. Deine Entscheidung"

Da war es wieder. Das wahnsinnige Glitzern. Ich musste nicht lange nachdenken. Die anderen würden kommen. Sie würden mich retten.

„Ich schließe mich euch an!"

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